Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 26.04.2018


BGH 26.04.2018 - III ZR 367/16

Amtshaftung: Falschauskunft gegenüber dem Vertragspartner des von einer Amtspflicht primär Geschützten - Drittschutz


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
26.04.2018
Aktenzeichen:
III ZR 367/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:260418UIIIZR367.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Celle, 2. Juni 2016, Az: 16 U 1/16vorgehend LG Hannover, 1. Dezember 2015, Az: 9 O 5/15
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Drittschutz

Eine dem Vertragspartner des von einer Amtspflicht primär Geschützten (hier dem von dem Eigentümer beauftragten Generalunternehmer eines Bauvorhabens) gegebene Auskunft ist jedenfalls dann im Interesse des Auskunftsempfängers erteilt, wenn sich - ähnlich der Situation der Drittschadensliquidation - das (wirtschaftliche) Risiko der Falschauskunft vollständig auf ihn verlagert hat, während dem vorrangig geschützten Betroffenen der entsprechende Schaden nicht entsteht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Juni 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den beklagten Bezirksschornsteinfeger aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen einer unzutreffenden Auskunft in Anspruch und verlangt ferner die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden.

2

Die J.                  (im Folgenden: Bauherrin oder Zedentin) beauftragte die Klägerin als Generalunternehmerin mit der Errichtung eines Neubaus für eine Pflegeeinrichtung auf ihrem Grundstück. Das Gebäude sollte mit einer Pellet-Heizungsanlage beheizt werden.

3

Auf Antrag der Klägerin erteilte die zuständige Baubehörde am 29. Oktober 2012 eine Baugenehmigung, die unter Nummer 7 folgende Auflage vorsah:

"Bis zur Schlussabnahme bzw. Ingebrauchnahme der baulichen Anlage ist der Bauaufsicht eine Bescheinigung des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters über die sichere Benutzbarkeit der Feuerungsanlage vorzulegen.

Zuständig ist Herr Bezirksschornsteinfeger D.        [der Beklagte], (…)."

4

Am 7. November 2013 fand ein Ortstermin mit dem Beklagten statt, an dem neben den Mitarbeitern der Klägerin auch die mit der Errichtung des Schornsteins für die Feuerungsanlage beauftragten Subunternehmer teilnahmen. Bei diesem Termin vermaß der Beklagte die Entfernung zwischen dem geplanten Standort des Schornsteins mit einer Höhe von circa 1,5 m über dem Dachfirst des Gebäudes und der Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück und gab "grünes Licht" für die vorgesehene Ausführung. Die Kosten für den Ortstermin rechnete der Beklagte der Bauherrin gegenüber ab.

5

Nach der planungsgemäßen Errichtung des Schornsteins stellte sich jedoch aufgrund erneuter Prüfung durch den Beklagten heraus, dass der erforderliche Abstand zum Nachbargebäude doch nicht eingehalten worden war und der Schornstein um etwa vier Meter auf die andere Seite des Daches versetzt werden musste.

6

Die Klägerin nahm daraufhin entsprechende Umbauten vor. Hierdurch entstanden ihr im Einzelnen streitige Kosten, die sie mit 56.707,72 € beziffert und deren Übernahme die Bauherrin unter Hinweis auf den mit der Klägerin geschlossenen Pauschal-Festpreisvertrag ablehnte. Stattdessen trat die Bauherrin etwaige Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin ab. Ein Abbruch des ursprünglich errichteten Schornsteinkopfs steht noch aus.

7

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Beklagten im eigenen Interesse um den Ortstermin gebeten. Anders als durch die Neuerrichtung des Schornsteins seien die Voraussetzungen der Baugenehmigung nicht zu erfüllen gewesen.

8

Das Landgericht hat ein Teilurteil und Teil-Grundurteil erlassen, wonach es den Anspruch der Klägerin auf Ersatz des bereits entstandenen Schadens auf der Grundlage der von dem Beklagten erteilten Auskunft für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt und ferner die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten für zukünftige Schäden im Zusammenhang mit dem Umbau des Schornsteins einschließlich der Entfernung des bisherigen Schornsteinkopfs festgestellt hat. Das Berufungsgericht hat unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

10

Das Landgericht hat angenommen, der Klägerin stehe jedenfalls aus abgetretenem Recht der Bauherrin (§ 398 BGB) ein Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Beklagten zu, der durch die unzutreffende Auskunft bei dem Ortstermin eine ihm zum Schutz der Zedentin obliegende Amtspflicht verletzt habe.

11

Das Berufungsgericht hat ebenfalls allein einen Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Bauherrin in Betracht gezogen. Es sei zwar eine fahrlässige Amtspflichtverletzung des Beklagten anzunehmen. Aus Sicht der Zedentin bestehe jedoch eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, weil sie die Klägerin aus dem Generalunternehmervertrag auf Errichtung eines mangelfreien Schornsteins habe in Anspruch nehmen können. Im Übrigen gehöre die Klägerin als Generalunternehmerin ebenso wenig wie die von ihr eingeschalteten Subunternehmer zu den im Rahmen der Amtspflicht geschützten Dritten.

II.

12

Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

13

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand und den dazu getroffenen Feststellungen kommt ein auf eigenes Recht gestützter Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht, worauf sie ihr Begehren auch vorrangig stützt.

14

1. Zutreffend allerdings hat das Berufungsgericht angenommen, dass der mit öffentlichen Aufgaben beliehene Beklagte, der als niedersächsischer Gebührenbeamter in Abweichung von Art. 34 Satz 1 GG persönlich haftet (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 1974 - III ZR 89/72, BGHZ 62, 372, 376 und Begründung des Regierungsentwurfs des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes, BR-Drs. 265/17 S. 37; siehe jetzt § 12a des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes (SchfHwG) vom 26. November 2008 - BGBl. I S. 2242 in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes vom 17. Juli 2017, BGBl. I S. 2495), bei dem Ortstermin am 7. November 2013 fahrlässig gegen eine ihm obliegende Amtspflicht verstoßen hat, indem er den Abstand zwischen dem geplanten Standort des Schornsteins und dem Nachbargebäude falsch vermessen und aufgrund dessen für die beabsichtigte weitere Bauausführung "grünes Licht" gegeben und damit zu erkennen gegeben hat, dass die Bescheinigung entsprechend der Auflage Nummer 7 der Baugenehmigung bei der Abnahme erteilt werden würde.

15

a) Auch nach der Reform des Schornsteinfegerwesens durch das Schornsteinfeger-Handwerksgesetz, das das Schornsteinfegergesetz (SchfG) abgelöst hat, und dem Inkrafttreten der Vorschriften der §§ 8 bis 12, 14 bis 16, 18, 20, 21, 27 bis 47 und 49 bis 51 gemäß Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 zum 1. Januar 2013 (BGBl. I S. 2242, 2257) ist die Beleihung des Bezirksschornsteinfegermeisters (des "Bezirksbevollmächtigten") mit - anderenfalls durch eine Behörde vorzunehmenden - "klassischen" Kontrollaufgaben unberührt geblieben (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens, BT-Drs. 16/9237, S. 22, linke Sp., 8. Spiegelstrich). Der Bezirksschornsteinfeger ist trotz der vorgenommenen Einschränkung der hoheitlichen Aufgabenbereiche, namentlich des Entfallens der vormaligen Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 5 SchfG (Beratung in feuerungstechnischen Fragen), weiterhin mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben beliehen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes aaO S. 31 f zu den Änderungen von §§ 8, 9 SchfHwG; siehe jetzt auch § 8 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes vom 17. Juli 2017 aaO). Hierzu gehören neben der Ausstellung von Bescheinigungen zu Bauabnahmen nach Landesrecht und der Feuerstättenschau ausdrücklich auch Tätigkeiten, die aus Gründen der Betriebs- und Brandsicherheit sowie des Umwelt- und Klimaschutzes dem Bezirksbevollmächtigten als Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben vorbehalten geblieben sind (vgl. BT-Drs. 16/9237, S. 21, linke Sp. Nr. 8 und S. 23, linke Sp. Abs. 4; vgl. weiter BeckOGK/Dörr, Stand: 15. Dezember 2017, § 839 BGB Rn. 717; Geigel/Kapsa, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Rn. 121). Dementsprechend sind die Vorschriften des § 14 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG (Durchführung der Feuerstättenschau und Erlass des Feuerstättenbescheids) und § 16 Satz 1 SchfHwG (Ausstellung von Bescheinigungen über die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit von Abgasanlagen und von Leitungen zur Abführung von Verbrennungsgasen nach Landesrecht; hier: § 40 NBauO) mit der bisherigen Regelung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 9 SchfG weitgehend wortgleich oder jedenfalls ihrem Inhalt nach gleich geblieben.

16

b) Der Beklagte ist bei dem Ortstermin innerhalb dieses Aufgabenbereichs und nicht privatrechtlich tätig geworden. Seine Hinzuziehung stand im Zusammenhang mit der Auflage Nummer 7 der Baugenehmigung und damit mit den hoheitlichen Aufgaben auf der Grundlage von § 16 Satz 1 SchfHwG.

17

Dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger obliegt gemäß § 16 Satz 1 SchfHwG die Ausstellung von Bescheinigungen über die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit von Abgasanlagen in ihren jeweiligen Bezirken, soweit dies durch Landesrecht vorgesehen ist.

18

Gemäß § 40 Abs. 6 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) dürfen Feuerungsanlagen [...] erst in Betrieb genommen werden, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister [...] ihre sichere Benutzbarkeit sowie die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit der zugehörigen Schornsteine [...] geprüft und bescheinigt hat. Bei der geplanten Pellet-Heizung handelt es sich um eine solche Feuerungsanlage. Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 NBauO ist für die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit des der Feuerungsanlage zugehörigen Schornsteins auch dessen Beschaffenheit und Lage relevant (Kaellander, in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 9. Aufl., § 40 Rn. 46). Auch § 19 Abs. 1 und 2 der 1. Bundesimmissionsschutzverordnung (1. BImSchV, Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen vom 26. Januar 2010, BGBl. I S. 38) - Ableitbedingungen für Abgase - regelt unter anderem die Bauweise, insbesondere die Höhe von Schornsteinen, § 4 Abs. 2 1. BImSchV die Emissionsbegrenzungen.

19

Die vorbereitende Beratung nebst der dabei erteilten Auskunft über den vorschriftsgerechten Standort des Schornsteins stand mit der - erwarteten - nachfolgenden Bescheinigung zur Inbetriebnahme in einer unmittelbaren Wechselbeziehung (zu einer vergleichbaren Konstellation OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. August 2006 - 12 U 60/06, BeckRS 2006, 10634). Die Auskunft über die geeignete Ausführung und den zulässigen Standort des Schornsteins diente ersichtlich dazu, beim Bau die Anforderungen öffentlich-rechtlicher Regelungen einzuhalten, die erforderliche Bescheinigung zur Inbetriebnahme zu erhalten und künftige Beanstandungen bei der Sicherheitsprüfung zu vermeiden (ähnlich: Senatsurteil vom 10. Juni 1974 aaO S. 375).

20

Die Auskunft und die nachfolgende Abnahme stellen einen einheitlichen Vorgang dar, der nicht künstlich in teils hoheitliche, teils bürgerlich-rechtliche Akte aufgespalten werden kann (vgl. Senatsurteile vom 16. April 1964 - III ZR 182/63, BGHZ 42, 176, 179; vom 9. Januar 2003 - III ZR 217/01, BGHZ 153, 268, 276; vom 16. September 2004 - III ZR 346/03, BGHZ 160, 216, 224 und vom 6. März 2014 - III ZR 320/12, BGHZ 200, 253, 260 Rn. 31; vgl. auch Senatsurteil vom 8. Dezember 1958 - III ZR 235/56, BGHZ 29, 38, 40 f).

21

c) Auskünfte, die ein Amtsträger erteilt, müssen dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit entsprechend sachgerecht, das heißt vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (st. Senatsrechtsprechung, z.B. Urteile vom 13. Juni 1991 - III ZR 76/90, NJW 1991, 3027; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243; vom 10. Juli 2003 - III ZR 155/02, BGHZ 155, 354, 357 und vom 8. November 2012 - III ZR 151/12, BGHZ 195, 276, 291 Rn. 25 jew. mwN). Für die Frage, ob die Auskunft den zu stellenden Anforderungen genügt, kommt es entscheidend darauf an, wie sie vom Empfänger aufgefasst wird und werden kann und welche Vorstellungen zu erwecken sie geeignet ist (Senatsurteil vom 13. Juni 1991 aaO mwN). Dabei hängt der Umfang der Auskunftspflicht auch vom Inhalt der Frage ab, die der Auskunftssuchende an die Behörde richtet (Senat aaO und Senatsbeschuss vom 25. Juni 1987 - III ZR 228/86, BGHRZ Nr. 2267). Eine amtliche Auskunft ist selbst dann richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen, wenn keine Pflicht zu ihrer Erteilung besteht (z.B. Senatsurteil vom 24. Juni 1993 - III ZR 43/92, NJW 1993, 3204, 3205) oder der Beamte fachlich dafür nicht ausgebildet oder befugt ist (OLG Köln, VersR 2005, 508).

22

Die von dem Beklagten aufgrund der vorgenommenen Vermessung erteilte Auskunft, es bestehe ein ausreichender Abstand zu der Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück, weswegen er für die geplante Ausführung "grünes Licht" gab, war, wie der Beklagte nicht in Abrede stellt, falsch und daher pflichtwidrig.

23

d) Die verletzte Amtspflicht bestand auch der Klägerin gegenüber, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin bei dem Ortstermin im eigenen oder im Namen der Bauherrin auftrat.

24

Die Drittgerichtetheit der Amtspflicht hat sowohl haftungsbegründende als auch begrenzende Funktionen: Begründend, soweit klargestellt wird, gegenüber welchem Geschädigten die Verantwortlichkeit des Staates eintritt, begrenzend, soweit anderen Personen, die nicht zum Kreis der Dritten zählen, ein Anspruch auch dann zu versagen bleibt, wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig ausgewirkt hat (ständige Senatsrechtsprechung; etwa Senatsurteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15, BGHZ 212, 303 Rn. 21 m. zahlr. w.N.).

25

Ob der Geschädigte geschützter Dritter ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke - auch den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft ebenso wenig notwendige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die in Rede stehende Amtshandlung. Allerdings genügt es nicht allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat. Da eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss, ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt sein soll (st. Senatsrechtsprechung; zu allem Vorstehenden z.B. Senat aaO Rn. 21 ff m. zahlr. w.N.).

26

aa) Die Amtspflicht zu richtiger Auskunft besteht gegenüber jedem Dritten, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag sie erteilt wird (st. Rspr., z.B. Senatsurteile vom 3. Mai 2001 - III ZR 191/00, NVwZ 2002, 373, 374 und vom 10. April 2003 - III ZR 38/02, VersR 2004, 604, jew. mwN).

27

bb) Die fragliche Auskunft ist vorliegend auch im Interesse der Klägerin erteilt worden, die daher als Dritte im vorstehend genannten Sinn anzusehen ist. Aus den Bestimmungen des Schornsteinfegerhandwerksgesetzes und den dort in Bezug genommenen weiteren Vorschriften folgt nichts anderes, ebenso wenig aus ihrer Stellung als Generalunternehmerin.

28

(1) Die Amtspflichten des Beklagten gemäß § 16 Satz 1 SchfHwG in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften bestehen allerdings vor allem im allgemeinen Interesse und darüber hinaus im Interesse von Eigentümern und Nachbarn. Insbesondere dient die Gewährleistung der Feuersicherheit dem Eigentümer, dessen Eigentum durch Versäumnisse und unsachgemäße Maßnahmen des Schornsteinfegers unmittelbar bedroht ist (Senatsurteil vom 10. Juni 1974 aaO S. 375 f; OLG Hamm, NJW 1972, 2088, 2089). Überdies sollen die - Abgasen ausgesetzten - Nachbarn vor unzumutbaren Belästigungen durch Immissionen (vgl. § 4 Abs. 2 1. BImSchV) geschützt werden.

29

(2) Ferner ist nach der Rechtsprechung des Senats "Dritter" regelmäßig nicht derjenige, der nur aufgrund besonderer rechtsgeschäftlicher Abmachungen mit dem unmittelbar Verletzten von Nachwirkungen der Amtshandlung betroffen wird (Senatsurteil vom 23. Oktober 1958 - III ZR 91/57, VerwRspr 1959, 464, 467; vgl. auch Senatsurteil vom 10. März 1981 - III ZR 9/93, BGHZ 125, 258, 269 f). Amtspflichten bestehen weiter nicht in Bezug auf Vertragspartner, denen gegenüber sich der Betroffene auf die Amtshandlung berufen hat (vgl. Senatsurteil vom 17. November 1958 - III ZR 123/57, VerwRspr 1959, 457, 458).

30

(3) Eine dem Vertragspartner des nach diesen Grundsätzen primär Geschützten - wie hier der Klägerin als Generalunternehmerin - gegebene Auskunft ist jedoch jedenfalls dann im Interesse des Auskunftsempfängers erteilt, wenn sich - ähnlich der Situation der Drittschadensliquidation (vgl. dazu etwa BGH, Urteile vom 10. Juli 1963 - VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 100 ff, vom 29. Januar 1968 - II ZR 18/65, BGHZ 49, 356, 361, und vom 14. Januar 2016 - VII ZR 271/14, NJW 2016, 1089, 1090, Rn. 27) - das (wirtschaftliche) Risiko der Falschauskunft vollständig auf ihn verlagert hat, während dem vorrangig geschützten Betroffenen - das heißt vorliegend der Bauherrin als Grundstückseigentümerin - ein Schaden nicht entsteht. Dies ist hier der Fall.

31

Die Bauherrin konnte die Klägerin aus dem mit ihr abgeschlossenen Werkvertrag wegen des nicht abnahmefähigen Standorts des Schornsteins gemäß §§ 633 ff BGB in Anspruch nehmen und hat dies auch erfolgreich getan.

32

Der Werkunternehmer schuldet die Errichtung eines - abnahmefähigen - Bauwerks, das frei von Sachmängeln ist (§ 631, §§ 633 ff BGB), ohne dass es auf sein Verschulden ankommt. Soweit eine Beschaffenheit nicht vereinbart ist, muss das Werk die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder jedenfalls die für die gewöhnliche Verwendung geeignete Beschaffenheit aufweisen, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten darf. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Bauleistung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit abweicht (z.B. BGH, Urteil vom 20. April 1989 - VII ZR 80/88, BauR 1989, 462, 464). Der Auftragnehmer hat die anerkannten Regeln der Technik und die gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen zu beachten (z.B. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil Rn. 16). Darunter fallen alle Regelungen des privaten und öffentlichen Rechts, etwa die Bauordnungen der Länder und Brandschutzvorschriften (z.B. Kniffka/Koeble, aaO).

33

Dazu gehört mithin auch die Errichtung eines den Anforderungen von § 16 SchfHwG, § 40 Abs. 6 NBauO, § 4 Abs. 1, § 19 Abs. 1 und 2 1. BImSchV entsprechenden, das heißt den richtigen Abstand zum Nachbargebäude aufweisenden Schornsteins.

34

Die Klägerin trug aufgrund der gegenüber der Bauherrin übernommenen Verpflichtung, ein in allen Belangen mangelfreies Bauwerk zu erstellen, daher die im Außenverhältnis zur Bauaufsicht den Eigentümer treffende Gefahr, für einen den Anforderungen der Feuerstättenschau entsprechenden Schornstein zu sorgen (das Senatsurteil vom 8. Mai 1980 - III ZR 27/78, NJW 1980, 2578, 2579 zur Rechtsstellung des Bauunternehmers in einem Amtshaftungsprozess betrifft daher eine andere Konstellation). Darüber hinaus obliegt dem Bauleiter - hier der Klägerin - gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 NBauO die Pflicht, darüber zu wachen, dass die Baumaßnahme entsprechend den öffentlich-rechtlichen Anforderungen durchgeführt wird, weswegen die Auskunft des Beklagten weiterhin dazu diente, der Klägerin diese Pflichterfüllung zu ermöglichen.

35

Der Ortstermin, dessen Zweck die Bestimmung des zutreffenden Abstands zum Nachbargebäude war, fand nach den konkreten Umständen des Falls daher vor allem im Interesse der Klägerin statt, was aus der Teilnahme ihrer Mitarbeiter und der mit dem Schornsteinbau befassten Subunternehmer folgte. Eine nur zufällige Benachteiligung der Klägerin (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1962 - III ZR 57/61, NJW 1962, 2100, 2102) kann vor diesem Hintergrund gerade nicht angenommen werden. Ihr Anliegen, eine regelgerechte Bauausführung zu gewährleisten, stand vielmehr in einem inneren sachlichen Bezug mit der erteilten Auskunft. Die Verletzung von dem Bauunternehmer gegenüber bestehenden Amtspflichten hat der Senat auch im Baugenehmigungsverfahren für den Fall in Erwägung gezogen, in dem jener eine Besprechung mit einem Beamten des Tiefbauamts in eigenem Namen veranlasst und wahrgenommen hatte (Senatsurteil vom 8. Mai 1980 aaO).

36

Ungeachtet dessen, wer den Ortstermin veranlasst hatte, dienten die vom Beklagten durchgeführte Besichtigung und das von ihm daraufhin erteilte "grüne Licht" zu der beabsichtigen Bauausführung - das heißt zu dem Standort des Schornsteins - dazu, die Planung der Klägerin zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, als der Auskunft eine Messung voran ging und sie daher den Eindruck besonderer Genauigkeit und Zuverlässigkeit erweckte. Daran ändert es nichts, dass der Beklagte möglicherweise annehmen durfte, die Klägerin trete (zugleich) für die Bauherrin, die gleichlaufende Interessen hatte, auf.

37

Dies steht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Senats zur Begrenzung des Kreises der geschützten Dritten im Baugenehmigungsverfahren (vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. März 1994 - III ZR 9/93, BGHZ 125, 258, 269). Die Gefahr, die Haftung des Amtsträgers könne zu weit ausgedehnt werden, wenn die Interessen anderer als des primär Ersatzberechtigten in den Schutzbereich der Amtspflicht einbezogen werden, besteht in der vorliegenden Fallgestaltung nicht. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden ist identisch mit demjenigen, den die in erster Linie durch die verletzte Amtspflicht geschützte Bauherrin bei einer anderen Vertragsgestaltung mit der Klägerin erlitten hätte. Es handelt sich demgegenüber nicht um einen anderen oder zusätzlichen Schaden, wie etwa in dem Fall, dass dem mit der Baureifmachung eines Grundstücks beauftragten Architekten, der eine - amtspflichtwidrig negativ beschiedene - Bauvoranfrage in eigenem Namen stellt, ein im Erfolgsfall zu erwartendes weiteres Honorar entgeht (vgl. dazu Senatsurteil vom 10. März 1994). Ebenso wenig geht es um die Folgen einer erst nachträglichen vertraglichen Einbeziehung Dritter (vgl. Senatsurteil vom 17. November 1958 aaO) oder sonstige Nachwirkungen, wie das Eintreten einer für den Schadensfall aufkommenden Versicherung (Senatsurteil vom 23. Oktober 1958 aaO).

38

e) Allerdings wird das Berufungsgericht noch Feststellungen dazu zu treffen haben, ob und inwieweit sich die - in dieser Hinsicht darlegungs- und beweisbelastete - Klägerin auf die Auskunft des Beklagten verlassen durfte. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass sie sich das Wissen ihrer Subunternehmerin - der W.                           - zurechnen lassen muss, die ihrerseits für ihre Nachunternehmerin - das Fachunternehmen R.                     - einzustehen hat. Insoweit wird zu klären sein, womit die Subunternehmerinnen im Einzelnen beauftragt waren, inwieweit sie an der Planung beteiligt waren und ob sie über besondere, denen des Beklagten gleichkommende oder gar überlegene Fachkenntnisse zu der in Rede stehenden Frage verfügten oder hätten verfügen müssen. Dabei wird weiter zu berücksichtigen sein, dass Mitarbeiter dieser Subunternehmerinnen an dem Ortstermin teilgenommen haben und - im Ausgangspunkt - auf die Sachkunde des Beklagten, der später die notwendigen Bescheinigungen für die Abnahme des Schornsteins zu erstellen hatte, vertrauen durften. Es kann auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht beurteilt werden, ob und inwieweit ihnen der Messfehler des Beklagten gleichwohl hätte auffallen müssen. Immerhin wurde es nach Bekanntwerden des falschen Messergebnisses erforderlich, den Schornstein um vier Meter auf die andere Seite des Daches zu versetzen. Jedenfalls dann, wenn ein für einen Fachmann augenfälliger Fehler vorgelegen hätte, hätte es möglicherweise zumindest den Mitarbeitern des Fachunternehmens R.                         oblegen, eine eigene Messung vorzunehmen. Es wird jedoch auch zu beachten sein, dass die Auskunft des Beklagten die bis dahin bestehende vorläufige Bauplanung bestätigte und daher auf erste Sicht kein Anlass zu Zweifeln bestand.

39

f) Von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig hat sich das Berufungsgericht auch nicht mit der Frage befasst, ob die Klägerin den Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließende anderweitige Ersatzmöglichkeiten in Form von Gewährleistungs- oder Schadensersatzforderungen gegen Dritte, insbesondere ihre Nachunternehmerinnen hat. Für deren Fehlen - als (negative) Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs - trägt der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast (st. Rspr. z.B. Senatsurteile vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 167 und vom 15. Mai 1997 - III ZR 204/96, BGHZ 135, 354, 365 f; BeckOGK/Dörr, Stand 15. Dezember 2017, § 839 BGB, Rn. 645 mwN). Das Berufungsgericht wird hierzu die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.

40

Sonstige Ersatzmöglichkeiten sind auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands nicht ersichtlich. Nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvortrag hatte die Klägerin auch die Planungsleistungen (einschließlich der Architekten- und Ingenieurleistungen) zu erbringen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin diese Leistungen extern vergab, gibt es bislang nicht. Hinweise darauf, dass die Bauherrin selbst Architekten oder Ingenieure beauftragt hat, gegen die Rückgriffsansprüche der Klägerin gemäß § 426 Abs. 1 i.V.m. §§ 633 ff BGB denkbar wären, gibt es derzeit ebenfalls nicht.

41

Ansprüche gegen eine andere Behörde - hier die Baubehörde, die die Planung genehmigt hatte - sind wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der öffentlichen Hand unbeachtlich (vgl. z.B. Senatsurteile vom 29. Januar 1968 - III ZR 111/66, BGHZ 49, 267, 275, und vom 4. Juli 1974 - III ZR 63/72, BGHZ 62, 394, 397, vom 3. Juni 1993 - III ZR 104/92, BGHZ 123, 1, 7, und vom 15. Mai 1997 - III ZR 204/96, BGHZ 135, 354, 367; Dörr, aaO, Rn. 623 ff jew. mwN).

42

2. Einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB aus abgetretenem Recht der Bauherrin (§ 398 BGB) hat das Berufungsgericht hingegen zu Recht verneint.

43

a) Zwar besteht die Amtspflicht zur richtigen Auskunft im Zusammenhang mit der Errichtung eines den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im obigen Sinn entsprechenden Schornsteins - wie vorstehend ausgeführt - ohne weiteres im Interesse des Eigentümers. Der Zedentin konnte aber - wie ausgeführt und wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - die Klägerin erfolgreich aus Gewährleistungsrecht (§§ 633 ff BGB) in Anspruch nehmen, so dass ihr kein Schaden entstanden ist.

44

b) Die Grundsätze der Drittschadensliquidation finden auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob diese im Bereich der Amtshaftung überhaupt in Betracht zu ziehen sind (vgl. hierzu Senatsurteile vom 15. November 1984 - III ZR 70/83, BGHZ 93, 87, 95 f und vom 6. Juni 1991 - III ZR 221/90, NJW 1991, 2696, 2697; Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 1996 - III ZR 4/95, NJW-RR 1996, 724 und vom 26. Juni 2008 - III ZR 118/07, NVwZ-RR 2008, 670, 671, Rn. 9).

45

Die Möglichkeit einer Schadensliquidation im Drittinteresse besteht, wenn der Anspruchsteller nur formell Berechtigter ist, während der Schaden dem Träger des geschützten Interesses erwächst (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1966 - VI ZR 49/65, NJW 1967, 930, 931 zu dem Fall des vertraglich geschützten Interesses), mithin der Ersatzberechtigte keinen Schaden und der Dritte zwar einen Schaden, aber keinen Anspruch hat (BGH, Urteile vom 10. Juli 1963 - VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 100 ff; vom 29. Januar 1968 - II ZR 18/65, BGHZ 49, 356, 361 und vom 14. Januar 2016 - VII ZR 271/14, NJW 2016, 1089, 1090, Rn. 27; Erman/Ebert, BGB, 15. Aufl., Vorbem. v. § 249-253 Rn. 124). Letzteres ist nicht der Fall, da die Klägerin aus den unter Nummer 1 dargestellten Gründen entweder über einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten oder aber über Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche gegen ihre Nachunternehmerinnen verfügt.

III.

46

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Arend     

      

Böttcher