Entscheidungsdatum: 14.12.2011
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer höheren Rente ohne Begrenzung ihrer während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) erzielten Arbeitsentgelte nach § 7 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) iVm dessen Anlage 6.
Das LSG hat hierzu im Wesentlichen Folgendes festgestellt.
Die 1927 geborene Klägerin gehörte vom 1.2.1965 bis 28.2.1987 dem Sonderversorgungssystem Nr 4 der Anlage 2 zum AAÜG - Sonderversorgung der Angehörigen des ehemaligen MfS/Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) - an. Danach bezog sie aus diesem Sonderversorgungssystem eine Rente.
Mit Überführungsbescheid vom 8.6.1993 stellte das Bundesverwaltungsamt als Sonderversorgungsträger die Zeit vom 1.2.1965 bis 28.2.1987 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr 4 fest und teilte mit, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Begrenzung der Entgelte auf 70 vH des Durchschnittsentgelts der Versicherten im Beitrittsgebiet vorlägen. Den Widerspruch der Klägerin wies es mit Widerspruchsbescheid vom 13.8.1993 zurück.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Berlin mit Urteil vom 21.4.1994 abgewiesen. Nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin hat das LSG Berlin auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 27.10.1994 - L 1 An 93/94 - das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Urteil vom 28.4.1999 (1 BvL 11/94 ua - BVerfGE 100, 138 = SozR 3-8570 § 7 Nr 1) hat das BVerfG die durch § 7 Abs 1 S 1 AAÜG iVm Anlage 6 für Angehörige des Sonderversorgungssystems MfS/AfNS vorgenommene Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen auf 70 vH des jeweiligen Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet mit Art 3 Abs 1 und Art 14 GG für nicht vereinbar und nichtig erklärt, soweit für die Rentenberechnung das zu Grunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wird. Das Bundesverwaltungsamt hat daraufhin mit Änderungsbescheid vom 1.10.1999 den Ausgangsbescheid geändert und die während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr 4 erzielten Arbeitsentgelte der Klägerin bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet berücksichtigt. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und das weitere Ruhen des Verfahrens beantragt, um abzuwarten, ob der Gesetzgeber mit der ihm vom BVerfG aufgetragenen Änderung des AAÜG von der Möglichkeit einer günstigeren Regelung des § 7 AAÜG Gebrauch machen werde. Nachdem sich die Beklagte dem angeschlossen hatte, hat das LSG Berlin mit Beschluss vom 24.1.2000 - L 1 RA 93/94 W 99 - das erneute Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 31.10.2001 hat die Klägerin das Verfahren - nunmehr unter dem Aktenzeichen L 1 RA 93/94 W 01 - wieder aufgenommen.
Der vorliegende Rechtsstreit hat sich wie folgt entwickelt. Parallel zu dem gegen das Bundesverwaltungsamt geführten Verfahren beantragte die Klägerin am 15.5.2002 bei der Beklagten eine Überprüfung des Rentenbescheids vom 17.1.2002, mit dem die ihr gewährte Regelaltersrente unter Berücksichtigung des jeweiligen kalenderjährlichen Durchschnittsverdiensts im Beitrittsgebiet festgestellt worden ist. Den auf Berücksichtigung ihrer Arbeitsverdienste bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze gerichteten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.4.2003 ab. Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Berlin mit Gerichtsbescheid vom 8.9.2003 - S 27 RA 2303/03 - abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin beim LSG Berlin Berufung unter dem Aktenzeichen L 16 RA 115/03 eingelegt.
Mit Beschluss vom 3.3.2004 hat das LSG Berlin das gegen das Bundesverwaltungsamt und das gegen die Beklagte gerichtete Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 1 RA 93/94 W 01 verbunden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.3.2006 hat die Klägerin die Klage gegen das Bundesverwaltungsamt zurückgenommen. Mit Beschluss vom selben Tag hat das LSG Berlin-Brandenburg auf den übereinstimmenden Antrag der Klägerin und der Beklagten das weitere Ruhen des Verfahrens angeordnet, um die Vorlage eines in Aussicht genommenen neuen Gutachtens des Instituts für Zeitgeschichte zum Einkommensniveau der Angehörigen des MfS abzuwarten. Am 21.7.2008 hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgenommen und dargelegt, aus dem eingereichten Gutachten des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung e.V. von Juni 2008 ergebe sich, dass der Gesetzgeber und das BVerfG bei der Begrenzung der Entgelte der Angehörigen des MfS auf das Durchschnittseinkommen der Versicherten im Beitrittsgebiet von unrichtigen Tatsachen ausgegangen seien. Tatsächlich seien die Entgelte ausweislich des Gutachtens nicht überhöht gewesen, sondern hätten der Qualifikation der Mitarbeiter in diesem Bereich entsprochen.
Das LSG Berlin-Brandenburg hat das Gutachten des Sachverständigen Dr. G., Zentrum für zeithistorische Forschung P., Abteilung I Kommunismus und Gesellschaft, vom 11.3.2009 eingeholt und mit Urteil vom 11.12.2009 die Berufung zurückgewiesen. Der Senat habe sich nicht vom Vorliegen neuer rechtserheblicher Tatsachen überzeugen können, die eine erneute Vorlage an das BVerfG rechtfertigten. Er schließe sich den überzeugenden und durch umfangreiches Zahlenmaterial gestützten Darlegungen des Sachverständigen Dr. G. an und gebe ihnen den Vorzug gegenüber dem auf ein Privatgutachten gestützten Parteivorbringen der Klägerin. Es sei daher unverändert davon auszugehen, dass die im MfS geübte Praxis zu einer deutlichen Erhöhung der Bezüge gegenüber vergleichbar qualifizierten Beschäftigten außerhalb des MfS geführt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art 3 Abs 1 GG und Art 14 GG wegen Anwendung des verfassungswidrigen § 7 Abs 1 AAÜG idF des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes. § 7 AAÜG benachteilige die Angehörigen des ehemaligen MfS/AfNS, zu denen auch sie gehöre. Hierfür fehle es an einem rechtfertigenden Grund. Die erneute Befassung des BVerfG mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 AAÜG sei zulässig, da neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen im Urteil des BVerfG vom 28.4.1999 (aaO) vorlägen. Ausweislich des von ihr vorgelegten Gutachtens sei eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. § 7 AAÜG idF des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes bewege sich auch nicht im Rahmen des Art 14 Abs 1 S 2 GG.
Die Klägerin beantragt, |
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1. das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Dezember 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2003 aufzuheben und |
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Januar 2002 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin Rente unter Berücksichtigung der vom Versorgungsträger für die Zeit vom 1. Februar 1965 bis 28. Februar 1987 ausgewiesenen tatsächlichen Jahresbruttoarbeitsentgelte nach Vervielfältigung mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze zu gewähren. |
Die Beklagte beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie hält die Revision für unzulässig. Zumindest sei die Klage unbegründet.
Die Revision ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach Satz 3 der Vorschrift muss die Begründung "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben". Diese gesetzlichen Anforderungen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung präzisiert (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22, jeweils mwN; zustimmend BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17).
Die Klägerin rügt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art 3 Abs 1 GG und Art 14 GG wegen Anwendung der verfassungswidrigen Vorschrift des § 7 Abs 1 AAÜG. Sie legt aber nicht nachvollziehbar dar, worin die Rechtsverletzung liegen soll. Hierzu wäre unter Wiedergabe des entscheidungserheblichen Sachverhalts die Darstellung erforderlich gewesen, weshalb § 7 AAÜG zum Nachteil der Klägerin auf den vom LSG festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden sei (vgl hierzu BSG Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris RdNr 11; BSG Beschlüsse vom 17.3.2003 - B 3 KR 12/02 R - Juris RdNr 14; vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris RdNr 16). Hieran fehlt es.
Es ist bereits nicht erkennbar, dass der von der Klägerin im Schriftsatz vom 26.3.2010 geschilderte "Sachverhalt" ganz oder teilweise mit demjenigen des angegriffenen Urteils identisch sein könnte. Auch wenn dies der Fall wäre, könnte dem dortigen Vorbringen noch nicht einmal die Behauptung entnommen werden, dass das Bundesverwaltungsamt durch schriftlichen Verwaltungsakt von der Klägerin tatsächlich erzielte höhere Entgelte festgestellt haben könnte, die im Rahmen der Festsetzung der Rentenhöhe von der Beklagten nur begrenzt berücksichtigt worden sein könnten. Das Vorbringen, bei ihr, der Klägerin, seien Entgelte für bestimmte Zeiträume "nur bis zur Höhe des jeweiligen Durchschnittsentgelts aller Versicherten im Beitrittsgebiet" berücksichtigt worden, vermag diese notwendigen Begründungselemente nicht zu ersetzen. Hierdurch wird insbesondere logisch und rechtlich nicht ausgeschlossen, dass das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen von vornherein unterhalb der rechtlichen Berücksichtigungsgrenzen gelegen haben und diesen daher nur abstrakte Bedeutung zugekommen sein könnte. Die Relevanz der umfangreichen verfassungsrechtlichen Ausführungen für den Ausgang des Verfahrens bleibt damit von vornherein offen.
Mit ihrem Vorbringen, eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung des § 7 Abs 1 AAÜG sei zulässig, weil entgegen der auf das Gutachten Dr. G. gestützten Auffassung des LSG nach dem Gutachten des Brandenburgischen Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsentwicklung e.V. neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen des BVerfG im Urteil vom 28.4.1999 (aaO) vorlägen, greift die Klägerin im Übrigen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an.
Eine zulässige Verfahrensrüge hat sie insoweit indes nicht erhoben.
Das Tatsachengericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; es ist in seiner Beweiswürdigung frei und lediglich an die Regeln der Logik und der Erfahrung gebunden. § 128 Abs 1 SGG ist erst verletzt, wenn die Beweiswürdigung gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt. Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann nur gesprochen werden, wenn der festgestellte Sachverhalt nur eine Folgerung erlaubt, jede andere nicht denkbar ist und das Gericht gerade die einzig denkbare Schlussfolgerung nicht gezogen hat. Gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt das Gericht, wenn es einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz anwendet (BSGE 94, 133, 137 RdNr 18 mwN). Das Vorliegen derartiger Verstöße gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung muss im Einzelnen von dem Beteiligten dargelegt werden, der sich darauf beruft. Die Klägerin hat indes mit ihrem Vorbringen weder ein Denkgesetz noch einen Erfahrungssatz bezeichnet, gegen den das Gericht verstoßen haben soll, noch nennt sie eine nicht ausreichende Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Sie setzt lediglich, wenn auch mit detailliertem Vorbringen, ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG bzw hält die eigene Beweiswürdigung gegenüber der vom LSG vorgenommenen für vorzugswürdig. Dies reicht für eine formgerechte Rüge der Verletzung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung nicht aus (BSG vom 7.12.2004 - B 1 KR 10/03 R - Juris RdNr 18; BSG SozR 4-2700 § 63 Nr 3 RdNr 24).
Da die Klägerin die Feststellungen des LSG, dass die Beschäftigten des MfS deutlich höhere Bezüge als vergleichbar qualifizierte Beschäftigte außerhalb des MfS erhalten haben, nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen hat, ist das BSG an diese Feststellungen gemäß § 163 SGG gebunden. Zwar handelt es sich bei den umstrittenen Tatsachen um allgemeine generelle Tatsachen, an die das Revisionsgericht nicht in jedem Fall gebunden ist, sondern die es grundsätzlich im Revisionsverfahren selbst feststellen kann (BSGE 96, 297, 301 RdNr 19; BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - Juris RdNr 28). Dies gilt indes nicht, wenn diese - wie hier - Gegenstand der Beweiswürdigung des LSG waren (BSGE 102, 166, 170 RdNr 33).
Aufgrund der nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG steht fest, dass die Angehörigen des MfS überhöhte Entgelte bezogen haben. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Entscheidungsgrundlagen im Urteil des BVerfG vom 28.4.1999 (aaO) nicht infrage gestellt sind, so dass der Senat an diese Entscheidung, nach der § 7 AAÜG in seiner derzeit geltenden Fassung verfassungsgemäß ist, gebunden ist (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Angesichts dessen hat die Klägerin auch aus diesem Grund eine Verletzung ihrer Rechte aus Art 3 Abs 1 und Art 14 GG nicht schlüssig dargelegt.