Entscheidungsdatum: 24.10.2012
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 29. Juni 2011 durch Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen
vier Wochen.
I. Der Kläger, der bei der Beklagten seit 1986 eine private Krankenversicherung unterhielt, diese mit Schreiben vom 29. Juni 2009 zum Jahresende kündigte und eine neue Krankenversicherung im Volltarif bei einem anderen privaten Krankenversicherer abschloss, begehrt von der Beklagten die Auszahlung der angesparten Alterungsrückstellungen an den neuen Krankenversicherer.
Er vertritt die Auffassung, die Regelung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VVG, die eine solche Übertragung nur bei einem Wechsel in den Basistarif vorsehe, sei unter Berücksichtigung seiner Grundrechte aus Art. 2, 3 und 14 GG sowie des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verfassungskonform dahin auszulegen, dass ihm der Anspruch auf Auszahlung der gesamten Alterungsrückstellungen auch beim Wechsel in den Volltarif eines anderen Versicherers zustehe. Für eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Versicherungsnehmern, die in den Basistarif wechselten, bestehe kein sachlicher Grund.
Hinsichtlich der ursprünglich ebenfalls begehrten Auszahlung der angesparten Alterungsrückstellungen im Rahmen der privaten Pflegeversicherung haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte den entsprechenden Betrag noch vor Klagezustellung an den neuen Versicherer überwiesen hat.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor; die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Der Rechtssache kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu.
a) Dafür genügt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass zu der Frage, ob die Regelung in § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VVG Grundrechte der in einen Volltarif bei einem anderen Versicherer wechselnden Versicherungsnehmer verletzt, eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung noch nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (Senatsbeschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, NVwZ-RR 2010, 572; BGH, Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181, 191 jeweils m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie in der Rechtsprechung und/oder der Literatur und/oder den beteiligten Verkehrskreisen kontrovers diskutiert wird und die Rechtsprechung noch keine Klärung herbeigeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 aaO; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2 a).
b) Dass diese Voraussetzungen erfüllt sein könnten, wird weder im Berufungsurteil noch in der Revisionsbegründung dargelegt und ist auch sonst nicht erkennbar.
aa) Die nach der Einführung einer teilweisen Portabilität der Alterungsrückstellungen geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Grundrechte der betroffenen Versicherungsunternehmen hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 10. Juni 2009 zurückgewiesen (BVerfGE 123, 186, 252 ff.). Es hat zugleich die Verfassungsbeschwerden zweier privat krankenversicherter Einzelpersonen, die sich unter anderem auch gegen die Regelung des § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VVG richteten (BVerfGE 123, 186, 231), bereits als unzulässig angesehen und dazu ausgeführt, dass eine Verletzung von Art. 14 GG ausscheide, weil die angegriffene Vorschrift die Beschwerdeführer rechtlich ausschließlich begünstige, indem sie ihnen ein zusätzliches, vertragliches Recht einräume (BVerfGE aaO).
bb) Des Weiteren spricht nichts dafür, dass sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung noch in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen könnte. Seine gegenteilige Behauptung hat das Berufungsgericht nicht näher begründet. Zu berücksichtigen ist, dass die Vorschrift auch die Möglichkeit zur Kündigung der Krankenversicherung unter gleichzeitiger Mitnahme eines Teils der kalkulierten Alterungsrückstellung bei gleichzeitigem Wechsel in den Basistarif eines anderen Versicherers nur für den sehr begrenzten Zeitraum von sechs Monaten, nämlich im ersten Halbjahr 2009, geschaffen hat. Dass sich in diesem Zeitraum zahlreiche Versicherte entschlossen haben, in den Volltarif zu einem anderen Krankenversicherer zu wechseln, um - gestützt auf einen vermeintlichen Verfassungsverstoß wegen einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung - gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut einen Anspruch auf Mitnahme ihrer Alterungsrückstellungen geltend zu machen, ist nicht ersichtlich. Der vom Berufungsgericht selbst angeführte Umstand, dass es bislang nicht einmal eine andere obergerichtliche Entscheidung zu der Frage gibt, spricht ebenfalls gegen eine solche Annahme. Für die Zukunft sind vergleichbare Fälle wegen der zeitlich befristeten Ausnahmeregelung ohnehin nicht mehr denkbar.
cc) Schließlich ist die Frage nicht klärungsbedürftig, weil sie im Hinblick auf Art. 14 GG durch die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geklärt und der behauptete Verstoß gegen Art. 3 GG nicht entscheidungserheblich ist.
Müsste § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VVG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig angesehen werden, dürfte er - nach einer entsprechenden Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht - nicht mehr angewendet werden (BVerfG NJW 1986, 2487, 2494 m.w.N.). Es bestünde dann mangels entsprechender Anspruchsgrundlage ebenfalls kein Anspruch des Klägers auf die begehrte Auszahlung der Alterungsrückstellungen. Es gäbe vielmehr keine Portabilität der kalkulierten Alterungsrückstellungen aus bestehenden Altverträgen beim Wechsel zu einem anderen Versicherer. Dies entspräche der früheren Rechtslage unter Geltung des § 178 f VVG a.F. (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. April 1999 - IV ZR 192/98, VersR 1999, 877).
Eine - vom Kläger erstrebte - verfassungskonforme Auslegung der Norm dahin, dass der Anspruch auch dann besteht, wenn ein neuer Krankenversicherungsvertrag zum Volltarif abgeschlossen wird, scheidet dagegen aus. Eine derartige Auslegung würde sich in Widerspruch zu dem eindeutigen Wortlaut und dem darin zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers setzen, der mit der Einführung einer teilweisen Portabilität eine wettbewerbliche Situation gerade nur bei dem Wechsel in den Basistarif schaffen wollte - hierin findet die darin liegende Belastung der Versicherer ihre Legitimation (vgl. BVerfGE 123, 186, 261). Eine einschränkende Auslegung findet jedoch dort ihre Grenze, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 18, 97, 111).
Dass der Gesetzgeber sich zum Schutz des Altbestandes von Verträgen der Versicherer bewusst für die Beschränkung der Portabilität bei einem Wechsel in den Basistarif entschieden hat, wird in der Begründung zu § 12g VAG im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) (BT-Drucks. 16/3100 S. 208) deutlich. Dort ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Einführung der Portabilität der Alterungsrückstellungen zur Gefahr einer Risikoentmischung des Bestands eines Krankenversicherers führe. Diese Risikoverschiebungen könnten jedoch bei unternehmensübergreifenden Wechseln von Versicherten des Basistarifs durch einen Risikoausgleich ausgeglichen werden. Dieser erforderliche Risikoausgleich erfasse nur den Basistarif, weil nur insoweit ein Kontrahierungszwang und ein standardisiertes Produktangebot bestünden.
2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
a) Darüber, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ein Anspruch auf Übertragung der Alterungsrückstellungen nur bei einem Wechsel in den Basistarif eines anderen Versicherers vorgesehen ist, besteht kein Streit.
b) Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung aber auch insoweit stand, als das Berufungsgericht ausgeführt hat, dass sich auch unter Berücksichtigung der Grundrechte des Klägers aus Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kein anderes Ergebnis ergibt. Abgesehen davon, dass selbst ein etwaiger Verstoß der Regelung gegen Art. 3 GG nicht zu dem von dem Kläger gewünschten Ergebnis führen würde (s.o. unter 1. b) cc)), liegen auch keine Verfassungsverstöße vor.
aa) Eine Verletzung von Rechten des Klägers aus Art. 14 GG durch die angegriffene Regelung scheidet schon deshalb aus, weil ein Recht auf einen Wechsel des Versicherers unter Mitnahme von kalkulierten Alterungsrückstellungen auch zuvor nicht bestanden und zum Vermögen des Klägers gehört hat. Vielmehr ist ein solcher Anspruch in begrenztem Umfang und unter zusätzlichen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen erstmalig begründet und damit die Rechtsposition der Versicherten erweitert worden (BVerfGE 123, 186, 231). Diese Feststellung des Bundesverfassungsgerichts impliziert, dass auch die zuvor bestehende Rechtslage als verfassungsgemäß anzusehen und ein Anspruch auf Mitnahme der Alterungsrückstellung zu einem anderen Versicherer nicht von Verfassungs wegen geboten war. Damit scheidet auch ein Verstoß gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch den Umstand, dass eine solche Mitnahme bei einem Wechsel des Krankenversicherers nicht oder nur eingeschränkt ermöglicht wird, aus.
bb) Die Beschränkung der befristeten Möglichkeit, beim Wechsel des Krankenversicherers kalkulierte Altersrückstellungen auch bei Kündigung eines Altvertrages auf den neuen Versicherer übertragen zu lassen, auf die Fälle des Abschlusses des neuen Vertrages im Basistarif verstößt des Weiteren nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Zwar ist den Versicherungsnehmern, die einen neuen Vertrag bei einem anderen Versicherer im Normaltarif abschließen, dieser Anspruch nicht eingeräumt worden. Dass der Gesetzgeber damit den Wechsel in den Normaltarif eines anderen Unternehmens unattraktiver ausgestaltet hat als den Wechsel in den Basistarif, ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Zum einen entspricht es dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, gerade beim Wechsel in den Basistarif eine wettbewerbliche Situation zu schaffen (vgl. BVerfGE 123, 186, 261). Vor allem aber ist es durch die Berücksichtigung der Grundrechte der betroffenen Versicherungsunternehmen legitimiert.
Die Einführung einer teilweisen Portabilität der Alterungsrückstellungen auch für Altverträge durch § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b VVG greift in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte berufsbezogene Vertragsfreiheit der betroffenen Versicherungsunternehmen ein (BVerfGE 123, 186, 259 f.). Dieser Eingriff ist seinerseits deshalb gerechtfertigt, weil es sich dabei um eine lediglich gering belastende Berufsausübungsregelung handelt (BVerfGE aaO), was wiederum wesentlich darauf beruht, dass die Mitnahme eines Teils der Alterungsrückstellung lediglich in den Basistarif ermöglicht wird, für den durchschnittlichen Versicherten in der privaten Krankenversicherung deshalb ökonomisch in der Regel nicht interessant ist und deshalb keine wesentliche Verbesserung seiner Wahl- und Wechseloptionen bedeutet, so dass der Gesetzgeber die Gefahr einer starken Abwanderung von Versicherten mit guten Risiken im ersten Halbjahr 2009 als gering einschätzen durfte (BVerfG aaO S. 260 f.).
c) Nicht zu beanstanden ist schließlich die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts, soweit diese auf § 91a ZPO beruht. Die Annahme, dass die Beklagte bezüglich der Übertragung der Alterungsrückstellungen für die private Pflegeversicherung gemäß § 204 Abs. 2 VVG keine Veranlassung zur Klage gegeben habe (§ 93 ZPO), ist frei von Rechtsfehlern. Die Begründung des Berufungsurteils in diesem Punkt trifft zu; eine weitergehende Klarstellung durch die Beklagte im Schreiben vom 1. September 2009 war nicht geboten.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt worden.