Entscheidungsdatum: 14.07.2016
1. Der gemeinsame Vertreter für die Gläubiger von inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen ist keine Partei kraft Amtes.
2. Kosten, die einem gemeinsamen Vertreter für Prozesse entstehen, welche die Gläubiger zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus den Schuldverschreibungen führen, gehören nicht zu den vom Schuldner zu tragenden Aufwendungen des gemeinsamen Vertreters.
Der Antrag des Antragstellers, ihm Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu gewähren, wird abgelehnt.
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren.
Die F. KG aA (fortan: Schuldnerin) gab Orderschuldverschreibungen in unterschiedlichen Serien aus. Am 1. April 2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Antragsteller wurde für die Gläubiger der Schuldverschreibungsserie in einer Gläubigerversammlung zum gemeinsamen Vertreter gemäß § 19 Abs. 2 des Gesetzes über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (fortan: Schuldverschreibungsgesetz oder SchVG) bestellt. Er meldete die Forderungen dieser Gläubiger zur Insolvenztabelle an.
Die Antragsgegnerin vertritt Genussrechtsgläubiger einer Serie und meldete deren Ansprüche im Rang des § 38 InsO zur Tabelle an. Der Antragsteller widersprach für die von ihm vertretenen Gläubiger dieser Anmeldung und machte geltend, bei den angemeldeten Forderungen aus Genussrechten handele es sich um nachrangige Forderungen gemäß § 39 Abs. 2 InsO.
Die Antragsgegnerin hat daraufhin als Vertreterin für die Genussrechtsgläubiger Klage auf Feststellung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle im Rang des § 38 InsO gegen die Orderschuldverschreibungsgläubiger der Serie , vertreten durch den Antragsteller als gemeinsamen Vertreter, erhoben. Der Antragsteller hat beantragt, ihm Prozesskostenhilfe als Partei kraft Amtes zur Rechtsverteidigung gegen die Klage zu bewilligen. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen (veröffentlicht in ZInsO 2016, 1260). Der Antragsteller begehrt nun, ihm Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen.
II.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist ohne Aussicht auf Erfolg.
1. Zwar gilt die Regel, dass für ein Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2010 - VI ZA 3/09, NJW 2010, 3101 Rn. 3), nicht für eine zugelassene Rechtsbeschwerde in Prozesskostenhilfeverfahren, weil hier eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - III ZB 33/02, NJW 2003, 1192; vom 25. Februar 2016 - IX ZB 61/15, NJW 2016, 1520 Rn. 12).
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist jedoch ohne Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Das Beschwerdegericht hat Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Klage zu Recht versagt, weil es für die Bedürftigkeit auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der vertretenen Gläubiger ankommt. Hierzu hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Der gemeinsame Vertreter für die Gläubiger von inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen ist keine Partei kraft Amtes; § 116 ZPO gilt für ihn nicht.
a) Inhaber der Ansprüche aus den Schuldverschreibungen sind die jeweiligen Gläubiger. Auch bei inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen handelt es sich um Schuldverschreibungen gemäß §§ 793 ff BGB.
Das Schuldverschreibungsgesetz regelt, auf welche Weise die Gläubiger einer Anleihe zur Sanierung oder in der Insolvenz des Schuldners durch Mehrheitsentscheidung auf die verbrieften Rechte einwirken können (BT-Drucks. 16/12814 S. 13). Eine darüber hinausgehende, generelle Regelung, dass die Gläubiger einer Schuldverschreibung nicht mehr Inhaber des verbrieften Anspruchs sind, enthält das Schuldverschreibungsgesetz nicht. Das Schuldverschreibungsgesetz ändert nichts daran, dass die Rechtsverhältnisse zwischen dem jeweiligen Gläubiger und dem Schuldner bezüglich der Schuldverschreibungen individuell sind (vgl. BT-Drucks. 16/12814 S. 20). Dies gilt auch im Falle eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Soweit nach Bestellung eines gemeinsamen Vertreters allein dieser die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend machen kann (§ 19 Abs. 3 SchVG), sind die Gläubiger insoweit zwar von der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen (BT-Drucks. 16/12814 S. 25; Preuße/Scherber, SchVG, § 19 Rn. 32; FK-SchVG/Friedl, § 19 Rn. 50; Veranneman/Fürmaier, SchVG § 19 Rn. 6). Gleichwohl bleibt der einzelne Gläubiger auch im Insolvenzverfahren weiter materiell-rechtlich uneingeschränkt Inhaber der Forderung und ist der gemeinsame Vertreter zumindest im Innenverhältnis Weisungen der Gläubigerversammlung unterworfen (Preuße/Scherber, aaO Rn. 34; FK-SchVG/Friedl, aaO Rn. 54; Veranneman/Fürmaier, aaO Rn. 5). Auf die Frage, inwieweit ein gemeinsamer Vertreter bereits aufgrund von § 19 Abs. 3 SchVG befugt ist, Prozesse für die Gläubiger zu führen, oder ob dem ein Beschluss der Gläubigerversammlung vorauszugehen hat (vgl. BK-InsO/Paul, 2010, § 7 SchVG Rn. 21), kommt es hier nicht an.
b) Die Bestimmungen des Schuldverschreibungsgesetzes über den gemeinsamen Vertreter regeln dessen Befugnisse; eine gesetzliche Regelung, dass der gemeinsame Vertreter als Partei kraft Amtes anzusehen ist, enthält das Schuldverschreibungsgesetz nicht.
aa) Parteien kraft Amtes im Sinne des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind nach allgemeiner Meinung (vgl. Zöller/Geimer, ZPO 31. Aufl., § 116 Rn. 2; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., Vor § 50 Rn. 64; Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann, ZPO, 4. Aufl. § 116 Rn. 2) etwa Testamentsvollstrecker (§ 2212 BGB), Zwangsverwalter (§ 152 ZVG), Pfleger von Sammelvermögen (§ 1914 BGB), Insolvenzverwalter (§§ 56, 80 InsO) oder Abwickler einer Anwaltskanzlei (§ 55 BRAO). Ihnen ist gemeinsam, dass sie kraft gesetzlicher Anordnung ein für sie fremdes Vermögen eigenständig zu verwalten haben, kraft eines Bestellungsaktes als Partei auftreten und dabei für sie fremde Interessen zu vertreten haben (vgl. Zöller/Geimer, aaO). Im Gegensatz dazu sind Vertreter oder Prozessstandschafter nach allgemeiner Meinung keine Parteien kraft Amtes (Zöller/Geimer, aaO Rn. 3; Stein/Jonas/Jacoby, aaO Rn. 62; Musielak/Voit/Fischer, ZPO 13. Aufl., § 116 Rn. 3). Entscheidend ist, dass ihre Aufgabe ausschließlich in der Wahrung der Interessen einer bestimmten oder doch bedingt bestimmten Person besteht (Stein/Jonas/Jacoby, aaO).
bb) Nach diesen Maßstäben richtet sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den gemeinsamen Vertreter nicht nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, sondern nach den allgemeinen Regeln der §§ 114, 115 ZPO. Der gemeinsame Vertreter ist mit keiner der anerkannten Fallgruppen einer Partei kraft Amtes vergleichbar. Er ist vielmehr - wie schon die Bezeichnung zeigt - Vertreter der Gläubiger. Es handelt sich weder um eine gesetzliche noch eine organschaftliche, sondern um eine rechtsgeschäftliche Vertretung (Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 60; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., Vor § 50 Rn. 62; vgl. auch Preuße/Nesselrodt, SchVG, § 7 Rn. 45; FK-SchVG/Friedl, § 19 Rn. 49 "entgeltliche Geschäftsbesorgung").
Dies entspricht den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/12814 S. 14, 18, 19) und zeigt sich in den einzelnen Bestimmungen des Schuldverschreibungsgesetzes. Die Befugnisse des gemeinsamen Vertreters ergeben sich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchVG nur aus dem Schuldverschreibungsgesetz oder dem Mehrheitsbeschluss der Gläubiger. Der gemeinsame Vertreter ist den Weisungen der Gläubiger unterworfen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 SchVG); ein Recht, von diesen Weisungen abzuweichen, steht ihm nicht zu (BT-Drucks. 16/12814 S. 19; Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 59). Die Gläubiger können den gemeinsamen Vertreter jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen (§ 7 Abs. 4 SchVG).
Diese Regelungen sind typisch für einen rechtsgeschäftlichen Vertreter. Sie enthalten keinen Anhaltspunkt, dass der gemeinsame Vertreter ein Amt ausüben soll, das von der auf den Mehrheitsbeschluss der Gläubiger zurückgehenden Bevollmächtigung unabhängig ist. Aufgabe des gemeinsamen Vertreters ist es vielmehr, die Interessen der von ihm vertretenen Gläubiger zu wahren. Es besteht daher kein Anlass, ihn bei Prozessen, die ausschließlich der Verwirklichung der individuellen Rechte der Gläubiger einer Schuldverschreibung dienen, als Partei kraft Amtes zu behandeln. Es ist den jeweiligen Gläubigern, wenn sie ihre Rechte im Prozess durchsetzen wollen, vielmehr wie allen übrigen Gläubigern zuzumuten, die Kosten für die Prozessführung selbst aufzubringen.
cc) Aus § 7 Abs. 6 SchVG folgt im Streitfall nichts anderes. Ob der Schuldner aufgrund von § 7 Abs. 6 SchVG dem gemeinsamen Vertreter auch Prozesskosten für einen Rechtsstreit zu ersetzen hat (so Veranneman, SchVG, §§ 7, 8 Rn. 79), kann dahinstehen. Selbst wenn auch Prozesskosten zu den zu ersetzenden Aufwendungen des gemeinsamen Vertreters gehören sollten, erstreckt sich diese Verpflichtung jedenfalls nicht auf die Kosten solcher Prozesse, welche die Gläubiger zur Durchsetzung ihrer Ansprüche aus den Schuldverschreibungen führen. Das Schuldverschreibungsgesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Schuldner verpflichtet werden sollte, die Kosten einer von den Gläubigern in ihrem eigenen Interesse für erforderlich gehaltenen Prozessführung zu finanzieren, und zwar auch nicht mittelbar.
c) Dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, steht einer Versagung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Die Rechtslage ist weder zweifelhaft noch schwierig. Sie ist auch nicht weiter klärungsbedürftig. Es handelt sich weder um eine grundsätzliche Frage noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Stimmen, die sich in begründeter Weise für eine Behandlung des gemeinsamen Vertreters als Partei kraft Amtes aussprechen, sind nicht ersichtlich. Soweit das Oberlandesgericht Dresden (ZIP 2015, 1650) das ausdrückliche Auftreten als gemeinsamer Vertreter als das einer Partei kraft Amtes bezeichnet, handelt es sich um ein obiter dictum. Der gleiche Senat des Oberlandesgerichts Dresden hat diese Ansicht zudem mit dem anzufechtenden Beschluss ausdrücklich aufgegeben. Dass sich der Antragsteller in einem von ihm verfassten Aufsatz (Gloeckner/Bankel, ZIP 2015, 2393, 2397), auf die später aufgegebene Meinung des Oberlandesgerichts Dresden (ZIP 2015, 1650) bezieht und diese in einem Prozessrechtskommentar zitiert wird (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., Vor § 50 Rn. 10), genügt nicht, um in der Behandlung des gemeinsamen Vertreters als Partei kraft Amtes eine umstrittene Rechtsfrage sehen zu können.
Kayser Gehrlein Vill
Grupp Schoppmeyer