Entscheidungsdatum: 29.11.2018
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 31. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Mit Urteil vom 31.5.2018 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.11.2012 hinaus verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn |
|
- |
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), |
- |
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder |
- |
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3). |
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Beschwerdegericht ohne Weiteres auffindbaren und bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger macht geltend, mit Schreiben vom 1.2.2018 zum Beweis der Tatsache, dass er aufgrund der Auswirkungen des Stiff-Person-Syndroms nicht mehr vollschichtig leistungsfähig sei, die Einholung des Gutachtens eines Facharztes für Neurologie mit Erfahrung in neuro-muskulären Erkrankungen beantragt zu haben. Über diesen Beweisantrag habe das LSG nicht entschieden.
Der Senat lässt dahinstehen, ob der bereits im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger mit diesem Vorbringen aufgezeigt hat, vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 402 ff ZPO) gestellt zu haben. Er hat jedenfalls nicht dargelegt, dass er diesen bis zuletzt aufrechterhalten hat.
Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen.
Ebenso wenig ist den weiteren Darlegungsanforderungen genügt. Insbesondere ist dem insoweit zu pauschalen Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, welches für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung erhebliche Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass die angefochtene Entscheidung auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann.
2. Der Kläger macht ferner eine Verletzung seines Rechts auf Befragung eines Sachverständigen geltend und rügt damit sinngemäß einen Verstoß gegen § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO.
Das Frageantragsrecht bei gerichtlichen Sachverständigengutachten setzt voraus, dass der Antrag nicht rechtsmissbräuchlich ist, insbesondere rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt wird und das Thema der Befragung hinreichend umreißt (vgl dazu BVerfG, Beschluss
Der Kläger hat zur Begründung des geltend gemachten Verfahrensmangels vorgetragen, er habe mit Schriftsatz vom 24.5.2018 beantragt, den Sachverständigen T. erneut anzuhören. Der Sachverständige hätte die Frage beantworten sollen, welche konkreten Anhaltspunkte den Schluss zuließen, dass eine Krankheits- und eine Schmerzfehlverarbeitung bei ihm, dem Kläger, vorlägen, die ohne Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit seien. Über diesen Antrag habe das LSG ebenfalls nicht entschieden.
Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger mit diesem Vorbringen eine Verletzung des Frageantragsrechts schlüssig aufgezeigt hat. Die Beschwerdebegründung wird jedenfalls den Darlegungserfordernissen an eine Gehörsrüge nicht gerecht.
Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist ua darzutun, welches Vorbringen ggf durch die Gehörsverletzung verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35). Hierzu äußert sich der Kläger nicht. So fehlt es insbesondere an jeder Erläuterung, welche weiteren Ausführungen des Sachverständigen durch seine Nichtanhörung abgeschnitten worden sind. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, seinen Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben.
3. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe im Rahmen des PKH-Verfahrens erteilte Auskünfte zweckwidrig verwendet, um aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers auf sein Leistungsvermögen zu schließen, wird bereits nicht deutlich, auf welche konkreten Ausführungen des LSG er sich bezieht. Abgesehen davon, dass vermeintliche Fehler in der Beweiswürdigung keinen Verfahrensmangel begründen, fehlt es der Rüge an jeglicher Substantiierung.
4. Mit seinem weiteren Vorbringen, das LSG habe den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt, obwohl seine Prozessbevollmächtigte erkrankt sei, und außerdem über den zweiten Antrag auf Verlegung des Termins nicht förmlich entschieden, rügt der Kläger sinngemäß ebenfalls eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5; BSG Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 277/08 B - Juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 7.12.2017 - B 5 R 378/16 B - Juris RdNr 5). Wird eine Terminverlegung - wie hier - erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, ist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung angibt, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, die Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit des Beteiligten bzw seines Prozessbevollmächtigten selbst beurteilen zu können (vgl BSG SozR 4-1500 § 110 Nr 1 RdNr 12; BSG Beschluss vom 16.4.2018 - B 9 V 66/17 B - Juris RdNr 6; BFH Beschluss vom 19.11.2009 - IX B 160/09 - Juris RdNr 4 und 5; BFH Beschluss vom 31.3.2010 - VII B 233/09 - Juris RdNr 7; BFH Beschluss vom 11.8.2010 - VIII B 92/10 - Juris RdNr 2).
Nach der Beschwerdebegründung ist die Prozessbevollmächtigte des Klägers dieser Darlegungsobliegenheit nicht nachgekommen.
Bei einem kurz vor dem Termin gestellten Verlegungsantrag ist das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet, dem betroffenen rechtskundig Vertretenen und damit seinem Prozessbevollmächtigten einen Hinweis zu erteilen, ihn zur Ergänzung seines Vortrags zur Verhinderung aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (vgl etwa BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 13 R 153/17 B - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 16.4.2018 - B 9 V 66/17 B - Juris RdNr 6). Ob auch im vorliegenden Fall von einer fehlenden gerichtlichen Handlungspflicht auszugehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Nach der Beschwerdebegründung hat das LSG auf den zweiten Verlegungsantrag vom 30.5.2018, mit dem erstmalig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt worden ist, der Prozessbevollmächtigten des Klägers unverzüglich per Faxschreiben mitgeteilt, dass die vorgelegte Bescheinigung nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit kurz vor dem Gerichtstermin genüge. Aus welchen Gründen es der Prozessbevollmächtigten unmöglich oder unzumutbar gewesen sein sollte, zur weitergehenden Glaubhaftmachung eine aussagekräftige ärztliche Bescheinigung vorzulegen, zeigt die Beschwerdebegründung nicht schlüssig auf. Zwar weist der Kläger darauf hin, dass seine Prozessbevollmächtigte das Schreiben des LSG am Nachmittag des 30.5.2018, einem Mittwoch, erhalten habe und zu diesem Zeitpunkt die Arztpraxen schon geschlossen gewesen seien. Er legt aber nicht dar, warum seine Prozessbevollmächtigte weitere Möglichkeiten - zB am Morgen des Sitzungstages - nicht genutzt hat, ein aussagekräftiges Attest zu erhalten (vgl BSG Beschluss vom 12.10.2017 - B 5 RE 13/17 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 16.4.2018 - B 9 V 66/17 B - Juris RdNr 6).
Schließlich ist der Beschwerdebegründung auch nicht zu entnehmen, dass die angefochtene Entscheidung auf der Nichtverlegung des Termins bzw der angeblichen Nichtbescheidung des zweiten Terminverlegungsantrags beruhen kann.
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Dass sie einen Vertagungsantrag gestellt hat, trägt der Kläger nicht vor. Welches Vorbringen ihr aufgrund der geltend gemachten Erkrankung nicht möglich gewesen ist, und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann, zeigt er ebenfalls nicht auf.