Entscheidungsdatum: 28.05.2015
1. Soweit die Richtlinie 2004/83/EG (sog Qualifikationsrichtlinie; juris: EGRL 83/2004) vorsieht, dass Drittstaatsangehörigen mit sogenanntem subsidiärem Schutzstatus und ihren Familienangehörigen die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu gewähren ist, vermittelt dies keine unmittelbaren Leistungsansprüche nach dem SGB II.
2. Die Vorbezugszeit für Analogleistungen kann auch mit dem Bezug anderer Sozialleistungen als Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt werden (Aufgabe von BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R = BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2).
Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Februar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Im Streit sind im Revisionsverfahren noch Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen der Existenzsicherung für August 2007.
Die Kläger, geboren im Februar 1992 (zu 1), im Februar 1994 (zu 2), im Mai 1998 (zu 3) und im Oktober 2003 (zu 4), sind irakische Staatsbürger. Sie halten sich gemeinsam mit ihren Eltern seit August 2002 (der Kläger zu 4 seit seiner Geburt) in Deutschland auf; ihre Asylanträge wurden in den Jahren 2002 und 2003 bestandskräftig abgelehnt. Im August 2007 waren beide Eltern im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), die Kläger dagegen Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs 5 AufenthG. Nachdem sämtliche Familienmitglieder seit der Einreise bzw der Geburt zunächst Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und ab Januar 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) erhalten hatten, stellte die ARGE Stadt Aachen, deren Funktionsnachfolger der Beigeladene ist, die Erbringung dieser Leistungen an die Kläger zum 1.5.2007 ein. Von diesem Zeitpunkt an gewährte die Beklagte den Klägern lediglich Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (für den Monat August 2007 durch schlichte Auszahlung), weil es an der für Leistungen nach § 2 AsylbLG erforderlichen Vorbezugsdauer von Leistungen nach § 3 AsylbLG mangele (Widerspruchsbescheid vom 3.9.2007).
Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) Aachen die Beklagte verurteilt, dem Kläger zu 1 ua für August 2007 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu bewilligen, die übrigen Klagen jedoch abgewiesen (Urteil vom 27.5.2008). Auf die von den Klägern zu 2 bis 4 sowie der Beklagten eingelegten Berufungen hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG "geändert" und den Beigeladenen "verurteilt, den Klägern zu 1 bis 4 für den Monat August 2007 Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch unter Anrechnung der den Klägern für diesen Monat von der Beklagten bereits gewährten Leistungen zu gewähren" und die Berufungen der Kläger zu 2 bis 4 im Übrigen zurückgewiesen sowie die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 27.2.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass den Klägern keine Leistungen nach § 2 AsylbLG zustünden, weil diese einen Vorbezug der (Grund-)Leistungen nach § 3 AsylbLG von 36 bzw 48 Monaten erforderten und andere Sozialleistungen unberücksichtigt bleiben müssten. Es bestehe allerdings ein Anspruch der Kläger gegen den Beigeladenen auf Leistungen nach dem SGB II aus Art 23 und Art 28 der Regelungen der Richtlinie (RL) 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union (EU) vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - sog Qualifikationsrichtlinie. Die dort niedergelegte Verpflichtung, international zu schützenden Personen nebst Familienangehörigen Sozialleistungen wie Inländern zu gewähren, stelle die Kläger inländischen Empfängern von Leistungen nach dem SGB II gleich, sei aber nach Ablauf der Umsetzungsfrist auch durch das am 28.8.2007 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU nicht ausreichend in nationales Recht überführt worden. Die entsprechenden Rechte seien deshalb unmittelbar aus dieser RL herzuleiten.
Hiergegen wendet sich der Beigeladene mit seiner Revision und rügt die fehlerhafte Anwendung von Art 23 und Art 28 der RL 2004/83/EG. Die RL sei aus bewusster Zurückhaltung des Richtliniengebers in ihrem Regelungsgehalt zu unbestimmt geblieben, als dass sie in den Mitgliedstaaten zugunsten des Einzelnen unmittelbare Rechtsfolgen auslösen könne.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit er verurteilt worden ist.
Die Kläger beantragen,
die Revision des Beigeladenen zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Die Revision des Beigeladenen ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die Kläger, die zum Kreis der dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personen nach § 1 Abs 1 AsylbLG gehören, haben wegen der Ausschlussnorm des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Beigeladenen. Art 23 und Art 28 der RL 2004/83/EG (ABl L 304, 12; aufgehoben mW vom 21.12.2013 durch Art 40 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl L 337, 9) vermitteln keine weiter gehenden, unmittelbaren Leistungsansprüche. Es kommt entgegen der Auffassung der Beklagten aber für die Kläger zu 1 bis 3 für den gesamten August 2007, für den Kläger zu 4 nur für die Zeit vom 1. bis zum 27. dieses Monats, ein Anspruch auf höhere Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG in Betracht; an seiner diesem Ergebnis entgegenstehenden Rechtsprechung (BSGE 101, 49 ff RdNr 22 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2) hält der Senat nicht fest. Abschließend kann der Senat über Ansprüche nach § 2 AsylbLG und ebenso wenig über einen höheren Anspruch des Klägers zu 4 nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab 28.8.2007 indes nicht entscheiden, weil ausreichende Feststellungen des LSG zur Bedürftigkeit der Kläger (insbesondere zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen) fehlen.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Ansprüche der Kläger auf höhere Leistungen der Existenzsicherung (nur noch) für August 2007; wegen der übrigen im Klage- und Berufungsverfahren anhängig gewesenen Zeiten hat sich der Rechtsstreit durch den zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich (im Sinne eines sog Überprüfungsvergleichs) erledigt (§ 101 Abs 1 SGG). Durch die Revision (ausschließlich) des Beigeladenen, der sich gegen seine Verurteilung durch das LSG wendet, ist der Streitgegenstand nicht auf Leistungen nach dem SGB II beschränkt. Soweit sich dessen Verurteilung als rechtswidrig erweist und damit aufzuheben ist, ist von Amts wegen das Begehren der Kläger auf höhere Leistungen der Existenzsicherung gegen die Beklagte unter Berücksichtigung denkbarer Anspruchsgrundlagen nach dem AsylbLG zu prüfen, wie es in der Berufungsinstanz mit den Berufungen der Kläger zu 2 bis 4 einerseits und der Berufung der Beklagten wegen ihrer Verurteilung durch das SG andererseits angefallen ist. Die Leistungen nach dem AsylbLG für August 2007 hat die Beklagte nach den Feststellungen des LSG ohne Bescheid gezahlt und damit konkludent durch Auszahlung bewilligt (vgl dazu BSGE 101, 49 ff RdNr 11 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2); insoweit wenden sich die Kläger mit ihren Anfechtungs- und Leistungsklagen gegen diese Entscheidungen in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.9.2007 (§ 95 SGG).
Den Klägern stehen entgegen der Auffassung des LSG im August 2007 Leistungsansprüche nach dem SGB II gegen den Beigeladenen nicht zu. Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 - BGBl I 558 - erhalten hat) bzw (wegen der Zeit ab dem 28.8.2007) nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.8.2007 - BGBl I 1970 - erhalten hat) ist vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, wer nach § 1 AsylbLG dem Leistungssystem des AsylbLG zugewiesen ist. Die Kläger waren ua im August 2007 leistungsberechtigt nach § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG (für die Zeit bis zum 27.8.2007 idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14.3.2005 - BGBl I 721 - erhalten hat; für die Zeit ab dem 28.8.2007 idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU), weil sie nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG jeweils im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG waren. Dabei hat die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG statusbegründende Wirkung für die Zuordnung zum Existenzsicherungssystem des AsylbLG und ist im vorliegenden Verfahren nicht dahin überprüfbar, ob sie materiellrechtlich zutreffend erteilt worden ist (vgl im Einzelnen BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 41 RdNr 11 ff mwN).
An der daraus folgenden Zuordnung der Kläger zum Leistungssystem des AsylbLG und dem Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II ändert die RL 2004/83/EG nichts. Nach deren Art 28 Abs 1 tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen, denen - was hier allenfalls in Betracht kommt - ua der "subsidiäre Schutzstatus" zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der die jeweilige Rechtsstellung gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Sie tragen nach Art 23 Abs 2 der RL dafür Sorge, dass die Familienangehörigen der Person, der die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und die selbst nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines entsprechenden Status erfüllen, gemäß den einzelstaatlichen Verfahren Anspruch auf die in den Art 24 bis 34 genannten Vergünstigungen haben, sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist.
Es kann offen bleiben, ob den Eltern der Kläger tatsächlich als "Personen mit subsidiärem Schutz" (vgl Art 2 Buchst e iVm den Vorschriften des Kapitel V der RL) der "subsidiäre Schutzstatus" (vgl Art 2 Buchst f iVm den Vorschriften des Kapitel VI der RL) iS der Qualifikationsrichtlinie "zuerkannt" worden ist und die Kläger als ihre Familienangehörigen aus diesem Status ebenfalls Rechte ableiten könnten, wie das LSG meint. Dies ist zweifelhaft und wäre ausgehend von der Rechtsansicht des LSG weiter zu ermitteln gewesen; denn diejenigen Drittstaatsangehörigen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen, nicht weil sie internationalen Schutz benötigen, sondern aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, fallen nicht in den Geltungsbereich der RL (vgl Erwägungsgrund 9 der Qualifikationsrichtlinie; dazu zuletzt Europäischer Gerichtshof
Jedenfalls ergibt sich - unabhängig davon, ob die Verpflichtungen aus der Qualifikationsrichtlinie, die die Mitgliedstaaten bis zum 10.10.2006 umzusetzen hatten (vgl Art 38 Abs 1 der RL), im vorliegend streitbefangenen Zeitraum in Deutschland ausreichend umgesetzt waren, und unabhängig vom Status der Kläger - weder ein unmittelbarer Anspruch aus den genannten Vorschriften dieser RL, wie das LSG meint, noch besteht die Verpflichtung des nationalen Gerichts, innerstaatliches Recht - hier vor allem § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II - unangewendet zu lassen bzw gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, wenn die Verwirklichung von Richtlinienzielen innerhalb des Umsetzungszeitraums ernsthaft gefährdet würde.
Vom Rat der EU erlassene Richtlinien (vgl Art 249 Abs 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann zwar auch eine RL eine unmittelbare Wirkung haben. Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer RL inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die RL nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl nur EuGH, Urteil vom 5.10.2004 - C-397/01 bis C-403/01, C-397/01, C-398/01, C-399/01, C-400/01, C-401/01, C-402/01, C-403/01 - Slg 2004, I-8835 RdNr 103 mwN). Inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist eine Richtlinienbestimmung, wenn sie ihrem Wesen nach geeignet ist, unmittelbare Wirkungen zu entfalten, und zu ihrer Ausführung keiner weiteren Rechtsvorschriften bedarf, weil sich der Inhalt der Regelungen bereits vollständig aus der RL selbst ergibt (vgl etwa EuGH, Urteil vom 26.2.1986 - 152/84 - RdNr 52 ff, NJW 1986, 2178, 2180 f; sog "self-executing-Norm").
Art 28 Abs 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt diese Kriterien jedoch nicht (zu den Wirkungen der übrigen Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie auf das innerstaatliche Ausländer- und Asylrecht etwa: Hailbronner, ZAR 2007, 6 ff; Hecht in Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 5 RdNr 147); dies ergibt sich nach Auffassung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ohne jeden Zweifel, sodass eine Pflicht zur Vorlage dieser Frage (vgl Art 267 Abs 3 AEUV) nicht besteht. Obwohl diese Regelung den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses aufzeigt, ist schon aus Abs 2 zu ersehen, dass die in Abs 1 ausgesprochene Verpflichtung "die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats" zu gewähren, nicht bedingungslos besteht. Den Mitgliedstaaten verbleibt danach vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit, die Sozialhilfe für Personen, denen der "subsidiäre Schutzstatus" zuerkannt worden ist, auf "Kernleistungen" zu beschränken, die sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewähren. Abgesehen davon, ob der "subsidiäre Status" für eine leistungsrechtliche Gleichstellung nicht richtlinienkonform ausdrücklich zugestanden werden müsste, also insoweit ohnedies zwingend eine nationale Umsetzung verlangt, legt Art 28 Abs 1 gerade nicht eine konkrete Ausgestaltung von Leistungen der Sozialhilfe fest, die allein aus dem Richtlinientext heraus klar erkennbar, geschweige denn der Leistungshöhe nach bezifferbar wäre. Das entspricht dem in der Erwägung 6 der RL zum Ausdruck kommenden wesentlichen Ziel der RL, dass ua allen Personen, die von der RL erfasst werden, in allen Mitgliedstaaten "ein Mindestniveau" von Leistungen geboten wird; die Bestimmung dieses Mindestniveaus (vor allem der Höhe nach) bleibt damit den Mitgliedstaaten überlassen. Auch die Erwägung 33, wonach es insbesondere zur Vermeidung sozialer Härtefälle angezeigt ist, Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozialfürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren, gibt keine Hinweise auf ein konkret von der RL festgelegtes Niveau.
Die Erwägung 34, die das LSG insoweit heranzieht, lässt schließlich kein anderes Ergebnis zu. Dort wird lediglich ausgeführt, bei der Sozialhilfe und der medizinischen Versorgung sollten die Modalitäten und die Einzelheiten der Gewährung der Kernleistungen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften bestimmt werden, und sodann näher bestimmt, was unter "Kernleistungen" zu verstehen ist. Zwar meint das LSG, die innerstaatliche Ausgestaltung der Regelungen, nach denen - verkürzt dargestellt - die Leistungen nach § 3 AsylbLG das Niveau der Leistungen nach dem SGB II und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nicht erreichen, verstoße gegen die mitgliedstaatlichen Verpflichtungen aus der RL; jedoch lässt sich daraus gerade nicht der weitergehende Schluss ziehen, die Qualifikationsrichtlinie selbst bestimme das zu erreichende Niveau nach Art 28 Abs 1 und Abs 2 abschließend.
Deutlicher wird dies noch in Art 23 Abs 2 der Qualifikationsrichtlinie, der ebenfalls nicht abschließend und unmittelbar festlegt, welche Rechte den Familienangehörigen bezogen auf die zu gewährenden Leistungen der Sozialhilfe zukommen. Der Spielraum für innerstaatliche Regelungen bei der Gewährung von Ansprüchen für Familienangehörige, denen nicht auch zumindest der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist, der schon nach dem Wortlaut des Art 23 Abs 2 der Qualifikationsrichtlinie aufgezeigt wird ("sofern dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist"), steht der Annahme von unmittelbaren Rechtswirkungen für den Einzelnen entgegen. Dies bestätigt die Erwägung 29, die sich auf diesen Artikel bezieht. Danach müssen Familienangehörigen nicht zwangsläufig dieselben Vergünstigungen gewährt werden wie der anerkannten Person; die den Familienangehörigen gewährten Vergünstigungen müssen lediglich im Vergleich zu den Vergünstigungen, die die Personen erhalten, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, angemessen sein. Eine Festlegung dahin, in welcher Höhe - abgeleitet von Ansprüchen der anerkannten Person - Ansprüche den Klägern zustehen sollten, lässt sich daraus nicht erkennen.
Eine einschränkende, den Klägern den Zugang zum SGB II eröffnende richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts dahin, dass § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht zur Anwendung kommt, scheidet aus den vom LSG zutreffend dargestellten Gründen ebenfalls aus. Das Gebot zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (auch durch Gerichte) folgt zwar unabhängig von der Intention eines umsetzungswilligen Gesetzgebers aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß ex-Art 10 EGVtr = Art 291 Abs 1 AEUV iVm dem Umsetzungsgebot gemäß ex-Art 249 Abs 3 EGVtr = Art 288 Abs 3 AEUV (vgl etwa: EuGH, Urteil vom 10.4.1984 - 14/83 -, Slg 1984, 1891 RdNr 26; EuGH, Urteil vom 13.11.1990 - C-106/89 -, Slg 1990, I-4135 RdNr 8). Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung darf jedoch - wie die verfassungskonforme Auslegung auch - zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht in Widerspruch treten (vgl nur BAGE 105, 32 ff). Selbst wenn also die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung des § 3 AsylbLG im streitigen Zeitraum unabhängig von ihrer Verfassungswidrigkeit (vgl BVerfGE 132, 134 ff = SozR 4-3520 § 3 Nr 2; im Einzelnen sogleich) bezogen auf den von der Qualifikationsrichtlinie erfassten Personenkreis (zusätzlich) nicht richtlinienkonform gewesen wäre, berechtigt dies die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu einer Nichtanwendung der Regelungen.
Steht damit die Zuordnung der Kläger zum Leistungssystem des AsylbLG fest, kommen nur höhere Ansprüche nach dem AsylbLG in Betracht. Ob die Beklagte wegen dieser Ansprüche der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger nach § 10 AsylbLG iVm § 1 Abs 1 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes zur Ausführung des AsylbLG (vom 29.11.1994 - Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1087) ist, wird das LSG zu prüfen haben.
Alle Kläger haben für die Zeit vom 1.8. bis zum 27.8.2007 dem Grunde nach Anspruch auf (Analog-)Leistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004 - BGBl I 1950 - erhalten hat; im Folgenden alte Fassung
Nach § 2 Abs 1 AsylbLG aF ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben (sog Analogleistungen).
Die Kläger haben mit den vom LSG bindend festgestellten Bezugszeiten von Leistungen nach § 3 AsylbLG in der Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland bis zum 31.12.2004 und den ab dem 1.1.2005 bezogenen Leistungen nach dem SGB II die erforderliche, in § 2 Abs 1 AsylbLG normierte Vorbezugszeit für sog Analogleistungen ab der erneuten Antragstellung zum 1.5.2007 erfüllt. Insoweit gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach allein Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG zur Erfüllung der Vorbezugszeit dienen können. Soweit er in seiner Entscheidung vom 17.6.2008 (BSGE 101, 49 ff = SozR 4-3520 § 2 Nr 2) bei der Auslegung der Vorschrift davon ausgegangen ist, dass zu Gunsten fiskalischer Erwägungen und der Intention, höhere Anreize für eine Arbeitsaufnahme zu schaffen, der Gedanke einer Integration durch die Dauer des Aufenthalts zulässigerweise in den Hintergrund tritt, hält er hieran nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; BVerfGE 132, 134 ff = SozR 4-3520 § 3 Nr 2) nicht mehr fest. Bei der im Grundsatz auslegungsfähigen Vorschrift dürfen im Lichte der Entscheidung des BVerfG fiskalische Gründe, die die Entscheidung des Gesetzgebers im Wesentlichen mitgetragen haben (zu den Motiven des Gesetzgebers im Einzelnen BSG, aaO, RdNr 21 ff), nicht in den Vordergrund gestellt werden. Ein Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit nur vorübergehendem Aufenthaltsrecht in Deutschland (im Sinne einer abgesenkten "Grundleistung") darf nämlich abweichend von dem gesetzlich bestimmten Bedarf anderer Hilfebedürftiger überhaupt nur festgelegt werden, wenn wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfeempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden können (BVerfGE 132, 134 ff RdNr 74 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2). Diese aus Art 1 Abs 1 Grundgesetz iVm dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Vorgabe schließt aber eine Auslegung aus, die einen Bezug von höheren Leistungen als den Grundleistungen generell als Vorbezugszeit nicht ausreichen lässt; denn von einem nur vorübergehenden Aufenthalt und einer fehlenden Integration kann dann jedenfalls nicht mehr die Rede sein, wenn Leistungen bezogen werden, die der Gesetzgeber überhaupt erst im Falle eines verfestigten Aufenthalts gewährt.
Diese verfassungskonforme Auslegung der Regelungen über die Vorbezugszeit in § 2 Abs 1 AsylbLG ist geboten, auch wenn das BVerfG über Fallgestaltungen wie die vorliegende, also auch die Problematik der Vorbezugszeit, entschieden hat, ohne die vom LSG Nordrhein-Westfalen in den Vorlagebeschlüssen vom 26.7.2010 und 22.11.2010 nachvollzogene Rechtsprechung des Senats unmittelbar zu beanstanden. Es hat die Geldleistungen nach § 3 Abs 2 Satz 2 und Satz 3 iVm Abs 1 Satz 4 AsylbLG in jeder Hinsicht als evident unzureichend angesehen, mithin unabhängig von der Dauer des Aufenthalts des Leistungsberechtigten im Inland und also auch unabhängig von der Auslegung des § 2 AsylbLG (vgl BVerfGE 132, 134 ff RdNr 94 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2). Dem kann aber nicht eine (bindende) Entscheidung dahin entnommen werden, eine andere Auslegung des § 2 AsylbLG, als die ursprünglich vom Senat vorgenommene, sei von Verfassungs wegen nicht geboten (so aber LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.11.2014 - L 20 AY 29/13 -, anhängig unter B 8 AY 1/15 R) oder gar unzulässig. Schließlich steht einer solchen Auslegung auch nicht entgegen, dass vorliegend ein Zeitraum streitig ist, der von der vom BVerfG in der Entscheidungsformel zu 3 getroffenen Anordnung (höhere Geldbeträge für die Zeit ab dem 1.1.2011) nicht erfasst ist. Die Entscheidungsformel trifft jedoch keine Regelung über die hier entschiedene Frage.
Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer bestehen nach den Feststellungen des LSG nicht. In welcher Höhe der Anspruch auf Analogleistungen den Klägern zusteht, hängt aber von ihrer Bedürftigkeit, insbesondere dem nach § 2 Abs 1 AsylbLG aF iVm §§ 82 ff SGB XII zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sowohl der Kläger als auch ihrer Eltern ab; Feststellungen hierzu hat das LSG bislang nicht getroffen. In § 2 Abs 1 AsylbLG nF ist mit Wirkung vom 28.8.2007 die Vorbezugszeit auf 48 Monate verlängert worden. Diese Rechtsänderung hat auf die Ansprüche der Kläger zu 1 bis 3 keinen Einfluss. Soweit weiterhin Bedürftigkeit besteht, erfüllen sie die Anspruchsvoraussetzungen für sog Analogleistungen auch über den 28.8.2007 hinaus.
Der Kläger zu 4 kann indes nach § 2 Abs 1 AsylbLG nF für die Zeit vom 28.8. bis zum 31.8.2007 - er selbst ist zu dieser Zeit noch keine 48 Monate alt gewesen - keinen Anspruch auf Analogleistungen geltend machen. Höhere Leistungen kommen für ihn nur nach § 3 AsylbLG in Betracht, soweit - was der Senat nicht beurteilen kann - zu seinen Ungunsten Einkommen und Vermögen fehlerhaft berücksichtigt worden ist. Die Voraussetzung der Erfüllung der Vorbezugszeit für Analogleistungen gilt auch für minderjährige Kinder, die in einer Haushaltsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben; ein Abweichen von der zwingenden Regelung der Vorbezugszeit für erst in Deutschland geborene Kinder ist mit § 2 Abs 3 AsylbLG in den bis zum 28.2.2015 geltenden Fassungen nicht vereinbar (BSGE 101, 49 ff RdNr 25 f = SozR 4-3520 § 2 Nr 2; zur insoweit begünstigenden Änderung in § 2 Abs 3 AsylbLG zum 1.3.2015 Oppermann in juris PraxisKommentar SGB XII, 2. Aufl 2014, § 2 AsylbLG RdNr 167). Die Änderung der Vorbezugszeiten in § 2 Abs 1 AsylbLG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU stellt zulasten des Klägers zu 4 zwar eine unechte Rückwirkung dar; beachtlicher Vertrauensschutz, der eine solche Regelung verfassungsrechtlich unzulässig machen würde, besteht aber nicht (vgl ausführlich BSGE 101, 49 ff RdNr 29 f = SozR 4-3520 § 2 Nr 2). Die Regelungen in § 2 Abs 1 AsylbLG nF verlangen hier - anders als bei der Auslegung der für die Vorbezugszeit beachtlichen Monate des Bezuges von Sozialleistungen - keine verfassungskonforme Auslegung. Das BVerfG, das die Leistungen nach § 3 AsylbLG als evident unzureichend angesehen hat, hat schließlich gleichwohl die Verlängerung der Vorbezugszeiten insoweit nicht beanstandet, als es für vor dem 1.1.2011 liegende Zeiträume weiterhin die Anwendbarkeit des § 3 AsylbLG angeordnet hat (BVerfGE 132, 134 ff = SozR 4-3520 § 3 Nr 2).
Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.