Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 06.12.2010


BGH 06.12.2010 - II ZB 13/09

Prozesskostenhilfe für eine Teilklage des Insolvenzverwalters


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
06.12.2010
Aktenzeichen:
II ZB 13/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Celle, 26. Mai 2009, Az: 9 W 45/09, Beschlussvorgehend LG Hildesheim, 2. April 2009, Az: 2 O 52/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die beabsichtigte Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter ist nicht bereits als solche, sondern nur dann mutwillig im Sinne von § 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO, wenn der Insolvenzverwalter keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH i.L. Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit welcher er im Wege der Teilklage von einem behaupteten Anspruch der Schuldnerin aus § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. in Höhe von 40.538,30 € einen Teilbetrag von 15.000 € geltend machen will. Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Prozesskostenhilfegesuch für die beabsichtigte Teilklage weiter.

II.

2

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Teilklage im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist mutwillig im Sinne von § 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO.

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1. Nach den - von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen - Feststellungen des Beschwerdegerichts reicht der mit der beabsichtigten Klage geltend gemachte Teilbetrag nicht aus, um die vorrangig zu befriedigenden Verfahrenskosten einschließlich der Verwaltervergütung und die Masseverbindlichkeiten zu decken. Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen dem Insolvenzverwalter für eine Teilklage, die vornehmlich zur Deckung der eigenen Vergütungsansprüche dient und die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger nicht verbessert, Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

4

Teilweise wird, wie vom Beschwerdegericht, die Auffassung vertreten, eine solche Rechtsverfolgung sei wegen "Umgehung" der Anforderungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig (OLG Hamm, OLGR 2001, 374; OLG Köln, InVo 2006, 356, 357) oder mutwillig im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO (OLG Celle, OLGR 2007, 202). Nur im Ausnahmefall, wenn der Insolvenzverwalter triftige Gründe für ein solches prozessuales Vorgehen darlege, könne Prozesskostenhilfe gewährt werden (OLG Celle, OLGR 2007, 202; ZInsO 2007, 331; vgl. auch OLG Hamm, OLGR 2001, 374). Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur vertritt den Standpunkt, dass allein die Erhebung einer Teilklage durch den Insolvenzverwalter als solche ohne Vorliegen zusätzlicher Gesichtspunkte nicht als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO (OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43 mit zustimmender Anm. Pape, EWiR § 116 ZPO 1/03, 139, 140; OLG Celle, ZIP 2008, 433 mit zustimmender Anm. Baumert, Fachdienst Insolvenzrecht 2008, 255780; ebenso Werres, KTS 61 (2000), 251, 256; Gundlach/Frenzel/Schmidt, NJW 2003, 2412, 2416 Fn. 46; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 114 Rn. 42; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 8; Hk-ZPO/Pukall, 2. Aufl., § 116 Rn. 11; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 80 Rn. 120; Huber in Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 51 Rn. 37) oder als in der unlauteren Absicht erhoben angesehen werden könne, die Voraussetzungen des § 116 ZPO zu umgehen (OLG Celle, ZIP 2008, 433; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636). Aber auch diese Auffassung lässt im Einzelfall nicht unberücksichtigt, ob der Insolvenzverwalter vernünftige oder triftige Gründe darlegt, die für die Erhebung einer Teilklage sprechen (OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636, 1637; Pluta/Heidrich, jurisPR-InsR 12/2008 Anm. 5 unter D.; sehr weitgehend OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43).

5

2. Im Ausgangspunkt zutreffend ist die letztgenannte Meinung. Notwendig ist aber eine jeweils an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierte Prüfung, ob sich die Erhebung der Teilklage durch den Insolvenzverwalter als mutwillig im Sinne von § 116 Satz 2, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO darstellt. Der die Darlegungslast für sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen tragende Insolvenzverwalter (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 1977 - VII ZR 181/76, WM 1977, 639) hat nachvollziehbare Sachgründe dafür vorzubringen, warum er auf die Geltendmachung der Gesamtforderung verzichtet.

6

a) Ein Zwang zur Geltendmachung der Gesamtforderung findet im Gesetz keine Stütze. Dem Insolvenzverwalter muss die Erhebung einer Teilklage schon deshalb möglich sein, weil die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Kostenerstattungsanspruch des Gegners keinen Einfluss hat (§ 123 ZPO) und als Folge der Prozessführung die Masse daher mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko belastet wird (vgl. OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636).

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b) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antragsteller scheitert hier indes an der Mutwilligkeit der beabsichtigten Teilklage.

8

aa) Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen würde (vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009 - VII ZR 187/08, BGHZ 179, 315 Rn. 12; Beschluss vom 6. Juli 2010 - VI ZB 31/08, NJW 2010, 3522 Rn. 6 mwN). Beurteilungsmaßstab für die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung durch den Insolvenzverwalter ist das fiktive Vorgehen eines nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen, verständigen, sich an den wohlverstandenen Interessen der Gläubigergemeinschaft orientierenden Verwalters. Hätte ein solcher Verwalter lediglich eine Teilklage erhoben, weil die Geltendmachung der Gesamtforderung aus bestimmten Gründen nicht sachgerecht erscheint, stellt sich die Teilklage nicht als mutwillig dar. Dies gilt unabhängig davon, ob bei einer auf Zahlung der Gesamtforderung gerichteten Klage die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen der in diesem Fall bestehenden Vorschusspflicht wirtschaftlich beteiligter Gläubiger nach § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO entfiele.

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bb) Ein verständiger, nach den Interessen der Gläubigergesamtheit handelnder Verwalter wird regelmäßig schon deshalb bestrebt sein, die gesamte Forderung mit einer Klage geltend zu machen, weil die Erhebung mehrerer Teilklagen die Kosten der Rechtsverfolgung erhöht und die Dauer des Insolvenzverfahrens verlängert. Eine Teilklage wird er nur erheben, wenn hierfür ein sachlich begründeter Anlass besteht. Dies gilt umso mehr, wenn die beabsichtigte Teilklage im Erfolgsfall nur dazu führt, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, ohne die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger zu verbessern.

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Nachvollziehbare Sachgründe können begründete Zweifel sein, ob der erstrebte Titel in vollem Umfang durchgesetzt werden kann (OLG Hamm, ZIP 2003, 42, 43; OLG Celle, ZIP 2008, 433, 434; OLG Hamburg, ZIP 2009, 1636). Im Hinblick auf das Prozessrisiko können etwa Beweisschwierigkeiten hinsichtlich eines Teils des Anspruchs eine Rolle spielen; ebenso kann ein materiell-rechtlich uneinheitlich zu beurteilender Anspruch ein Grund für die Verfolgung nur eines Teilbetrags sein, wenn etwa eine nur teilweise durchgreifende Einwendung oder Einrede zu erwarten ist. Weiter kann im Einzelfall die begründete Erwartung bestehen, dass der Prozessgegner nach Verurteilung zur Leistung eines Teilbetrags den ganzen Anspruch begleichen werde (OLG Celle, OLGR 2007, 202).

11

cc) Der Antragsteller hat nachvollziehbare Sachgründe für die Erhebung einer Teilklage nicht dargelegt. Er rechtfertigt sein Vorgehen damit, es bestehe ein Vollstreckungsrisiko, weil der Antragsgegner zu 1 im Jahr 1920 geboren und das Vermögen des Antragsgegners zu 2 Gegenstand eines Insolvenzverfahrens gewesen sei. Das reicht im Hinblick darauf, dass der Antragsteller die Antragsgegner als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen will und ein Urteil gegen den Rechtsnachfolger wirkt (§ 325 Abs. 1 ZPO), für die Darlegung erheblicher, die Teilklage rechtfertigender Zweifel an der Durchsetzbarkeit eines die Gesamtforderung umfassenden Titels nicht aus.

Bergmann                             Reichart                                Drescher

                       Born                                     Sunder