Entscheidungsdatum: 15.09.2016
1. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass ein an der Entscheidung mitwirkender Richter mit Erfolg abgelehnt wurde. Allein ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO führt dagegen nicht zur Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
2. Die Mitwirkung eines Richters, der wegen Befangenheit abgelehnt werden könnte, jedoch noch nicht abgelehnt wurde, begründet nicht die Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 21. August 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für eine von der Klägerin durchgeführte Bestattung.
Die Klage ist durch Urteil des Amtsgerichts abgewiesen worden. Die Klägerin hat hiergegen Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 4. Januar 2013 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Klägerin hat hierzu Stellung genommen und gleichzeitig die an dem Hinweisbeschluss beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch ist in anderer Besetzung durch Beschluss vom 20. Februar 2013 als unbegründet zurückgewiesen worden. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. März 2013 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 6. März 2013 hat das Berufungsgericht in der Besetzung des Hinweisbeschlusses die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 17. März 2013 hat die Klägerin gegen den das Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluss vom 20. Februar 2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22. März 2013 hat sie die an dem Zurückweisungsbeschluss vom 6. März 2013 beteiligten Richter erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dabei unter anderem beanstandet, dass die Richter wegen des fehlenden Abschlusses des vorherigen Ablehnungsverfahrens ausgeschlossen gewesen seien.
Das Berufungsgericht hat in der Besetzung des Beschlusses vom 20. Februar 2013 am 28. Mai 2013 die als Gehörsrüge ausgelegte (unzulässige) sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den das Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluss vom 20. Februar 2013 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 19. August 2014 ist - nach mehreren Wechseln in der Kammerbesetzung - das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 22. März 2013 gegen zwei der abgelehnten Richter wegen zwischenzeitlichen Ausscheidens aus der Kammer als unzulässig verworfen worden. Hinsichtlich der in der Kammer verbliebenen weiteren an dem Beschluss vom 6. März 2013 beteiligten Richterin ist das Ablehnungsgesuch wegen eines Verstoßes gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO für begründet erklärt worden. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2. September 2014 zugestellt worden.
Mit am 30. September 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin bezüglich des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 6. März 2013 Nichtigkeitsklage erhoben. Das Berufungsgericht hat diese durch Urteil vom 21. August 2015 abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der die Klägerin ihre Nichtigkeitsklage weiterverfolgt.
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat die Nichtigkeitsklage für zulässig, aber unbegründet gehalten. Die tatsächlichen Voraussetzungen des einzig in Betracht kommenden Nichtigkeitsgrunds gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO lägen nicht vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift bilde nur die Mitwirkung eines zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits mit Erfolg abgelehnten Richters einen Nichtigkeitsgrund. Es reiche nicht aus, wenn ein Ablehnungsgesuch erst nach Erlass der abschließenden Entscheidung gestellt und beschieden worden sei. Den abgelehnten Richter treffe erst mit der Stellung des Ablehnungsantrags die Amtspflicht, Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar seien, zu unterlassen. Vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommene Amtshandlungen des später mit Erfolg abgelehnten Richters blieben wirksam. Der Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 6. März 2013 sei bereits durch Zustellung wirksam geworden, bevor das zweite - hinsichtlich einer der beteiligten Richterinnen begründete - Ablehnungsgesuch angebracht worden sei. Der nachträgliche Eintritt der Handlungsunfähigkeit der abgelehnten Richterin führe nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin erst nach Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses von dem Befangenheitsgrund Kenntnis erlangen konnte, weil die letztlich erfolgreich abgelehnte Richterin erst mit der Beschlussfassung gegen ihre Wartepflicht verstoßen und somit den Befangenheitsgrund gesetzt habe. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der Rechtskraftdurchbrechung gemäß § 578 ZPO ausweislich des Wortlauts des § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewusst auf die Fälle beschränkt, in denen die Verfahrensfehlerhaftigkeit der mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Entscheidung von Anfang an offensichtlich sei. Dies sei nur dann der Fall, wenn ein dem Befangenheitsgesuch stattgebender Beschluss im Zeitpunkt der mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Entscheidung vorgelegen habe.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegt.
Nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war. Ein solcher Fall liegt nicht vor.
1. Die Nichtigkeit ergibt sich nicht auf Grund der nach Erlass des Hinweisbeschlusses und vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses gestellten Ablehnungsgesuche.
§ 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt grundsätzlich voraus, dass ein an der Entscheidung mitwirkender Richter mit Erfolg abgelehnt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1273, 1274; Beschluss vom 27. Juli 2012 - AnwZ (B) 13/10, BeckRS 2012, 18029; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 579 Rn. 4; Hk-ZPO/Kemper, 6. Aufl., § 579 Rn. 4). Allein ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO führt dagegen nicht zur Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2012 - AnwZ (B) 13/10, aaO; MüKoZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 47 Rn. 5; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 47 Rn. 9).
Die vor dem Erlass des Zurückweisungsbeschlusses gestellten Ablehnungsgesuche gegen die mitwirkenden Richter waren erfolglos, so dass ein auf diese Ablehnungsgesuche gestützter Nichtigkeitsgrund schon deshalb ausscheidet. Ein etwaiger Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO durch Erlass des Zurückweisungsbeschlusses vor Bekanntgabe der die Ablehnungsgesuche zurückweisenden Entscheidung begründete die Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob ein Nichtigkeitsgrund nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch dann gegeben ist, wenn eine Entscheidung unter Verstoß gegen § 47 Abs. 1 ZPO vor Erledigung eines Ablehnungsgesuchs erging und dieses Ablehnungsgesuch nachträglich für begründet erklärt wurde, kommt es dabei nicht an, da hier die die Wartepflicht auslösenden Ablehnungsgesuche schon nicht begründet waren.
2. Die Nichtigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Zurückweisungsbeschluss vor Zustellung des die Ablehnungsgesuche zurückweisenden Beschlusses erging und deshalb das auf eine Verletzung der Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO gestützte, nach Erlass und Zustellung des Berufungszurückweisungsbeschlusses gestellte Ablehnungsgesuch hinsichtlich der noch in der Kammer verbliebenen Richterin für begründet erklärt wurde.
Die Mitwirkung eines Richters, der wegen Befangenheit abgelehnt werden könnte, jedoch noch nicht abgelehnt wurde, begründet nicht die Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1273, 1274; MüKoZPO/Braun, 4. Aufl., § 579 Rn. 9; Hk-ZPO/Kemper, 6. Aufl., § 579 Rn. 4; Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 579 Rn. 4; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 42 Rn. 19 f; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO, 23. Aufl., § 579 Rn. 5; ebenso zu dem wortgleichen Revisionsgrund des § 547 Nr. 3 ZPO: Senat, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZR 93/06, NJW-RR 2007, 775 Rn. 4; BGH, Urteil vom 9. November 1992 - II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 144).
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht vor. Anders als im Fall des Ausschlusses eines Richters von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes tritt der Ausschluss des Richters im Fall der Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit erst durch die Entscheidung des Gerichts ein. Voraussetzung einer Entscheidung des Gerichts hierüber ist das Vorliegen eines Ablehnungsgesuchs. Erst mit Stellung eines Ablehnungsantrags trifft den Richter die Amtspflicht, nur noch solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub dulden, und Amtshandlungen, die nicht unaufschiebbar sind, zu unterlassen (Senat, Urteil vom 8. Februar 2001 - III ZR 45/00, NJW 2001, 1502, 1503). Dementsprechend bleiben Amtshandlungen des später mit Erfolg abgelehnten Richters, die vor Stellung des Ablehnungsantrags vorgenommen wurden, wirksam (Senat, Urteil vom 8. Februar 2001, aaO und Beschluss vom 30. November 2006, aaO). Eine Nichtigkeitsklage kann hierauf folglich nicht gestützt werden.
Entgegen der Auffassung der Revision gilt nichts anderes dann, wenn der für durchgreifend erachtete Befangenheitsgrund in einem Verstoß gegen die Wartepflicht nach § 47 ZPO liegt. Eine erweiternde Auslegung der § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für diesen Fall ist abzulehnen. Der sich aus einem Verstoß gegen die Wartepflicht möglicherweise ergebende Befangenheitsgrund ist von dem vorgebrachten Befangenheitsgrund zu unterscheiden, auf Grund dessen Geltendmachung die Wartepflicht bestand. Aus dem die Wartepflicht auslösenden Befangenheitsgesuch kann sich ein Nichtigkeitsgrund wie ausgeführt jedenfalls dann nicht ergeben, wenn dieses erfolglos bleibt. Der Verstoß gegen die Wartepflicht nach § 47 ZPO begründet dagegen wie dargelegt und von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen für sich genommen nicht die Nichtigkeit. Der sich aus der Verletzung von § 47 ZPO möglicherweise ergebende eigenständige Befangenheitsgrund führt aber wie sonstige Befangenheitsgründe auch erst durch gerichtliche Entscheidung zum Ausschluss des Richters und erst mit Stellung eines Ablehnungsgesuchs zur (erneuten) Wartepflicht des § 47 ZPO. Die bis zur Stellung eines Befangenheitsgesuchs getätigten Amtshandlungen bleiben demnach wirksam und die Nichtigkeitsklage kann hierauf nicht gestützt werden.
So liegt der Fall hier: Das zweite Befangenheitsgesuch wurde wegen des Verstoßes gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO, die im Hinblick auf das vorangegangene, erfolglose Ablehnungsgesuch bestand, für begründet erklärt. Der vom Landgericht für durchgreifend erachtete Befangenheitsgrund ergab sich mithin erst durch die Mitwirkung an der mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Zurückweisungsentscheidung. Das auf diesen Verstoß gestützte und erfolgreiche Ablehnungsgesuch konnte demnach erst nach Erlass und Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses angebracht werden. Es berührt somit die Wirksamkeit des Zurückweisungsbeschlusses nicht und begründet nicht dessen Nichtigkeit nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass der von der Revision in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowieso nicht vorliegt, weil es richtigerweise schon an einer Befangenheit der am Beschluss vom 6. März 2013 mitwirkenden Richter fehlt. Hierbei kann dahinstehen, ob von einer "Erledigung des Ablehnungsgesuchs" im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO nicht bereits dann gesprochen werden muss, wenn - wie hier - über einen Befangenheitsantrag durch einen nach § 567 ZPO nicht anfechtbaren Beschluss des Berufungsgerichts entschieden und der Beschluss an den Antragsteller abgesandt worden ist. Denn Verstöße gegen die Wartepflicht begründen jedenfalls nicht automatisch eine Befangenheit. Eine solche wird regelmäßig bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen angenommen, nicht aber zum Beispiel dann, wenn die als fehlerhaft gerügte Anwendung des § 47 Abs. 1 ZPO bei objektiver Betrachtung zumindest vertretbar erscheint oder ein einmaliger Verstoß auf einem offensichtlichen Versehen beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2016 - III ZR 323/13, BeckRS 2016, 13945 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - AnwZ (B) 13/10, BeckRS 2012, 07842 Rn. 12).
Seiters Reiter Liebert
Pohl Arend