Entscheidungsdatum: 11.04.2013
1. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, erlischt mit deren Vollbeendigung.
2. Die Klagebefugnis geht nicht auf den Rechtsnachfolger der vollbeendeten Personengesellschaft über, vielmehr lebt die bis dahin überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter auf.
3. Eine Klage der vollbeendeten Personengesellschaft kann nicht in eine solche der ehemaligen Gesellschafter umgedeutet werden, wenn die Prozessvollmacht nicht von Letzteren ausgestellt worden ist.
4. Die Klage einer bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Einspruchsentscheidung vollbeendeten Personengesellschaft ist unzulässig, wenn mit der Klage nicht nur die ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt wird.
I. Streitig ist die Anwendung des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einer Personengesellschaft, an der ausschließlich Kapitalgesellschaften beteiligt sind.
Die A-GmbH (Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) ist durch Umwandlung im Wege des Formwechsels der B-GmbH & Co. KG (KG) mit Eintragung in das Handelsregister am 31. August 2006 entstanden. Gesellschafter der KG waren im Streitjahr 1999 die C-GmbH als Kommanditistin und die D-GmbH; Letztere ohne Kapital- und Ergebnisbeteiligung.
Für das Streitjahr stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Gewinn der KG aus Gewerbebetrieb zunächst erklärungsgemäß gesondert und einheitlich fest. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, dass dem Gewinn der KG nicht abziehbare Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG in Höhe von 1.397.016 DM hinzuzurechnen seien, und erließ am 17. November 2004 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 (im Weiteren: Gewinnfeststellungsbescheid).
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid legte die KG am 16. Dezember 2004 Einspruch ein, mit dem sie sich u.a. gegen die Hinzurechnung der Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG wandte.
Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA unter dem 14. Februar 2008 bezüglich eines hier nicht streitigen Einspruchsbegehrens der KG einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid.
Hinsichtlich des hier noch streitigen Begehrens der KG wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung ist der C-GmbH bekanntgegeben worden. Als Inhaltsadressatin (Einspruchsführerin) ist die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der durch Formwechsel untergegangenen KG unter Hinweis auf die Beteiligten an der KG, die D-GmbH und die C-GmbH, aufgeführt.
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 14. Februar 2008 richtete sich die von S namens der Klägerin am 4. Juli 2008 erhobene Klage. Die zu dem finanzgerichtlichen Verfahren gereichte Prozessvollmacht des S ist von dem damaligen Alleingeschäftsführer der Klägerin unterzeichnet. Zur Begründung seiner Vertretungsbefugnis (§ 62 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) führte S u.a. aus, dass die Anteile an der Klägerin am 27. Juni 2008 auf die X-GmbH übergegangen seien. Letztere sei eine Enkelgesellschaft der Y-GmbH, bei der er, S, als angestellter Geschäftsführer beschäftigt sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG stünde nicht entgegen, dass an der KG im Streitjahr nur Kapitalgesellschaften und keine natürlichen Personen beteiligt gewesen seien.
Mit der dagegen eingelegten Revision hält die Klägerin in ihrem Hauptantrag an dem Begehren fest, dass von einer Hinzurechnung der Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG bei der KG im Streitjahr abzusehen sei. Hilfsweise beantragt sie, die Rechtswidrigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids festzustellen. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass eine Hinzurechnung von Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG bei der KG nicht zulässig sei, da an dieser im Streitjahr ausschließlich Kapitalgesellschaften und keine natürlichen Personen beteiligt gewesen seien.
Zur Begründung des Hilfsantrags führt sie im Wesentlichen aus, dass der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid vom 14. Februar 2008 und auch die Einspruchsentscheidung unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2005 II R 35/04, BFH/NV 2006, 18) dem falschen Inhaltsadressaten bekanntgegeben worden seien. Beide Bescheide hätten nach dem Formwechsel der KG in die A-GmbH den ehemaligen Gesellschaftern der KG und nicht der A-GmbH, der Klägerin, bekanntgegeben werden müssen. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei auch die Vorentscheidung aufzuheben, da diese an eine nicht am Verfahren beteiligte Person gerichtet gewesen sei. Diese Rechtsprechung sei indes nicht zutreffend, da nach dem hier einschlägigen Umwandlungsgesetz (UmwG 1995) durch den Formwechsel keine Rechtsnachfolge eingetreten, der Rechtsträger vielmehr identisch geblieben sei. Die Bescheide könnten daher dahin ausgelegt werden, dass sie dem richtigen Bekanntgabeadressaten, der nur falsch bezeichnet worden sei (KG statt A-GmbH), bekanntgegeben worden seien.
Für den Fall, dass sich der Senat dem BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 18 anschließen sollte, wäre der Revision aus formellen Gründen stattzugeben. Es bestünde allerdings ein Interesse der Klägerin an der Klärung der materiell-rechtlichen Fragen, weshalb das Verfahren als Fortsetzungsfeststellungsverfahren fortzuführen sei.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 14. Februar 2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 1.397.016 DM niedriger festgestellt werden,
und hilfsweise (sinngemäß),
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 14. Februar 2008 rechtswidrig ist, soweit Schuldzinsen in Höhe von 1.397.016 DM nicht als abzugsfähig behandelt worden sind.
Aufgrund der Revisionsbegründung hat das FA die Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2008 mit Bescheid vom 9. August 2010 für nichtig erklärt.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Da die Klägerin in dem Revisionsverfahren ausschließlich die Nichtigkeit der an sie gerichteten Einspruchsentscheidung begehren könne, sei sie durch die Aufhebung der Einspruchsentscheidung klaglos gestellt. Einwendungen gegen die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids könne sie hingegen nicht geltend machen. Auch lägen die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht vor.
Im Hinblick auf die materielle Rechtslage hält das FA an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
II. Die Revision ist unbegründet mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abzuweisen war. Das FG durfte über den Klageantrag der Klägerin nicht sachlich entscheiden.
1. Die Klägerin ist durch Umwandlung im Wege des Formwechsels der KG mit Eintragung in das Handelsregister am 31. August 2006 entstanden. Der Klägerin fehlte daher bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung, dem 4. Juli 2008, die Klagebefugnis (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO) zur Anfechtung des inhaltlich an die Gesellschafter der KG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheids.
a) Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO ist eine Personengesellschaft befugt, als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid zu erheben, der sich inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet. Daneben können einzelne Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO klagebefugt sein (BFH-Urteil vom 29. März 2012 IV R 18/08, BFH/NV 2012, 1095, m.w.N.). Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, also auch in dem Fall, in dem eine Personengesellschaft --wie hier-- in eine GmbH formwechselnd umgewandelt wird, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid indes nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, die der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid betrifft. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, ist mit deren Vollbeendigung daher erloschen (BFH-Urteile vom 23. April 2009 IV R 87/05, BFH/NV 2009, 1650; in BFH/NV 2006, 18; vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BFHE 146, 32, BStBl II 1986, 520, und vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, BStBl II 1984, 15; BFH-Beschluss vom 23. Januar 2009 IV B 149/07, juris). Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Die Klagebefugnis geht deshalb auch nicht auf die durch den Formwechsel entstandene A-GmbH, die Klägerin, über. Dies ungeachtet dessen, dass, wie die Klägerin zutreffend ausführt, der Rechtsformwechsel unter dem Regime des UmwG 1995 zivilrechtlich keine Rechtsnachfolge bewirkt, sondern der identische Rechtsträger nur sein "Rechtskleid" wechselt.
b) Der Klägerin stand auch nicht deshalb die Klagebefugnis zu, weil sie sich mit der Klage gegen die ihr gegenüber ergangene Einspruchsentscheidung gerichtet hat. Eine solche Klage wird zwar insoweit als zulässig angesehen, als mit ihr --nur-- die ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt wird. Werden mit der Klage jedoch materiell-rechtliche Mängel geltend gemacht, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074).
c) Die Klage kann auch nicht als solche der ehemaligen Gesellschafter der KG, C-GmbH und D-GmbH, ausgelegt oder in eine solche Klage umgedeutet werden. Zwar hat der BFH die namens einer vollbeendeten KG erhobene Klage gegen den Wortlaut als Klage des ehemaligen Gesellschafters ausgelegt, wenn die fehlerhafte Klägerbezeichnung durch eine fehlerhafte Rubrumsbezeichnung in der Einspruchsentscheidung veranlasst worden ist. Die Auslegung gegen den Wortlaut knüpfte allerdings auch daran an, dass dem Prozessbevollmächtigten die Prozessvollmacht von einem der ehemaligen Gesellschafter der Personengesellschaft erteilt worden ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1650). Im Streitfall ist die Einspruchsentscheidung indes schon nicht an die vollbeendete Personengesellschaft, hier die KG, sondern an die formgewechselte Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin adressiert worden. Auch ist die Prozessvollmacht nicht von einem ehemaligen Gesellschafter der KG, sondern von dem Alleingeschäftsführer der Klägerin erteilt worden. Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Prozessvollmacht, dem 2. Juli 2008, waren die ehemaligen Gesellschafter der KG nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Veräußerung der Gesellschaftsanteile zudem auch nicht mehr an der Klägerin beteiligt. Angesichts dessen kann die Klage nicht dahin ausgelegt werden, dass sie von der Klägerin namens der ehemaligen Gesellschafter der KG erhoben worden ist.
2. Fehlt es der Klägerin an der Klagebefugnis für die Erhebung der vorliegenden Anfechtungsklage, ist eine solche gleichermaßen für die hilfsweise geltend gemachte Fortsetzungsfeststellungsklage zu verneinen. Im Übrigen kann ein derartiges neues Klagebegehren nicht erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht werden.