Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 17.10.2018


BGH 17.10.2018 - IV ZR 163/17

Versorgungsausgleich betr. Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Kürzung einer betrieblichen Zusatzrente bei Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegattens


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
17.10.2018
Aktenzeichen:
IV ZR 163/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:171018BIVZR163.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Karlsruhe, 19. Mai 2017, Az: 12 U 136/16, Urteilvorgehend LG Karlsruhe, 5. August 2016, Az: 6 O 107/16nachgehend BGH, 18. Dezember 2018, Az: IV ZR 163/17, Revision zurückgewiesen
Zitierte Gesetze
Art 3 Abs 1 GG
Art 14 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2017 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten des Klägers zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert: bis 10.000 €

Gründe

1

Der Kläger wendet sich dagegen, dass seine von der Beklagten bezogene Zusatzrente infolge eines Versorgungsausgleichs gekürzt wird, obwohl seine ausgleichsberechtigte frühere Ehefrau bereits verstorben ist, ohne die ihr übertragene Anwartschaft je in Anspruch genommen zu haben.

2

I. Die Beklagte gewährt Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes privatrechtlich eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung.

3

Der Kläger bezieht nach Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren seit dem 1. November 2012 von der Beklagten eine Betriebsrente, die infolge einer monatlichen Kürzung um 189,53 € zunächst 1.056,43 € betrug. Der Kürzung lag zugrunde, dass der seit dem 20. März 1981 verheiratete Kläger mit Urteil vom 21. Oktober 1999 geschieden worden war und das Familiengericht im Wege des Versorgungsausgleichs zu Lasten der Versorgungsanwartschaft des Klägers bei der Beklagten auf dem Versicherungskonto seiner früheren Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 75,77 € bezogen auf die Ehezeit begründet hatte.

4

Die geschiedene Ehefrau des Klägers verstarb am 20. Juni 2004, ohne selbst jemals Rente bezogen zu haben.

5

Anders als die Betriebsrente des Klägers wird seine gesetzliche Altersrente nicht gekürzt. Seinen Antrag vom 28. Oktober 2013, auch bei der Betriebsrente keine Kürzung vorzunehmen, lehnte die Beklagte vorgerichtlich ab.

6

Der Kläger hält diese Kürzung für rechtswidrig und hat sich zudem gegen deren Berechnung nach der so genannten Rückrechnungsmethode (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. Januar 2018 - IV ZR 262/16, NJW 2018, 1163 Rn. 6, 23 ff.) gewandt.

7

Er hat - neben einer im Laufe des Rechtsstreits nicht weiterverfolgten Auskunft über Rentenzahlungen an seine frühere Ehefrau (ehemals Klageantrag zu 1) - zunächst die Auszahlung des in der Zeit vom 1. November 2010 bis 31. Dezember 2015 einbehaltenen Kürzungsbetrages (7.202,14 €, Klageantrag zu 2), ferner das Unterlassen der Kürzung seiner Betriebsrente (Klageantrag zu 3), hilfsweise die Aufnahme einer ihn begünstigenden Härtefallregelung in die Satzung der Beklagten (Hilfsantrag zu 4) und dazu hilfsweise die Berechnung der Rentenkürzung nach der so genannten Hochrechnungsmethode (Hilfsantrag zu 5; vgl. auch dazu Senatsurteil vom 10. Januar 2018 aaO Rn. 20, 36 ff.) verlangt.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen hat das Oberlandesgericht lediglich dem (ursprünglichen) Hilfsantrag zu 5 auf Neuberechnung der Betriebsrentenkürzung im Wesentlichen stattgegeben. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers greift diese Entscheidung über den Hilfsantrag zu 5 nicht an, sondern wendet sich allein gegen die Zurückweisung der Berufung.

9

II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt (VersR 2017, 1194), der Tod der Ausgleichsberechtigten sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §§ 32, 37 VersAusglG kein Grund, die Betriebsrentenkürzung beim Ausgleichspflichtigen entfallen zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13, BVerfGE 136, 152; BGH, Beschlüsse vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12, NJW 2013, 226; vom 15. Juli 2014 - IV ZR 261/14, FamRZ 2015, 50; vom 11. Februar 2015 - IV ZR 276/14, NJW-RR 2015, 711; BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2012 - 8 B 6/12, FamRZ 2012, 1565). Neue Aspekte zeige die Berufung des Klägers insoweit nicht auf. Einen Anspruch auf Änderung der Satzung der Beklagten habe er nicht. Es lägen auch jenseits der vom Gesetzgeber bereits in den §§ 32, 37 VersAusglG erfassten abstrakt-typisierenden Umstände beim Kläger keine besonderen Umstände vor, kraft derer gemäß § 242 BGB eine Rentenkürzung unterbleiben müsste. Begründet sei allein seine Beanstandung der Berechnung der Rentenkürzung.

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III. Die Revision des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen sind im Übrigen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt; dies gilt auch für die früher streitige Frage der Berechnung des Kürzungsbetrages, auf die sich die Revision zu Recht nicht erstreckt, die für das Berufungsgericht Anlass für die Zulassung der Revision war (siehe dazu Senatsurteil vom 10. Januar 2018 - IV ZR 262/16, VersR 2018, 206 ff.). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen damit nicht vor.

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1. Soweit § 32 VersAusglG die unter anderem von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von der Anwendung der §§ 33 bis 38 VersAusglG und damit auch von der in § 37 VersAusglG geregelten Rentenanpassung wegen Todes eines ausgleichberechtigten Ehegatten ausnimmt, haben das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 136, 152 Rn. 32 ff.) und der Bundesgerichtshof (Beschlüsse vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12, NJW 2013, 226; vom 15. Juli 2014 - IV ZR 261/14, FamRZ 2015, 50; vom 11. Februar 2015 - IV ZR 276/14, NJW-RR 2015, 711) bereits geklärt, dass dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist und insbesondere nicht gegen die Grundrechte der Versicherten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG verstößt. Entscheidend ist - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere auch, dass diese Grundsätze unabhängig davon gelten, ob die ausgleichsberechtigte Person aus dem übertragenen Anrecht wegen Vorversterbens keine Versorgung bezogen hat (BVerfG aaO Rn. 5, 40 f.).

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a) Den einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Rahmen des dem Gesetzgeber eröffneten Gestaltungsspielraumes ausschließenden hinreichenden Sachgrund hat das Bundesverfassungsgericht (aaO Rn. 71 ff.) in der legitimen Unterscheidung zwischen den vorwiegend durch Solidarelemente geprägten Regelsicherungssystemen und den stärker an ökonomischen Gesichtspunkten orientierten Zusatzversorgungssystemen gesehen. Es hat angenommen, § 32 VersAusglG fülle diese gesetzgeberische Unterscheidung inhaltlich nachvollziehbar dahingehend aus, dass Geschiedene in der Hauptversorgung durch wechselseitige Lastentragung gegen Nachteile individuell ungünstiger Versicherungsverläufe gesichert würden, während bei der Zusatzversorgung der Vermeidung zusätzlicher Kosten aus Anpassungsleistungen und Verwaltungsaufwand Vorrang gegeben werde (BVerfG aaO Rn. 73).

13

Die Revision versucht vergeblich, der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts mit der Forderung entgegenzutreten, die Zusatzversorgung hinsichtlich der Rentenanpassung allein nach den für die Regelversorgung geltenden Maßstäben zu behandeln. Der Senat sieht insoweit keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 136, 152 Rn. 32 ff.) und des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12, NJW 2013, 226; vom 15. Juli 2014 - IV ZR 261/14, FamRZ 2015, 50; vom 11. Februar 2015 - IV ZR 276/14, NJW-RR 2015, 711) abzuweichen.

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Das gilt auch, soweit die Revision meint, ein Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) ergebe sich aus einer Schlechterstellung geschiedener Versicherter gegenüber Ledigen und Verheirateten. Zu Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass ledige Versicherte hier schon deshalb nicht als Vergleichsgruppe herangezogen werden können, weil für sie ein Versorgungsausgleich von vornherein nicht in Betracht kommt. Die durch die gesetzlichen Regelungen über den Versorgungsausgleich bewirkte Ungleichbehandlung von Geschiedenen und Verheirateten hat das Bundesverfassungsgericht erkannt und erwogen, darin jedoch keinen Verstoß gegen Art. 14 GG oder das Gleichbehandlungsgebot gesehen (vgl. BVerfGE 136, 152 Rn. 35 ff.). Die Revision hält lediglich die vom Bundesverfassungsgericht als sachgerecht eingestufte Unterscheidung im Widerspruch dazu für sachfremd. Insoweit hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts indes eine Klärung herbeigeführt, von der abzurücken der Senat keinen Anlass sieht.

15

Auch soweit die Revision gestützt auf frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Versorgungsausgleich (BVerfGE 53, 257, 301) darzulegen versucht, die Regelung in § 32 VersAusglG verstoße wegen Fehlens einer Härtefallregelung gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wendet sie sich lediglich dagegen, dass das Bundesverfassungsgericht auch dies in seinem Beschluss vom 6. Mai 2014 (BVerfGE 136, 152 Rn. 52) bereits erwogen und entsprechende Härteregelungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr für geboten erachtet hat.

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b) Auch die Darlegungen der Revision zu einem vermeintlichen Verstoß der §§ 32, 37 VersAusglG gegen Art. 14 Abs. 1 GG erschöpfen sich darin, den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (aaO Rn. 33-64) zu widersprechen. Gründe, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat nicht.

17

2. Aus den vom Bundesverfassungsgericht umfassend dargelegten Erwägungen folgt weiter, dass auch ein Grundrechtsverstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ausscheidet. Der Kläger musste vielmehr seit Schaffung des Versorgungausgleichs im Jahre 1977 für den Fall einer Scheidung mit der Übertragung von Rentenanwartschaften auf eine von ihm geschiedene Ehefrau rechnen. Da die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes versicherungsrechtlichen Regelungen folgt, musste er auch damit rechnen, dass insoweit im Scheidungsfalle ein von seiner Versorgungsanwartschaft unabhängiges Anrecht der ausgleichsberechtigten Ehefrau begründet würde, das sich fortan als selbständiges Versicherungsrisiko allein auf die Person und Lebenszeit der Ausgleichsberechtigten bezog (vgl. dazu BVerfGE 136, 152 Rn. 40).

18

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Aufnahme einer Härtefallregelung in die Satzung der Beklagten mit der Erwägung verneint, es bedürfe einer solchen Satzungsergänzung auch dann nicht, wenn sich der Fall des Klägers als unzumutbare Härte erwiese. Das beruht darauf, dass der Grundsatz von Treu und Glauben das gesamte Rechtsleben (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. Dezember 1978 - IV ZR 129/77, VersR 1979, 173 unter II [juris Rn. 33]) und in besonderem Maße das Versicherungsverhältnis in der Weise beherrscht (vgl. nur Senatsurteile vom 17. April 2002 - IV ZR 89/01, VersR 2002, 831 unter 2 [juris Rn. 12]; vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98, VersR 2000, 171 unter I 4 b [juris Rn. 23]; st. Rspr.), dass ihm auch jenseits der in Allgemeinen Versicherungsbedingungen getroffenen Regelungen Geltung verschafft werden kann und muss. Läge im Falle des Klägers infolge besonderer Umstände, die über die gesetzgeberische Entscheidung, unter anderem die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes von der Anpassungsregelung des § 37 VersAusglG auszunehmen, hinausgehen, eine besondere, unzumutbare Härte vor, könnte dem auch ohne ausdrückliche Härtefallregelung in der Satzung der Beklagten Rechnung getragen werden.

19

Das Berufungsgericht hat einen solchen Härtefall jedoch mit einer revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Begründung verneint. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten bezieht der Kläger monatlich insgesamt Rentenzahlungen in Höhe von 3.066,07 €. Der bisher von der Beklagten nach der so genannten Rückrechnungsmethode errechnete monatliche Kürzungsbetrag von 189,53 € wird sich infolge der Teilrechtskraft der Entscheidung des Berufungsgerichts durch Berechnung nach der Hochrechnungsmethode rückwirkend zum Rentenbeginn maßgeblich verringern. Schon vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keine besonderen Umstände für die Annahme einer unzumutbaren Härte gesehen hat.

Mayen     

        

Felsch     

        

Harsdorf-Gebhardt

        

Lehmann     

        

Dr. Bußmann