Entscheidungsdatum: 06.07.2016
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
In der Hauptsache begehrt der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Zuletzt war bei dem Kläger wegen einer Depression ein GdB von 30 festgestellt (Bescheid vom 10.9.2013, Widerspruchsbescheid vom 11.2.2014). Die hiergegen gerichtete Klage war erfolglos (Urteil vom 9.9.2015). Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.9.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.9.2015 per E-Mail sinngemäß Berufung beim SG eingelegt, der Ausdruck ist am 7.10.2015 beim LSG eingegangen. Das LSG hat den Kläger wiederholt auf die Formunwirksamkeit einer Berufung per E-Mail und - erfolglos - auch auf das Fehlen einer formgerechten Berufung und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hingewiesen sowie auf eine Entscheidung durch Beschluss, verbunden mit der Gelegenheit zur vorherigen Äußerung. Nach Fristablauf hat es die Berufung verworfen, ohne die Revision zuzulassen (Beschluss vom 27.4.2016).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der "Revision" und einem damit verbundenen PKH-Gesuch mit der Begründung, er sei wegen Krankheit nicht immer zeitnah in der Lage, schriftliche Eingaben zu machen. Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten sei fehlerhaft.
II. 1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Als statthaftes Rechtsmittel kommt sinngemäß allein die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht, nachdem das LSG die Revision nicht zugelassen hat und diese Entscheidung für den Senat bindend ist (vgl § 160 Abs 1 SGG). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht für eine Nichtzulassungsbeschwerde erkennen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Beschlusses und des Vortrags des Klägers keiner feststellen.
Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Insbesondere ergibt sich die Grundsätzlichkeit der Bedeutung danach nicht aus dem behaupteten Verstoß gegen Verfahrensrecht oder der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit im konkreten Fall.
Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Es entspricht der gesicherten und vom LSG in Bezug genommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Einlegung der Berufung per einfacher E-Mail weder dem gesetzlich vorgegebenen Schriftformerfordernis (§ 151 Abs 1 SGG) noch den Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Dokumente (§ 65a SGG) entspricht (vgl BSG Beschluss vom 15.11.2010 - B 8 SO 71/10 B - Juris; anders ausnahmsweise beim Computerfax BSG Beschluss vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - Juris; vgl insgesamt Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 151 RdNr 23 f).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
Der Kläger macht geltend, entgegen den Ausführungen des LSG habe er die Berufungsfrist eingehalten, mindestens sei ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Damit rügt er als Verfahrensfehler, das LSG hätte in der Sache entscheiden müssen und keine Prozessentscheidung treffen dürfen (vgl dazu BSGE 34, 236, 237 = SozR Nr 57 zu § 51 SGG Bl DA 28 f; BSGE 35, 267, 271 = SozR Nr 5 zu § 551 RVO Bl Aa 8; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 658 ff mwN). Der Kläger hat indessen die Berufungsfrist versäumt, weil er innerhalb der bis zum 21.10.2015 laufenden Berufungsfrist keine dem Schriftformerfordernis des § 151 Abs 1 SGG entsprechende Berufung gegen das Urteil des SG vom 9.9.2015 eingelegt hat. Wiedereinsetzungsgründe (§ 67 SGG) hat der Kläger weder ausreichend dargelegt noch sind sie glaubhaft gemacht worden. Den angeforderten Nachweis über die ursprünglich als Hinderungsgrund für die Einhaltung der Schriftform angeführte Reha hat der Kläger ebenso wenig erbracht wie einen Beleg für seine jetzige Behauptung, dass seine Erkrankung ihn - unabhängig von der Reha - an der Einhaltung der Schriftform der Berufung gehindert haben könnte. Dem LSG kann in diesem Zusammenhang auch keine Verletzung der Fürsorgepflicht angelastet werden. Allerdings nimmt die Rechtsprechung des BSG eine die Wiedereinsetzung gebietende Fürsorgepflichtverletzung an, wenn Schriftsätze weit vor Ablauf der Rechtsmittelfrist übersandt werden und es dem Gericht ohne Weiteres möglich gewesen wäre, auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung unter dem Gesichtspunkt des Schriftformerfordernisses hinzuweisen (vgl BSG Beschluss vom 6.10.2011 - B 14 AS 63/11 B = SozR 4-1500 § 67 Nr 9). Das LSG ist diesen Anforderungen jedoch gerecht geworden. Denn es hat den Kläger zuletzt mit Verfügungen vom 17.12.2015 und 4.3.2016 auf die vorbeschriebenen Bedenken hingewiesen und ihm - erfolglos - die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffnet.
2. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG), weil sie nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt und begründet worden ist (§ 73 Abs 4 iVm § 160a Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 SGG).