Entscheidungsdatum: 31.10.2018
1. NV: Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung (vgl. ständige BFH-Rechtsprechung). Eine Steuerforderung ist insolvenzrechtlich in dem Zeitpunkt begründet, zu dem der Besteuerungstatbestand vollständig verwirklicht ist .
2. NV: Wann eine Einkommensteuerforderung begründet ist, kann auch von der Art der Gewinnermittlung abhängen. Im Fall der Einnahmen-Überschussrechnung ist dies nach dem Zuflussprinzip erst mit tatsächlicher Vereinnahmung der Fall (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2014 X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852) .
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 16. Mai 2018 5 K 1471/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
I.
Streitig ist, ob die Rückgewähr von Zahlungen aufgrund insolvenzrechtlicher Anfechtungen zu steuerbaren Einkünften und der daraus entstandene Steueranspruch zu einer Masseverbindlichkeit führt.
Der spätere Insolvenzschuldner A war mit einer Einzelfirma (Planung, Vermittlung und Montage von Einbauküchen) gewerblich tätig. Er ermittelte den Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Amtsgericht X eröffnete mit Beschluss vom 5. November 2012 über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als Insolvenzverwalter.
Der Kläger machte wegen Zahlungen des Insolvenzschuldners aufgrund seiner gewerblichen Tätigkeit an die Krankenkasse (Sozialversicherungsbeiträge) und an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--; wegen Umsatzsteuer und Nebenleistungen) Anfechtungsansprüche nach §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) geltend. Hieraus vereinnahmte er im März 2013 zur freien Insolvenzmasse 3.760,89 € von der Krankenkasse und 10.932,82 € vom FA.
Mit Bescheid vom 15. April 2016 setzte das FA gegenüber dem Kläger für den Insolvenzschuldner Einkommensteuer für 2013 in Höhe von 1.171 € als Masseverbindlichkeit fest. Durch Einspruchsentscheidung vom 13. September 2013 wurde die Einkommensteuer 2013 gegen die Insolvenzmasse auf 822,52 € herabgesetzt und im Übrigen der vom Kläger eingelegte Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, dass die Rückzahlungen aus den insolvenzrechtlichen Anfechtungen steuerpflichtige Betriebseinnahmen des Insolvenzschuldners darstellen und der daraus entstandene Steueranspruch als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu werten sei.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
II.
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Denn sofern Zulassungsgründe überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt eine abstrakte und im Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage voraus, die auch klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es u.a. dann, wenn die in Rede stehende Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, welche eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof (BFH) erfordern (BFH-Beschlüsse vom 13. Juni 2007 X B 34/06, BFH/NV 2007, 1703; vom 30. August 2007 XI B 1/07, BFH/NV 2007, 2280, und vom 14. Juli 2008 VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874).
b) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob Einnahmen der Insolvenzmasse aus der Realisierung von Ansprüchen aus der Insolvenzanfechtung überhaupt steuerpflichtige Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG sein können, bedarf danach keiner höchstrichterlichen Klärung.
Der Steuerpflichtige ist als Subjekt der Einkommensteuer (§ 1 EStG) grundsätzlich zugleich auch Steuerschuldner (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert daran nichts. Das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis gegenüber dem Steuerpflichtigen bleibt bestehen (BFH-Urteil vom 28. November 2017 VII R 1/16, BFHE 260, 26, BStBl II 2018, 457, Rz 30; vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO, Rz 41, m.w.N.). Die Einkommensteuerschuld des Steuerpflichtigen entsteht weiterhin kraft Gesetzes durch Verwirklichung des maßgebenden steuerrechtlichen Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 der Abgabenordnung --AO--). Die Entstehung von Steueransprüchen, die Art der Einkünfte und die Berechnung deren Höhe richten sich somit auch nach der Insolvenzeröffnung unverändert nach steuerrechtlichen Grundsätzen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356; vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117).
c) Die vom Kläger des Weiteren aufgeworfene Rechtsfrage, ob entstandene Steueransprüche aus der Realisierung von Ansprüchen aus der Insolvenzanfechtung als Insolvenzforderung nach § 38 InsO oder als Masseforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO geltend zu machen sind, bedarf mangels Klärungsbedürftigkeit ebenfalls keiner höchstrichterlichen Klärung.
aa) Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Zu unterscheiden ist zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten als Forderungen gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das insolvenzfreie Vermögen. Insolvenzforderungen i.S. von § 38 InsO sind Vermögensansprüche gegen den Schuldner, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet sind. Hingegen sind Masseverbindlichkeiten insbesondere die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Sie werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung (z.B. § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG) und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II.2.; vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, Rz 32 ff.). Für die insolvenzrechtliche Begründung ist entscheidend, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde. Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wurde (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2016 IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320, Rz 6). Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, unter II.2.; vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145, unter III.2.b dd (1), m.w.N.; vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung folglich darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand --insbesondere der Einkünftetatbestand i.S. des § 2 Abs. 1 EStG-- vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 19). Dies richtet sich auch nach der Art der Einkünfteermittlung (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2014 X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 29).
bb) Das FG hat diese Rechtsgrundsätze zutreffend auf den Streitfall angewandt und zu Recht Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO angenommen. Sofern die Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen nach § 4 Abs. 3 EStG --wie im Streitfall-- erfolgt, ist der steuerauslösende Besteuerungstatbestand i.S. des § 2 Abs. 1 EStG (vollständig) erst verwirklicht, wenn die Einnahmen dem Steuerpflichtigen zufließen (§ 11 Abs. 1 EStG). Im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG erhöhen Zuflüsse als Betriebseinnahmen den Gewinn dieses Kalenderjahres. Ohne den Zufluss der "Betriebseinnahme" ist der anspruchsbegründende steuerrechtlich erhebliche Tatbestand vor der Verfahrensöffnung materiell-rechtlich nicht abgeschlossen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 29).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2013 III B 140/12, BFH/NV 2013, 1248). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus den angeblichen, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. Senatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981, Rz 15). Außerdem muss sich aus der Beschwerdebegründung ergeben, dass dem Streitfall ein Sachverhalt zugrunde liegt, der mit der Divergenzentscheidung vergleichbar ist und es sich um eine identische Rechtsfrage handelt (Senatsbeschluss vom 30. September 2013 III B 20/12, BFH/NV 2014, 58, Rz 3).
b) Soweit der Kläger eine Abweichung von den BFH-Urteilen zur steuerlichen Behandlung der Rückabwicklung schuldrechtlicher Verträge (BFH-Urteile vom 27. Januar 1982 II R 119/80, BFHE 135, 224, BStBl II 1982, 425; vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648; vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107) rügt, liegen diesen Entscheidungen keine vergleichbaren Sachverhalte zugrunde. Denn die genannten Urteile des BFH sind zu anderen Sachverhalten ergangen und befassen sich nicht mit der hier entscheidungserheblichen Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten.
Zudem wird mit dem Vortrag, das FG habe zu Unrecht auf den vorliegenden Streitfall § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht angewandt, keine Divergenz, sondern eine unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Hieraus ergibt sich grundsätzlich kein Zulassungsgrund (z.B. Senatsbeschluss vom 12. September 2012 III B 3/12, BFH/NV 2013, 59, Rz 16).
c) Soweit der Kläger eine Abweichung von der Entscheidung des BFH vom 1. April 2008 X B 201/07 (BFH/NV 2008, 925) rügt, fehlt es auch hier an der Gegenüberstellung einander widersprechender Rechtssätze. Zwar kommt der Beschluss des BFH in BFH/NV 2008, 925 wegen Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich als Divergenzentscheidung in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2010 III B 199/09, BFH/NV 2011, 411, Rz 9), dies gilt aber nur dann, wenn in der Entscheidung über eine revisible Rechtsfrage entschieden wurde (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 175). Eine solche revisible Rechtsfrage hat der Kläger in der angeblichen Divergenzentscheidung nicht dargestellt. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich aus der Entscheidung in BFH/NV 2008, 925, der Rechtssatz entnehmen lasse, dass "Ansprüche auf Einkommensteuer auf Zuflüsse zur Insolvenzmasse ... Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO" seien, kann dem Beschluss ein solcher Rechtssatz nicht entnommen werden. Vielmehr hat der BFH dort ausgeführt, dass ein Steueranspruch "dann eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO (ist), wenn er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise begründet worden ist, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist." (Leitsatz). Das FG hat weder ausdrücklich noch implizit einen abstrakten Rechtssatz gebildet, der von diesen Grundsätzen abweicht. Denn für das FG war ausgehend von der hier vorliegenden Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in Übereinstimmung mit dem nachfolgenden BFH-Urteil in BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 29 der Zufluss nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG für die (vollständige) Verwirklichung des Einkommensteuertatbestands und damit für die insolvenzrechtliche Begründung entscheidend (s.o. II.1.c) und nicht die Anfechtungshandlung des Insolvenzverwalters.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.