Entscheidungsdatum: 21.06.2016
NV: Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache wird nicht hinreichend dargelegt, wenn der Beschwerdeführer zwar geltend macht, dass er die vom Gesetzgeber im Rahmen des § 64 Abs. 2 EStG gewählten Kriterien zur Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten für verfehlt hält, sich insoweit aber weder hinreichend mit der gesetzlichen Regelung noch mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab auseinandersetzt .
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 25. August 2015 12 K 3388/14 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist der Vater eines im Mai 1993 geborenen Sohnes (S). S lebte nach der Trennung seiner Eltern seit April 1999 im Haushalt seiner Mutter. Im Herbst 2011 nahm er ein Studium in X auf.
Mit Schreiben vom 14. August 2013 beantragte der Kläger, das Kindergeld an ihn auszuzahlen, da er seit Studienbeginn monatlich 520 € Barunterhalt sowie die Kfz-Steuer und -Versicherung zahle, während die Kindsmutter keine Barunterhaltsleistungen erbringe. S habe in der Nähe von X ein Studentenzimmer gemietet.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Juni 2014 ab Oktober 2011 mit der Begründung ab, S gehöre weiterhin dem Haushalt der Kindsmutter an und halte sich nur zu Ausbildungszwecken außerhalb des Haushaltes auf. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2014).
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
II. Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist oder weshalb sie einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224). Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs (BFH) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2010 III B 82/10, BFH/NV 2011, 38, m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
aa) Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, inwieweit es gerechtfertigt ist, dass der Elternteil, dessen Haushalt das Kind gemäß § 64 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugehörig sein soll, das Kindergeld beziehen darf, ohne dass er sich nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes an der Sicherstellung des Existenzminimums durch Unterhaltszahlungen beteiligt, weil er keinen Naturalunterhalt mehr schuldet und für Barunterhaltszahlungen gegebenenfalls nicht leistungsfähig ist, wohingegen derjenige Elternteil, der (alleine) den Unterhalt des Kindes durch Barzahlungen sichert, von dem Kindergeldbezug und allen sonst damit verbundenen Begünstigungen abgeschnitten wird.
bb) Insoweit fehlt es bereits an der ordnungsgemäßen Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage. Die Konkretisierung erfordert regelmäßig, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder mit "Nein" beantwortet werden kann (z.B. BFH-Beschluss vom 21. August 2013 I B 60/12, BFH/NV 2014, 28). Vorliegend läuft die Fragestellung jedoch auf eine gutachterliche Stellungnahme dahingehend hinaus, ob und inwieweit die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Vorrangbestimmung bei der Kindergeldberechtigung unter Einbeziehung der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung des Kindergeldbezugs mit dem GG vereinbar sind. Zwar knüpft der Kläger formal an die Auslegung des § 64 EStG durch den BFH an. Im Kern geht es ihm jedoch nicht um die Auslegung des Gesetzes. Vielmehr hält er die vom Gesetzgeber gewählten Kriterien zur Bestimmung des vorrangig Kindergeldberechtigten (Vorrang der Haushaltsaufnahme gegenüber der Zahlung der höheren Unterhaltsrente) für verfehlt. Dabei setzt sich der Kläger weder hinreichend mit der gesetzlichen Regelung noch mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab auseinander. So erläutert er nicht, weshalb er darauf abstellt, ob der andere Elternteil (zivilrechtlich) Naturalunterhalt "schuldet", obwohl § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG auf die Haushaltsaufnahme und damit auf eine Form der tatsächlichen Unterhaltsgewährung abstellt. Er erläutert auch nicht, gegen welche verfassungsrechtlichen Bestimmungen nach seiner Auffassung verstoßen werde. Ferner bringt der Kläger auch nicht vor, dass in der Literatur gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung oder die zu § 64 EStG ergangene BFH-Rechtsprechung beachtliche Argumente vorgetragen worden seien. Soweit der Kläger pauschal behauptet, die Haushaltsaufnahme sei bei getrennten Eltern mit studierenden volljährigen Kindern typischerweise ein ungeeignetes Kriterium zur Vorrangbestimmung, setzt er sich nicht mit Umfang und Grenzen der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers auseinander. Zudem geht er nicht darauf ein, inwieweit --selbst für den Fall, dass in Trennungsfällen häufig derjenige Elternteil wegen der Haushaltsaufnahme des volljährigen Kindes vorrangig kindergeldberechtigt sein sollte, der den geringeren Unterhaltsbeitrag leistet-- die Zuordnungsentscheidung des Steuergesetzgebers durch unterhaltsrechtliche Regelungen ausgeglichen wird. Insoweit wäre darauf einzugehen gewesen, ob und inwieweit das Unterhaltsrecht die Zuordnung des Kindergelds durch den Steuergesetzgeber beim internen Ausgleich zwischen den Elternteilen --über § 1612b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch-- unzureichend berücksichtigt und gegebenenfalls weshalb dem nicht im Unterhaltsrecht begegnet werden kann (s. hierzu etwa Born in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 1612b Rz 31, wonach der Kindergeldausgleich auch in Fällen der Barunterhaltspflicht beider Eltern gerechter geworden sei, weil der Abzug des Kindergelds vom Unterhaltsbedarf zusammen mit dem anteiligen Ausgleich des verbleibenden Restbedarfs entsprechend der jeweiligen Leistungsfähigkeit des betreffenden Elternteils (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) dazu führe, dass auch das Kindergeld zwischen den Eltern entsprechend dem Verhältnis ihrer Unterhaltsbeträge ausgeglichen werde). Soweit der Kläger Auswirkungen der Zuordnung des Kindergelds auf andere Rechtsgebiete (Besoldung etc.) moniert, legt er weder dar, welcher Art diese Auswirkungen sind (s. etwa zum Familienzuschlag § 40 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes und Art. 36 Abs. 2 des Bayerischen Besoldungsgesetzes, die es genügen lassen, dass dem Besoldungsempfänger Kindergeld ohne Berücksichtigung des § 64 EStG zustehen würde), noch beschäftigt er sich damit, wie aus seiner Sicht rechts- oder verfassungswidrigen Auswirkungen im betreffenden Rechtsgebiet begegnet werden könne.
cc) Überdies fehlt es auch an der hinreichenden Darlegung, dass die vom Kläger aufgeworfene Frage im konkreten Streitfall klärbar ist. Soweit der Kläger mit seiner Frage unterstellen wollte, dass ein Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig kindergeldberechtigt sein kann, ohne sich am Unterhalt des Kindes zu beteiligen ("... ohne dass er sich nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes an der Sicherstellung des Existenzminimums durch Unterhaltszahlungen beteiligt, weil er keinen Naturalunterhalt mehr schuldet und für Barunterhaltszahlungen gegebenenfalls nicht leistungsfähig ist ..."), entspricht dies bereits nicht den für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG. Denn danach hat die Kindsmutter S auch während des Studiums weiterhin ein Zimmer zur Verfügung gestellt und tatsächlich Naturalunterhalt erbracht. Gleiches gilt für die Prämisse, wonach die vor Eintritt der Volljährigkeit bestehende Haushaltsaufnahme bei der Mutter nicht ungeprüft nach Eintritt der Volljährigkeit fortgeführt werden könne und stattdessen ein Zweitwohnsitz des Kindes beim Vater in Betracht gezogen werden müsse. Das FG hat hierzu ausdrücklich festgestellt, S habe seit April 1999 ausschließlich bei der Kindsmutter gelebt und anderes sei weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Beschwerde ist auch unzulässig, soweit der Kläger die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts geltend macht. Dieser Zulassungsgrund ist ein Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Mai 2014 III B 85/13, BFH/NV 2014, 1186), der hier --wie ausgeführt-- nicht in einer den Anforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt wurde.
3. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
Der Kläger trägt vor, es seien verfahrensrechtliche Grundsätze verletzt, nachdem im Verfahren 12 K 2989/14 eine Entscheidung über seine Position im Kindergeldverfahren der Kindsmutter unter Verweis auf das hiesige Verfahren unterblieben sei, ohne dass das hiesige Verfahren sich mit dieser Rechtsfrage befasst hätte. Aus diesem Vortrag des Klägers wird schon nicht deutlich, welche verfahrensrechtlichen Vorschriften der Kläger als verletzt ansieht.
Auch soweit hierdurch sinngemäß ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO und damit eine Verletzung der in § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO niedergelegten Pflicht des Gerichts, sein Urteil mit Gründen zu versehen, gerügt werden sollte, genügt das Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen.
Nach § 119 Nr. 6 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Es reicht hierfür aus, wenn die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, übergangen hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. April 2003 X B 105/02, BFH/NV 2003, 1193, m.w.N.; vom 23. September 2009 IX B 52/09, BFH/NV 2010, 220; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 119 FGO Rz 359 ff.). Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Urteilsbegründung nicht den Erwartungen eines Beteiligten entspricht, lückenhaft, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2012 X B 41/11, BFH/NV 2012, 1634, m.w.N.). Die Abgrenzung zwischen erheblichen und nicht wesentlichen Begründungsmängeln hat sich am Zweck der Urteilsbegründung zu orientieren, der darin besteht, für den Ausspruch der Urteilsformel den Nachweis der Rechtmäßigkeit zu liefern (BFH-Urteil vom 17. April 2002 X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, und BFH-Beschluss vom 10. November 2011 X B 211/10, BFH/NV 2012, 426). Vom Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist danach dann auszugehen, wenn den Beteiligten --zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte-- die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 426, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Das FG ist darauf eingegangen, dass es zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Haushaltsaufnahme eine zeitweise Abwesenheit zu Ausbildungszwecken für unschädlich und die tatsächliche Gewährung von Naturalunterhalt für ausreichend hält, wie es das Verhältnis zwischen § 1612 BGB und § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG bewertet und weshalb es eine Prüfung eines Abzweigungsanspruchs nicht für geboten erachtet. Welche weiteren selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel das Gericht in dem beschriebenen Sinne ganz oder teilweise außer Acht gelassen hätte, wird aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.