Entscheidungsdatum: 19.06.2012
Der Begriff der "allgemeinbildenden Schule" iS des SGB 2, bei deren Besuch Anspruch auf Leistungen für Schulbedarfe besteht (sog "Schulstartpaket"), wird nicht durch die Schulgesetze der Länder, sondern vorrangig durch bundesrechtliche Maßstäbe gestaltet.
Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 28. Juli 2011 wird zurückgewiesen. Der Tenor dieses Urteils wird in der Hauptsache klarstellend wie folgt gefasst: Der Bescheid vom 30. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Revisionsverfahren.
Streitig ist die Übernahme der Kosten für Schulbedarfe im August 2009.
Der im Jahre 1997 geborene Kläger bildet eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1999 geborenen Schwester sowie den Eltern und gesetzlichen Vertretern W und R von A Die Schwester des Klägers besucht die Förderschule "G Schule" in L, der Kläger die staatliche anerkannte Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe L eV.
Die Gemeinde J bewilligte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.1.2010 in Höhe von 1129 Euro (Juli 2009 und September 2009 bis Januar 2010) bzw in Höhe von 1329 Euro für August 2009, wobei bei dem Kläger und seiner Schwester jeweils ein Schulbedarf in Höhe von 100 Euro berücksichtigt wurde (Bescheid vom 24.6.2009). Mit Bescheid vom 30.6.2009 änderte sie die Bewilligung ab, indem sie für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.1.2010 monatlich nur noch 1129 Euro bewilligte und für den Monat August 2009 die Schulbedarfe insgesamt nicht mehr berücksichtigte. Der Bescheid enthält die Hinweise, dass die Leistungen nach dem SGB II "aufgrund eingetretener Änderungen" neu berechnet würden und dass "dieser Bescheid … alle vorgehenden Bescheide über die Gewährung dieser Leistungen" aufhebe, soweit sie sich auf gleiche Zeiträume bezögen. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11.8.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte aus, der Kläger besuche lediglich eine staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte, die weder eine allgemeinbildende Schule iS des § 5 Abs 2 Nr 1 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) noch eine berufsbildende Schule iS des § 5 Abs 2 Nr 2 NSchG sei. Es handele sich insbesondere um keine Förderschule iS des § 14 NSchG.
Im sozialgerichtlichen Klageverfahren hat der Beklagte anerkannt, dass die Schwester des Klägers einen Anspruch auf Schulbedarfe hat. Nach Annahme dieses Anerkenntnisses hat das SG Aurich "den Bescheid vom 24.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2009" abgeändert und den Beklagten verurteilt, an den Kläger "als Schulbeihilfe" für August 2009 einen Betrag in Höhe von 100 Euro zu erstatten (Urteil vom 28.7.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch aus § 24a S 1 SGB II. Zwar handele es sich bei der von ihm besuchten anerkannten Tagesbildungsstätte nicht um eine allgemeinbildende Schule iS des NSchG. Dennoch erfüllten nach § 162 S 1 NSchG auch Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen dort ihre Schulpflicht. Diese Wertentscheidung verdeutliche, dass der niedersächsische Gesetzgeber Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen den übrigen Schülern gleichstellen wolle. Unabhängig hiervon werde der Begriff der allgemeinbildenden Schule nach § 24a S 1 SGB II nicht durch das niedersächsische Schulrecht definiert. Die Schulverhältnisse seien im gesamten Bundesgebiet weitgehend einheitlich. Es handele sich um einen autonomen bundesrechtlichen Begriff. Eine allgemeinbildende Schule iS des § 24a S 1 SGB II sei jede Einrichtung, durch deren Besuch die Schulpflicht erfüllt werden könne, wobei es nicht darauf ankomme, ob ein allgemeinbildender Schulabschluss erlangt werden könne. Zudem entspreche es dem Zweck des § 24a SGB II, jede Einrichtung unter diese Norm zu fassen. Dies verdeutliche auch die Gesetzesbegründung, die allein darauf abstelle, dass mit der pauschalen Leistung insbesondere die erforderliche Ausstattung am Schuljahresbeginn durch Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule ermöglicht werden solle. Diese Sachlage treffe auch auf den Kläger zu. Aus Art 3 GG ergebe sich kein sachlicher Grund, Schüler, die eine anerkannte Tagesbildungsstätte besuchten, von den Leistungen nach § 24a SGB II auszuschließen.
Mit seiner durch Beschluss des SG vom 28.7.2011 zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 24a S 1 SGB II. Infolge der Gesetzgebungskompetenz der Länder handele es sich bei dem Begriff der allgemeinbildenden Schule nicht um einen autonomen bundesrechtlichen, sondern um einen Begriff, der durch die jeweiligen Ländergesetze ausgestaltet werde. Die Regelungen des NSchG seien daher anwendbar. Dass schulrechtlich eine Gleichstellung von Förderschulen und anerkannten Tagesbildungsstätten nicht bezweckt sei, lasse sich § 163 NSchG entnehmen, wonach anerkannte Tagesbildungsstätten eine Bezeichnung zu führen hätten, die eine Verwechselung mit Förderschulen ausschließe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 28. Juli 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt vor, unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung von § 24a SGB II stehe ihm ein Leistungsanspruch zu, zumal die mit Wirkung vom 1.4.2011 eingeführte Neuregelung in § 28 Abs 2 SGB II ausdrücklich eine Gleichstellung von Schülern und Kindern, die eine Kindertageseinrichtung besuchten, geregelt habe und - rückwirkend betrachtet - ein Indiz für den damaligen Willen des Gesetzgebers darstelle, auch behinderten Kindern in Tagesbildungsstätten einen gleichberechtigten Leistungsanspruch einzuräumen.
Die durch Beschluss des SG vom 28.7.2011 zugelassene und von dem Beklagten am 13.9.2012 unter Vorlage einer Zustimmungserklärung des Klägers vom 8.9.2012 mit der "beabsichtigen Sprungrevision" (vgl zu diesem Erfordernis Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4) eingelegte Revision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte schon deshalb nicht zur Rücknahme der Bewilligung berechtigt war, weil der Kläger im August 2009 einen Anspruch auf eine zusätzliche Leistung für Schulbedarfe hatte.
1. Richtiger Beklagter ist der gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähige Landkreis L Nach der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 24.9.2004 (BGBl I 2349) ist er als Träger der Leistung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II zugelassen. Er nimmt damit die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende in seinem Gebiet wahr (§ 6b Abs 1 iVm § 6 Abs 1 S 1 Nr 1, § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II). Die Gemeinde J ist von ihm lediglich zur Durchführung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende herangezogen (vgl § 6 Abs 2 S 1 und 3 SGB II iVm § 3 Abs 1 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch
2. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 30.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2009, mit dem der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24.6.2009 teilweise aufgehoben hat, soweit die bereits bewilligten Schulbedarfe für den Kläger betroffen sind. Bei zutreffender Auslegung des Klagebegehrens ist davon auszugehen, dass von dem klägerischen Begehren nur die Aufhebung des Bescheids vom 30.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2009 umfasst ist, weil seinem Anliegen insofern voll und ganz Rechnung getragen wird. Die Aufhebung des Bescheides vom 30.6.2009 hat ohne Weiteres zur Folge, dass der Bewilligungsbescheid vom 24.6.2009 und damit auch die Bewilligung der Schulbedarfe für den streitigen Zeitraum in vollem Umfang wiederhergestellt wird, sodass der Beklagte bereits hieraus zur entsprechenden Zahlung verpflichtet wird (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 24). Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils insofern klarstellend neu gefasst.
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den Leistungen für Schulbedarfe nach § 24a SGB II aF und ihrer Aufhebung um einen eigenständigen abtrennbaren Streitgegenstand handelt, der isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden kann (vgl zu Klassenfahrten BSGE 102, 68 = SozR 4-4200 § 23 Nr 1, RdNr 13 und BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R, RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Zwar bildet der Kläger mit seiner Schwester und den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II. Der Anspruch steht jedoch allein ihm zu, weil die Leistungen für Schulbedarfe individuell nur ihm zuzuordnen sind (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 44 Nr 2 RdNr 15).
3. Der Bescheid vom 30.6.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.8.2009 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine die Schulbedarfe des Klägers betreffende teilweise Aufhebung des Bescheides vom 24.6.2009 liegen nicht vor.
Eine Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung unterstellt, konnte sich der Beklagte von vorneherein nicht auf eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X stützen, wie dies den Hinweisen im angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Demgegenüber regelt § 45 SGB X, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich ab nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll (vgl zB BSGE 96, 285 ff = SozR 4-4300 § 122 Nr 4, RdNr 13). Insofern hat der Beklagte den rechtlichen Maßstab für die Aufhebungsentscheidung verkannt, weil der Bewilligungsbescheid vom 24.6.2009 nur wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit nach § 45 SGB X unter dessen weiteren Voraussetzungen aufgehoben werden konnte. Ob die besonderen Voraussetzungen des § 45 SGB X vorliegen, kann hier dahinstehen (vgl zur Umdeutung BSGE 87, 8 ff, 10 f = SozR 3-4100 § 152 Nr 9). Der Bescheid vom 30.6.2009 war schon deshalb rechtswidrig, weil der Bewilligungsbescheid vom 24.6.2009 hinsichtlich der hier streitigen Schulbedarfe rechtmäßig war. Der Kläger hat für den Monat August 2009 Anspruch auf die bewilligten Schulbedarfe.
4. Nach § 24a S 1 SGB II in der ab 1.8.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz - Krankenversicherung) vom 16.7.2009 (BGBl I 1959) erhalten Schülerinnen und Schüler, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, eine zusätzliche Leistung für die Schule in Höhe von 100 Euro, wenn sie oder mindestens ein im Haushalt lebender Elternteil am 1.8. des jeweiligen Jahres Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben. Der Kläger hatte zum Stichtag, dem 1.8.2010, das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und besuchte eine allgemeinbildende Schule. Den Feststellungen des SG ist auch zu entnehmen, dass er leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 SGB II war. Er hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung der Schulbedarfe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen.
Der Kläger hat im hier streitigen Zeitraum auch eine "allgemeinbildende Schule" iS des § 24a S 1 SGB II besucht. Auch der Besuch einer Tagesbildungsstätte für Kinder und Jugendliche mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf in dem Schwerpunkt "Geistige Entwicklung" im Land Niedersachen ist aufgrund der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der "allgemeinbildenden Schule" hierunter zu fassen. Insofern ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass der Inhalt dieses Begriffs nicht durch die landesrechtlichen Vorgaben, sondern vorrangig durch bundesrechtliche Maßstäbe bestimmt wird. Der Inhalt des Begriffs der "allgemeinbildenden Schule" ist - bezogen auf das SGB II - bereichsspezifisch nach dem Gesetzeskontext, der Historie der Vorschrift sowie nach deren Sinn und Zweck zu bestimmen. Das uneingeschränkte Abstellen auf die jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben zum Begriff der allgemeinbildenden Schule würde gegen den Inhalt der revisiblen Norm des § 24a S 1 SGB II verstoßen. Auf den Inhalt der schulrechtlichen Regelungen in Niedersachsen, bei denen es sich um irrevisibles Recht handelt, dessen Auslegung das BSG grundsätzlich bindet (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; BSG Urteil vom 23.4.1975 - 2 RU 227/74 - BSGE 39, 252 ff, 253 = SozR 2200 § 550 Nr 4; vgl auch BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R, RdNr 14 ff, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), kann es daher nur im Rahmen der bundesrechtlichen Vorgaben des § 24a S 1 SGB II ankommen.
5. Insofern stellt § 24a S 1 SGB II bereits nach seinem Wortlaut allein auf den "Besuch" einer allgemeinbildenden Schule und nicht damit verbundene Schulabschlüsse nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ab. § 24a SGB II unterscheidet sich von § 23 Abs 3 S 1 SGB II, der Ansprüche auf weitere besondere Schulbedarfe regelt. Hiernach sind Leistungen für Klassenfahrten nur "im Rahmen schulrechtlicher Bestimmungen" zu erbringen (vgl nunmehr § 28 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB II). Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitslose zuständigen Senate des BSG bereits entschieden haben, gibt bei dieser Norm die Verbindung der Begriffe "mehrtägige Klassenfahrten" und "schulrechtliche Bestimmungen" einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler, für mehr als einen Tag und außerhalb der Schule durchgeführt wird. Andererseits folgt aus der Verbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB II regional "üblich" ist (Urteil des Senats vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Hintergrund der Tragung der Kosten in tatsächlich entstandener Höhe ist, dass der Gesetzgeber der unterschiedlichen rechtlichen Umsetzung der schulpolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern und der weitgehend eigenständigen Gestaltungsfreiheit der Länder für die Schulorganisation, aber auch den Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenständen Rechnung tragen wollte (BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 204/10 R - RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Im Gegensatz hierzu werden in § 24a SGB II die Schulbedarfe bundesweit als Pauschale übernommen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es sich um Bedarfe handelt, die an allen Schulen in gleicher Höhe anfallen. Ein in der Art der Leistung liegender sachlicher Grund für die Anknüpfung an landesrechtliche Begriffe und Regelungen besteht daher nicht, zumal der Gesetzgeber bei der Einführung der Schulbedarfe davon ausging, dass seine Gesetzgebungskompetenz zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet betroffen ist (BT-Drucks 16/13429 S 50).
6. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 24a SGB II ergibt sich, dass der Gesetzgeber für einen Anspruch auf Schulbedarfe nicht auf bestimmte Schulformen und damit verbundene Bildungsabschlüsse abstellen wollte. § 24a SGB II wurde zunächst durch Art 3 Nr 2 des Gesetzes zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen (Familienleistungsgesetz - FamLeistG) vom 22.12.2008 (BGBl I 2955) in das SGB II eingefügt, aber bereits vor seinem Inkrafttreten durch Art 16 des Bürgerentlastungsgesetzes - Krankenversicherung vom 16.7.2009 (BGBl I 1959) geändert. Während in der Gesetzesfassung des § 24a S 1 SGB II sowie der Parallelvorschrift des § 28a S 1 SGB XII durch das FamLeistG noch vorausgesetzt wurde, dass die Schüler "eine allgemeinbildende oder eine andere Schule mit dem Ziel des Erwerbs eines allgemeinbildenden Schulabschlusses besuchen", forderten die Regelungen des Schulbedarfs in ihrer dann am 1.8.2009 endgültig in Kraft getretenen Fassung nicht mehr den Erwerb eines allgemeinbildenden Schulabschlusses. In der Gesetzesbegründung zur Änderung des durch das Familienleistungsgesetz gefassten § 24a SGB II wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Neufassung des § 24a SGB II die Regelung - neben der Einbeziehung der berufsbildenden Schulen und des Wegfalls der Beschränkung auf die Jahrgangsstufe 10 - dahingehend erweitert werde, dass die Leistung unabhängig davon gezahlt werde, ob allgemeinbildende Schulabschlüsse der Haupt- oder Nebenzweck des Schulbesuchs seien. Ausdrücklich sollten alle hilfebedürftigen Schülerinnen und Schüler "unabhängig vom schwerpunktmäßig angestrebten Schulabschluss" erfasst werden (BT-Drucks 16/13429 S 56 f).
Mit der vollständigen Neufassung des § 28 SGB II durch Art 2 Nr 31 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) regelt § 28 Abs 1 S 2 SGB II mit Inkrafttreten ab 1.1.2011 einleitend, dass Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nur bei Personen berücksichtigt werden, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler). Die Voraussetzung des Besuchs einer allgemein- oder berufsbildenden Schule ist unverändert aus der bisherigen Regelung des § 24a SGB II übernommen worden. In den Gesetzesmaterialien wird klarstellend darauf hingewiesen, dass der Begriff der Schülerinnen und Schüler für die Bedarfslagen nach dem SGB II definiert werde und sich dieser Begriff von dem schulrechtlichen Begriff unterscheide (BT-Drucks 17/3404 S 104).
7. Schließlich ist ein sachlicher Grund für eine Ausklammerung der behinderten Kinder, die - wie hier - durch den Besuch einer staatlich anerkannter Tagesbildungsstätte ihre Schulpflicht erfüllen, nicht erkennbar. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88; 93, 386, 397). Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (BVerfGE 111, 160, 171 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1, RdNr 51). Ist von mehreren Auslegungen nur eine mit dem Grundgesetz vereinbar, muss diese gewählt werden (BVerfGE 112, 164, 182 f = SozR 4-7410 § 32 Nr 1, RdNr 32; vgl auch BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 2 mwN). Nach diesen Maßstäben kann unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Auslegung des Begriffs der allgemeinbildenden Schule iS des § 24a Abs 1 S 1 SGB II nicht auf den Besuch bestimmter Schulformen und das zusätzliche Erfordernis des Erwerbs eines Schulabschlusses abgestellt werden.
Bei behinderten Schülern einer Tagesbildungsstätte liegt keine andere Ausgangslage vor. Es kann insbesondere nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass die eine Tagesbildungsstätte in Niedersachsen besuchenden Schüler die von § 24a S 1 SGB II erfassten Schulbedarfe als Leistung der Eingliederungshilfe erhalten. Nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XII gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zwar auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben aber unberührt. Nach § 12 der Verordnung nach § 60 SGB XII - Eingliederungshilfe-Verordnung vom 1.2.1975 (BGBl I 433) - umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung iS des § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XII ua Maßnahmen der Schulbildung zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, um dem behinderten Menschen eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen. Hiervon nicht erfasst sind die auf den einzelnen Schüler entfallenden Schulbedarfe, die teilweise bereits im Regelbedarf enthalten sind (BT-Drucks 17/3404 S 105). Insofern ist der Gesetzgeber mit der Parallelvorschrift des § 28a SGB XII, gleichfalls in der Fassung des Bürgerentlastungsgesetzes - Krankenversicherung vom 16.7.2009 (BGBl I 1959), ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Schulbedarfe - im Unterschied zur zusätzlichen Leistung für die Schule in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 24a SGB II) an erwerbsfähige Schüler - auch an voll erwerbsgeminderte Personen erbracht werden (BT-Drucks 16/13429 S 50). Der Kläger ist hier nur aufgrund seiner Einbeziehung als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II leistungsberechtigt. Für einen Anspruch voll erwerbsgeminderter Personen auf Leistungen für Schulbedarfe kann es folglich nicht darauf ankommen, ob ein Schul- oder Berufsabschluss erworben werden kann.
Schließlich sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Leistungen für Schulbedarfe die erforderliche Ausstattung am Schuljahresbeginn mit dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (zB Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (zB Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkästen, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck) umfassen (BT-Drucks 16/10809 S 16). Es handelt sich um Bedarfe, die dem Regelbedarf zuzuordnen sind und - nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 zur als verfassungswidrig angesehenen Bemessung der Regelbedarfe (bis zum 31.12.2010 "Regelleistung") insbesondere für Kinder und Jugendliche (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) - als Teil des sozialrechtlichen Existenzminimums zu werten sind (vgl auch BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R - RdNr 13).