Entscheidungsdatum: 11.07.2012
NV: Ein FG-Urteil kann auf einem Verstoß gegen § 119 Nr. 6 FGO beruhen und daher verfahrensfehlerhaft sein, wenn in dem Urteil die gebotene Beweiswürdigung zur Gänze fehlt. Hingegen reicht es nicht aus, dass die Urteilsbegründung lückenhaft oder rechtsfehlerhaft ist.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.
1. Die Kläger haben nicht in ausreichender Weise dargetan, dass das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) beruht. Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels liegt nur vor, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen Verfahrensmangel ergeben (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, BFH/NV 2012, 767).
a) Ein Urteil ist i.S. des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen und deshalb verfahrensfehlerhaft, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies ist dann der Fall, wenn die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder im Hinblick auf einen selbständigen prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind (BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom 26. Februar 2010 VIII B 17/08, BFH/NV 2010, 1083, und in BFH/NV 2012, 767). Nicht ausreichend ist, dass die Urteilsbegründung nicht den Erwartungen eines Beteiligten entspricht oder lückenhaft, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1083; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 24, m.w.N.).
Die Kläger haben nicht substantiiert dargetan, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhe nur aus inhaltsleeren Floskeln. Insbesondere berücksichtigen sie nicht, dass das FG in seinem Urteil die einzelnen Indizien aufgeführt hat, weshalb nach der Überzeugung des Gerichts die Klägerin in ihrem Betrieb die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben unvollständig erfasst hat und weshalb es die allgemein gehaltene Einlassung der Kläger, bestimmte Waren seien nicht im normalen Geschäftsgang an die Kunden veräußert, sondern anderweitig verbraucht worden, für unzutreffend hält. Es liegt demgemäß nicht der Fall vor, dass in dem Urteil die gebotene Beweiswürdigung zur Gänze fehlt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 4. Juli 2006 X B 135/05, BFH/NV 2006, 1797). Vielmehr halten die Kläger die Beweiswürdigung durch das FG für unzutreffend. Ein solcher Mangel begründet ebenso wie eine fehlerhafte Beweislastentscheidung keinen Verfahrensverstoß, sondern stellt eine Verletzung materiellen Rechts dar (Senatsbeschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612).
b) Soweit die Kläger vorbringen, die Ausführungen des FG seien deshalb widersprüchlich und verworren, weil das FG zwar davon ausgegangen sei, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Beweislast trage, das FG aber gleichwohl eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Kläger getroffen habe, trifft dies nicht zu. Zum einen hat das FG keine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen, sondern sich vom Vorliegen der von ihm festgestellten Tatsachen überzeugt. Zum anderen hat das FG mit seinem Hinweis, die Kläger hätten zum im Streitfall verwirklichten Sachverhalt keine konkreten und damit einer weiteren Beweisaufnahme zugänglichen Angaben gemacht, ersichtlich lediglich darauf hinweisen wollen, dass nach der ständigen BFH-Rechtsprechung zwischen der Mitwirkungspflicht der Beteiligten und der Intensität der richterlichen Sachaufklärungspflicht eine Wechselwirkung besteht (Senatsurteil vom 30. Juli 2003 X R 28/99, BFH/NV 2004, 201, und BFH-Beschluss vom 2. Februar 2010 VI B 117/09, BFH/NV 2010, 879).
Klarstellend weist der angerufene Senat darauf hin, dass der klägerische Hinweis, sie, die Kläger, seien zu weiteren Sachverhaltsangaben und zur Benennung von Zeugen deshalb nicht in der Lage, weil seit den Streitjahren lange Zeit vergangen und auch der Betrieb der Klägerin längst aufgegeben worden sei, den Sachverhalt nur unvollständig wiedergibt. Insbesondere trifft es nicht zu, dass allein das FA es in der Hand gehabt hätte, notwendige Beweise zu erheben. Ausweislich der Akten des FG wurde bei der Klägerin im Jahr 2006 eine Steuerfahndungsprüfung abgeschlossen und in diesem Jahr wurden auch die angefochtenen Steuerbescheide für die Streitjahre 2000 und 2001 erlassen. Da die Klägerin ausweislich dieser Akten ihren Betrieb erst zum Jahresende 2005 aufgegeben hatte, dürften die Kläger jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide in der Lage gewesen sein, im Hinblick auf ein etwaiges Rechtsbehelfsverfahren die Namen der ggf. zu benennenden Zeugen und auch etwaige andere Beweismittel schriftlich festzuhalten.
c) Auch die Rüge, das FG habe den Inhalt der Akten nicht zutreffend berücksichtigt, ist nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt bereits an dem Erfordernis, dass im Fall der Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO genaue Angaben der jeweiligen Schriftstücke und Seitenzahlen aus den Akten zu machen sind und anzugeben ist, welche sich hierbei ergebenden Tatumstände das FG nicht berücksichtigt hat (BFH-Beschlüsse vom 21. September 2000 XI B 13/99, BFH/NV 2001, 200, und vom 25. Januar 2011 V B 154/09, BFH/NV 2011, 822).
d) Die Kläger legen auch nicht schlüssig dar, das FG habe seine Untersuchungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Hierzu hätte es u.a. substantiierter Ausführungen bedurft, warum die Kläger, die in der mündlichen Verhandlung sachkundig vertreten waren, nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt haben und welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2008 X B 40/07, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2008, R494-R496). Solche Darlegungen fehlen. Vielmehr beschränkt sich die Beschwerdebegründung auf den Hinweis, das FA habe es verabsäumt, im Rahmen der Fahndungsprüfung entsprechende Beweise zu erheben; das FG stütze sich im Wesentlichen lediglich auf die Zeugenaussage des Fahndungsprüfers, die Annahmen des FG seien spekulativ, auch betreibe das FG "eine pauschale Verdachtsabstrafung". Mit diesem Vorbringen rügen die Kläger keinen Verfahrensfehler, sondern eine unzutreffende Beweiswürdigung und damit einen materiell-rechtlichen Mangel, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
2. Die Kläger haben auch nicht aufgezeigt, dass das angefochtene Urteil i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO unter einem qualifizierten Rechtsanwendungsfehler leidet.
Ein solcher ist nach der gefestigten BFH-Rechtsprechung nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35, und Senatsbeschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455). Diese Grundsätze gelten auch in Schätzungsfällen. Danach liegt ein solch schwerwiegender Mangel nur vor, wenn die Schätzung gegen das Willkürverbot verstößt, wenn das Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar ist oder wenn überhaupt nicht erkennbar ist, dass und ggf. welche Schätzungserwägungen das FG vorgenommen hat.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ersichtlich nicht gegeben. Insbesondere hat das FG nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen es davon ausgehe, dass die Klägerin sich der Methode des Rechnungssplittings bedient habe, welche dazu dienen sollte, einen geringeren betrieblichen Wareneinkauf auszuweisen und damit zugleich unversteuerte Betriebseinnahmen zu verdecken. Auch hat das FG sich mit den klägerischen Einlassungen auseinandergesetzt und die Umstände aufgezeigt, die nach seiner Ansicht gegen die Richtigkeit dieses Vorbringens sprechen. Dementsprechend beruht das Urteil nicht auf unsachlichen Erwägungen.
Der Einwand der Kläger, das FG hätte anstelle einer Schätzung anhand der amtlichen Richtsatzsammlung einen inneren Betriebsvergleich unter Heranziehung der steuerlichen Daten des früheren Restaurantbetreibers durchführen müssen, begründet ebenfalls keinen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler. Denn es entspricht der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass es Sache der Tatsacheninstanz ist, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. September 2004 X B 162/03, BFH/NV 2005, 224, und vom 18. August 2009 X B 14/09, ZSteu 2009, R1144, m.w.N.).