Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 30.11.2017


BGH 30.11.2017 - I ZB 5/17

Zwangsvollstreckungsverfahren: Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
30.11.2017
Aktenzeichen:
I ZB 5/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:301117BIZB5.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend BGH, 1. Juni 2017, Az: I ZB 5/17, Beschlussvorgehend LG Frankfurt, 5. Dezember 2016, Az: 2-9 T 350/16vorgehend AG Frankfurt, 6. Juni 2016, Az: 82 M 3658/16nachgehend BGH, 19. Februar 2018, Az: I ZB 5/17, Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der Gerichtsvollzieher kann die öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bewilligen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Dezember 2016 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - Frankfurt am Main vom 6. Juni 2016 abgeändert.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die vom Gläubiger beantragte Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Ladung des Geschäftsführers der Schuldnerin zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht mit der Begründung zu verweigern, eine solche Zustellung sei nicht möglich.

Die Kosten des Verfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

Gründe

1

I. Der Gläubiger beauftragte den Gerichtsvollzieher mit der Beitreibung einer titulierten Geldforderung gegen die Schuldnerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gerichtsvollzieher konnte dem Geschäftsführer der Schuldnerin die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft weder unter der inländischen Anschrift der Schuldnerin noch unter der im Handelsregister eingetragenen inländischen Geschäftsanschrift der Schuldnerin zustellen.

2

Der Gläubiger beantragte daraufhin beim Gerichtsvollzieher die öffentliche Zustellung der Ladung des Geschäftsführers der Schuldnerin zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Der Gerichtsvollzieher lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, eine solche Zustellung sei nicht möglich. Mit seiner dagegen eingelegten Erinnerung hat der Gläubiger beantragt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, dem Geschäftsführer der Schuldnerin die Ladung zum Termin öffentlich zuzustellen. Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist ohne Erfolg geblieben (LG Frankfurt am Main, BeckRS 2016, 123722). Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Antrag weiter.

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II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, eine öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft sei nicht möglich. Die vom Gerichtsvollzieher zu veranlassende Ladung zum Termin erfordere eine Zustellung im Parteibetrieb. Das System der Parteizustellung kenne - anders als das System der Amtszustellung - keine öffentliche Zustellung. Eine öffentliche Zustellung bedürfe der gerichtlichen Bewilligung. Da das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft gänzlich dem Gerichtsvollzieher übertragen und dieser selbst kein Gericht sei, sei eine Bewilligung der öffentlichen Zustellung weder durch den Gerichtsvollzieher noch durch das Vollstreckungsgericht möglich.

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III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Antrag des Gläubigers nicht abgelehnt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann der Gerichtsvollzieher die öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bewilligen.

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1. Der Gerichtsvollzieher wirkt auf eine Beitreibung von Geldforderungen hin (§ 802a Abs. 1 ZPO). Er ist auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners einzuholen (§ 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zur Abnahme der Vermögensauskunft setzt er dem Schuldner für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen; zugleich bestimmt er für den Fall, dass die Forderung nach Fristablauf nicht vollständig beglichen ist, einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft alsbald nach Fristablauf und lädt den Schuldner zu diesem Termin in seine Geschäftsräume (§ 802f Abs. 1 ZPO). Die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft ist dem Schuldner nach § 802f Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO zuzustellen, auch wenn dieser einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat.

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2. Hinsichtlich des Verfahrens bei Zustellungen unterscheidet die Zivilprozessordnung zwischen Zustellungen von Amts wegen (§§ 166 bis 190 ZPO) und Zustellungen auf Betreiben der Parteien (§§ 191 bis 195 ZPO). Ist eine Zustellung auf Betreiben der Parteien zugelassen oder vorgeschrieben, finden nach § 191 ZPO die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Vorschriften Abweichungen ergeben. Bei der Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft handelt es sich um eine - nach § 802f Abs. 4 Satz 1 ZPO vorgeschriebene - Zustellung auf Betreiben der Parteien (OLG Stuttgart, NJW 2015, 2513). Der Gerichtsvollzieher holt die Vermögensauskunft des Schuldners nach § 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags des Gläubigers ein. Die Zustellung der Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft ist danach Teil des vom Gläubiger betriebenen Vollstreckungsverfahrens. Danach finden auf diese Zustellung die Vorschriften der §§ 166 bis 190 ZPO entsprechende Anwendung, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 191 bis 195 ZPO keine Abweichungen ergeben.

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3. Aus den Vorschriften der §§ 191 bis 195 ZPO ergibt sich insofern eine Abweichung von den Vorschriften der §§ 166 bis 190 ZPO, als Zustellungen von Amts wegen durch die Geschäftsstelle oder im Auftrag der Geschäftsstelle durch die Post oder einen Justizbediensteten (§ 168 Abs. 1 ZPO) oder im Auftrag des Prozessgerichts durch einen Gerichtsvollzieher oder eine andere Behörde (§ 168 Abs. 2 ZPO) auszuführen sind. Dagegen erfolgen Zustellungen auf Betreiben der Parteien nach § 192 Abs. 1 ZPO im Auftrag der Parteien durch den Gerichtsvollzieher nach Maßgabe der §§ 193 und 194 ZPO. Die bei anwaltlich vertretenen Parteien nach § 195 ZPO grundsätzlich zulässige Form der Parteizustellung durch Zustellung von Anwalt zu Anwalt kommt für die Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht in Betracht, weil diese Ladung nach § 802f Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO dem Schuldner auch dann persönlich zuzustellen ist, wenn er einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat.

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4. Ist der Gerichtsvollzieher von einer Partei mit der Zustellung beauftragt, kann er die Zustellung nach Maßgabe der §§ 193 und 194 ZPO entweder selbst ausführen oder die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragen. Für die Ausführung dieser Zustellung finden die für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Danach ist insbesondere eine Ersatzzustellung (§§ 178 ff. ZPO) zulässig (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs.16/10069, S. 27). Darüber hinaus ist der Gerichtsvollzieher nach § 191 ZPO in entsprechender Anwendung von §§ 185, 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO befugt, die öffentliche Zustellung der Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zu bewilligen.

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a) Nach § 185 ZPO kann die Zustellung in näher bezeichneten Fällen, in denen eine Zustellung in anderer Weise nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, durch öffentliche Bekanntmachung (öffentliche Zustellung) erfolgen. Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung entscheidet nach § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Prozessgericht.

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b) Die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft kann in entsprechender Anwendung von § 185 ZPO öffentlich zugestellt werden (AG Hamburg, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 29b M 757/17, juris Rn. 4 bis 13; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 802f Rn. 3; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 191 Rn. 2; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 191 Rn. 8; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 191 Rn. 5; MünchKomm.ZPO/Häublein, 5. Aufl., § 191 Rn. 2; Dörndorfer in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand: 15. September 2017, § 191 Rn. 4).

11

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung einer Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht mit der Erwägung verneint werden, das System der Parteizustellung kenne - anders als das System der Amtszustellung - keine öffentliche Zustellung. Nach § 191 ZPO finden die Vorschriften über die Zustellung von Amts wegen für die Zustellung auf Betreiben der Parteien grundsätzlich entsprechende Anwendung. Allein der Umstand, dass die Bestimmungen über die öffentliche Zustellung unmittelbar allein auf Amtszustellungen anwendbar sind, steht ihrer entsprechenden Anwendung auf Parteizustellungen daher nicht entgegen. Eine öffentliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft muss unter den Voraussetzungen des § 185 ZPO grundsätzlich möglich sein, weil der Schuldner es ansonsten in der Hand hätte, die Durchsetzung der titulierten Forderung zu verhindern oder zu erschweren, indem er die Zustellung der Ladung vereitelt und damit den Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft (§ 802g ZPO) und die Anordnung seiner Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (§ 882c ZPO) unmöglich macht.

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c) Über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft entscheidet in entsprechender Anwendung von § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Gerichtsvollzieher und nicht das Vollstreckungsgericht (AG Hamburg, Beschluss vom 24. Mai 2017 - 29b M 757/17, juris Rn. 14 bis 42; LG Detmold, JurBüro 2017, 45).

13

Der Zivilprozessordnung ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht zu entnehmen, dass eine öffentliche Zustellung stets einer gerichtlichen Bewilligung bedarf. Nach der am 26. November 2016 in Kraft getretenen Regelung des § 882c Abs. 2 Satz 3 ZPO entscheidet - abweichend von § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO - der Gerichtsvollzieher über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Anordnung der Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis. Bei der vom Gerichtsvollzieher zu bewirkenden Zustellung der Eintragungsanordnung handelt es sich zwar um eine Zustellung von Amts wegen und nicht um eine Zustellung im Parteibetrieb (§ 882c Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung [EU] Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften [EuKoPfVODG], BT-Drs. 18/7560, S. 39; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2015 - I ZB 107/14, NJW 2016, 876 Rn. 22 und 32). Daraus folgt jedoch nicht, dass dem Gerichtsvollzieher die Bewilligung der öffentlichen Zustellung eines im Parteibetrieb zuzustellenden Schriftstücks verwehrt ist.

14

Für eine Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers zur Bewilligung der öffentlichen Zustellung spricht die - auch der Bestimmung des § 882c Abs. 2 Satz 3 ZPO zugrunde liegende - Erwägung, dass die öffentliche Zustellung nach der Systematik der Zustellungsvorschriften grundsätzlich von der Stelle angeordnet wird, deren Entscheidung zugestellt werden soll, und eine funktionelle Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts das Verfahren unnötig in die Länge ziehen würde (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung [EU] Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften [EuKoPfVODG], BT-Drs. 18/7560, S. 39; vgl. weiter LG Berlin, DGVZ 2014, 19, 20; Büttner, DGVZ 2013, 123, 125).

15

IV. Danach sind auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers der Beschluss des Amtsgerichts abzuändern. Der Gerichtsvollzieher ist anzuweisen, die vom Gläubiger beantragte Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Ladung des Geschäftsführers der Schuldnerin zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht mit der Begründung zu verweigern, eine solche Zustellung sei nicht möglich. Der Gerichtsvollzieher wird zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 185 ZPO für eine öffentliche Zustellung der Ladung erfüllt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZB 5/17, juris).

16

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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