Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.09.2013


BGH 24.09.2013 - II ZR 391/12

Gesellschaft bürgerlichen Rechts: Voraussetzungen der eingeschränkten Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.09.2013
Aktenzeichen:
II ZR 391/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Braunschweig, 19. April 2012, Az: 8 U 182/10vorgehend LG Braunschweig, 27. Oktober 2010, Az: 1 O 3232/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Vorschrift des § 708 BGB schränkt die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten ein, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt. An den Beweis, in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden, sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (Bestätigung von BGH, Urteil vom 26. Juni 1989, II ZR 128/88, WM 1989, 1850 ff.).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 19. April 2012 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 27. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte und der Versicherungsnehmer der Klägerin, der Zeuge Dipl.-Ing. S.     , hatten sich zu einer - inzwischen aufgelösten - Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, um gemeinsam im Auftrag des als Generalplaner tätigen Architekten B.    Statikerleistungen für den Neubau eines Parkhauses zu erbringen. Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen dem Beklagten und S.      nicht geschlossen. Sie vereinbarten jedoch mündlich, die Tragwerksplanung arbeitsteilig zu erstellen und sich die Gesamtvergütung hälftig zu teilen. Der Beklagte war u.a. für die statische Berechnung sowie die Ausführungspläne der Fundamente sowie der Holz- und Stahlkonstruktion zuständig, S.     für die statische Berechnung und Ausführungspläne der Decken, Unterzüge, Stützen und Wände.

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Wegen aufgetretener Mängel durch Rissbildungen beantragte die Auftraggeberin des Generalplaners die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen den Generalplaner und das bauausführende Unternehmen. In diesem Verfahren wurde dem Beklagten und S.    der Streit verkündet. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Risse auf Fehler der statischen Berechnung der Geschossdecken zurückzuführen seien.

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Wegen der auf der mangelhaften Tragwerksplanung der Decken beruhenden Rissbildungen und weiteren Folgeschäden hat die Klägerin als Berufshaftpflichtversicherer des S.     Schadensersatz in Höhe von 328.099 € an den Generalplaner bzw. dessen Auftraggeberin gezahlt. Sie verlangt vom Beklagten hälftigen Ausgleich und die Feststellung hälftiger Mithaftung für künftige Aufwendungen.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin den Zahlungsanspruch dem Grunde für gerechtfertigt erklärt, dem Feststellungsantrag stattgegeben und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Höhe des Zahlungsanspruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.

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I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

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Der Klägerin stehe aufgrund des zwischen den Gesellschaftern der Arbeitsgemeinschaft bestehenden Gesamtschuldverhältnisses dem Grunde nach ein Anspruch auf Ausgleich in Höhe der Hälfte der von ihr für ihren Versicherungsnehmer S.      erbrachten Versicherungsleistungen zu. Das folge aus der Vereinbarung der Gesellschafter, sich die anfallenden Arbeiten und die daraus resultierende Vergütung hälftig zu teilen. Eine Alleinhaftung des Zeugen S.      in entsprechender Anwendung von § 254 BGB komme nicht in Betracht, da dieser bei der ihm obliegenden Tragwerksplanung der Decken die Sorgfalt beachtet habe, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflege (§ 708 iVm § 277 BGB). Dies ergebe sich "prima facie“ daraus, dass er sich durch den ihm unterlaufenen Berechnungsfehler bei der Tragwerksplanung selbst geschädigt habe. Für die Annahme grober Fahrlässigkeit mangele es an Anhaltspunkten. Die Klägerin könne nur einen Ausgleich für die Leistungen beanspruchen, die sie in Erfüllung einer gemeinsamen Schuld beider Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft erbracht habe. Über die Höhe der berechtigten Ansprüche, die die Klägerin erfüllt habe, bestehe zwischen den Parteien Streit. Die Sache sei daher zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

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II. Das Urteil hält den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Eine von dem hälftigen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 254 BGB abweichende Verteilung des Innenausgleichs kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall nicht bereits deshalb verneint werden, weil S.     gemäß §§ 708, 277 BGB die Sorgfalt beachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

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1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass zwischen dem Beklagten und S.    eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet worden ist und dass zwischen mehreren - entsprechend § 128 HGB im Außenverhältnis persönlich haftenden - Gesellschaftern einer solchen Außen-GbR ein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet (BGH, Urteil vom 2. Juli 1979 - II ZR 132/78, WM 1979, 1282; Urteil vom 15. Oktober 2007 - II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 Rn. 14).

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2. Ebenso hat das Berufungsgericht richtig gesehen, dass sich der Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Gesellschaftern regelmäßig nicht nach Kopfteilen bemisst, sondern nach demjenigen Maßstab, den die Gesellschafter untereinander für ihre Gewinn- und Verlustbeteiligung festgelegt haben. Dieser Maßstab ist grundsätzlich auch für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgebend (BGH, Urteil vom 15. Januar 1988 - V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 76; Urteil vom 17. Dezember 2001 - II ZR 382/99, ZIP 2002, 394, 396; Urteil vom 15. Oktober 2007 - II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 Rn. 25; Beschluss vom 9. Juni 2008 - II ZR 268/07, ZIP 2008, 1915 Rn. 2). Anderes kann, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend erkannt hat, allerdings dann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrundeliegende Verpflichtung der Gesellschaft auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht. Wie auch sonst im Innenausgleich von Gesamtschuldnern (vgl. hierzu Staudinger/Looschelders, BGB, 2012, § 426 Rn. 63 ff.) kann dies unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB im Innenverhältnis zu einer anderweitigen oder sogar zur alleinigen Haftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters führen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2008 - II ZR 268/07, ZIP 2008, 1915 Rn. 2, 6).

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3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hier nicht bereits deshalb von einem entsprechend der zwischen den Gesellschaftern vereinbarten hälftigen Gewinn- und Verlustbeteiligung hälftigen Haftungsausgleich auszugehen, weil sich die Klägerin mit Erfolg auf eine Haftungsbeschränkung ihres Versicherungsnehmers S.    aus §§ 708, 277 BGB berufen kann.

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a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob - anders als das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 15. Oktober 2007 (II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 Rn. 25; siehe aber auch BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 - II ZR 128/88, WM 1989, 1850, 1852) angenommen hat - der Haftungsmaßstab des § 708 BGB in Fällen wie dem vorliegenden gar keine Anwendung findet, wie die Revision in Übereinstimmung mit Teilen der Literatur meint (vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Staudinger/Habermeier, BGB, 2003, § 708 Rn. 12 ff. sowie Andreas Bergmann, jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 708 Rn. 5 ff.). Auch wenn man mit dem Berufungsgericht § 708 BGB auf den vorliegenden Fall einer zweigliedrigen Außen-GbR grundsätzlich für anwendbar hält, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

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b) Das Landgericht hat angenommen, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren die Rissbildung in den Decken und die damit verbundenen Folgeschäden auf einer fehlerhaften Tragwerksplanung der Decken beruhten und dass dieser Teil der Tragwerksplanung nach dem unstreitigen Vorbringen sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme allein dem Zeugen S.       oblegen habe. Das Berufungsgericht hat keine hiervon abweichenden Feststellungen getroffen. Danach ist davon auszugehen, dass die Schadensverursachung durch die fehlerhafte Planung im alleinigen Verantwortungsbereich des Zeugen S.   lag und er den Eintritt des geltend gemachten Schadens unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verursacht hat (§ 276 Abs. 2 BGB).

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c) Die Vorschrift des § 708 BGB schränkt die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten ein, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt. Wenn sich die Klägerin bei dieser Sachlage zugunsten ihres Versicherungsnehmers auf § 708 BGB beruft, so trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass S.      - für den Beklagten erkennbar - in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt. An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus (BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 - II ZR 128/88, WM 1989, 1850, 1852; Staudinger/Habermeier, BGB, 2003, § 708 Rn. 8; MünchKomm BGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 708 Rn. 20; Servatius in Henssler/Strohn, § 708 BGB Rn. 7 f., 11; Erman/H.P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 708 Rn. 8;Schöne in Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, Stand: 1. Februar 2013, § 708 Rn. 19; Andreas Bergmann, jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 708 Rn. 39; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 708 Rn. 8). Die Tatsache, dass der Gesellschafter sich im konkreten Schadensfall selbst geschädigt hat, erbringt keinen Beweis dafür, dass er in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden pflegt.

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Dass die Klägerin Vortrag dahin gehalten hätte, S.    erstelle ihm obliegende Tragwerksplanungen immer leicht fahrlässig und dies sei für den Beklagten erkennbar gewesen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Derartigen Vortrag zeigt auch die Revisionserwiderung nicht auf. Ohne einen derartigen Vortrag ist davon auszugehen, dass der in Anspruch genommene Gesellschafter in eigenen Angelegenheiten die verkehrsübliche Sorgfalt anwendet (BGH, Urteil vom 26. Juni 1989 - II ZR 128/88, WM 1989, 1850, 1852 mwN).

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III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin zu einem Mitverschulden des Beklagten an der schadensursächlichen Rissbildung, den die Revisionserwiderung in ihrer Gegenrüge anführt, rechtsfehlerfrei für unbeachtlich gehalten.

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Soweit die Klägerin ihren Vortrag in der Berufungsbegründung zur Schadensverursachung (auch) durch den Beklagten damit rechtfertigt, dass das Sachverständigengutachten, das das Landgericht seiner Entscheidung nach § 411a ZPO zugrunde gelegt hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht erörtert worden sei, gab dies dem Berufungsgericht bereits deshalb keine Veranlassung, sich mit diesem Vortrag auseinanderzusetzen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil im landgerichtlichen Urteil festgestellt ist, dass die Akten des Verfahrens LG Braunschweig 1 OH 1/08 Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und die Gutachten des Sachverständigen aus diesem Verfahren nach § 411a ZPO verwertet worden sind. Das Urteil erbringt gem. § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis für die darin bezeugten Tatsachen des Prozessgeschehens; die Revisionserwiderung zeigt nicht auf, dass die Klägerin insoweit Gegenbeweis (§ 418 Abs. 2 ZPO) angeboten hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. März 1983 - VII ZR 135/82, ZIP 1983, 864, 867 mwN).

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Zudem durfte das Berufungsgericht den von dem Beklagten bestrittenen und von der Klägerin nicht unter Beweis gestellten Vortrag in der Berufungsbegründung, Risse seien auch von dem sog. Kranloch ausgegangen, dessen Größe und Position vom Beklagten ohne jede Rücksprache mit dem Zeugen S.    angeordnet worden sei, schon mangels Schlüssigkeit unberücksichtigt lassen. Dass die Tragwerksplanung der Geschossdecken dem Zeugen S. oblag und dass dessen Berechnungen fehlerhaft und ursächlich für die Rissbildung waren, stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Angesichts dessen reicht der Vortrag, auch im Bereich des angeblich eigenmächtig vom Beklagten festgelegten Kranlochs seien Risse aufgetreten, zur schlüssigen Darlegung eines Mitverschuldens des Beklagten nicht aus. Die Klägerin legt schon nicht dar, dass ohne das Kranloch bzw. bei vorheriger Absprache der Anordnung des Kranlochs an den betroffenen Stellen der Geschossdecken keine Risse aufgetreten wären.

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Soweit sich die Revisionserwiderung auf Vorbringen der Klägerin bezieht, dass Risse auch in vom Beklagten berechneten Ebenen aufgetreten seien, lässt sich der Berufungsbegründung der Klägerin ein den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 ZPO genügender Angriff gegen die Feststellung des Landgerichts, aus den Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, dass die schadensursächlichen Risse auf Fehler der statischen Berechnung der Geschossdecken zurückzuführen seien, deren Bewehrungspläne nach dem unstreitigen Parteivorbringen von dem Zeugen S.     allein erstellt worden seien, nicht entnehmen.

20

Die Feststellung im landgerichtlichen Urteil, eine wechselseitige Überprüfung der Leistungen des jeweils anderen Gesellschafters habe nicht stattgefunden, konnte das Berufungsgericht seiner Entscheidung ebenfalls zugrunde legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dass die Klägerin diese Feststellung nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 oder 3 ZPO angegriffen hat, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

Bergmann                      Strohn                    Caliebe

                   Reichart                   Sunder