Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 28.11.2018


BSG 28.11.2018 - B 4 AS 43/17 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen - Beschränkung der Minderjährigenhaftung - Eintritt der Volljährigkeit während des Klageverfahrens - maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
28.11.2018
Aktenzeichen:
B 4 AS 43/17 R
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2018:281118UB4AS4317R0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Halle (Saale), 1. Oktober 2015, Az: S 33 AS 3995/13, Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, 28. September 2017, Az: L 2 AS 695/16, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 50 Abs 1 S 1 SGB 10
§ 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB

Leitsätze

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines noch nicht bestandskräftigen Erstattungsbescheids ist im Hinblick auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach dem BGB der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist, ob die inzwischen volljährig gewordene Klägerin für eine Erstattungsforderung des beklagten Jobcenters nur begrenzt haftet.

2

Die am 26.7.1997 geborene Klägerin bezog als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Eltern der Klägerin lebten getrennt. Der Beklagte bewilligte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.11.2011 Leistungen (zuletzt mit Bescheid vom 17.8.2011). Am 30.8.2011 verpflichtete sich der Vater der Klägerin gegenüber dem Jugendamt, seiner Tochter Unterhalt in Höhe von 100 Euro im Monat zu leisten. Die beiden ersten Zahlungen (für Juli und August 2011) leistete er am 31.8.2011. Mit einem an die Mutter der Klägerin als gesetzliche Vertreterin adressierten Bescheid vom 15.11.2011 hob der Beklagte den Bescheid vom 17.8.2011 für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.11.2011 im Hinblick auf die der Klägerin bewilligten Leistungen teilweise in Höhe von 500 Euro auf und forderte diesen Betrag zugleich zurück. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ermäßigte der Beklagte mit Bescheid vom 30.5.2013 die Aufhebung und Erstattung aufgrund der fehlerhaften Einkommensberücksichtigung für Juli 2011 auf einen Betrag in Höhe von 400 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück.

3

Nach Klageerhebung hat die Klägerin bei Vollendung des 18. Lebensjahres am 26.7.2015 weiterhin Leistungen nach dem SGB II bezogen. Über eigenes Einkommen aus einem Ausbildungsverhältnis oder aus Erwerbstätigkeit hat sie zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig verfügt wie über ein eigenes Konto, Ersparnisse oder sonstige Wertgegenstände. Vor diesem Hintergrund hat sich die Klägerin bereits im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB berufen. Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids sei der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2013. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch nicht volljährig gewesen (Urteil vom 1.10.2015). Das LSG hat das Urteil des SG abgeändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit eine Erstattungsforderung gegen die Klägerin geltend gemacht werde. Im Übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 28.9.2017). Anders als die Entscheidung über die Aufhebung sei die Entscheidung über die Erstattung mit dem 18. Geburtstag der Klägerin rechtswidrig geworden. Dem Rückforderungsverlangen stehe die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB entgegen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids zu beachten sei, obwohl die Volljährigkeit erst während des Klageverfahrens eingetreten sei. Der Erstattungsbescheid sei in der vorliegenden Konstellation wie ein Dauerverwaltungsakt zu behandeln. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei deshalb auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen.

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Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von §§ 48, 50 SGB X und § 1629a BGB. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids sei der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Dies gelte nach der Rechtsprechung des BSG auch bei Anwendung von § 1629a BGB (unter Berufung auf BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 47 f). Die Vollendung des 18. Lebensjahres durch die Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens habe danach nicht berücksichtigt werden dürfen.

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Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. September 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. Oktober 2015 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass das Erstattungsverlangen des Beklagten gegenüber der Klägerin nach den Grundsätzen der beschränkten Minderjährigenhaftung rechtswidrig ist und sie in ihren Rechten verletzt.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Urteilen der - den Bescheid vom 15.11.2011 ersetzende - Bescheid vom 30.5.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013, soweit diese Bescheide eine Pflicht der Klägerin zur Erstattung von 400 Euro regeln. Soweit das SG und das LSG die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG) hinsichtlich der in den Bescheiden enthaltenen Aufhebung der ursprünglichen Leistungsbewilligung abgewiesen haben, sind die Bescheide bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).

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2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage ist statthaft. Die Berufung der Klägerin war trotz der nicht erreichten Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG zulässig, weil sie nach Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde vom LSG zugelassen worden war.

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3. Rechtsgrundlage des Erstattungsverwaltungsakts ist § 40 SGB II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850; vgl zum anzuwendenden Recht BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f; BSG vom 7.12.2017 - B 14 AS 7/17 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 55 RdNr 10) iVm § 50 SGB X. Die formell nicht zu beanstandenden Bescheide (4.) sind materiell rechtswidrig. Zwar liegen die allgemeinen Voraussetzungen für ein Erstattungsverlangen nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X vor (5.). Die materielle Rechtswidrigkeit folgt aber aus der entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB (6.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Erstattungsbescheids ist hier der Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin am 26.7.2015 (7.). Eine Haftung der Klägerin für die Erstattungsforderung des Beklagten entfiel bei Eintritt der Volljährigkeit (8.).

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4. Der angefochtene Erstattungsbescheid ist nicht schon wegen eines formellen Mangels aufzuheben. Soweit der Beklagte versäumt hat, die Klägerin vor Erlass des Verwaltungsakts anzuhören (vgl hierzu BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 19 f), ist dieser Mangel nach den Feststellungen des LSG im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X).

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5. Der Bescheid vom 30.5.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013 sind materiell rechtswidrig. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine Erstattung nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X erfüllt. Nach diesen Vorschriften sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Das Erstattungsverlangen knüpft vorliegend an die (bestandskräftige) Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1.8. bis 30.11.2011 in Höhe von 400 Euro an.

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6. Die materielle Rechtmäßigkeit des Erstattungsverwaltungsakts bemisst sich im vorliegenden Fall allerdings nicht nur an § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X, sondern auch an § 1629a BGB. Nach dieser Vorschrift beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Die Regelung dient insoweit der Erfüllung eines Verfassungsauftrags, weil das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) entschieden hatte, das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG anerkannte Recht auf Selbstbestimmung werde berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 BGB) finanziell verpflichten können. Hierdurch könnten in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung junger Menschen betroffen werden. Der zur Umsetzung dieser Rechtsprechung durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 (BGBl I 2487) in das BGB eingefügte § 1629a BGB knüpft dabei allein an die Saldierung zwischen der fremdverantworteten Verbindlichkeit und dem Vermögensbestand bei Eintritt der Volljährigkeit an.

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Diese vom BVerfG beanstandete Lage kann in gleicher Weise auftreten im Angesicht der finanziellen Folgen, die Minderjährigen als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft über die insoweit geltende Vertretungsregelung (§ 38 SGB II) aufgebürdet werden. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzliche Regelung des § 1629a BGB gilt für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend (grundlegend BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 40 ff; vgl auch BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 40/15 R - SozR 4-1500 § 75 Nr 24 RdNr 35 ff; Anschluss im Ergebnis durch BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R - SozR 4-1300 § 50 Nr 5 RdNr 14; vgl hierzu auch Greiser in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 40 RdNr 142 ff sowie zuletzt Kellner, NZS 2018, 684; teilweise kritisch im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung Uyanik, Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen nach dem SGB II im Konflikt zur Minderjährigenhaftungsbeschränkung nach § 1629a BGB, 2018, 137 ff). Die entsprechende Anwendung hat in vollem Umfang zu erfolgen, denn im Sozialrecht kann aus verfassungsrechtlichen Gründen kein geringerer Schutz der Minderjährigen gelten als im Zivilrecht. Die Regelung über die Beschränkung der Minderjährigenhaftung findet nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung, sondern betrifft bereits den Erstattungsbescheid (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 45 f).

15

7. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des streitgegenständlichen Erstattungsbescheids ist der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit der Klägerin am 26.7.2015.

16

Die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Ob der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt und sie deshalb im Wege der Anfechtungsklage verlangen kann, dass das Gericht den Verwaltungsakt aufhebt, ist keine Frage des Prozessrechts (stRspr; vgl nur BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 39/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 31 RdNr 19; BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 4/15 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 4 RdNr 12; vgl auch BVerwG vom 31.3.2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246, 250; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 33). Für die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts ist es deshalb im Ergebnis nicht entscheidend, dass es sich bei der Klage um eine reine Anfechtungsklage handelt. Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage entspricht lediglich einer Faustregel mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen. Nach dieser Faustregel ist bei Anfechtungsklagen grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (vgl hierzu nur BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 4/15 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 4 RdNr 11). Bestimmt das materielle Recht einen anderen maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, ist für die Anwendung der Faustregel kein Raum.

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Der vorliegende Erstattungsbescheid ist an § 1629a BGB zu messen. Diese hier entsprechend anzuwendende Vorschrift bestimmt als maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines noch im Streit stehenden behördlichen Erstattungsverlangens den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit, weil die Haftung auf das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen des Kindes beschränkt ist. Die Vorschrift schützt den Minderjährigen in diesem Zeitpunkt, um einen selbstbestimmten Eintritt in die Volljährigkeit sicherzustellen. Der Zeitraum bis zum Eintritt der Volljährigkeit ist dagegen nicht Gegenstand des § 1629a BGB (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 47). Die Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen zeitlichen Bezugspunkt konnte der 14. Senat in seiner Entscheidung vom 7.7.2011 offenlassen. Seinerzeit führte bereits die Anwendung der erwähnten Faustregel zur Berücksichtigung der Volljährigkeit, weil diese noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids eintrat (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 48).

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Da sich hier die materielle Rechtmäßigkeit des Erstattungsverwaltungsakts an § 1629a BGB bemisst, ist es unerheblich, welcher Beurteilungszeitpunkt bei Aufhebungs- und Erstattungsverwaltungsakten allgemein maßgeblich ist. Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob der Klägerin seit dem Eintritt der Volljährigkeit ein Anspruch auf Aufhebung des Erstattungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X zusteht, was voraussetzen würde, dass es sich wegen § 1629a BGB bei dem Erstattungsverwaltungsakt insoweit um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl hierzu BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 47 sowie - entsprechende Anwendung - Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 50 RdNr 11a; kritisch - kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 27; Baumeister in jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 50 RdNr 69; Greiser in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 40 RdNr 146; Kellner, NZS 2018, 684, 685). Diese Frage stellt sich nur, wenn der Erstattungsverwaltungsakt bestandskräftig geworden ist. Hier ist er aber Streitgegenstand der anhängigen Anfechtungsklage und - da die Volljährigkeit im laufenden Klageverfahren eintrat - bereits vom prozessualen Aufhebungsanspruch der Klägerin umfasst.

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8. Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 1629a BGB vor.

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a) Die vorliegende Verbindlichkeit in Form des Erstattungsverlangens über 400 Euro ist durch eine Handlung der vertretungsberechtigten Mutter mit Wirkung für die Klägerin begründet worden. Die zur Erstattung führende Überzahlung resultiert aus der Beantragung und der Entgegennahme der Leistungen nach dem SGB II (vgl § 38 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die Pflichtwidrigkeit des Vertreterhandelns ist im Rahmen des § 1629a BGB nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl hierzu Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 14 AS 34/17 R - vorgesehen für SozR; vgl zu einem Fall des pflichtwidrigen Unterlassens BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R - SozR 4-1300 § 50 Nr 5 RdNr 16). Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an (vgl hierzu nur Coester in Staudinger, BGB, 2015, § 1629a RdNr 21 ff, 44). In diesem Sinne bestimmt § 1629a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 Var 2 BGB, dass selbst die familiengerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts an der beschränkten Haftung des Minderjährigen nichts ändert.

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b) Die Klägerin verfügte nach den Feststellungen des LSG zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Volljährigkeit über kein pfändbares Vermögen, um die Erstattungsforderung zu erfüllen (vgl hierzu ebenfalls Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 14 AS 34/17 R - vorgesehen für SozR).

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c) Der Anwendung der Vorschrift steht zuletzt auch nicht die Regelung in § 1629a Abs 2 Var 2 BGB entgegen, wonach die Haftungsbeschränkung keine Anwendung findet auf Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Diese den Anwendungsbereich der Schutzvorschrift einschränkende Regelung findet auf die Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II keine Anwendung (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 51; BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 40/15 R - SozR 4-1500 § 75 Nr 24 RdNr 39).

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d) Zuletzt steht einer entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend bei der Höhe der Erstattungsforderung um einen Betrag handelt, der aus Sicht des Betroffenen den Start in die Volljährigkeit zwar erschweren kann, sein Selbstbestimmungsrecht aber nicht in verfassungswidriger Weise einschränken würde (zu der Frage der Anwendbarkeit der Regelung auf "Bagatellbeträge" Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren B 14 AS 34/17 R - vorgesehen für SozR). Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1629a BGB wird die Höhe der Rückforderungssumme allein im Rahmen der Saldierung von Schuld und Vermögen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt. Eine eher geringere Höhe der Rückforderungssumme führt auch nicht dazu, dass die Ausnahme des § 1629a Abs 2 Var 2 BGB (Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen) wieder Anwendung findet (BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 51).

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.