Entscheidungsdatum: 07.02.2011
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 4. Zivilsenat, vom 5. November 2009 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 13. August 2009 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 25. September 2009 abgeändert.
Die von der Antragstellerin aufgrund des Urteils des Landgerichts Hamburg, Kammer 07 für Handelssachen, vom 28. April 2009 an die Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 2.200,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Mai 2009.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Beschwerdewert: 445,90 €.
I. Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin vor dem Landgericht Hamburg in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfolglos auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Kosten des Verfahrens hat das Landgericht der Antragstellerin auferlegt. Die Antragsgegnerin hat im Kostenfestsetzungsverfahren die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 RVG VV aus einem Gegenstandswert von 25.000 € begehrt. Da die Prozessbevollmächtigten in derselben Angelegenheit für die Antragsgegnerin bereits vorgerichtlich tätig waren, hat der Rechtspfleger eine hierdurch angefallene 1,3-fache Geschäftsgebühr nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 RVG VV unter Berufung auf Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV zur Hälfte von der Verfahrensgebühr in Abzug gebracht und die der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 1.755 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolglos geblieben.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren auf Festsetzung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr weiter.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die vorgerichtlich für die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin entstandene 1,3-fache Geschäftsgebühr sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, mit der Folge, dass sich letztere entsprechend verringere. Der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe dem nicht entgegen, da diese Bestimmung aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall keine Anwendung finde.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstanden ist, ist im Kostenfestsetzungsverfahren in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht aufgrund der Regelung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV zu kürzen.
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am 5. August 2009 (Art. 10 Satz 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2449), nach der die Verfahrensgebühr gegen den Prozessgegner nur gekürzt um den nach der Vorbemerkung 3 Absatz 4 zu Nr. 3100 RVG VV anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr festgesetzt werden kann (Beschluss vom 22. Januar 2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; Beschluss vom 20. April 2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095; Beschluss vom 3. Juni 2008 - VI ZB 55/07, NJW-RR 2008, 1528; Beschluss vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, JurBüro 2008, 529; Beschluss vom 2. Oktober 2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.). Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt, dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben sich die bisher mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs auf den Standpunkt gestellt, dass die Regelungen in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt haben (Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 176/09, AGS 2010, 459 Rn. 5; Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 9 f.; Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 8). Da die Regelungen in § 15a RVG nur eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage darstellen, findet die Bestimmung auch dann Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift - erfolgte. Dies hat der XII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2009 (NJW 2010, 1375 Rn. 15 ff.) im Einzelnen dargelegt. Dem tritt der Senat bei (ebenso: BGH, Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 8 mwN).
An seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV vertretenen Auffassung (vgl. BGH, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.) hält der Senat nicht mehr fest und erachtet wie der VIII. Zivilsenat (vgl. Beschluss vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10 Rn. 10) und der IV. Zivilsenat (vgl. Beschluss vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, juris Rn. 9) ein Vorgehen nach § 132 GVG für nicht geboten.
3. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, kann sich die Antragstellerin auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV nicht berufen. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV ist bei der Kostenfestsetzung in voller Höhe zu berücksichtigen. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts abzuändern. Die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten sind danach antragsgemäß auf 2.200,90 € nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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