Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.02.2019


BGH 05.02.2019 - II ZB 8/18

Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
05.02.2019
Aktenzeichen:
II ZB 8/18
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2019:050219BIIZB8.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Nürnberg, 5. April 2018, Az: 2 W 2087/17vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 27. Oktober 2017, Az: 10 O 998/17
Zitierte Gesetze
Nr 1008 RVG-VV

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren.

2

Die Antragstellerin wird gesamtschuldnerisch mit P.   K.   von der Klägerin auf Schadensersatz aufgrund einer Kapitalanlage in Form einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung in Anspruch genommen.

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Das Landgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im ersten Rechtszug unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligt. Es hat die Bewilligung jedoch mit Rücksicht darauf, dass ihr nicht bedürftiger Streitgenosse von demselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird, hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Gebühr nach Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (sog. Mehrvertretungsgebühr) beschränkt.

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Die Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde, für die die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt.

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II. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung ist ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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1. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO). Die Regel, dass für ein Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 3), gilt nicht für eine zugelassene Rechtsbeschwerde in Prozesskostenhilfeverfahren, weil hier eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02, NJW 2003, 1192; Beschluss vom 25. Februar 2016 - IX ZB 61/15, NJW 2016, 1520 Rn. 12; Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZA 9/16, ZIP 2016, 1684 Rn. 6). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO).

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2. In der Sache hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht auf die Gebühr nach Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (sog. Mehrvertretungsgebühr) beschränkt und das Beschwerdegericht folglich zu Recht die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.

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a) Mit diesen Entscheidungen sind die Vorinstanzen der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 1. März 1993 - II ZR 179/91, NJW 1993, 1715) gefolgt. Nach dieser Rechtsprechung ist, wenn zwei Streitgenossen ein und denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit beauftragen, aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen, die Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die für diesen Fall im Gesetz (jetzt Nr. 1008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) vorgesehenen Erhöhungsbeträge zu beschränken.

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Der Senat hat die Beschränkung der Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge bei Vorhandensein eines finanziell leistungsfähigen Streitgenossen damit begründet, dass nach dem Sinn der §§ 114 ff. ZPO die mittellose Partei für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Hilfe nur in Anspruch nehmen kann, soweit sie aus finanziellen Gründen zur Prozessführung außerstande ist. Der finanziell leistungsfähige Streitgenosse werde hierdurch nicht benachteiligt, weil er nicht mit mehr Kosten belastet wird, als er zu tragen hätte, wenn er den Prozessbevollmächtigten allein beauftragt hätte (BGH, Beschluss vom 1. März 1993 - II ZR 179/91, NJW 1993, 1715; jetzt § 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG).

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b) Diese Senatsrechtsprechung ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum auf Zustimmung (OLG Koblenz, MDR 2001, 1261, 1262; MDR 2004, 1206; OLG Naumburg, OLGR 2004, 175; Bork in Stein/Jonas, 23. Aufl., § 114 Rn. 8; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 114 Rn. 7; Saenger/Kießling, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 11; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., § 114 Rn. 11; MünchKommZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn. 39; Wax, LM § 114 ZPO Nr. 37), aber auch auf Ablehnung gestoßen (OLG Bamberg, OLGR 2001, 28; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 114 Rn. 3; Fischer, JurBüro 1998, 4; Notthoff, AnwBl 1996, 611; Rönnebeck, NJW 1994, 2273).

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c) Der Senat sieht keinen Anlass, seine Rechtsprechung zu ändern.

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aa) Prozesskostenhilfe bezweckt die weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfGE 81, 347, 356 f.; NJW 2014, 1291 mwN). Diesem Zweck wird die Beschränkung auf die Erhöhungsbeträge ohne Weiteres gerecht. Der Prozessbevollmächtigte erhält aufgrund seines Anspruchs gegen den finanziell leistungsfähigen Streitgenossen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG) seine ungeschmälerte Vergütung. Die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen wird dadurch sichergestellt.

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bb) Weitergehende Angleichungszwecke erfüllt die Prozesskostenhilfe nicht.

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(1) Die Beschränkung der Bewilligung auf die Erhöhungsbeträge setzt nicht voraus, dass lediglich diese Beiträge auch vergütungsrechtlich geschuldet sind. Da die Beschränkung - wie gezeigt - prozesskostenhilferechtlich begründet ist, bedarf es eines Gleichlaufs von Prozesskostenhilfebewilligung und Vergütungsanspruch nicht. Der Schutz des bedürftigen Streitgenossen wird schon dadurch bewirkt, dass der Prozessbevollmächtigte, wie generell hinsichtlich seines Anspruchs auf Zahlung der Wahlanwaltsgebühren, gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an der Geltendmachung seines Vergütungsanspruchs nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG gehindert ist, solange die Prozesskostenhilfebewilligung fortbesteht (BGH, Beschluss vom 1. März 1993 - II ZR 179/91, NJW 1993, 1715, 1716; OLG Koblenz, MDR 2004, 1206; Wax, LM § 114 ZPO Nr. 37; NJW 1994, 2331, 2334; aA Notthoff, AnwBl 1996, 611, 613; Rönnebeck, NJW 1994, 2273, 2274).

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(2) Soweit die Antragstellerin ferner einwendet, dass die auf beide Streitgenossen entfallende Gebührenlast aufgrund von § 7 RVG bereits mit der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten verringert werde, beeinflusst dies die weitergehende Entlastung des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen nicht, die bei unbeschränkter Bewilligung von Prozesskostenhilfe einträte. Diese würde auch durch einen möglichen Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Staatskasse (vgl. OLG München, NJW-RR 1997, 191), auf den die Antragstellerin ergänzend verweist, nicht vollständig ausgeglichen. Ein etwaiger nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Streitgenossen, auch ein solcher zugunsten des finanziell leistungsfähigen Streitgenossen (OLG Bamberg, OLGR 2001, 28), ändert im Übrigen nichts daran, dass die anwaltliche Vertretung des bedürftigen Streitgenossen und damit die Prozessführung bereits durch Zubilligung der Erhöhungsbeträge gewährleistet wird (OLG Koblenz, MDR 2001, 1261, 1262; OLG Naumburg, OLGR 2004, 175, 176). Das allgemeine Risiko, nachträglich mit Kosten einer erfolglosen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung belastet zu werden, kann der bedürftigen Partei, verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 1979, 2608, 2609), durch Prozesskostenhilfe nicht abgenommen werden (vgl. § 123 ZPO). Insoweit steht die bedürftige Partei nicht anders als eine nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei, die im Unterliegensfall ebenfalls in der Regel die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

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3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde steht der Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht entgegen.

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a) Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhinge (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZA 9/16, ZIP 2016, 1684 Rn. 16; Beschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 32/18, MDR 2019, 55 Rn. 5; ferner für den Fall einer zugelassenen Revision BGH, Beschluss vom 11. September 2002 - VIII ZR 235/02, NJW-RR 2003, 130 Rn. 1; Beschluss vom 27. November 2014 - III ZA 19/14, NJW 2015, 1020 Rn. 4 mwN).

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b) Die von der Antragstellerin aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht schwierig. Sie ist durch die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 1. März 1993 - II ZR 179/91, NJW 1993, 1715) auch hinreichend geklärt.

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aa) Eine erneute Befassung des Senats ist weder unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die von dem Beschwerdegericht für die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeführten "zahlreichen Abweichungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung" bestehen nicht. Die vom Beschwerdegericht dafür zum Beleg benannten obergerichtlichen Entscheidungen (OLG Karlsruhe, JurBüro 2012, 593; OLG München, OLGR 1996, 207) begründen keinen Klärungsbedarf. Diese Entscheidungen betreffen Fälle, in denen der bedürftigen Partei Prozesskostenhilfe ohne Beschränkung auf die Mehrvertretungsgebühr bewilligt worden war und die Prozesskostenhilfe erst im anschließenden Festsetzungsverfahren (jetzt § 55 RVG) durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf die Erhöhungsbeträge beschränkt wurde. Zu einem solchen Fall verhält sich der Senatsbeschluss vom 1. März 1993 nicht (so zutreffend OLG Karlsruhe, JurBüro 2012, 593, 594; OLG Stuttgart, BeckRS 1996, 09240; MünchKommZPO/Wache, 5. Aufl., § 114 Rn. 7; Notthoff, AnwBl 1996, 611, 612; Rönnebeck, NJW 1994, 2273).

20

bb) Dies erkennt auch die Antragstellerin an, die sich lediglich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg (OLGR 2001, 28) beruft. In dieser Entscheidung, auf die auch das Beschwerdegericht verwiesen hat, hat das Oberlandesgericht Bamberg abgelehnt, die Prozesskostenhilfebewilligung auf die Mehrvertretungsgebühr zu beschränken. Die vom Oberlandesgericht Bamberg zum Beleg seiner Auffassung zitierte Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, MDR 1997, 1071; OLG Köln, NJW-RR 1999, 725; OLG München, OLGR 1996, 207) betrifft wiederum Fälle, in denen Prozesskostenhilfe unbeschränkt bewilligt worden war und erst im anschließenden Festsetzungsverfahren auf die Erhöhungsbeträge beschränkt wurde.

Drescher     

        

Sunder     

        

Bernau

        

B. Grüneberg     

        

von Selle