Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 04.12.2012


BGH 04.12.2012 - II ZA 3/12

Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters: Zumutbarkeit der Kostenaufbringung durch einzelne Insolvenzgläubiger; Anforderungen an den Vortrag des Insolvenzverwalters


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
04.12.2012
Aktenzeichen:
II ZA 3/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 20. April 2012, Az: 11 U 210/10vorgehend LG Hamburg, 16. November 2010, Az: 310 O 556/06
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Zwar können die Kosten der beabsichtigten Prozessführung aus der Masse nicht gedeckt werden. Der Senat muss jedoch davon ausgehen, dass die Kostenaufbringung den am Prozess wirtschaftlich Beteiligten zumutbar ist, nachdem der Kläger innerhalb der mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17. Oktober 2012 gesetzten Frist keine Tatsachen vorgebracht hat, die gegen die Zumutbarkeit der Kostenaufbringung sprechen (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

2

I. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 - IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 2; Beschluss vom 7. Juni 2011 - II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; Beschluss vom 7. Februar 2012 - II ZR 13/10, juris Rn. 2). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9, 12).

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Der Insolvenzverwalter hat die Voraussetzungen für die Bewilligung darzulegen (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2010 - II ZB 13/09, ZIP 2011, 246 Rn. 5) und auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gilt auch für die Umstände, derentwegen den wirtschaftlich beteiligten Gläubiger eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist (BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 192; Beschluss vom 3. Mai 2012 - V ZB 138/11, NZI 2012, 626 Rn. 19). Aus dem Wortlaut und der Stellung der Vorschrift des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO im Gesamtzusammenhang des Prozesskostenhilferechts ergibt sich eindeutig, dass die allgemeine Regel, dass jede Partei ihre Aufwendungen für die Prozessführung grundsätzlich selbst zu tragen hat und Prozesskostenhilfe nur erhält, wenn sie die dafür geltenden besonderen Voraussetzungen darlegt und auf Verlangen des Gerichts (§ 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO) glaubhaft macht. Für die Voraussetzung der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung für die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO) enthält das Gesetz keine abweichende Regelung (BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 191 f.). Die Vorschrift des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist entgegen der Auffassung des Klägers auch für das Insolvenzverfahren keinesfalls darauf gerichtet, die Gewährung von Prozesskostenhilfe an Parteien kraft Amtes zur Regel und die Versagung zu einer besonderer Begründung bedürftigen Ausnahme zu machen (BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 192).

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II. Hieran gemessen muss von der Zumutbarkeit der Kostenaufbringung ausgegangen werden.

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1. Unterbleibt die Prozessführung, können die Insolvenzgläubiger nicht damit rechnen, auf ihre Forderungen eine Quote zu erhalten. Der Kläger gibt ein liquides Vermögen in Höhe von 13.389,64 € an und behauptet im Rang der §§ 54, 55 InsO zu bedienende Forderungen in Höhe von 73.166,10 €.

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Bei erfolgreicher Prozessführung verspricht er sich einen Massezufluss in Höhe von 1.500.000 €. Dies würde auf Grund der von ihm selbst angestellten Prognoserechnung zu einer Quote für die im Rang des § 38 InsO zu bedienenden Forderungen von 55,718 % führen.

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2. Für die beabsichtigte Prozessführung muss der Kläger ausgehend von einem Streitwert von 1.500.000 € voraussichtlich Gerichtskosten in Höhe von 29.780 € sowie eigene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 22.824,80 € netto, mithin insgesamt 52.604,80 € aufwenden.

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3. Nach dem Vorbringen des Klägers müssten die an dem Rechtsstreit wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubiger, zu deren Gunsten Forderungen in Höhe von insgesamt 2.056.385,59 € zur Insolvenztabelle festgestellt wurden, einen Anteil von etwa 2,6 % ihrer jeweils angemeldeten Forderung für die Finanzierung der Kosten der Prozessführung aufbringen. Auch unter Berücksichtigung der Prozessrisiken - zu denen der Kläger nicht näher vorgetragen hat - überwiegen die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile den Aufwand deutlich.

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a) Nach dem auf Verlangen des Gerichts vom Kläger vorgelegten Tabellenauszug wurden Forderungen in Höhe von 2.142.958,45 € zur Tabelle festgestellt. Forderungen in Höhe von 10.728,93 € wurden für den Ausfall festgestellt und solche in Höhe von 3.171.184,03 € wurden bestritten. Ob mit einer Bedienung der für den Ausfall festgestellten oder der bestrittenen Forderungen ernsthaft gerechnet werden muss, lässt sich anhand des Klägervorbringens nicht beurteilen. Ferner liegt hinsichtlich weiterer Forderungsanmeldungen im Umfang von 637.711,59 € bislang eine Entscheidung über die Feststellung dieser Forderungen nicht vor.

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b) Es muss unterstellt werden, dass es auch der H.         AG, die als Großgläubigerin am Insolvenzverfahren beteiligt ist, zugemutet werden kann, sich an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es auf die Zumutbarkeit der Kostenaufbringung an und nicht auf die Bereitschaft des Gläubigers, die Kosten vorzuschießen (BGH, Beschluss vom 7. Juli 1997 - II ZB 7/97, ZIP 1997, 1553, 1554; Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 193; Beschluss vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 6; OLG Hamburg, ZIP 2011, 99; Musielak/Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 116 Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 116 Rn. 12). Allein die Weigerung der Gläubigerin kann daher nicht dazu führen, die Zumutbarkeit zu verneinen.Der Kläger behauptet zwar, dass die H.          AG im Hinblick auf ihre Beteiligung als Gläubigerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Streithelfers durch die Prozessführung keine nennenswerten wirtschaftlichen Vorteile, möglicherweise sogar wirtschaftliche Nachteile hätte. Ob im Hinblick auf die Beteiligung der H.         AG im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Streithelfers tatsächlich von der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung auszugehen ist, muss aber anhand der konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der Prozessführung in den jeweiligen Insolvenzverfahren beurteilt werden. Zu diesen hat der Kläger nichts dargelegt, obwohl ihm hierzu mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 17. Oktober 2012 Gelegenheit gegeben wurde. Auch das vom Kläger vorgelegte Schreiben der H.         AG vom 9. April 2008 enthält dazu keine konkreten Angaben, sondern lediglich die pauschale Einschätzung der Gläubigerin, sie verspreche sich „von dem im Ergebnis erreichbaren Transfer von Masse aus dem einen in das andere Verfahren wirtschaftlich nichts“.

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c) Neben der H.         AG sind nach dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus der Insolvenztabelle mit Datum vom 6. November 2012 weitere 14 Gläubiger mit Forderungen von jeweils mehr als 10.000 € beteiligt (Gläubiger unter lfd. Nr. 8, 10, 13, 15, 21, 25, 27, 29, 42, 43, 44, 45, 46 und 47). Diese Gläubiger haben (festgestellte) Forderungen in Höhe von insgesamt 610.432,25 €. Sie würden im Falle einer erfolgreichen Prozessführung etwa das 20-fache des jeweils vorgeschossenen Betrags erhalten, so dass die zu erwartenden Vorteile den Aufwand deutlich überwiegen, und zwar auch dann noch, wenn zu Gunsten des Klägers ein nicht unerhebliches Prozessrisiko unterstellt wird.

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d) Dem Vorbringen des Klägers kann nicht entnommen werden, dass einzelne Gläubiger nicht in der Lage sind, unschwer einen Prozesskostenvorschuss zu leisten. Der Vortrag, zu den Gläubigern des Insolvenzverfahrens gehörten zahlreiche Wohnungsbaugesellschaften, von denen einige bereits im Insolvenzverfahren seien, bleibt pauschal und ermöglicht es dem Senat nicht, die Zumutbarkeit der Kostenaufbringung bezogen auf die einzelnen Gläubiger zu prüfen.

13

e) Der Umstand, dass der Kläger die Insolvenzgläubiger angeschrieben und sich nur ein Gläubiger bereit erklärt hat, anteilig einen Kostenvorschuss zu tragen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hängt die Gewährung von Prozesskostenhilfe von der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung durch die wirtschaftlich Beteiligten ab; es genügt gerade nicht, dass sich der Insolvenzverwalter vergeblich bemüht hat, diese zur Kostenaufbringung zu veranlassen (BGH, Beschluss vom 24. März 1998 - XI ZR 4/98, BGHZ 138, 188, 193; Beschluss vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 6).

Bergmann                           Reichart                              Drescher

                       Born                                Sunder