Entscheidungsdatum: 14.05.2013
Ein einseitiger Widerruf der Erledigungserklärung ist nach der Anschließung durch den Beklagten nur möglich, wenn ein Restitutionsgrund besteht.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in erster Instanz tragen die Beklagte 3 %, der Kläger zu 1 (und Streithelfer zu 1) 5 %, der Kläger zu 2 2,5 %, der Kläger zu 3 43 %, die Klägerin zu 4 43 % und der Streithelfer zu 2 3,5 %. Die Beklagte trägt von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2 in erster Instanz 33 %, von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3 und 4 jeweils 3 % und von den außergerichtlichen Kosten des Streithelfers zu 2 17 %. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten in zweiter Instanz tragen die Beklagte 3 %, der Kläger zu 1 (und Streithelfer zu 1) 6 %, der Kläger zu 2 3 %, die Kläger zu 3 und 4 je 44 %. Die Beklagte trägt von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 13 %, von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2 33 %, und von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3 und 4 jeweils 3 %. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 50.000 €
Streitwert erste und zweite Instanz: 800.000 €
I.
Auf die Klage der Kläger zu 3 und 4 hat das Landgericht die Wahl von Dr. B. zum Aufsichtsrat der Beklagten in der Hauptversammlung 2006 für nichtig erklärt, weil Fragen der Kläger nicht ausreichend beantwortet worden seien. Das Berufungsgericht hat ungeachtet eines nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils gefassten, ebenfalls angefochtenen Bestätigungsbeschlusses der Hauptversammlung 2007 die Berufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
Der Bundesgerichtshof hat das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf das Verfahren, das den Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung 2007 betrifft, ausgesetzt (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2010 - II ZR 262/08, juris). Land- und Oberlandesgericht haben die Anfechtungsklagen gegen den Bestätigungsbeschluss abgewiesen, der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZR 215/10, juris) und die Revision (BGH, Beschluss vom 23. April 2012 - II ZR 215/10, juris) gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.
Daraufhin haben alle Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat den Erledigungserklärungen zugestimmt.
Vor einer Entscheidung des Senats über die Kosten widerriefen zunächst die Kläger zu 3 und 4, anschließend auch der Kläger zu 2 ihre Erledigungserklärung, der Kläger zu 1 erklärte die Anfechtung seiner Erledigungserklärung. Den Widerruf der Erledigungserklärung stützen die Kläger zu 3 und 4 darauf, dass in diesem Verfahren und im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss vor dem Berufungsgericht eine Restitutionsklage erhoben worden sei. Der Kläger zu 2 stützt ihn auf eine eigene Restitutionsklage im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss, der Kläger zu 1 stützt seine Anfechtung darauf, dass er sich als Streithelfer den Restitutionsklagen im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss angeschlossen habe.
Als Restitutionsgrund wird geltend gemacht, dass Rechtsanwalt E. in einem anderen Verfahren eine Urkunde gefunden habe, nämlich einen Vermerk, wonach der Vorstand der B. LB am 15. Mai 2002 mit Mitarbeitern und Vorstandsmitgliedern der Beklagten darüber gesprochen habe, dass die Beklagte weiterhin bereit sei, eine gemeinsame Verwertung des Springer-Aktienpakets vorzunehmen. Durch das Auffinden der Urkunde sei bewiesen, dass Fragen der Aktionäre auf der Hauptversammlung 2007 unzutreffend beantwortet seien.
II.
Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Das Verfahren ist übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Die Erledigungserklärungen konnten, nachdem die Beklagte jeweils zugestimmt hat, nicht mehr widerrufen oder angefochten werden. Nach der Anschließung durch den Beklagten kommt ein einseitiger Widerruf nur in Frage, wenn ein Restitutionsgrund besteht. Frei widerruflich ist eine Erledigungserklärung, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 - I ZR 157/98, NJW 2002, 442). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln auf Prozesshandlungen weder direkt noch entsprechend anwendbar. Prozesshandlungen können nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes im Sinne des § 580 ZPO widerrufen werden oder soweit das Gesetz dies ausdrücklich gestattet, wie z.B. § 290 ZPO für das Geständnis (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 - XII ZB 71/04, NJW 2007, 1460 Rn. 13). Das gilt auch für die Erledigungserklärung (MünchKommZPO/Lindacher, 4. Aufl., § 91a Rn. 37; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rn. 22).
Das Auffinden der Urkunde ist für das vorliegende Verfahren kein Restitutionsgrund. § 580 Nr. 7b ZPO verlangt, dass die Urkunde eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Das ist mit dem Vermerk über eine Vorstandssitzung der B. LB - unabhängig davon, ob er eine Zeugenaussage ersetzt und daher nicht die Qualität aufweist, die § 508 Nr. 7b ZPO von einer aufgefundenen Urkunde als Restitutionsgrund verlangt - schon deshalb nicht der Fall, weil die Falschbeantwortung von Fragen zu den Springer-Aktien im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung erlangt hat. Wie die Kläger selbst vorgetragen haben, soll mit dem Vermerk eine unzutreffende Beantwortung von Fragen auf der Hauptversammlung 2007 belegt werden. Die Beschlüsse der Hauptversammlung 2007 waren Gegenstand des Verfahrens über den Bestätigungsbeschluss; die aufgefundene Urkunde kann daher allenfalls für das Verfahren zum Bestätigungsbeschluss Bedeutung erlangen.
Über das Verfahren zum Bestätigungsbeschluss erlangt die Urkunde auch nicht mittelbar für das vorliegende Verfahren zum Ausgangsbeschluss Bedeutung. Bedeutung für den Rechtsstreit über den Ausgangsbeschluss hat nur die Wirkung des Bestätigungsbeschlusses, die infolge der rechtskräftigen Abweisung der Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss eintrat, § 244 Abs. 1 Satz 1 AktG. Diese materiell-rechtliche Bestätigungswirkung entfällt erst dann, wenn das Urteil über die Anfechtungsklage in dem Verfahren zum Bestätigungsbeschluss aufgehoben wird. Ob insoweit der Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO in Frage kommt, kann dahinstehen. Der Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass das Urteil, auf das die Entscheidung im vorliegenden Verfahren gestützt ist, also das Urteil im Verfahren über den Bestätigungsbeschluss rechtskräftig aufgehoben wird. Das ist jedenfalls bisher nicht erfolgt.
2. Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien ist gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Die Erledigung der Hauptsache kann in der Rechtsmittelinstanz, auch noch während des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde, erklärt werden. Da durch die übereinstimmenden Erklärungen der Parteien der Rechtsstreit insgesamt erledigt ist, ist über alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Vorinstanzen, gemäß der auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Vorschrift des § 91 a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und gegebenenfalls des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2010 - XII ZR 183/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 1. März 2007 - I ZR 249/02, NJW-RR 2007, 694, 695).
Die Beklagte hat danach die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da nach dem Sach- und Streitstand bei Eintritt des erledigenden Ereignisses die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision keinen Erfolg gehabt und die Durchführung der Revision damit nicht zu einer Abweisung der Klage geführt hätte. Die Beschwerde wäre ohne das erledigende Ereignis zurückzuweisen gewesen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen waren unter Berücksichtigung des Obsiegens und Unterliegens der Parteien und ihrer Streithelfer dagegen abzuändern. Mehrere Kläger, die denselben Beschluss angefochten haben und unterlegen sind, haften nach § 100 Abs. 1 und 2 ZPO nach Kopfteilen und nicht als Gesamtschuldner. Da die Nebenintervenienten nach § 69 ZPO als Streitgenossen der Hauptpartei gelten, ist für ihre Kostenhaftung ebenfalls § 100 ZPO maßgebend (§ 101 Abs. 2 ZPO).
Bergmann Strohn Reichart
Drescher Born