Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 09.02.2011


BSG 09.02.2011 - B 6 KA 52/10 B

(Sozialgerichtliches Verfahren - Zweck des Ausschlussgrundes nach § 41 Nr 4 ZPO - kein Ausschluss eines ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedes einer Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung unter Berücksichtigung der Rechtslage bis 31.12.2004)


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
09.02.2011
Aktenzeichen:
B 6 KA 52/10 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Hannover, 21. Dezember 2009, Az: S 35 KA 871/06, Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 12. Mai 2010, Az: L 3 KA 8/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3453 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, der als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung in Niedersachsen teilnimmt, begehrt von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) höheres Honorar für das Jahr 2005.

2

Mit Bescheid vom 23.3.2006 setzte die beklagte KZÄV das Jahreshonorar des Klägers in Höhe von 182 024,49 Euro abzüglich anteiliger Verwaltungskosten in Höhe von 2596,68 Euro fest (abgerechnet: 185 477,38 Euro). Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2006). Das SG hat die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 21.12.2009 abgewiesen.

3

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 12.5.2010). Es hat zunächst ausgeführt, dass ein Befangenheitsgesuch des Klägers gegen den ehrenamtlichen Richter Dr. Reinstrom nicht vorliege, im Übrigen aber auch unzulässig sei. Es sei gerichtsbekannt, dass der Kläger die Richter in der Sozialgerichtsbarkeit über alle Instanzen hinweg für unqualifiziert und befangen halte. Den ehrenamtlichen Richtern unterstelle er regelmäßig, sie profitierten von den Honorarverteilungsvorgaben der Beklagten und könnten nicht unbefangen über sein Klagebegehren entscheiden. Seine zahlreichen Verfahrensrügen dienten insbesondere dazu, die gesetzliche Besetzung der Spruchkörper mit Vertragszahnärzten anzugreifen, angebliche Konventionsverstöße zu behaupten und damit Ersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland begründen zu können. Insoweit verfolge er mit seinen Anträgen einen verfahrensfremden Zweck. Das gelte auch für das Ablehnungsgesuch gegen den ehrenamtlichen Richter Dr. Reinstrom. Der Honorarbescheid sei in der Sache nicht zu beanstanden. Das BSG habe bereits geklärt, dass der mit dem im Jahr 2005 geltenden Honorarverteilungsvertrags (HVV) strukturgleiche Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten für das Jahr 1999 sowohl mit § 85 Abs 4 Satz 1 bis 4 SGB V als auch mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des GG vereinbar sei. Für den streitigen Zeitraum gelte nichts anderes.

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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger absolute Revisionsgründe im Zusammenhang mit Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

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1. Der als Verfahrensmangel geltend gemachte absolute Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 547 Nr 2 ZPO liegt nicht vor. Der ehrenamtliche Richter Dr. Reinstrom war nicht gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 41 Nr 4 ZPO von der Mitwirkung im Berufungsverfahren ausgeschlossen. Nach § 41 Nr 4 ZPO ist ein Richter in Sachen ausgeschlossen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand eines Beteiligten bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Der Ausschlussgrund des § 41 Nr 4 ZPO dient der Vermeidung von Interessenkonflikten, die sich aus der Nähe zu einem unmittelbar am Verfahren Beteiligten ergeben. Er beruht auf dem Grundgedanken, dass eine unvoreingenommene, unparteiliche Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr erwartet werden kann, wenn der Richter selbst berechtigt und verpflichtet ist oder gewesen ist, die Interessen einer am Rechtsstreit beteiligten Partei wahrzunehmen (vgl BSGE 71, 97, 103 = SozR 3-1500 § 12 Nr 6 S 13). Eine der Verpflichtung zur Neutralität zuwiderlaufende Tätigkeit in eigener Sache soll nicht möglich sein (vgl BVerfGE 54, 159, 170).

7

Der ehrenamtliche Richter Dr. Reinstrom war von 2001 bis Ende 2004 Mitglied des Vorstands der beklagten KZÄV. Gemäß § 77 Abs 6 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 wurden die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄV) durch ihre Vorstände oder einzelne Vorstandsmitglieder gerichtlich und außergerichtlich vertreten (seit dem 1.1.2005 § 79 Abs 5 SGB V: "Der Vorstand verwaltet die Körperschaft und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich, soweit Gesetz oder sonstiges Recht nichts Abweichendes bestimmen. In der Satzung oder im Einzelfall durch den Vorstand kann bestimmt werden, dass auch einzelne Mitglieder des Vorstandes die Körperschaft vertreten können."). Dementsprechend sah auch die Satzung der Beklagten in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung vor, dass die KZÄV gerichtlich und außergerichtlich durch ihren Vorstand vertreten wird. Dieser konnte im Einzelfall ein Vorstandsmitglied mit seiner Vertretung beauftragen. In der ab dem 1.1.2005 geltenden Fassung bestimmt § 15 Abs 1 Satz 1 der Satzung weiterhin, dass der Vorstand die KZÄV gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann die Vertretungsbefugnis aber von jedem Vorstandsmitglied für seinen Geschäftsbereich allein wahrgenommen werden.

8

Die Beklagte hat von ihrer in § 15 Abs 1 Satz 2 der Satzung in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung begründeten Berechtigung, ein einzelnes Vorstandsmitglied mit ihrer Vertretung zu beauftragen - soweit in diesem Verfahren vorgetragen oder sonst ersichtlich - keinen Gebrauch gemacht. Daraus folgt, dass der ehrenamtliche Richter Dr. Reinstrom zu keinem Zeitpunkt tatsächlich über die Rechtsmacht verfügte, die beklagte KZÄV allein zu vertreten. Insofern liegen die Dinge hier anders als in dem am 5.8.1992 vom 14a-Senat des BSG entschiedenen Fall, in dem einem Geschäftsführer einer KZÄV generell in einer Dienstanweisung die Berechtigung zur Vertretung der KZÄV in allen Geschäften der laufenden Verwaltung übertragen worden war (BSGE 71, 97 = SozR 3-1500 § 12 Nr 6). Allein die Möglichkeit, dass durch einen Vorstandsbeschluss die Alleinvertretungsmacht einem Vorstandsmitglied hätte übertragen werden können, begründet keinen Ausschluss nach § 41 Nr 4 ZPO.

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Dies gilt auch für die sog einfache Mitgliedschaft in dem als Kollegialorgan vertretungsberechtigten Vorstand. Bei den Krankenkassen hat der Senat den Fall, dass die iS des § 35a Abs 1 Satz 1 SGB IV zur gesetzlichen Vertretung berufenen Vorstandsmitglieder von der Ausübung des Richteramtes in solchen Rechtsstreiten ausgeschlossen sind, dann angenommen, wenn sich die Krankenkasse, bei der sie tätig sind, aktiv am Verfahren beteiligt (vgl BSGE 78, 175, 179 = SozR 3-5407 Art 33 § 3a Nr 1 S 6; BSG SozR 3-1500 § 17 Nr 3 S 11). § 35a Abs 1 SGB IV enthält eine Regelung wie § 79 Abs 5 SGB V; der Vorstand vertritt die Krankenkasse gerichtlich und außergerichtlich, soweit Gesetz und sonstiges Recht nichts Abweichendes bestimmen. In der Satzung oder im Einzelfall durch den Vorstand kann bestimmt werden, dass auch einzelne Mitglieder des Vorstands die Krankenkasse vertreten können (§ 35a Abs 1 Satz 2 SGB IV).

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Im Unterschied zu den Vorständen der Krankenkassen (§ 35a Abs 3 Satz 1 SGB IV) waren die Vorstände der K(Z)ÄVen bis zum 31.12.2004 ehrenamtlich tätig. Regelmäßig waren es die 1. und 2. Vorsitzenden, die die durch Satzung übertragenen Aufgaben des Vorstands wahrgenommen haben. Ihre besondere Stellung wird auch darin deutlich, dass sie nach § 80 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V gesondert von der Vertreterversammlung zu wählen sind. Dementsprechend ist der Senat davon ausgegangen, dass die Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender bzw stellvertretender Vorstandsvorsitzender vom zeitlichen Umfang her der hauptamtlichen Ausübung einer Führungsposition nahekommen kann (BSGE 86, 203, 213 f = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 40). Die übrigen "einfachen" Mitglieder des Vorstandes waren hingegen nicht derart eingebunden, dass auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt noch ein ihre Neutralität gefährdender Interessenkonflikt bei einer Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren zu besorgen ist.

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Dieser Differenzierung entsprechen auch die Ausführungen des Senats im Urteil vom 13.5.1998, dass nicht schon die Mitgliedschaft in der Vertreterversammlung von K(Z)ÄVen zum Ausschluss von der Mitwirkung als ehrenamtlicher Richter führt (BSGE 82, 150 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4). Der Senat hat bei dieser Entscheidung auch auf die Funktionsfähigkeit der Spruchkörper iS des § 10 Abs 2 SGG iVm § 12 Abs 3 SGG abgestellt (BSGE 82, 150, 154 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4 S 16). Diese Erwägung gilt entsprechend auch für die ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitglieder der K(Z)ÄVen nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht. Würde auf diese große Gruppe von Vertrags(zahn)ärzten trotz fehlender Einzelvertretungsmacht der Ausschlusstatbestand des § 41 Nr 4 ZPO angewandt, so wären sie bis zum Ausscheiden aus der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung an der Mitwirkung als ehrenamtliche Richter in den Spruchkörpern nach § 10 Abs 2 SGG gehindert. Dieser dauerhafte Ausschluss noch Jahre und Jahrzehnte nach Beendigung der Vorstandstätigkeit, die nur ehrenamtlich neben der (zahn)ärztlichen Praxis ausgeübt worden ist, ist durch den Zweck des § 41 Nr 4 ZPO nicht geboten.

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Ob unter bestimmten Voraussetzungen für Vorstandsmitglieder, die in exponierter Stellung tätig waren und etwa über einen längeren Zeitraum den 1. oder 2. Vorsitzenden einer K(Z)ÄV in der Öffentlichkeit vertreten haben, etwas anderes zu gelten hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Dr. Reinstrom als (einfaches) Vorstandsmitglied in exponierter Stellung für die KZÄV tätig gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Unter Geltung des am 1.1.2005 in Kraft getretenen § 79 Abs 4 Satz 3 SGB V (GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 - BGBl I S 2190), wonach die Mitglieder des Vorstands ihre Tätigkeit hauptamtlich ausüben, hatte Dr. Reinstrom kein Vorstandsamt mehr inne. Mit der Einführung der Hauptamtlichkeit, die in der beklagten KZÄV flankiert wurde durch die Satzungsregelung, nach der die Vertretungsbefugnis von jedem Vorstandsmitglied für seinen Bereich eigenverantwortlich wahrgenommen wird, ist eine Unterscheidung zwischen den Vorsitzenden und den übrigen Mitgliedern nicht mehr möglich. Dass die hauptberuflich tätigen Vorstandsmitglieder einer K(Z)ÄV iS des derzeit geltenden Rechts nach § 41 Nr 4 ZPO von der Mitwirkung als ehrenamtlicher Richter in Verfahren ausgeschlossen sind, in denen ihre K(Z)ÄV beteiligt ist, liegt auf der Hand.

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2. Die Mitwirkung von Dr. Reinstrom war auch unter weiteren Gesichtspunkten nicht verfahrensfehlerhaft. Ein Ausschlussgrund nach § 60 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 41 Nr 6 ZPO liegt nicht vor, weil der ehrenamtliche Richter nicht am Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung beteiligt war. Er war auch nicht nach § 60 Abs 2 SGG ausgeschlossen. Danach ist von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen, wer am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Das war hier schon deshalb ausgeschlossen, weil Dr. Reinstrom zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Honorarbescheides nicht mehr dem Vorstand der KZÄV angehörte. Die Mitwirkung als Mitglied der Vertreterversammlung an einem Beschluss, auf dessen Rechtmäßigkeit es im Rechtsstreit ankommt, fällt nicht unter § 60 Abs 2 SGG (BSGE 82, 150 = SozR 3-1500 § 60 Nr 4). Das gilt auch für die Mitwirkung an der Beschlussfassung über einen HVM iS des § 85 Abs 4 SGB V in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, dessen Rechtmäßigkeit im Gerichtsverfahren streitentscheidend ist.

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3. Eine Verfahrensrüge begründet auch nicht, dass der Senat im Urteil unter Mitwirkung von Dr. Reinstrom über die Befangenheit dieses ehrenamtlichen Richters entschieden hat. Das LSG hat zunächst den Satz "Es liegt eine massive richterliche Befangenheit vor" mit dem handschriftlichen Zusatz "Reinstrom/Vorstand KZVN" unter Punkt A der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten "generellen Begründung der Anträge" nicht als Befangenheitsantrag gewertet. Es hat sodann lediglich hilfsweise begründet, warum ein solches Gesuch rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig wäre. Rechtsfehler sind dabei nicht zu erkennen. Der Hinweis auf die Vorstandstätigkeit von Dr. Reinstrom betrifft die Frage des Ausschlusses nach § 41 Nr 4 ZPO. Weitere konkrete Ablehnungsgründe sind der "generellen Begründung der Anträge" nicht zu entnehmen. Soweit sich in den nachfolgenden umfangreichen Ausführungen des Klägers, insbesondere unter Punkt 97 und 98, noch Vortrag dazu findet, dass die ehrenamtlichen Richter als "Sockelzahnärzte" von dem angegriffenen HVM profitiert hätten, hat das LSG dies in seinen Erwägungen berücksichtigt. Wenn es insbesondere im Hinblick auf zahlreiche Befangenheitsgesuche sowohl gegen die Berufsrichter des Senats als auch gegen die ehrenamtlichen Richter und die Pauschalität der Argumentation annimmt, es gehe dem Kläger um verfahrensfremde Zwecke, nämlich die Besetzung der Spruchkörper in der Sozialgerichtsbarkeit insgesamt anzugreifen und aufgrund der Verfahrensdauer Entschädigungsforderungen nach der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu begründen, ist dies jedenfalls nicht willkürlich. Das wäre jedoch für den Erfolg der Rüge eines Verfahrensmangels wegen fehlerhafter Zurückweisung eines Befangenheitsantrags erforderlich (vgl BVerfG , NZS 2011, 92, 93 f; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 jeweils mwN).

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Abgesehen davon, dass das LSG lediglich hilfsweise Ausführungen zur Frage der Befangenheit des ehrenamtlichen Richters Dr. Reinstrom gemacht hat, ist anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise unter Mitwirkung der abgelehnten Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheidet (vgl BVerfG , NJW 2007, 3771; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BFH, NJW 2009, 3806 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 60 RdNr 10d). Eines gesonderten Beschlusses bedarf es in diesen Fällen nicht (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8).

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4. Soweit der Kläger in der Nichtzulassungsbeschwerde die Befangenheit der Berufsrichter Pilz und Weddig sowie des weiteren ehrenamtlichen Richters Dr. N. rügt, ist er damit bereits gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 43 ZPO ausgeschlossen, weil er in der mündlichen Verhandlung einen Sachantrag gestellt hat, ohne zuvor einen entsprechenden Befangenheitsantrag zu stellen. Hierauf konnte nicht etwa im Hinblick darauf verzichtet werden, dass frühere Ablehnungsgesuche des Klägers zurückgewiesen wurden. Im Übrigen vermöchte der pauschale Vortrag, dass die ehrenamtlichen Richter selbst dem angegriffenen HVM unterlagen und von ihm begünstigt worden seien, eine Befangenheit ebenso wenig zu begründen wie eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband. Schließlich ergibt sich aus der Mitwirkung an Verfahren, in denen die Bundesrepublik wegen überlanger Verfahrensdauer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Entschädigungszahlungen verurteilt wurde, keine Befangenheit der Berufsrichter.

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Ein Verfahrensfehler ergibt sich auch nicht aus der Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters Dr. Liepe im erstinstanzlichen Verfahren. Der Umstand, dass dieser ehrenamtliche Richter nach dem Vortrag des Klägers Sohn eines Vorstandsmitglieds der KZÄV ist, stellt weder einen Ausschlussgrund dar noch begründet er die Besorgnis der Befangenheit.

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5. Einen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG wegen der Nichtvorlage des LSG an den EuGH hat der Kläger bereits nicht hinreichend bezeichnet. Dazu hätte er unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung darlegen müssen, warum eine Vorlage geboten gewesen wäre. Der Kläger zitiert aber nicht einmal Rechtsprechung des EuGH, die den von ihm behaupteten Wettbewerbsverstoß begründen könnte. Im Übrigen ist die Beschwerde insoweit auch unbegründet. Das LSG hat ihn nicht seinem gesetzlichen Richter iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG entzogen. Zum einen besteht eine Vorlagepflicht nach Art 234 Abs 3 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, seit dem 1.12.2009 Art 267 Abs 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) nur für letztinstanzliche Gerichte. Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des BVerfG die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens das grundrechtsgleiche Recht aus Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzen, wenn ein letztinstanzlich zuständiges Gericht die aus Art 234 Abs 3 EGV abzuleitende Vorlageverpflichtung in offensichtlich unhaltbarer Weise handhabt. Eine solche unhaltbare Handhabung der Vorlagepflicht liegt vor, wenn das Gericht eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der Beantwortung der europarechtlichen Frage hegt, oder wenn das Gericht bewusst von der Rechtsprechung des EuGH abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (vgl BVerfGE 82, 159, 195 f). Beides ist nicht der Fall.

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6. Erfolglos sind auch die übrigen vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen.

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a) Soweit er rügt, der Bescheid über den Quartalsabschluss IV/2005, den er hinsichtlich der darin festgesetzten Beiträge zur Zahnärztekammer angegriffen habe, sei zu Unrecht nicht in das Verfahren einbezogen worden, ist ein Verfahrensfehler nicht erkennbar. Im Widerspruchsbescheid vom 17.8.2006 ist ausschließlich über den Widerspruch gegen den Honorarbescheid für 2005 entschieden. Folgerichtig hat der Kläger die Änderung dieses Bescheides vor dem LSG beantragt, mittlerweile auch eine Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Quartalsabschlussbescheid herbeigeführt und diese vor dem SG angegriffen.

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b) Zu Unrecht macht der Kläger geltend, das LSG habe den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es sich nicht hinreichend mit dem Vorbringen zum Verstoß gegen das Pflichtarbeitsverbot aus Art 4 EMRK sowie gegen das Recht auf Achtung des Eigentums aus Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK vom 20.3.1952 auseinandergesetzt habe. Dieses Vorbringen vermag die Annahme einer Gehörsverletzung nicht zu begründen.

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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung erwägt, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dessen Urteil ergibt. Die gegenteilige Annahme - des Versäumnisses eines Gerichts, eine bestimmte Argumentation der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sie in Erwägung zu ziehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer aufzuzeigen hat (vgl dazu zB BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfGE 79, 51, 61 mwN; 86, 133, 145 f mwN; 87, 1, 33; 96, 205, 216 f; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 20 mwN). Daran fehlt es hier. Das LSG hat das Vorbringen des Klägers ausdrücklich, wenn auch knapp, erwähnt. Deshalb fehlen ausreichende Umstände für die Annahme einer Gehörsverletzung. Ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG, dass ein Zusammenhang mit dem geltend gemachten Vergütungsanspruch nicht bestehe, erübrigten sich auch weitere Ausführungen.

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c) Erfolglos ist ferner die Verfahrensrüge des Klägers, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Bei einer die Amtsermittlungspflicht des Gerichts betreffenden Beanstandung sind die besonderen Anforderungen an Rügen einer Verletzung des § 103 SGG zu beachten. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muss ein Beweisantrag benannt und dazu ausgeführt werden, dass das LSG diesem ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Darzulegen ist ferner, dass der Beweisantrag im Berufungsverfahren noch zusammen mit den Sachanträgen gestellt oder sonst aufrechterhalten worden ist (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5). Für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde genügen die genaue Bezeichnung des Beweisantrags, die schlüssige Darstellung des den Mangel ergebenden Sachverhalts und Ausführungen zur Aufklärungspflicht des LSG. Daran fehlt es bereits. Der Kläger hat schon keinen Beweisantrag aufgezeigt, dem das LSG nicht gefolgt ist. Wenn er vorträgt, er habe in einem Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anwendung des HVM gegen das Pflichtarbeitsverbot bzw die Eigentumsgarantie verstoße, so handelt es sich nicht um einen Beweisantrag iS von §§ 373, 403 ZPO iVm § 118 SGG, sondern um eine rechtliche Wertung, die das LSG aus Sicht des Klägers zu Unrecht nicht nachvollzogen hat. Die "Beweisanträge" des Klägers zielen sämtlich darauf ab, der tatrichterlichen Würdigung und der Entscheidung der Rechtsfragen durch das LSG die nach seiner Auffassung wesentlichen Sachverhaltsgesichtspunkte und Bewertungen entgegenzusetzen. Eine mangelhafte Sachaufklärung ist damit nicht dargelegt. Es ist auch in der Sache nicht zu beanstanden, dass das LSG die Anträge des Klägers nicht zum Anlass für weitere Sachverhaltsermittlungen genommen hat.

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d) Schließlich kann der Kläger auch mit der Rüge nicht durchdringen, es sei sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil das LSG nicht mitgeteilt habe, worauf es die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs stützen wolle. Abgesehen davon, dass das LSG, wie bereits dargelegt, zur Frage der Befangenheit des ehrenamtlichen Richters Dr. Reinstrom lediglich im Rahmen von Hilfserwägungen Stellung genommen hat, hat es seiner Auffassung Äußerungen und Befangenheitsanträge des Klägers zugrunde gelegt. Dass der Kläger insoweit keine Gelegenheit zur Äußerung gehabt haben könnte, ist nicht nachvollziehbar.

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e) Die übrigen Rügen des Klägers bezeichnen sämtlich keine Verfahrensfehler, sondern betreffen die materielle Rechtslage, die das LSG aus Sicht des Klägers falsch beurteilt hat. Das gilt sowohl für seinen Vortrag zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen HVV als auch für sein Vorbringen zu Verstößen gegen die EMRK. Soweit der Kläger sich gegen nach seiner Ansicht bestehende Unrichtigkeiten in der Sachverhaltsdarstellung des LSG wendet, können diese ebenfalls nicht als Verfahrensfehler geltend gemacht werden.

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

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8. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Beschwer des Klägers (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).