Entscheidungsdatum: 30.09.2010
1. Ein Vorläufigkeitsvermerk, der auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO und auf die Besteuerungsgrundlage hinweist, hinsichtlich derer die Steuer vorläufig festgesetzt wird, ist inhaltlich nach Grund und Umfang hinreichend bestimmt. Es ist nicht erforderlich, die betragsmäßige Auswirkung der vorläufigen Festsetzung anzugeben und die anhängigen Musterverfahren nach Gericht und Aktenzeichen zu bezeichnen .
2. Ein solcher Vorläufigkeitsvermerk beschränkt sich nicht auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren. Sind die Verfahren, die der Vorläufigkeit zugrunde liegen, beendet und ist die vorläufige Festsetzung noch nicht für endgültig erklärt, bleibt die Festsetzung vorläufig, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 171 Abs. 8 Satz 2 AO) wieder ein einschlägiges Verfahren anhängig wird .
3. Eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung kann auch dann geändert werden, wenn der BFH oder das BVerfG eine Norm verfassungskonform auslegt .
4. Eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung schränkt den verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht ein. Macht er besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend, kann trotz vorläufiger Festsetzung ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Einspruchsverfahren und Klageverfahren anzunehmen sein, in dem der Steuerpflichtige ggf. auch vorläufigen Rechtsschutz erlangen kann. Erklärt die Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung (ggf. auf Antrag gemäß § 165 Abs. 2 Satz 4 AO) für endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf. Klage möglich .
5. Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung ist in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Ist eine Teileinspruchsentscheidung sachdienlich, entspricht ihr Erlass regelmäßig billigem Ermessen mit der Folge, dass eine weitere Begründung der Ermessensentscheidung nicht erforderlich ist .
6. Eine Teileinspruchsentscheidung ist auch dann sachdienlich, wenn sie nicht allein auf schnelleren Rechtsschutz im Interesse des Steuerpflichtigen gerichtet ist, sondern dem Interesse der Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung über den entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs dient, der ersichtlich nur zu dem Zweck eingelegt wird, die Steuerfestsetzung nicht bestandskräftig werden zu lassen .
7. In der Teileinspruchsentscheidung wird durch Angabe der betreffenden Besteuerungsgrundlage(n) hinreichend bestimmt, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll .
8. Das JStG 2007 ist verfassungsmäßig zustande gekommen. Trotz der grundsätzlich vorgesehenen drei Beratungen eines Gesetzentwurfs muss eine vom Gesetzentwurf in erster Beratung abweichende Beschlussempfehlung nicht Gegenstand einer erneuten ersten Beratung sein. Ein Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags (Frist für die zweite Beratung) führt nicht zur formellen Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes .
A. Im März 2007 ging beim Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) die Einkommensteuererklärung des Klägers, Revisionsklägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für das Streitjahr 2005 ein, mit der er Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit erklärte. Im Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007 berücksichtigte das FA die Altersvorsorgeaufwendungen des Klägers (Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung) sowie die übrigen Vorsorgeaufwendungen entsprechend den Regelungen in § 10 Abs. 3, 4 und 4a des Einkommensteuergesetzes in der Fassung für das Streitjahr 2005 (EStG) in beschränktem Umfang als Sonderausgaben.
Auf Antrag des Klägers erging am 26. April 2007 ein geänderter Bescheid, weil die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu hoch angesetzt worden waren. Die Festsetzung der Einkommensteuer war --wie im ursprünglichen Bescheid-- gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) vorläufig hinsichtlich
- der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen
(§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG),
- der Anwendung der durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG)
2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 3076, BGBl I 2004,
69, BStBl I 2004, 120) geänderten Vorschriften und
- der Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw.
Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung
nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der
Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz
--AbgG--).
Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags war gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) 1995.
Im Bescheid wird erläutert, die Vorläufigkeitserklärung erfasse nur die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar seien. Die Vorläufigkeitserklärung erfolge aus verfahrensrechtlichen Gründen und sei nicht dahin zu verstehen, dass die Regelungen als verfassungswidrig oder als gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßend angesehen würden. Änderungen dieser Regelungen würden von Amts wegen berücksichtigt; ein Einspruch sei insoweit nicht erforderlich.
Mit seinem Einspruch gegen den geänderten Bescheid vom 26. April 2007 bat der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 2006 X R 9/05 (BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858), ihm die von den Vorläufigkeitsvermerken umfassten Verfahren und Rechtsfragen mitzuteilen, damit die Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke im vorliegenden Fall klar feststehe.
Ferner führte er unter anderem aus, ein Vorläufigkeitsvermerk biete nicht den gleichen Rechtsschutz wie ein Einspruch. Solange ein Einspruchsverfahren laufe, sei der Steuerbescheid offen und der Steuerpflichtige könne sich auf alle in dieser Zeit erlassenen Urteile berufen, während ein Vorläufigkeitsvermerk den Bescheid nur hinsichtlich der ihm zugrunde liegenden anhängigen Verfahren offen halte. Zudem würden von dem Vorläufigkeitsvermerk nur Verfahren umfasst, bei denen es um die Vereinbarkeit einer Norm mit höherrangigem Recht gehe und wenn ein Verstoß gegen höherrangiges Recht angenommen werde. Gelange das Gericht aber durch einfachgesetzliche Auslegung zu einer verfassungskonformen Entscheidung, könne sich der Steuerpflichtige, dessen Steuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt sei, hierauf nicht berufen.
Beim BFH sei das Verfahren X R 9/07 anhängig, das die --auch im Streitfall erhebliche-- Frage betreffe, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf zukünftige Renteneinkünfte in voller Höhe als vorweggenommene Werbungskosten oder nur beschränkt als Sonderausgaben abziehbar seien. Es sei zweckmäßig, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Rechtsfrage ruhen zu lassen.
Ergänzend werde der Einspruch auf die den Vorläufigkeitsvermerken im angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Musterverfahren gestützt, bei denen er, der Kläger, davon ausgehe, dass sie durch einfachgesetzliche verfassungskonforme Auslegung der jeweils betroffenen Norm zu Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden würden. Das Einspruchsverfahren habe bis zur Entscheidung auch dieser Musterverfahren zu ruhen.
Das FA erließ am 12. Juli 2007 gemäß § 367 Abs. 2a AO eine Teileinspruchsentscheidung mit folgendem Tenor:
"Der Einspruch wird, soweit hierdurch über ihn entschieden, als unbegründet zurückgewiesen.
Über folgenden Teil des Einspruchs wird nicht entschieden:
- Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als
vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne
des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG; beim BFH anhängiges
Verfahren X R 9/07
Der Bescheid ist weiterhin vorläufig gem. § 165 Abs. 1 AO, soweit dies im Erläuterungstext des angefochtenen Bescheides ausgeführt ist."
Zur Begründung führte das FA aus: Wegen der vom Kläger beanstandeten Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten sei beim BFH das Verfahren X R 9/07 anhängig. Insoweit ruhe das Einspruchsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 AO.
Soweit der Kläger die ungeklärte Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke rüge, sei der Einspruch entscheidungsreif. Es sei sachdienlich, über diesen Teil gemäß § 367 Abs. 2a Satz 1 AO vorab zu entscheiden. Der Einspruch sei insoweit unbegründet. Die Vorläufigkeitsvermerke seien nicht zu beanstanden, da sowohl Grund als auch Umfang der Vorläufigkeit in den Erläuterungen zum Bescheid angegeben seien.
Der rechtliche und zeitliche Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO sei seit dem BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 geklärt. Danach reiche der Hinweis auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO aus. Der Einwand des Klägers, die Vorläufigkeitsvermerke seien nicht ausreichend begründet, weil sie "nicht in eine sachliche und rechtliche Verbindung zu genau bezeichneten Verfahren i.S.d. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO" gebracht würden, gehe ins Leere. Denn die Vorläufigkeit beschränke sich nach dem BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 nur dann auf zum Zeitpunkt der Festsetzung anhängige Verfahren, wenn die Steuer "im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren" vorläufig festgesetzt worden sei. Der angefochtene Bescheid enthalte eine solche Einschränkung der Vorläufigkeit nicht. Die Reichweite einer Vorläufigkeit sei dem dafür im Bescheid angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln.
Soweit die Steuerfestsetzung auf dem nicht entschiedenen Teil beruhe, ruhe das Verfahren weiterhin gemäß § 363 Abs. 2 AO. Nur insoweit trete durch diese Entscheidung keine Bestandskraft ein (§ 367 Abs. 2a Satz 2 AO).
Mit der Klage beantragte der Kläger, die Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides sowie der Teileinspruchsentscheidung festzustellen, hilfsweise deren Aufhebung. Das Finanzgericht (FG) hob durch Urteil vom 12. Dezember 2007 7 K 249/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1082) die Teileinspruchsentscheidung auf. Sie sei rechtswidrig, weil das FA keine Ermessenserwägungen angestellt bzw. nicht dargelegt habe, weshalb das Einspruchsvorbringen entscheidungsreif sei und weshalb es im Streitfall sachdienlich sei, das Verfahren nicht ruhen zu lassen. Die Vorläufigkeitsvermerke seien unwirksam, denn sie ließen den Umfang und den Grund der Vorläufigkeit nicht hinreichend genau erkennen. Da die Unwirksamkeit der Vorläufigkeitsvermerke nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheides führe, habe das FA den Kläger insoweit unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Gegen das Urteil haben sowohl der Kläger als auch das FA Revision eingelegt.
Während des Revisionsverfahrens wurde der angefochtene Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag --aus hier nicht streitigen Gründen-- mehrfach geändert. Die Bescheide vom 10. Juli 2008 und vom 19. Januar 2009 waren nur noch vorläufig hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG) und der Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 AbgG. In dem nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid vom 23. September 2010 wurden die Vorläufigkeitsvermerke hinsichtlich des HBeglG 2004 und der Verfassungsmäßigkeit des SolzG 1995 wieder aufgenommen.
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor:
Die Vorläufigkeitsvermerke seien unbestimmt und damit unwirksam. Die Unwirksamkeit führe zur Nichtigkeit der Festsetzung. Zumindest aber seien die Vorläufigkeitsvermerke und damit auch der Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag rechtswidrig.
Entgegen § 165 Abs. 1 Satz 3 AO seien Grund und Umfang der Vorläufigkeit nicht angegeben. Die vorläufig festgesetzte Steuer müsse beziffert werden, weil sich nach Beendigung der Vorläufigkeit ein Einspruchsverfahren anschließen könne, in dem andere Begründungen nachgeschoben werden dürften. Unklar sei auch, ob sich der jeweilige Vorläufigkeitsvermerk nur auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren beziehe (so BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858, und Urteil des Sächsischen FG vom 19. August 2009 2 K 1038/09, juris) oder auch auf später anhängig werdende Verfahren, wie die Finanzverwaltung behaupte.
Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO sei vorläufig festzusetzen, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder einem obersten Bundesgericht sei. Es sei daher anzugeben, welche anhängigen Verfahren (unter Angabe des Gerichts und des Aktenzeichens) und welche genauen Rechtsfragen von dem Vorläufigkeitsvermerk umfasst seien. Ohne diese Angaben könne der Steuerpflichtige nicht entscheiden, ob ein Einspruch gegen den Steuerbescheid erforderlich sei oder nicht. Fehlten diese Angaben im Vorläufigkeitsvermerk, habe die Finanzbehörde die Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks im Einspruchsverfahren zu erläutern (BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858). Dieser Begründungspflicht sei das FA bisher nicht nachgekommen.
Eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO erfasse nur die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, nicht aber die einfachgesetzliche verfassungskonforme Auslegung. Die Vertreter der Finanzverwaltung hätten in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH zwar erklärt, die Vorläufigkeit beziehe sich auch auf die verfassungskonforme Auslegung. Aus den bisherigen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ergebe sich jedoch die gegenteilige Auffassung. Bei Erhalt des angefochtenen Bescheides sei daher die Reichweite der Vorläufigkeitsvermerke auch insoweit nicht klar und eindeutig gewesen.
Da der Steuerpflichtige das Recht habe, nach Beseitigung der Ungewissheit eine Endgültigkeitserklärung zu beantragen, müsse klar sein, wann die Ungewissheit beseitigt sei. Die Vertreter der Finanzverwaltung hätten in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Ungewissheit sei mit der Entscheidung über die im Vorläufigkeitsvermerk bezeichnete Frage beseitigt; nach Rz 9 zu § 165 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) dürfe die Vorläufigkeit aber jederzeit durch eine Endgültigkeitserklärung beendet werden. Zudem lasse die Finanzverwaltung bei Änderungsbescheiden die Vorläufigkeitsvermerke bereits dann entfallen, wenn kein Verfahren mehr anhängig sei, unabhängig davon, ob die Rechtsfrage bereits geklärt sei.
Nach dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) folgenden Recht freier Prozess- und Verfahrensführung könne der Steuerpflichtige selbst entscheiden, ob er das Verfahren zum Stillstand bringe oder selbst eine gerichtliche Entscheidung herbeiführe. Durch die vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO werde dieses Recht des Steuerpflichtigen aber eingeschränkt, da er nach Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung bei vorläufiger Festsetzung insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch habe. Zwar hätten die Vertreter der Finanzverwaltung erklärt, der Steuerpflichtige könne Einspruch einlegen, wenn der Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid entfalle, der Bescheid nach einer höchstrichterlichen Entscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen geändert oder für endgültig erklärt werde. In einem solchen Einspruchsverfahren könnte aber die Rechtsfrage, deretwegen vorläufig festgesetzt worden sei, nicht geklärt werden; denn nach § 351 AO dürften unanfechtbare Verwaltungsakte nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche. Selbst wenn das Entfallen eines Vorläufigkeitsvermerks als Änderung angesehen würde, könne allenfalls geklärt werden, ob der Vorläufigkeitsvermerk zu Recht entfallen sei. Bei einer Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen könne der Änderungsbescheid nicht angegriffen werden, weil der Steuerpflichtige, der eine weitere Herabsetzung begehre, durch den Änderungsbescheid nicht beschwert sei. Da die Endgültigkeitserklärung anders als die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO) keiner Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe, könne der Steuerpflichtige mit einem Einspruch gegen die Endgültigkeitserklärung ebenfalls nicht Rechtsfragen klären lassen, hinsichtlich derer die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt worden sei.
Auch werde das Recht des Steuerpflichtigen auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Steuerbescheides eingeschränkt; denn die Vollziehung der Steuerfestsetzung könne nur ausgesetzt werden, wenn ein zulässiger Einspruch vorliege. Da zu einer Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung des Steuerbescheides führende ernstliche Zweifel in der Regel erst vorlägen, wenn der BFH die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vorlege, müsse dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, trotz vorläufiger Festsetzung Einspruch einzulegen und das Verfahren zum Ruhen zu bringen. Nur durch die generelle Zulässigkeit eines Einspruchs bei vorläufiger Festsetzung und die Einräumung der Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO werde das Recht auf individuellen, effektiven Rechtsschutz gewahrt. Art. 19 Abs. 4 GG verbiete jede Einschränkung des Rechts auf AdV durch Vorläufigkeitsvermerke bei verfassungsrechtlichen Musterprozessen.
Die Teileinspruchsentscheidung sei ebenfalls nichtig, zumindest aber rechtswidrig, weil nicht angegeben sei, welcher Steuerbetrag nicht bestandskräftig werden solle. Da eine Steuerfestsetzung stets betragsmäßig in Bestandskraft erwachse, reiche ein Hinweis auf offene Besteuerungsgrundlagen nicht aus. Besteuerungsgrundlagen könnten nicht bestandskräftig werden. Eine Bezifferung der nicht bestandskräftig werdenden Steuerfestsetzung sei auch deshalb erforderlich, weil der Steuerpflichtige insoweit die Besteuerungsgrundlagen im Einspruchsverfahren austauschen könne. Die Auffassung der Finanzverwaltung, nach Ergehen einer Teileinspruchsentscheidung bestehe ein solches Recht nicht, schränke den Rechtsschutz ein.
Nichtig oder jedenfalls rechtswidrig sei die Teileinspruchsentscheidung zudem, weil sie inhaltlich nicht hinreichend bestimmt sei. Nach Rz 6.3 zu § 367 AEAO sei "genau zu bestimmen (z.B. durch Benennung der anhängigen Verfahren vor dem BFH, BVerfG oder EuGH mit Az. und Streitfrage), hinsichtlich welcher Teile des Verwaltungsaktes Bestandskraft nicht eintreten" solle. Im Streitfall sei für den nicht bestandskräftig werdenden Teil des Einspruchs das beim BFH anhängige Verfahren X R 9/07 genannt worden. Unklar sei, ob das Einspruchsverfahren trotz der Entscheidung des BFH im Verfahren X R 9/07 weiterhin ruhe, weil gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde erhoben worden sei (Az. 2 BvR 290/10).
Das FA habe die Teileinspruchsentscheidung auch deshalb nicht erlassen dürfen, weil gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO gesetzliche Zwangsruhe eingetreten sei. Denn er, der Kläger, habe sich darauf berufen, dass die den Vorläufigkeitsvermerken zugrunde liegenden Verfahren durch verfassungskonforme einfachgesetzliche Auslegung der jeweils betroffenen Norm zu Gunsten des Steuerpflichtigen entschieden würden. Fragen der einfachgesetzlichen Auslegung einer Rechtsnorm würden aber von einem auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gestützten Vorläufigkeitsvermerk nicht umfasst. Da die zu klärende Frage den gesamten Bescheid betreffe, könne dieser nicht in zwei Teile geteilt werden mit der Folge, dass eine abschließende Entscheidung nur hinsichtlich eines Teiles nicht möglich sei (vgl. auch Beschluss des FG Düsseldorf vom 23. Juni 2009 11 V 1839/08 A [F], EFG 2009, 1817).
Die Teileinspruchsentscheidung sei außerdem ermessensfehlerhaft. Soweit das FA hinsichtlich der Sachdienlichkeit Ermessen ausgeübt habe, sei dieses nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen und deshalb fehlerhaft.
Schließlich gebe es für die Teileinspruchsentscheidung keine Rechtsgrundlage, weil das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) nicht verfassungsgemäß zustande gekommen sei. § 78 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags (GO BT) schreibe drei Beratungen für Gesetzentwürfe vor. Bei der ersten Beratung des JStG 2007 am 28. September 2006 sei aber § 367 Abs. 2a AO in dem Gesetzentwurf noch nicht enthalten gewesen (vgl. BTDrucks 16/2712). Die zweite Beratung des Gesetzentwurfs habe entgegen § 81 Abs. 1 GO BT früher als am zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts begonnen bzw. eine dritte Beratung sei nicht durchgeführt worden, da vor der Schlussabstimmung noch nicht einmal gefragt worden sei, ob sich jemand zur Sache äußern möchte. Ein evidenter Mangel im Gesetzgebungsverfahren führe nach der Rechtsprechung des BVerfG zur Nichtigkeit des Gesetzes.
Wegen des weiteren Vortrags des Klägers nimmt der Senat auf die im Revisionsverfahren eingereichten Schriftsätze einschließlich des Schriftsatzes vom 6. Oktober 2010 Bezug.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Nichtigkeit des Bescheides für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007, der geänderten Bescheide für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. April 2007, 18. Februar 2008, 17. März 2008, 10. Juli 2008, 19. Januar 2009 und 23. September 2010 sowie der Teileinspruchsentscheidung vom 12. Juli 2007 festzustellen,
hilfsweise,
das FG-Urteil, den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007, den geänderten Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. April 2007 in der Fassung der Teileinspruchsentscheidung vom 12. Juli 2007 sowie die geänderten Bescheide für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 18. Februar 2008, 17. März 2008, 10. Juli 2008, 19. Januar 2009 und 23. September 2010 aufzuheben,
weiter hilfsweise,
das FG-Urteil, den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007, den geänderten Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. April 2007 in der Fassung der Teileinspruchsentscheidung vom 12. Juli 2007 sowie die geänderten Bescheide für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 18. Februar 2008, 17. März 2008, 10. Juli 2008, 19. Januar 2009 und 23. September 2010 aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Das FA beantragt mit seiner Revision, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Das BMF und das Niedersächsische Finanzministerium sind dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Sie haben keine Anträge gestellt.
B. I. Auf die Revisionen des Klägers und des FA ist das FG-Urteil schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil diesem ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt. Das FG hat über den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26. April 2007 und die Teileinspruchsentscheidung vom 12. Juli 2007 entschieden. Während des Revisionsverfahrens hat das FA aber mehrere geänderte Bescheide erlassen, die gemäß § 121, § 68 FGO nacheinander Gegenstand des Verfahrens geworden sind (BFH-Urteil vom 15. April 2010 IV R 5/08, BFHE 229, 524, BFH/NV 2010, 1926, m.w.N.).
Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich die Streitpunkte nicht geändert haben. Die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag im Bescheid vom 23. September 2010 sind (wieder) in demselben Umfang vorläufig festgesetzt wie im angefochtenen Bescheid vom 26. April 2007, so dass die Streitpunkte hinsichtlich der Vorläufigkeitsvermerke gleich geblieben sind. Auch über die Rechtmäßigkeit der Teileinspruchsentscheidung ist im Revisionsverfahren weiterhin zu entscheiden. Denn die Teileinspruchsentscheidung enthält eine selbständige Beschwer und wird insoweit durch die Änderungsbescheide, die den Bescheid vom 26. April 2007 ersetzt haben, nicht berührt. Da die tatsächlichen, mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind, bilden sie nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (z.B. BFH-Urteil vom 27. März 2007 VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl II 2007, 639, m.w.N.). Der Senat entscheidet daher aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst.
II. Die Revision des FA führt zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO); die Revision des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Die Vorläufigkeitsvermerke sind i.S. des § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt.
a) Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Diese Regelung ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO auch anzuwenden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Welche Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit einer vorläufigen Festsetzung zu stellen sind, ergibt sich aus § 165 Abs. 1 Satz 3 AO. Danach sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben.
b) Aus den Vorläufigkeitsvermerken ergibt sich der Umfang der Vorläufigkeit hinreichend deutlich.
Zwar bezieht sich nach § 165 Abs. 1 AO die Vorläufigkeit auf die Festsetzung der Steuer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss die Auswirkung der Vorläufigkeit auf die Steuerfestsetzung jedoch nicht betragsmäßig angegeben werden. Es reicht der Hinweis auf eine Besteuerungsgrundlage aus, wenn dadurch jedenfalls mittelbar der Rahmen abgesteckt ist, innerhalb dessen die Steuerfestsetzung änderbar sein soll (BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791, m.w.N.).
Diesem Erfordernis wird der Änderungsbescheid vom 23. September 2010 gerecht. Es wird hinreichend bestimmt umschrieben, inwieweit die Steuerfestsetzung vorläufig ist, nämlich insoweit, als die Vorsorgeaufwendungen des Klägers nicht in vollem Umfang als Sonderausgaben abgezogen, Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben nicht in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 AbgG berücksichtigt sowie durch das HBeglG 2004 geänderte Vorschriften angewendet worden sind und ein Solidaritätszuschlag festgesetzt worden ist.
Hierdurch ist auch der Änderungsrahmen eines Einspruchsverfahrens bestimmt, das sich gegebenenfalls anschließt, wenn ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid nicht mehr enthalten ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1999 IX R 23/98, BFHE 190, 44, BStBl II 2000, 282) oder wenn das FA die Festsetzung von sich aus oder auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt (§ 165 Abs. 2 Sätze 2 und 4 AO). Im Übrigen wird eine im Hinblick auf eine (oder mehrere) Besteuerungsgrundlage(n) vorläufige Steuerfestsetzung nur für solche Einwendungen offen gehalten, die sich auf die betreffende(n) Besteuerungsgrundlage(n) beziehen; in einem nachfolgenden Einspruchs- oder Klageverfahren können Einwendungen hinsichtlich anderer Besteuerungsgrundlagen wegen der materiellen Bestandskraft der ursprünglichen Steuerfestsetzung nicht mehr berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 6. März 1992 III R 47/91, BFHE 167, 290, BStBl II 1992, 588). Nur bei einer Änderung der vorläufigen Festsetzung sind im Rahmen des Änderungsbetrags auch solche Fehler zu berücksichtigen, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen (§ 177 Abs. 4 AO).
Es ist auch nicht unklar, ob die Vorläufigkeitsvermerke nur bereits anhängige oder auch künftig anhängig werdende Verfahren betreffen. Die Vorläufigkeitsvermerke waren --anders als die Vorläufigkeitsvermerke, über die der BFH im Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 zu entscheiden hatte-- nicht beschränkt auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht aus § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Danach ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die Vorläufigkeit, dass die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand (mindestens) eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hat sich das Verfahren, das Anlass für die vorläufige Festsetzung war, in welcher Weise auch immer erledigt, bleibt der Tatbestand des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO gleichwohl erfüllt, wenn inzwischen ein anderes einschlägiges Verfahren anhängig geworden ist. Selbst wenn insoweit Zweifel hätten bestehen können, wären diese durch die Ausführungen des FA in der Teileinspruchsentscheidung beseitigt und ein etwaiger Begründungsmangel nach § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO geheilt worden (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278).
Ebenso wenig ist unklar, wie lang der künftige Zeitraum, in dem neue Gerichtsverfahren zu berücksichtigen sind, zu bemessen ist und wann die Ungewissheit i.S. des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO endet. Sind die Verfahren, die der vorläufigen Festsetzung zugrunde liegen, auf welche Weise auch immer beendet, ist die Rechtsgrundlage für ein Aufrechterhalten des Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO, d.h. die Ungewissheit im Sinne dieser Vorschrift entfallen, selbst wenn die betreffende Rechtsfrage noch nicht entschieden ist (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSP--, § 165 AO Rz 19e).
Ob und wann das FA eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung für endgültig erklärt, steht in seinem Ermessen. Dazu verpflichtet ist es nur, wenn der Steuerpflichtige dies nach Beendigung der Ungewissheit beantragt (§ 165 Abs. 2 Satz 4 AO). In der Regel bleibt die Festsetzung daher, wenn der Steuerpflichtige einen solchen Antrag nicht stellt, formal weiterhin vorläufig. Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (vor Ablauf von zwei Jahren nach Beseitigung der Ungewissheit und Kenntnis der Finanzbehörde hiervon, § 171 Abs. 8 Satz 2 AO) ein weiteres einschlägiges Verfahren anhängig, hat die angeordnete Vorläufigkeit wieder eine Rechtsgrundlage; die Festsetzung bleibt weiterhin vorläufig (vgl. auch Buciek in Beermann/Gosch, AO § 165 Rz 116). Dass bei Erlass des vorläufigen Steuerbescheides der konkrete Zeitpunkt nicht bekannt ist, zu dem die Ungewissheit entfällt, liegt in der Natur der Sache und kann die Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit eines Vorläufigkeitsvermerks nicht begründen.
c) Der Grund der Vorläufigkeit ist aus den Vorläufigkeitsvermerken ebenfalls ersichtlich. Aus der Bezugnahme auf § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO und der Angabe der Besteuerungsgrundlage --wie der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG)-- ergibt sich, dass das FA von der Möglichkeit einer vorläufigen Steuerfestsetzung Gebrauch gemacht hat, weil bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ein Verfahren anhängig ist, in dem darum gestritten wird, ob § 10 Abs. 3, 4, 4a EStG mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
Einer weiteren Begründung der Anordnung der Vorläufigkeit bedarf es nicht. Es ist nicht erforderlich, dass die dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden Verfahren im Einzelnen bezeichnet werden (BFH-Urteil in BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791). Auch nach dem BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858 reicht die Angabe der Rechtsgrundlage aus. Aus der Formulierung in diesem Urteil, dem Steuerpflichtigen könne es "zugemutet werden, ... ggf. zur Klärung der Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks Einspruch einzulegen", kann nicht hergeleitet werden, dass das FA dem Steuerpflichtigen die dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden Verfahren im Einspruchsverfahren mitteilen muss und dass der Vorläufigkeitsvermerk rechtswidrig oder sogar nichtig ist, wenn das FA einem solchen Verlangen nicht nachkommt. Da sich die Vorläufigkeit nicht auf die zum Zeitpunkt der vorläufigen Festsetzung anhängigen Verfahren beschränkt, wäre eine Angabe dieser Verfahren im Bescheid auch nicht zweckmäßig. Die Verfahren, die Grund für die vorläufige Festsetzung sind, können der vierteljährlich erscheinenden Beilage zum Bundessteuerblatt Teil II, den Fachzeitschriften und auch den elektronischen Medien entnommen werden.
2. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO schränkt den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht in verfassungswidriger Weise ein.
a) Der Kläger meint, es werde kein ausreichender Rechtsschutz gewährt, wenn das dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegende Verfahren aufgrund verfassungskonformer Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden werde. Entgegen der Auffassung des Klägers kann eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung aber auch dann geändert werden, wenn das Gericht in dem Musterverfahren über die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht aufgrund verfassungskonformer Auslegung zu einem für den Steuerpflichtigen günstigen Ergebnis kommt. Denn die verfassungskonforme Auslegung ist insoweit keine einfachgesetzliche Auslegung eines Steuergesetzes, sondern das Ergebnis der Prüfung, ob das betreffende Steuergesetz mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
b) Ebenso wenig wird der Steuerpflichtige dadurch in seinem Recht nach Art. 19 Abs. 4 GG auf effektiven Rechtsschutz beschränkt, dass sich der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht auf alle denkbaren Fragen der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts erstreckt. Denn der Steuerpflichtige kann mit dem Einspruch gegen die Steuerfestsetzung Fragen der Auslegung einfachen Rechts geltend machen und ggf. das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO zum Ruhen bringen, so wie es im Streitfall wegen der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG geschehen ist. Dem Steuerpflichtigen kann es zugemutet werden, für eine sachgerechte Verfolgung seiner Rechte ggf. fachkundigen Rat einzuholen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 199, BStBl II 2006, 858).
c) Auch ist es dem Steuerpflichtigen durch eine vorläufige Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht generell mangels Rechtsschutzbedürfnisses verwehrt, Einspruch und ggf. Klage zu erheben und vorläufigen Rechtsschutz zu erlangen. Nach der Rechtsprechung kann trotz vorläufiger Festsetzung wegen anhängiger Musterverfahren ein Rechtsschutzbedürfnis für das Einspruchs- und Klageverfahren anzunehmen sein, wenn --anders als im Streitfall-- besondere Gründe materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art substantiiert geltend gemacht werden (BFH-Beschlüsse vom 22. März 1996 III B 173/95, BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506; vom 30. November 2007 III B 26/07, BFH/NV 2008, 374; BFH-Urteil vom 16. Februar 2005 VI R 37/01, BFH/NV 2005, 1323). In einem solchen Einspruchs- und sich ggf. anschließenden Klageverfahren hat der Steuerpflichtige jederzeit die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen und --sofern die Voraussetzungen des § 361 AO bzw. des § 69 FGO vorliegen-- zu erhalten.
d) Der Steuerpflichtige erleidet auch keine unzumutbaren Rechtsnachteile, wenn die materiell-rechtliche Frage in dem Musterverfahren nicht in seinem Sinne oder --z.B. wegen Unzulässigkeit des Rechtsmittels, wegen Abhilfe oder wegen Rücknahme-- überhaupt nicht geklärt wird. Denn er kann nach Erledigung des Musterverfahrens gemäß § 165 Abs. 2 Satz 4 AO beantragen, dass die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt wird, und gegen die dann auch insoweit endgültige Festsetzung Einspruch einlegen und ggf. anschließend Klage erheben zur weiteren verfassungsrechtlichen Klärung (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 180, 217, BStBl II 1996, 506, m.w.N.; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 165 AO Rz 54; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 165 Rz 56; Heuermann in HHSp, § 165 AO Rz 39, 40, 46), ohne dass dem § 351 Abs. 1 AO entgegensteht (vgl. z.B. Klein/Rüsken, a.a.O., § 351 Rz 5; Heuermann in HHSp, § 165 AO Rz 46). Erklärt die Finanzbehörde die vorläufige Festsetzung für endgültig oder entfällt ein Vorläufigkeitsvermerk in einem Änderungsbescheid, sind ebenfalls Einspruch und ggf. Klage möglich.
3. Die Entscheidung des FA, eine Teileinspruchsentscheidung zu erlassen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde auf den Einspruch des Steuerpflichtigen die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen und eine abschließende Einspruchsentscheidung zu erlassen. Sie kann aber nach § 367 Abs. 2a AO vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. In dieser Entscheidung hat sie zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll (§ 367 Abs. 2a Satz 2 AO).
b) Der Erlass der Teileinspruchsentscheidung war entgegen der Auffassung des FG sachdienlich.
aa) Das FA entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen ("kann"), ob es eine Teileinspruchsentscheidung erlässt (sog. Entschließungsermessen). Diese Ermessensentscheidung ist verbunden mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, weil der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung sachdienlich sein muss. Entgegen der Auffassung des BMF führt die Verknüpfung aber --anders als bei einem Erlass nach § 227 AO wegen sachlicher Unbilligkeit (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603)-- nicht dazu, dass auch der Rechtsbegriff in den Bereich der Ermessensbetätigung fällt mit der Folge, dass der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung auch in Bezug auf die Sachdienlichkeit der Maßnahme gemäß § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden könnte, ob das FA die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die Sachdienlichkeit der Teileinspruchsentscheidung ist vielmehr in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar (so auch Beschluss des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1817, bestätigt durch BFH-Beschluss vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613; Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. Februar 2010 12 K 119/08, Steuer-Eildienst 2010, 454; Bartone in Beermann/ Gosch, AO § 367 Rz 52; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 367 Rz 19; a.A. Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 509, das FA habe einen Beurteilungsspielraum).
bb) Nach den Gesetzesmaterialien soll § 367 Abs. 2a AO --der auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt wurde (BTDrucks 16/3368, S. 6)-- den Finanzbehörden ermöglichen, in einer förmlichen Einspruchsentscheidung zunächst nur über Teile des Einspruchs zu befinden. Dies sei insbesondere dann sinnvoll, wenn ein Teil des Einspruchs entscheidungsreif sei und hinsichtlich des anderen Teils, z.B. nach der Entscheidung in einem beim BFH anhängigen Verfahren, eine einvernehmliche Lösung des Rechtsstreits erwartet werden könne. Auf diese Weise könne der Steuerpflichtige hinsichtlich des entscheidungsreifen Teils seines Einspruchs schnelleren gerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Es liege sowohl im Interesse des Steuerpflichtigen als auch im Interesse der Finanzverwaltung, wenn über den entscheidungsreifen Teil zeitnah entschieden werde (BTDrucks 16/3368, S. 25).
Aus der Gesetzesbegründung kann nicht --wie das FG annimmt-- hergeleitet werden, der Zweck der Teileinspruchsentscheidung sei allein auf schnelleren Rechtsschutz im Interesse des Steuerpflichtigen gerichtet und deshalb eine Teileinspruchsentscheidung bei einem nur die vorläufige Festsetzung betreffenden Einspruch nicht sachdienlich. Abgesehen davon, dass eine solche Einschränkung im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck kommt, wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass die Teileinspruchsentscheidung auch dem Interesse der Finanzverwaltung an einer zeitnahen Entscheidung über den entscheidungsreifen Teil eines Einspruchs dient.
Aus dem Zusammenspiel der Vorschrift mit der --ebenfalls durch das JStG 2007 eingefügten-- Regelung in § 367 Abs. 2b AO ergibt sich zudem, dass die Teileinspruchsentscheidung als Instrument zur Bewältigung von Masseneinsprüchen im Hinblick auf Musterverfahren geschaffen wurde (so auch Bartone, a.a.O., AO § 367 Rz 50; Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 486, 490). Betreffen die Einsprüche (auch) Rechtsfragen, die Gegenstand eines Verfahrens beim EuGH, BVerfG oder BFH sind, sollen die Finanzbehörden über die Sach- und Rechtsfragen vorab entscheiden können, die von den anhängigen höchstrichterlichen Verfahren nicht betroffen sind. Ist aufgrund der Entscheidung in den betreffenden Verfahren den Einsprüchen nicht abzuhelfen, kann die Finanzverwaltung die Einsprüche gemäß § 367 Abs. 2b AO durch Allgemeinverfügung zurückweisen. Diese Lösung ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn aufgrund einer Teileinspruchsentscheidung nur noch der von der Allgemeinverfügung betroffene Teil unentschieden ist, weil andernfalls trotz der Allgemeinverfügung das Einspruchsverfahren fortzuführen und eine Einspruchsentscheidung zu erlassen ist (vgl. Rz 7.2 zu § 367 AEAO).
Es entspricht daher dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck und ist deshalb sachdienlich, eine Teileinspruchsentscheidung zu erlassen, wenn Teile des Einspruchs entscheidungsreif sind und der Einspruch ersichtlich nur zu dem Zweck eingelegt wird, die Steuerfestsetzung nicht bestandskräftig werden zu lassen. Auch Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es nicht, Einspruchsverfahren möglichst lange offen zu halten, damit der Steuerpflichtige an künftigen Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu derzeit nicht streitigen Rechtsfragen teilhaben kann (z.B. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20; vom 26. September 2006 X R 39/05, BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222, unter 6.; BFH-Beschluss vom 6. Juli 1999 IV B 14/99, BFH/NV 1999, 1587).
cc) Nach diesen Grundsätzen war es im Streitfall sachdienlich, über den Einspruch zu entscheiden mit Ausnahme des Teils, der die in dem anhängigen Musterverfahren zu entscheidende Frage über die Abziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten betraf.
Der Kläger hat mit seinem Einspruch materiell-rechtlich nur eingewendet, die Vorläufigkeitsvermerke seien nichtig bzw. rechtswidrig, und unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren X R 9/07 zur Nichtabziehbarkeit der Rentenversicherungsbeiträge als Werbungskosten das Ruhen des Verfahrens beantragt. Hinsichtlich der gerügten Nichtigkeit/Rechtswidrigkeit der Vorläufigkeitsvermerke war der Einspruch entscheidungsreif.
Entgegen der Auffassung des Klägers war nicht insgesamt gesetzliche Verfahrensruhe gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO eingetreten. Das Einspruchsverfahren ruht nur dann kraft Gesetzes, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird. Der Einspruchsführer muss in der Begründung seines Einspruchs die Rechtsfragen darlegen und sich auf dazu anhängige konkrete Verfahren berufen (BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017, und in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222). Der Kläger hat sich aber ausdrücklich nur auf das BFH-Verfahren X R 9/07 bezogen.
Sein Vortrag, die dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegenden --nicht bezeichneten-- Musterverfahren könnten auch durch verfassungskonforme einfachgesetzliche, vom Vorläufigkeitsvermerk nicht umfasste Auslegung entschieden werden, reicht nicht aus, um gesetzliche Verfahrensruhe eintreten zu lassen. Abgesehen davon ist eine nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung auch dann zu ändern, wenn das dem Vorläufigkeitsvermerk zugrunde liegende Verfahren durch verfassungskonforme Auslegung zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird (vgl. oben unter B.II.2.a). Insoweit kommt eine gesetzliche Zwangsruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AO nicht in Betracht.
c) Das FA hat sein Ermessen entsprechend dem Zweck des § 367 Abs. 2a AO ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 5 AO). Es hat seine Ermessensentscheidung auch ausreichend begründet.
Das FA hat in der Einspruchsentscheidung dargelegt, warum der Erlass der Teileinspruchsentscheidung sachdienlich ist. Diese Ausführungen genügen, um zu erläutern, warum es von seinem Entschließungsermessen Gebrauch gemacht hat. Ist der Erlass einer Teileinspruchsentscheidung sachdienlich, entspricht es im Regelfall billigem Ermessen, eine Teileinspruchsentscheidung zu erlassen; das Entschließungsermessen ist daher in einer Weise vorgeprägt, dass keine weitere Begründung erforderlich ist (vgl. zur Betätigung des Ermessens im Falle der Haftungsinanspruchnahme BFH-Urteil vom 12. Februar 2009 VI R 40/07, BFHE 224, 306, BStBl II 2009, 478, m.w.N.).
d) Die Teileinspruchsentscheidung ist auch nicht nichtig oder rechtswidrig, weil das FA nur die Besteuerungsgrundlage genannt hat, die nicht bestandskräftig werden soll, nicht aber den Steuerbetrag. Denn ebenso wenig wie bei der vorläufigen Festsetzung muss bei der Teileinspruchsentscheidung die nicht bestandskräftig werdende Steuer beziffert werden. Auch im Hinblick auf eine mögliche Saldierung --wie sie der BFH bei der vorläufigen Festsetzung anerkennt (z.B. BFH-Entscheidungen vom 2. März 2000 VI R 48/97, BFHE 191, 223, BStBl II 2000, 332; vom 6. März 2003 IX B 197/02, BFH/NV 2003, 742; vom 14. Oktober 2002 VIII R 70/98, BFH/NV 2003, 742)-- ist eine Bezifferung nicht erforderlich. Der genaue Steuerbetrag, der möglicherweise saldiert werden könnte, kann ohnehin erst ermittelt werden, wenn feststeht, wie die Rechtsfrage, deretwegen das Verfahren ruht, zu entscheiden ist.
e) Ebenso wenig ist die Teileinspruchsentscheidung nichtig oder rechtswidrig, weil --wie der Kläger vorträgt-- unklar sei, ob der Einspruch bis zur Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren X R 9/07 oder bis zur endgültigen Klärung durch das BVerfG ruhe, bei dem das Verfahren inzwischen anhängig sei.
Nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO ruht das Einspruchsverfahren, soweit der Einspruchsführer seinen Einspruch auf ein Verfahren stützt, das wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder einer Rechtsfrage bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht anhängig ist. Ruht das Verfahren wie im Streitfall wegen einer durch den BFH zu klärenden Rechtsfrage, endet die Verfahrensruhe mit der Entscheidung des anhängigen Verfahrens, auf das sich der Einspruchsführer berufen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. November 2003 II B 68/02, BFH/NV 2004, 462; vom 24. Oktober 2006 X B 39/04, BFH/NV 2007, 258; BFH-Urteil in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222, unter II.3.b). Das FA kann über den noch offenen Teil des Einspruchs ohne vorherige Mitteilung entscheiden, z.B. auch durch Allgemeinverfügung; eine Mitteilung nach § 363 Abs. 2 Satz 4 AO ist nur erforderlich, wenn das FA das Einspruchsverfahren trotz andauernder Zwangsruhe fortsetzen will (BFH-Urteil in BFHE 215, 1, BStBl II 2007, 222). Wird gegen die Entscheidung, deretwegen das Einspruchsverfahren ruhte, Verfassungsbeschwerde erhoben, setzt sich die Zwangsruhe nicht "automatisch" fort. Der Einspruchsführer muss vielmehr, bevor über den noch ruhenden Teil des Einspruchs entschieden wird, seinen Einspruch auf die Verfassungsbeschwerde erstrecken (Urteile des FG Baden-Württemberg vom 27. Mai 2008 4 K 340/06, EFG 2008, 1352, und des FG Hamburg vom 31. Juli 2009 1 K 4/09, EFG 2010, 109).
Der Kläger hat sich auf das Verfahren X R 9/07 berufen; insoweit ruht das Verfahren kraft Gesetzes. Das FA hat deshalb insoweit über den Einspruch nicht entschieden. Es hat im Tenor unter Hinweis auf das BFH-Verfahren X R 9/07 genau umschrieben, über welchen Teil des Einspruchs nicht entschieden wird, nämlich soweit er die Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG betrifft. Damit steht zweifelsfrei fest, dass nur unentschieden bleibt, ob die Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG als Sonderausgaben der Höhe nach beschränkt oder als Werbungskosten in voller Höhe abziehbar sind. In den Gründen der Teileinspruchsentscheidung wird ausgeführt, dass das Verfahren hinsichtlich der Steuerfestsetzung des nicht entschiedenen Teils weiterhin gemäß § 363 Abs. 2 AO ruht und insoweit keine Bestandskraft eintritt.
Mit dem Urteil des BFH vom 18. November 2009 X R 9/07 (BFH/NV 2010, 412) endete die gesetzliche Verfahrensruhe, sodass das FA über diesen Teil des Einspruchs ebenfalls entscheiden könnte, sofern der Kläger sich nicht auf die beim BVerfG gegen dieses Urteil anhängige Verfassungsbeschwerde 2 BvR 290/10 beruft.
4. Anders als der Kläger ist der Senat der Auffassung, dass das JStG 2007 und damit auch der durch das JStG 2007 eingeführte § 367 Abs. 2a AO verfassungsmäßig zustandegekommen ist. Eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt daher nicht in Betracht.
a) Die Rüge des Klägers, § 367 Abs. 2a AO sei nicht Gegenstand der ersten Lesung gewesen, ergibt keinen Verfassungsverstoß.
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 16/2712, 16/3036), der § 367 Abs. 2a AO noch nicht enthielt, in seiner Sitzung am 28. September 2006 dem Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie weiteren Ausschüssen zur Mitberatung überwiesen. In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 8. November 2006 und in dem Bericht des Finanzausschusses vom 9. November 2006 war der vom Bundesrat zur Verwaltungsvereinfachung und zum Bürokratieabbau vorgeschlagene § 367 Abs. 2a AO eingefügt (BTDrucks 16/3325, S. 54, 55; BTDrucks 16/3368, S. 6, 25). Die zweite Beratung des Entwurfs des JStG 2007 fand am 9. November 2006 statt. Laut Plenarprotokoll 16/63 (S. 6224, 6232) wurde der Gesetzentwurf, für den eine Aussprache von einer halben Stunde vorgesehen war, in zweiter Beratung angenommen, an die sich nach Aufruf der dritten Beratung die Schlussabstimmung anschloss.
Nach § 78 Abs. 1 GO BT werden Gesetzentwürfe zwar in drei Beratungen behandelt. Entgegen der Auffassung des Klägers muss eine vom Gesetzentwurf in erster Beratung abweichende Beschlussempfehlung aber nicht Gegenstand einer erneuten ersten Beratung sein. Nach dem Plenarprotokoll (16/54, S. 5274) fand in der ersten Beratung in Übereinstimmung mit § 79 GO BT keine allgemeine Aussprache statt, sondern der Gesetzentwurf wurde gemäß § 80 Abs. 1 GO BT an die entsprechenden Ausschüsse überwiesen. Nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts begann wie in § 81 GO BT vorgesehen die Aussprache, für die eine halbe Stunde vorgesehen war. Da in zweiter Beratung keine Änderungen beschlossen wurden, folgten gemäß § 84 Satz 1 Buchst. a GO BT unmittelbar im Anschluss die dritte Beratung und die Schlussabstimmung (§ 86 Sätze 1 und 2 GO BT). Es gibt auch kein verfassungsrechtliches Prinzip, das drei Beratungen erfordert (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 1952 2 BvE 1/51, BVerfGE 1, 144).
b) Auch die Rüge des Klägers, die zweite Beratung des JStG 2007 habe entgegen § 81 Abs. 1 Satz 2 GO BT bereits vor dem zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts stattgefunden, begründet keine formelle Verfassungswidrigkeit des JStG 2007.
Zwar fand die zweite Beratung des JStG 2007 schon am 9. November 2006 statt, obwohl der Finanzausschuss den Gesetzentwurf erst am 8. November 2006 abschließend beraten hatte und die mitberatenden Ausschüsse sich ebenfalls erst am 8. November 2006 mit der Vorlage befasst hatten, sodass die Frist für den Beginn der zweiten Beratung --am zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts-- nicht eingehalten war. Aus dem Plenarprotokoll ergibt sich auch nicht, dass die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 GO BT für eine Fristverkürzung vorgelegen haben. Dieser Verstoß gegen die GO BT führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des JStG 2007.
Bei der GO BT handelt es sich um eine autonome Satzung, deren Bestimmungen nur die Mitglieder des Bundestages binden. Ungeachtet ihrer großen Bedeutung für das materielle Verfassungsrecht und das Verfassungsleben folgt aus dieser Rechtsnatur der GO BT, dass sie der geschriebenen Verfassung und den Gesetzen im Range nachsteht (BVerfG-Urteil in BVerfGE 1, 144). Es ist daher fraglich, ob Verstöße gegen Bestimmungen der GO BT überhaupt zur Unwirksamkeit eines Gesetzes führen können (offen gelassen im BVerfG-Beschluss vom 8. Dezember 2009 2 BvR 758/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2010, 308, betr. Verletzung des § 78 Abs. 5 GO BT, den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses dem Deutschen Bundestag mindestens zwei Tage vor dessen endgültiger Beschlussfassung nach Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG zuzuleiten). Zur formellen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes können jedenfalls nur schwerwiegende, die grundgesetzlichen Verfahrensvorschriften (Art. 76 bis 78 GG) berührende Verstöße führen (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 10. Aufl., Art. 40 Rz 9; Rubel in Umbach/Clemens, Grundgesetz, Art. 77 Rz 16). Hierzu gehört die Verletzung der Frist nach § 81 Abs. 1 GO BT nicht.
Ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit wird traditionell außerhalb des Plenums geleistet. Die GO BT trägt dem faktischen Zwang zur Arbeitsteilung im parlamentarischen Bereich zunächst dadurch Rechnung, dass sie die Einrichtung von Ausschüssen (§§ 54 ff. GO BT) vorsieht. In ihnen vollzieht sich ein wesentlicher Teil des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses des Bundestages. Die Arbeit der Fraktionen (§§ 10 ff. GO BT) erreicht grundsätzlich alle Abgeordneten des Parlaments. Die Schlussabstimmung nach Beratung im Plenum bildet einen zwar rechtlich notwendigen, zuweilen in seiner politischen Bedeutung jedoch geminderten letzten Teilakt der parlamentarischen Willensbildung, während die Entscheidung in Wirklichkeit bereits in den Ausschüssen und Fraktionen gefallen ist (BVerfG-Beschluss vom 10. Mai 1977 2 BvR 705/75, BVerfGE 44, 308). Vor diesem Hintergrund ist die Nichteinhaltung der in § 81 Abs. 1 GO BT vorgegebenen Frist (kein Beginn der zweiten Beratung vor dem zweiten Tag nach Verteilung der Beschlussempfehlung und des Ausschussberichts) kein schwerwiegender, zur formellen Verfassungswidrigkeit führender Verstoß, zumal die Abgeordneten zu Beginn der zweiten Beratung der vorgeschlagenen Aussprache von einer halben Stunde laut Plenarprotokoll (16/63, S. 6224) nicht widersprochen und damit zum Ausdruck gebracht haben, dass die Vorbereitungszeit ausreichte. Lediglich ein Abgeordneter mahnte an, künftig die Fristen einzuhalten. Da der Ablauf des Verfahrens bis zum Gesetzesbeschluss in Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG nicht geregelt ist und die Fristbestimmung in § 81 Abs. 1 GO BT weder Verfassungsgewohnheitsrecht ist noch zu den unabdingbaren Grundsätzen der demokratischen rechtsstaatlichen Ordnung gehört (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 14. Oktober 1970 1 BvR 307/68, BVerfGE 29, 221), kann die Nichteinhaltung der Frist nicht zur formellen Verfassungswidrigkeit des JStG 2007 führen.