Entscheidungsdatum: 27.11.2013
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 19. April 2013 - 1 U 109/12 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Gegenstandswert für die Rechtsbeschwerde beträgt 500 €.
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten aus einem Geschäftsbesorgungsverhältnis die Herausgabe von Unterlagen betreffend das Einzelunternehmen Baustoff- und Bodenrecycling T. K. . Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses ihrem Rechtsanwalt am 29. Mai 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Die auf den 26. Juli 2012 (Donnerstag) datierte Berufungsbegründung ist allerdings erst einen Tag nach Ablauf der Begründungsfrist, nämlich am Dienstag, dem 31. Juli 2012, bei dem Berufungsgericht eingegangen. Nachdem dieses mit Verfügung vom 7. März 2013 auf die Verspätung hingewiesen hatte, hat die Beklagte mit Eingang vom 13. März 2013 bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Die Beklagte hat in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, dass die Berufungsbegründungsschrift am 26. Juli 2012 (Donnerstag) von ihrem Prozessbevollmächtigten fertiggestellt und in den Postlauf gegeben worden sei. Der als zuverlässig bekannte Zustelldienst "N. " habe die Sendung am 27. Juli 2012 (Freitag) aus der Anwaltskanzlei abgeholt. Dies ergebe sich aus dem Eintrag im Postausgangsbuch (unter Nummer 2953 vom 27. Juli 2012). Im Jahre 2012 sei die Abholung an Freitagen um etwa 14 Uhr erfolgt. Die Zustellung an den Empfänger geschehe durch den "N. " innerhalb des Landes spätestens am nächsten Tag. Dieser Sachverhalt werde anwaltlich versichert.
Mit Verfügung vom 15. März 2013 hat das Berufungsgericht der Beklagten aufgegeben, die Abholung des Berufungsbegründungsschriftsatzes (aus der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten) am 27. Juli 2012 durch Vorlage einer beglaubigten Ablichtung des Postausgangsbuchs und gegebenenfalls eidesstattliche Versicherung einer Kanzleikraft weiter glaubhaft zu machen. Hierauf hat die Beklagte mitgeteilt, dass sich aus dem Postausgangsbuch keine anderen Daten ergäben als jene, welche bereits bekannt seien. Eine Kanzleikraft könne keine darüber hinausgehende Versicherung abgeben, da der Vorgang zu lange zurückliege. Das Postausgangsbuch werde in der Weise geführt, dass sofort nach Austrag der Sendungen diese kuvertiert und zum Versand bereitgehalten würden. Dann würden die Sendungen von dem Postboten abgeholt. Auch diese Angaben würden anwaltlich versichert. Da es keinen Grund gebe, an den Angaben oder gar dem Eintrag selbst zu zweifeln, werde davon abgesehen, der Bitte um weitere Glaubhaftmachung nachzukommen. Die Kopie des gesamten, 188 Seiten umfassenden Postausgangsbuchs wäre außerdem mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.
Mit Beschluss vom 19. April 2013 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass es an der gebotenen genauen Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und dem Ende der versäumten Frist liegenden Umstände fehle, die für die Frage von Bedeutung seien, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumung gekommen sei. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, ob und zu welchem Zeitpunkt nach der Auftragserteilung und mit welchen Fristen die vorliegende Sache im Fristenkalender ihres Prozessbevollmächtigten eingetragen worden sei, damit sie von der Kontrolle beim Unterschreiben der Post habe erfasst werden können. Darüber hinaus fehle es an der Darlegung und Glaubhaftmachung einer wirksamen Postausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten. Belege seien trotz Hinweises des Senats nicht vorgelegt worden, insbesondere keine beglaubigte Ablichtung der Wochen- oder Tageseinträge des Postausgangsbuchs. Fehle es an einer schlüssigen Darstellung und Glaubhaftmachung der zur Einhaltung der Frist getroffenen Maßnahmen, so könne ein der Beklagten zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten bei der Fristversäumnis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ein ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Rechtsanwalts nicht auszuräumen vermocht, so dass ihr keine Wiedereinsetzung zu gewähren und ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, befindet sich - jedenfalls im Ergebnis - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
a) Es gehört zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden. Er muss vielmehr zusätzlich eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Da für die Ausgangskontrolle in jedem Anwaltsbüro ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Rechtsanwalt sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Schließlich gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. April 2013 - X ZB 13/12, BeckRS 2013, 09353 Rn. 9 mwN; vom 27. März 2012 - II ZB 10/11, NJW-RR 2012, 745, 746 Rn. 9; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 f Rn. 9; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051, 2052 Rn. 7 f; vom 20. Juli 2010 - XI ZB 19/09, BeckRS 2010, 18808 Rn. 12 und vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378, 1379 Rn. 7).
b) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zu Recht bemängelt hat, nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass organisatorische Vorkehrungen im Büro ihres Rechtsanwalts getroffen worden sind, die die rechtzeitige Absendung fristgebundener Schriftsätze sicherstellen.
aa) Zwar kann ein Postausgangsbuch ein geeignetes Mittel sein, um die erforderliche Ausgangskontrolle zu gewährleisten (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 26. September 1994 - II ZB 9/94, NJW 1994, 3171 und vom 10. April 1991 - XII ZB 28/91, NJW-RR 1991, 1150). Nach den anwaltlich versicherten Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten werden die Sendungen in dessen Kanzlei jedoch erst "nach Austrag" (im Postausgangsbuch) kuvertiert und zum Versand (das heißt offenbar: zur Abholung durch den Zustelldienst) bereitgehalten. "Postfertig" ist ein fristgebundener Schriftsatz aber erst dann, wenn er kuvertiert, frankiert und damit so zur Versendung fertig gemacht wird, dass die Beförderung normalerweise nicht mehr durch ein Versehen, welches die eigentliche Beförderung nicht betrifft, verhindert werden kann; erst danach darf auch die betroffene Frist als erledigt vermerkt werden (s. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2011 aaO S. 2052 f Rn. 8, 10 und vom 20. Juli 2010 aaO Rn. 13, jeweils mwN). Erfolgt der Austrag hingegen bereits vor der "Postfertigstellung" der Sendung, so ist aufgrund des Postausgangsbuchs keine zuverlässige Kontrolle möglich, ob die Absendung fristgerecht erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund ist der Abgang (die Abholung) des Berufungsbegründungsschriftsatzes am 27. Juli 2012 nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, durch das Postausgangsbuch "ausgewiesen".
bb) Dass eine Löschung der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender des Anwalts erst nach der Abholung des Schriftsatzes durch den Zustelldienst (oder mindestens nach der "postfertigen Bereitstellung" der Sendung) erfolgt, hat die Beklagte vor dem Berufungsgericht nicht vorgetragen. Soweit es in der Rechtsbeschwerdebegründung heißt, der beigefügte Auszug aus dem Fristenkalender weise aus, dass die eingetragene Berufungsbegründungsfrist "daraufhin" (wohl: nach Abholung des Schriftsatzes durch den Zustelldienst) gelöscht worden sei, hilft dies - abgesehen von der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit dieses Vortrags in der Rechtsbeschwerdeinstanz - nicht weiter. Denn zum einen wird damit noch keine dahingehende organisatorische Festlegung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dargetan, und zum anderen ist nicht glaubhaft gemacht worden, insbesondere auch aus dem vorgelegten Auszug aus dem Fristenkalender vom 30. Juli 2012 nicht ersichtlich, wann (etwa schon: an welchem Tage) die Fristlöschung vorgenommen wurde.
cc) Letztlich ist eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, nicht dargetan.
c) Freilich käme es, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, auf die organisatorische Sicherstellung einer wirksamen Ausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht an, wenn glaubhaft gemacht worden wäre, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz vom 26. Juli 2012 tatsächlich am 27. Juli 2012 vom Postboten des Zustelldienstes "N. " aus der Anwaltskanzlei abgeholt wurde (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 10. April 1991 aaO und vom 16. Februar 2010 aaO Rn. 7 ff). Eine Verzögerung im Bereich des Zustelldienstes, mit der nicht zu rechnen gewesen wäre, müssten sich die Beklagte und ihr Rechtsanwalt nicht zurechnen lassen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hätte sich ohne Verschulden darauf verlassen dürfen, dass der von ihm eingeschaltete private Zustelldienst die Übermittlung an das Berufungsgericht innerhalb der normalen Postlaufzeiten bewirkt (s. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 10. März 2011 - VII ZB 28/10, NJW-RR 2011, 790 Rn. 8 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 155/07, NJW-RR 2008, 930 Rn. 8 f).
Eine solche Glaubhaftmachung liegt jedoch nicht vor. An die Abholung des Berufungsbegründungsschriftsatzes durch den Zustelldienst haben der Rechtsanwalt der Beklagten und sein Personal keine Erinnerung. Umstände, denen sich die Abholung des Schriftsatzes am 27. Juli 2012 positiv entnehmen ließe, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auf bloße Rückschlüsse lässt sich, wenn es, wie hier, an einer zureichenden Ausgangskontrolle fehlt, ein Wiedereinsetzungsantrag nicht stützen (s. BGH, Beschlüsse vom 26. September 1994 aaO S. 3172 und vom 10. April 1991 aaO S. 1151).
d) Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagten die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung der Berufungsbegründung (zusätzlich) dadurch erschwert worden ist, dass das Berufungsgericht die Versäumung der Begründungsfrist offenbar erst sieben Monate später bemerkt und die Beklagte sodann darauf hingewiesen hat. Dies vermag die Beklagte jedoch nicht zu entlasten. Denn eine wirksame Postausgangskontrolle in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten hätte diese Schwierigkeiten abgewendet, und das Unterlassen der Gewährleistung einer solchen Ausgangskontrolle muss sich die Beklagte als (Organisations-)Verschulden ihres Anwalts entgegenhalten lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
3. Die Bemessung des Gegenstandswertes der Rechtsbeschwerde beruht auf einer Schätzung des Aufwands an Zeit und Kosten, welcher der Beklagten für die Erfüllung der Herausgabepflicht voraussichtlich (maximal) entsteht (§ 3 ZPO; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888, 889 Rn. 5 und vom 9. Februar 2012 - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 f Rn. 7, jeweils mwN).
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter