Entscheidungsdatum: 25.11.2010
Allein der Umstand, dass der Insolvenzverwalter versuchen muss, die Finanzierung der Prozessführung durch 26 Gläubiger zu erreichen, zwingt nicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe .
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 711.655,25 €
I.
Der Antragsteller ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH. Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage, mit der er Werklohnansprüche der B. GmbH aus drei Bauvorhaben in Höhe von zusammen 711.655,25 € geltend machen will. Hierfür sind für eigene Anwaltskosten sowie für einen Gerichtskostenvorschuss 22.286 € aufzubringen. Es sind Insolvenzforderungen in Höhe von rund 2.554.000 € einschließlich der nur für den Ausfall festgestellten Forderungen, soweit sie voraussichtlich ausfallen werden, festgestellt. Es besteht eine Masseunterdeckung von rund 2.500 €. Auf 26 Gläubiger entfallen festgestellte Forderungen in Höhe von rund 778.000 €, wobei keiner dieser Gläubiger eine geringere Forderung als 10.000 € hat.
Das Landgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Begehren weiter.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht lässt offen, ob die beabsichtigte Klage hinreichende Erfolgsaussicht hat. Es fehle jedenfalls an den wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Zwar könne der Antragsteller die Kosten nicht aus der verwalteten Vermögensmasse aufbringen; es sei aber den wirtschaftlich Beteiligten, den Insolvenzgläubigern, zumutbar, die Kosten für den vom Antragsteller beabsichtigten Prozess aufzubringen, § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Zumutbar sei denjenigen Gläubigern die Kostenbeteiligung, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozess-kostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein werde (BGH, Beschluss vom 6. März 2006 - II ZB 11/05, NJW-RR 2006, 1064 m.w.N.). Im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung sei nicht die gesamte Klageforderung von 711.655,25 € in Ansatz zu bringen, sondern ein Abschlag in Höhe von 50 % für Prozess- und Vollstreckungsrisiko vorzunehmen. Daher verbleibe unter Berücksichtigung der Unterdeckung der Masse ein Betrag von 353.327,76 €, um den sich die Insolvenzmasse zugunsten der Gläubigergemeinschaft mehren würde. Daraus errechne sich eine Quote von rund 13,83 %, während die Gläubiger ohne Prozess mit überhaupt keiner Quote rechnen könnten.
Soweit der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung zum Ausdruck gebracht habe, dass ferner auch die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen sei, folge dem der Senat grundsätzlich ebenfalls. Nicht nachvollziehbar sei jedoch, warum der Bundesgerichtshof in jenem Fall bei der dort festgestellten Gläubigerstruktur eine Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung verneint habe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es einen hohen Koordinationsaufwand des Insolvenzverwalters erfordern solle, vier, fünf oder sieben Gläubiger dazu zu veranlassen, für die Kosten der Rechtsverfolgung aufzukommen, von der sie profitieren sollen. Bevor der Insolvenzverwalter für einen Prozess Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen könne, sei es ihm durchaus zumutbar, die Finanzierung der Prozessführung durch die wirtschaftlich Beteiligten zu betreiben und zu koordinieren oder detailliert im Rahmen des Prozesskostenhilfeantrags darzulegen, warum und weshalb dies im Einzelfall ohne Erfolg geblieben sei und ohne Erfolg bleiben musste. Dies sei hier nicht einmal im Ansatz geschehen.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die 26 vorhandenen Großgläubiger mit einer Quote von 13,83 % und damit insgesamt mit einem Erlös von 107.600 € rechnen könnten, sei der Einsatz der erforderlichen Prozesskosten wirtschaftlich nicht als ungünstig zu bezeichnen. Dass der eine Gläubiger - unsolidarisch - darauf vertrauen möge, dass sein auf ihn entfallender Anteil an der Kostenbeteiligung von einem anderen Gläubiger mitgetragen werde, mache weder seine Kostenbeteiligung noch die der anderen Gläubiger unzumutbar. Wenn die Gläubiger trotz objektiver Zumutbarkeit eine Kostenbeteiligung für einen vor allem auch in ihrem Interesse geführten Prozess ablehnten, dann bestehe auch kein Bedürfnis, diese Prozessführung über öffentliche Mittel zu ihren Gunsten zu legitimieren.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die Frage, ob nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Kosten für den beabsichtigten Rechtsstreit des Insolvenzverwalters aufzubringen, eine wertende Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - III ZB 15/09, juris Rn. 5; Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 3; Beschluss vom 27. September 2007 - IX ZB 172/06, WM 2007, 2201 Rn. 9; Beschluss vom 6. März 2006 - II ZB 11/05, NJW-RR 2006, 1064 Rn. 15). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Fall des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - III ZB 15/09, juris Rn. 5 m.w.N.).
b) Die Beurteilung unterliegt der tatrichterlichen Würdigung des Beschwerdegerichts. Sie ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Das Beschwerdegericht hat weder im Ansatz noch bei seiner Abwägung im Einzelnen verkannt, dass eine Zumutbarkeit nicht automatisch dann zu bejahen ist, wenn die Gläubiger wirtschaftlich leistungsfähig sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht auch bei der Beurteilung der Gefahr, dass ein oder mehrere Gläubiger auf die Finanzierung der Kosten durch die anderen vertrauen, nicht allein auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Großgläubiger abgestellt. Vielmehr hat das Beschwerdegericht es unter Berücksichtigung aller in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für jeden der Großgläubiger für zumutbar gehalten, den auf ihn entfallenden Anteil der Prozesskosten aufzubringen. Unter dieser Voraussetzung hat es zu Recht angenommen, dass in einer solchen Situation die Möglichkeit, das einzelne Gläubiger, obwohl ihnen der Beitrag zuzumuten ist, diesen nicht leisten, nicht dazu führen könne, dass für die anderen Gläubiger die Aufbringung des Zuschusses unzumutbar werde.
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht davon ausgeht, dass der Insolvenzverwalter versuchen müsse, die Finanzierung der Prozessführung durch die wirtschaftlich Beteiligten zu betreiben und zu koordinieren (ebenso z.B. ausdrücklich OLG Koblenz, OLGR 2009, 968, 969). Diese Auffassung liegt auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde, nach der es keine feste und starre Grenze hinsichtlich der Anzahl der heranzuziehenden Insolvenzgläubiger gibt, die wegen des durch die Gläubigerstruktur bedingten Koordinierungsaufwands von vorne herein die Aufbringung der Kosten durch die wirtschaftlich am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten als unzumutbar erscheinen ließe (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - III ZB 15/09, juris Rn. 7). Die Rechtsbeschwerde räumt selbst ein, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet sein kann, die Gläubiger davon zu unterrichten, dass die Prozesskosten aus der Masse nicht bestritten werden könnten und dass auch die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen der vorhandenen Großgläubiger nicht gegeben seien. Um die Forderung zugunsten der Insolvenzmasse durchzusetzen, bedarf es dieses Versuches des Insolvenzverwalters, die Kosten von den wirtschaftlich Beteiligten zu erlangen. Dies ist von den allgemeinen Aufgaben des Insolvenzverwalters gedeckt; es spielt daher keine Rolle, dass er hierfür kein besonderes Honorar erhält. Der Senat muss nicht entscheiden, ob es hinsichtlich dieser Bemühungen Grenzen gibt, jenseits derer der Insolvenzverwalter hierzu nicht mehr verpflichtet ist; in Betracht käme dann im Einzelfall immer noch, dass den Insolvenzgläubigern selbst weitere Koordinierungstätigkeiten zumutbar wären. Denn das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass der Antragsteller nicht einmal im Ansatz dargelegt habe, warum und weshalb eine Beitreibung dieser Prozesskosten bei den Insolvenzgläubigern ohne Erfolg geblieben sei. Unter diesen Umständen hat das Beschwerdegericht ersichtlich jedenfalls keine überspannten Anforderungen an die Pflicht des Insolvenzverwalters gestellt, sich um die Erlangung der notwendigen Beträge für die Prozesskosten zu bemühen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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