Entscheidungsdatum: 16.02.2012
Der Darlehensanteil des Unterhaltsbeitrags nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz) ist bei Bemessung der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Einkommen zu berücksichtigen.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen, soweit das Landessozialgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. November 2008 zurückgewiesen hat.
Im Übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Der 1972 geborene Kläger war seit Februar 2003 in einem Malerbetrieb vollzeitbeschäftigt. Mit Wirkung vom 1.3.2005 wurde sein Arbeitsvertrag dahingehend geändert, dass er ab 1.3.2005 nur noch eine Beschäftigung im Umfang von 15 Stunden monatlich ausübte. Für die Teilnahme an einem Vorbereitungslehrgang für die Meisterprüfung bei der Handwerkskammer H bewilligte die Handwerkskammer zu L dem Kläger für die Zeit von März bis Dezember 2005 neben dem Maßnahmebeitrag einen Unterhaltsbeitrag nach dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung (AFBG). Dieser Unterhaltsbeitrag setzte sich aus einem Zuschuss in Höhe von 211 Euro und einem Darlehen in Höhe von 403 Euro monatlich zusammen. Daneben erzielte der Kläger Einkommen in Höhe von 269,46 Euro brutto und 150 Euro netto.
Der Kläger bewohnt eine Wohnung mit seiner Lebenspartnerin Z. Die Nettomiete beträgt 480,31 Euro, die Vorauszahlung für Heiz- und Betriebskosten 150 Euro monatlich. Z bezog im streitigen Zeitraum regelmäßig Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit in schwankender Höhe.
Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II vom 12.4.2005 mit Bescheid vom 21.6.2005 wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Den Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2005 zurück.
Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 12.4.2005 bis 31.12.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von Z zu leisten. Der dem Kläger als Darlehen gewährte Teil des Unterhaltsbeitrags sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Das LSG hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei zwar nicht wegen des Bezugs von Leistungen nach dem AFBG im Zusammenhang mit dem Besuch des Vorbereitungslehrgangs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Die Förderung des Klägers sei nicht auf der Grundlage einer der in § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II genannten Vorschriften erfolgt. Der Kläger sei jedoch nicht bedürftig. Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft betrage für den streitigen Zeitraum 1215,57 Euro. Nach Abzug der Freibeträge verbleibe für den Kläger ein berücksichtigungsfähiges Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 88,97 Euro. Von den dem Kläger nach dem AFBG gewährten Leistungen seien die in Form von Zuschuss und Darlehen gezahlten Unterhaltsbeiträge, nicht jedoch die Maßnahmebeiträge als Einkommen zu berücksichtigen. Bei den Maßnahmebeiträgen handele es sich um zweckbestimmte Einnahmen. Hingegen dienten das Alg II und der Unterhaltsbeitrag demselben Zweck. Auch der darlehensweise gewährte Teil des Unterhaltsbeitrags sei zu berücksichtigen. Insgesamt überstiegen das zu berücksichtigende Einkommen des Klägers (702,97 Euro) und seiner Partnerin (geringstes Einkommen im Juli, zu berücksichtigen 519,33 Euro) den Bedarf.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung des § 11 SGB II. Das "Meister-BAföG" sei nicht als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen und dürfe daher die Hilfebedürftigkeit nicht ausschließen. Die Leistung sei nicht mit Grundsicherungsleistungen zu vergleichen, weil SGB II-Leistungen nicht darlehensweise gewährt würden und damit nicht zurückgezahlt werden müssten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 31. März 2011 und des Urteils des Sozialgerichts Leipzig vom 17. November 2008 sowie des Bescheids vom 21. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2005 zu verurteilen, an ihn 5254,00 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass der Kläger sich mit seinem Begehren im Revisionsverfahren, den Regelleistungsbedarf für Alleinstehende in Anspruch zu nehmen, in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen setze. Es herrsche zwischen Meister-BAföG und den Leistungen des SGB II Zweckidentität.
Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit er mit seinem im Revisionsverfahren erstmals bezifferten Antrag über die Verurteilung des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren hinausgeht. Denn das SG hatte den Beklagten entsprechend dem Antrag des Klägers zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen der Z verurteilt. Da lediglich der Beklagte gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt hat, ist ein über die Verurteilung hinausgehender Anspruch auf die Regelleistung für Alleinstehende schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.
Im Übrigen ist die Revision des Klägers unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im hier streitigen Zeitraum vom 12.4.2005 bis 31.12.2005.
Streitig ist allein der vom Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG) geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum vom 12.4.2005 bis 31.12.2005. Die Lebenspartnerin Z hat weder Leistungen nach dem SGB II beantragt noch nachfolgend im gerichtlichen Verfahren verfolgt.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen die in § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 3 und 4 SGB II genannten Voraussetzungen (Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Nichterreichung des 65. Lebensjahres; Erwerbsfähigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland) beim Kläger vor.
Der Kläger ist auch nicht nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sind, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der vom Kläger absolvierte Meisterlehrgang entsprach den Anforderungen an Maßnahmen beruflicher Aufstiegsfortbildung, die in § 2 AFBG niedergelegt sind. Damit scheidet eine Förderungsfähigkeit nach dem BAföG oder den §§ 60 bis 62 SGB III von vornherein aus. Die Ausnahmeregelung ist auf die ausdrücklich genannten Förderarten begrenzt (vgl bereits zur beruflichen Weiterbildung nach den §§ 77 ff SGB III: BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 97/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 19). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass das AFBG hinsichtlich des monatlichen Unterhaltsbedarfs auf einzelne Regelungen des BAföG verweist (vgl § 10 Abs 2 Satz 2 AFBG). Diese Verweise beziehen sich lediglich auf den Förderungsumfang, während der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II an die abstrakte Förderungsfähigkeit bestimmter Ausbildungen dem Grunde nach anknüpft.
Der Kläger ist jedoch nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II. Hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist nach § 9 Abs 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Hilfebedürftigkeit des Klägers ist, da dieser nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat, in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit Z wohnt, bezogen auf die Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln (§ 9 Abs 2 Satz 1 SGB II).
Dem LSG ist darin zuzustimmen, dass zwar nicht der Maßnahmebeitrag (§ 10 Abs 1 AFGB) als zweckbestimmte Einnahme, jedoch der ausdrücklich - ebenso wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistete Unterhaltsbeitrag (§ 10 Abs 2 AFBG) als Einkommen zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch für den Darlehensanteil am Unterhaltsbeitrag.
Allerdings trifft es zu, dass das BSG in Anlehnung an seine bisherige Rechtsprechung zur Alhi (BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr 11; SozR 4100 § 138 Nr 25) und das BVerwG zum Wohngeldrecht (stRspr seit BVerwGE 54, 358; 69, 247) auch im Anwendungsbereich des § 11 Abs 1 SGB II nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert (BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 16; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - RdNr 16). Denn grundsätzlich stellt nur der "wertmäßige Zuwachs" Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einnahmen hat. Der Zuwachs muss dem Leistungsberechtigten zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit in Höhe der Zuwendungen dauerhaft entfallen. Insoweit hat das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung im Hinblick auf die Qualifizierung von Zuwendungen Dritter als Einkommen unterschieden zwischen (1.) Geldzahlungen oder Sachleistungen, die einem SGB II-Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden, (2.) zu einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne des BGB gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist und (3.) Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Grundsicherungsträger abgelehnte Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren sollen (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen - RdNr 16).
Während der Zuschussanteil am Unterhaltsbeitrag der ersten Kategorie zuzuordnen ist, ist der darlehensweise gezahlte Anteil der zweiten Kategorie zuzuweisen. Gleichwohl ist diese aus öffentlichen Mitteln gewährte Leistung als Einkommen zu berücksichtigen, weil insoweit eine Ausnahme von dem Grundsatz zu bilden ist, dass ein darlehensweiser Vermögenszufluss nicht zu einer Minderung oder einem Entfall von SGB II-Leistungen führt. Auf die Möglichkeit einer derartigen Ausnahme für die darlehensweise Gewährung staatlicher Leistungen zur Existenzsicherung hat im Übrigen der 14. Senat des BSG bereits ausdrücklich hingewiesen (BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30 - RdNr 16).
Die Berücksichtigung des Unterhaltsbeitrags rechtfertigt sich aus den mit der Förderung nach dem AFBG verfolgten Zielen und der Ausgestaltung des Förderungssystems. Die Förderung dient nach dem Entwurf des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung der Sicherung der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung in Vollzeit- und in Teilzeitmaßnahmen. Inhaltlich sollten Bildungsmaßnahmen erfasst werden, die nach einer beruflichen Erstausbildung auf eine herausgehobene Berufstätigkeit beispielsweise als selbstständiger Handwerksmeister oder mittlere Führungskraft in einem Betrieb vorbereiten (BT Drucks 13/3698 S 13 f). Dieser Konzeption entspricht die Ausgestaltung der Förderung, die teilweise als Zuschuss und teilweise als Darlehen ausgestaltet ist, weil mit dem Durchlaufen der Bildungsmaßnahme die Erwartung verknüpft ist, dass aufgrund der späteren beruflichen Position eine Teilrückzahlung der Förderleistung zumutbar ist. Diese Konzeption lässt es ausgeschlossen erscheinen, für SGB II-Berechtigte im wirtschaftlichen Ergebnis auch den Darlehensanteil dadurch als Zuschuss auszugestalten, dass eine Berücksichtigung als Einkommen unterbleibt.
Systematisch ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass bereits das AFBG nach Maßgabe des § 10 Abs 2 AFBG vorsieht, dass auf den Unterhaltsbedarf Einkommen und Vermögen des Antragstellers oder der Antragstellerin und Einkommen des jeweiligen Ehegatten oder Lebenspartners in dieser Reihenfolge anzurechnen sind. Es entspricht folglich der Konzeption des AFBG, dass eine teilweise Darlehenszahlung ungeachtet einer teilweisen Bedürftigkeit des Antragstellers oder der Antragstellerin erfolgen sollte. Diese Zielsetzung kann nicht durch die zuschussweise Gewährung von SGB II-Leistungen unterlaufen werden.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 11 Abs 1 Satz 2 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) nunmehr ausdrücklich regelt, dass als Einkommen auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen zu berücksichtigen sind, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Es handelt sich nach der Gesetzesbegründung um eine klarstellende Regelung (BT-Drucks 17/3404 S 94). Dieser Regelung unterfällt nach einhelliger Auffassung in der Literatur der Unterhaltsbeitrag nach dem AFBG (Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 11 Rz 26; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 11 Rz 43).
Im Übrigen sind hinsichtlich der Berechnung des Bedarfs und des zu berücksichtigenden Einkommens durch das LSG Fehler weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Dem Kläger steht folglich im fraglichen Zeitraum kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu.