Entscheidungsdatum: 26.04.2017
NV: Nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters kann der alle Aktiva und Passiva übernehmende verbliebene Gesellschafter nicht in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger der liquidationslos vollbeendeten Personengesellschaft, sondern nur dann notwendig beigeladen werden, wenn er entweder in der Zeit, die der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid betrifft, bereits Gesellschafter der Personengesellschaft war oder Gesamtrechtsnachfolger eines solchen Gesellschafters geworden ist.
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beiladungsbeschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 30. August 2016 2 K 22/16 aufgehoben, soweit dieser Beschluss ihr gegenüber ergangen ist.
I. Die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) ist die A KG. Der Kläger ist zum 31. Dezember 2010 als persönlich haftender Gesellschafter aus der B OHG ausgeschieden. Die B OHG wurde nach dem Ausscheiden des Klägers im Jahr 2011 unter Wahrung ihrer zivilrechtlichen Identität in die C KG umgewandelt. Im Januar 2012 wurde in das Handelsregister eingetragen, dass das Handelsgeschäft der C KG mit allen Aktiven und Passiven von der alleinigen Kommanditistin --der D KG-- übernommen worden und die Firma ohne Liquidation erloschen ist. Dieser Eintragung lagen folgende Vorgänge zugrunde: Die D KG ist als Kommanditistin in die C KG eingetreten. Die übrigen Kommanditisten der C KG haben ihre Kommanditanteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge in die D KG eingebracht. Danach ist die Komplementärin als vorletzte Gesellschafterin aus der C KG ausgeschieden. Im Jahr 2015 wurde die Firma der D KG in die der Beigeladenen (A KG) geändert.
Die B OHG erzielte ab dem Jahr 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Kläger legte gegen den Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungbescheid 2010) vom 18. Januar 2013 Einspruch ein. Im Februar 2016 erhob er eine Untätigkeitsklage, die beim Finanzgericht (FG) unter dem Az. 2 K 22/16 geführt wird. Das FG hat über diese Klage noch nicht entschieden. Mit ihr begehrt der Kläger, die Einkünfte der B OHG und den auf ihn entfallenden Gewinnanteil für das Jahr 2010 zu erhöhen. Bezüglich der Zulässigkeit seiner Klage hat er im Klageverfahren vorgetragen, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter auch die Feststellung eines zu niedrigen Gewinns angreifen könne. Zudem sei er durch den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 2010 beschwert. Nach Auffassung des Beklagten (Finanzamt --FA--) sei die Klage hingegen mangels Klagebefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers unzulässig.
Mit Beschluss vom 30. August 2016 hat das FG die Beigeladene und drei frühere Gesellschafter der B OHG zum Klageverfahren notwendig beigeladen. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass die A KG als Rechtsnachfolgerin der B OHG sowie die drei früheren Gesellschafter als im Jahr 2011 Ausgeschiedene beizuladen seien. Da die Klage nicht offensichtlich unzulässig sei, könne von einer Beiladung auch nicht unter diesem Gesichtspunkt abgesehen werden.
Gegen den Beiladungsbeschluss hat allein die Beigeladene (A KG) Beschwerde eingelegt. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beigeladene trägt im Wesentlichen vor, die Beiladung sei zu Unrecht erfolgt, weil die Klage unzulässig sei.
Die Beigeladene beantragt sinngemäß,
den Beiladungsbeschluss vom 30. August 2016 aufzuheben, soweit dieser ihr gegenüber ergangen ist.
Der Kläger beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Zunächst hat der Kläger vorgetragen, dass das FG die Beiladung zu Recht ausgesprochen habe, weil seine Klage nicht offensichtlich unzulässig sei, später, dass die Beigeladene nicht beschwerdeberechtigt sei.
Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Der Berichterstatter des beschließenden Senats hat mit Verfügung vom 8. März 2017 u.a. darauf hingewiesen, dass für den Fall einer liquidationslosen Vollbeendigung der B OHG vor Klageerhebung die Beiladung nur dann zu Recht erfolgt sein könnte, wenn die Beigeladene im Jahr 2010 Gesellschafterin der B OHG gewesen sei oder sie Gesamtrechtsnachfolgerin eines dieser Gesellschafter geworden wäre.
II. Die nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Ein Beigeladener ist gemäß § 128 Abs. 1 i.V.m. § 57 FGO berechtigt, gegen den Beiladungsbeschluss Beschwerde einzulegen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Dezember 1999 II B 17/99, BFH/NV 2000, 679).
2. Ebenso ist die Beschwerde begründet. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor.
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Die Beigeladene ist mangels Klagebefugnis nach § 60 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 FGO nicht notwendig beizuladen. Für diesen Fall scheidet auch eine einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO aus (z.B. BFH-Beschluss vom 21. August 2002 VIII B 116/01, BFH/NV 2002, 1609, unter II., m.w.N.).
a) Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe einzulegen, erlischt mit deren Vollbeendigung (z.B. BFH-Urteil vom 11. April 2013 IV R 20/10, BFHE 241, 132, BStBl II 2013, 705, Rz 19, m.w.N.). Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO geht deshalb auch nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger der Personengesellschaft über (BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426, zu § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO a.F.; BFH-Urteil vom 13. Oktober 2016 IV R 33/13, BFHE 255, 386, Rz 16, m.w.N.).
Ist die Personengesellschaft bereits vor der Klageerhebung liquidationslos vollbeendet, sind im Grundsatz alle früheren Gesellschafter --unabhängig davon, ob man dies aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 (so Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 48 Rz 68) oder Nr. 3 FGO ableitet (vgl. dazu Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 48 FGO Rz 204)-- klagebefugt (z.B. BFH-Urteile in BFHE 241, 132, BStBl II 2013, 705, Rz 19, m.w.N.; vom 16. Mai 2013 IV R 21/10, Rz 17). Klagt demnach nur ein Gesellschafter, müssen alle früheren Gesellschafter nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig beigeladen werden. Kommt es in der Person eines dieser früheren Gesellschafter zu einer Rechtsnachfolge, ist dessen Gesamtrechtsnachfolger beizuladen (Leipold in HHSp, § 60 FGO Rz 75). Eine Ausnahme gilt nur für solche früheren Gesellschafter, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können (z.B. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01, BFH/NV 2004, 1372, unter II.A.).
b) Dies vorausgeschickt, war die A KG nicht zu dem Klageverfahren des Klägers notwendig beizuladen.
aa) Aus dem Handelsregisterauszug und der von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 29. März 2017 erteilten Auskunft ergibt sich, dass aus der C KG (vormals B OHG) alle Gesellschafter bis auf die D KG ausgeschieden sind. Damit ist der D KG das Gesamthandsvermögen der C KG gemäß § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) i.V.m. § 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angewachsen. Hierdurch sind alle Aktiva und Passiva der C KG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die D KG übergegangen (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2008 III ZR 38/07, unter II.1.b bb (1)); die C KG wurde liquidationslos vollbeendet (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2013 IV R 25/10, Rz 18, m.w.N.).
Demnach war die C KG (vormals B OHG) bereits vor Klageerhebung vollbeendet. Die Klagebefugnis ging nicht auf die D KG (jetzt die Beigeladene) als Gesamtrechtsnachfolgerin über. Vielmehr sind im Grundsatz alle Gesellschafter, die im Jahr 2010 an der B OHG beteiligt waren --nicht nur die bisher Beigeladenen--, klagebefugt und damit notwendig beizuladen. Eine Ausnahme gilt nur für diejenigen Gesellschafter, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können.
bb) Die Beigeladene gehört nicht zu diesem Personenkreis. Dem Handelsregisterauszug lässt sich entnehmen, dass die D KG (jetzt die Beigeladene) im Jahr 2010 nicht Gesellschafterin der B OHG war. Ebenso bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die D KG (jetzt die Beigeladene) die Gesamtrechtsnachfolgerin eines der Gesellschafter ist, die im Jahr 2010 an der B OHG beteiligt waren. Vielmehr haben nach der im Beschwerdeverfahren erteilten Auskunft der Beigeladenen, die von den übrigen Verfahrensbeteiligten unwidersprochen geblieben ist, die Kommanditisten der C KG (vormals B OHG) ihre Kommanditanteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge in die D KG eingebracht.
c) Die Frage, ob der gegenüber der Beigeladenen ergangene Beiladungsbeschluss auch deshalb aufzuheben ist, weil die Klage des Klägers offensichtlich unzulässig ist, bedarf daher mangels Entscheidungserheblichkeit keiner Klärung.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das FG zwar von einer an sich nach § 60 Abs. 3 FGO gebotenen notwendigen Beiladung ausnahmsweise absehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Juni 2012 IV B 147/11, Rz 8, m.w.N.). Im Streitfall liegen aber bezogen auf die Beigeladene schon nicht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 FGO vor, so dass deren Beiladung überhaupt nicht geboten war. Abgesehen davon bedürfte selbst dann, wenn man --was der Senat nicht geprüft hat-- von einer offensichtlichen Unzulässigkeit der Klage ausginge, die Frage, ob eine vom FG gleichwohl ausgesprochene Beiladung vom Beschwerdegericht aufgehoben werden kann, einer weiter gehenden Prüfung. Denn die notwendige Beiladung ist grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmen. Sie ist keine Ermessensentscheidung; Zweckmäßigkeitserwägungen sind nicht anzustellen (BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632, unter 2.b). Lediglich bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage akzeptiert der BFH eine Ausnahme hiervon, weil die Beiladung in einem derartigen Fall bloßer Formalismus wäre. Ob sich hieraus jedoch im Umkehrschluss ableiten lässt, dass eine dennoch erfolgte Beiladung vom Beschwerdegericht aufzuheben ist, steht nicht ohne weiteres fest.
3. Die Beiladung der früheren Gesellschafter, die keine Beschwerde eingelegt haben, bleibt bestehen.
4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (z.B. BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483, unter 3., m.w.N.).