Entscheidungsdatum: 28.09.2017
Professionelle (Eis-)Tänzer der TV-Unterhaltungsshows "Let's Dance" und "Dancing on Ice" sind (Eis-)Tanzsportler und keine Künstler.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 22 225,50 Euro festgesetzt.
Im Streit steht, ob auf Honorare professioneller (Eis-)Tänzer für ihre Mitwirkung in TV-Unterhaltungsshows Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) in den Jahren 2006 und 2007 zu entrichten war.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der G. GmbH. In den Jahren 2006 und 2007 produzierte sie jeweils eine Staffel der Unterhaltungsshow "Let's Dance" und in 2006 einmalig die Variante "Dancing on Ice", die wöchentlich live im Privatfernsehen gesendet wurden. In der Show "Let's Dance" standen acht bzw zehn Tanzpaare - pro Paar jeweils eine prominente Person meistens aus der Unterhaltungsbranche zusammen mit einem bzw einer professionellen Turniertänzer/in - in einem Tanzwettbewerb. In jeder Sendung präsentierten die Paare Standard- und lateinamerikanische Tänze. Das Trainingskonzept für die Prominenten und die Choreografie des Tanzes entwickelten die professionellen Tänzer. Vor jedem Fernsehauftritt wurden Ausschnitte des Trainings und Interviews mit den Tanzpartnern eingespielt. Darin wurde in sehr kurzen Sequenzen der berufliche Status der professionellen Tänzer eingeblendet (zB "Dreimal Deutscher Meister"). Eine Jury, die aus professionellen Tänzern, Wertungsrichtern oder Prominenten bestand, beurteilte die in der Sendung präsentierten Tänze in Anwesenheit der Paare. Die Bewertung orientierte sich an der für den Turniertanzsport geltenden Turnier- und Sportverordnung des Deutschen Tanzsportverbands e.V. (DTV), die ua auf die international geltenden Regeln (The Ballroom Technique, The Imperial Society - ISTD London) verweist. Die TV-Zuschauer konnten während der Sendung für ihr favorisiertes Paar stimmen. Nach Addition der Jurypunkte und der Zuschauermeldungen wurde eine Rangliste der Paare gebildet. Das Paar mit dem niedrigsten Listenplatz musste ausscheiden, während die verbliebenen Paare in der nächsten Sendung wieder gegeneinander antraten, bis schließlich der Gewinner/die Gewinnerin des Tanzwettbewerbs feststand. Die Sendungen dauerten regelmäßig 60 Minuten, in denen die professionellen Tänzer jeweils ca 4 Minuten und 30 Sekunden auf dem Bildschirm zu sehen waren, davon ca 3 Minuten und 30 Sekunden beim reinen Tanzen. Die professionellen Tänzer waren verpflichtet, an der Produktion sowie den Vor- und Nachbereitungen als Choreograf und Tanzpartner des Prominenten mitzuwirken. Sie waren als nicht weisungsgebundene, selbstständige Gestalter innerhalb der Produktion verpflichtet. Im Vordergrund der Mitwirkung stand der Wettbewerb. Die professionellen Tänzer mussten für mindestens 45 Stunden Tanztraining, für einen Drehtag für den Porträtfilm und zwei bis drei Drehtage für "Tanzerklärungsfilme" in Vorbereitung der Sendung zur Verfügung stehen, des Weiteren für die acht (bzw zehn) Sendetage sowie drei Probentage. Die professionellen Tänzer erhielten für ihre Mitwirkung ein Honorar in Höhe von 10 000 Euro, das sich um weitere 1500 Euro erhöhte, falls sie ab der dritten Show noch im Wettbewerb verblieben. Die prominenten Teilnehmer erhielten in der ersten Staffel eine Vergütung von ca 42 687,50 Euro, in der zweiten Staffel in Höhe von 50 200 Euro.
Der Unterhaltungsshow "Dancing on Ice" lag im Kern das gleiche Konzept zugrunde (Teilnehmervertrag
Die beklagte Künstlersozialkasse (KSK) stellte anhand der Entgeltmeldungen die zu entrichtende KSA für die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin produzierten - auch hier nicht streitigen - Unterhaltungsformate der Jahre 2005 bis 2007 neu fest (Bescheid vom 11.4.2008) und rechnete diese für das Jahr 2008 neu ab (Bescheid vom 9.4.2009). Auf die für die professionellen (Eis-)Tänzer der beiden streitigen Unterhaltungsformate gezahlten Honorare entrichtete die Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Jahre 2006 und 2007 KSA in Höhe von insgesamt 22 225,50 Euro (für "Let's Dance": 14 910,50 Euro, für "Dancing on Ice": 7315 Euro).
Mit Schreiben vom 8.5. und 27.8.2009 stellte sie einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X und bat insbesondere um Überprüfung der Veranlagung für die Jahre 2006 bis 2009, da ihrer Ansicht nach für die professionellen (Eis-)Tänzer keine KSA zu entrichten sei. Die Beklagte lehnte die Aufhebung der Bescheide vom 11.4.2008 und vom 9.4.2009 gemäß § 44 SGB X ab (Bescheid vom 10.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 20.4.2012).
Mit Bescheid vom 19.3.2012 erhöhte die Beklagte die Honorarsumme für 2007 aufgrund der Entgeltmeldung vom 20.2.2012 und entsprechend die zu entrichtende KSA nach § 27 Abs 1a KSVG. Sie nahm den Abrechnungsbescheid vom 11.4.2008 insoweit zurück. Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch erhoben.
Die im Mai 2012 erhobene Klage wegen des abgelehnten Überprüfungsantrags ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 18.12.2014).
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG geändert, nachdem es die Überprüfungsansprüche wegen der streitigen TV-Shows abgetrennt und zu einem gesonderten Streitverfahren bestimmt hatte. Das LSG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2012 verpflichtet, die Bescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 insoweit zurückzunehmen, als darin in den Jahren 2006 bis 2007 für an professionelle (Eis-)Tänzer gezahlte Honorare KSA in Höhe von 22 225,50 Euro festgesetzt wurde. Die während des Rechtsstreits für weitere Jahre ergangenen Abrechnungsbescheide und der Änderungsbescheid vom 19.3.2012, mit dem die Beklagte die Honorarsumme für 2007 nach § 27 Abs 1a KSVG erhöht hatte, seien weder nach § 86 SGG noch nach § 96 SGG Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden. Die Beklagte habe zu Unrecht KSA für die Entgelte an professionelle (Eis-)Tänzer festgesetzt, weil die von ihnen ausgeübte Tätigkeit keine Kunst iS von § 2 KSVG sei. Diese Beurteilung folge aus der Rechtsprechung des BSG zum sog "Factual Entertainment" (BSGE 104, 265 = SozR 4-5425 § 25 Nr 5
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie ist der Ansicht, das LSG habe die Tätigkeit der professionellen (Eis-)Tänzer der darstellenden Kunst iS von § 2 KSVG zuordnen müssen, weil es sich nicht um sportliche Wettbewerbe, sondern um reine Unterhaltungsshows gehandelt habe. Der Unterhaltungswert resultiere aus der Vermischung von Tanzsequenzen mit Trainingseinheiten und Rahmenhandlungen sowie deren Kommentierungen. Hierzu leisteten die professionellen (Eis-)Tänzer einen maßgeblichen Beitrag. Die Choreografie und Trainingsarbeit schaffe hierfür die Basis, sodass die Zuordnung zur Tanzkunst im Sinne des KSVG gerechtfertigt sei. Das Honorar sei auch an selbstständige Künstler gezahlt worden. Die künstlerische Tätigkeit sei von Nachhaltigkeit geprägt, da die professionellen Tänzer über einen gewissen Zeitraum an der Staffel teilgenommen hätten. Auch die Honorarhöhe spreche für eine künstlerische Tätigkeit. Im Übrigen hätten einige der professionellen Tänzer einen sog Prominentenstatus durch Teilnahme an verschiedenen anderen Unterhaltungsshows erlangt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Oktober 2016 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18. Dezember 2014 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, die professionellen (Eis-)Tänzer hätten keine künstlerische, sondern eine sportliche Leistung in den Unterhaltungsshows dargeboten. Aktive Profisportler würden nicht dadurch zu Künstlern, wenn sie in Unterhaltungsshows auftreten. Nicht der Beitrag der professionellen (Eis-)Tänzer, sondern der der Prominenten sei ausschlaggebend für den Unterhaltungswert der Sendung gewesen, nicht zuletzt weil nur die Prominenten in Nahaufnahme auf dem Bildschirm abgebildet worden seien.
Die Revision der beklagten KSK ist unbegründet.
Das LSG hat auf die Berufung der klagenden Produktionsfirma hin das Urteil des SG und den ihm zugrunde liegenden ablehnenden Bescheid zu Recht geändert und einen Anspruch auf teilweise Rücknahme der streitigen Abrechnungsbescheide nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 25 KSVG bejaht, soweit die Beklagte für die professionellen (Eis-)Tänzer der Unterhaltungsshows "Let's Dance" und "Dancing on Ice" KSA in Höhe von insgesamt 22 225,50 Euro für die Jahre 2006 und 2007 festgesetzt hatte. Die angefochtenen Abrechnungsbescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 waren insofern zu Unrecht ergangen. Die Klage gegen den Bescheid vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2012 ist deshalb begründet und die Revision der Beklagten gegen das - der Klage stattgebende - Berufungsurteil zurückzuweisen.
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, hat die Beklagte beim Erlass ihrer Bescheide aus den Jahren 2008/2009 das Recht unrichtig angewandt. Die professionellen (Eis-)Tänzer der streitigen Unterhaltungsshows sind keine Künstler und haben auch keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVG verrichtet. Die Klägerin (bzw ihre Rechtsvorgängerin) unterliegt insoweit nicht der KSA-Pflicht. Bei diesem Personenkreis handelt es sich vielmehr um Sportler, die im Schwerpunkt Turnier-(Eis-)Tanzsport im Rahmen der Unterhaltungsshows ausübten und die ihren Status als (Leistungs-)Sportler nicht dadurch änderten, dass sie an diesen Unterhaltungsformaten teilnahmen.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2012 in Bezug auf das Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X. Zutreffend hat das LSG daher nicht über weitere Abrechnungsbescheide für Folgejahre entschieden. Insoweit waren die Voraussetzungen von § 96 Abs 1 SGG der während des Rechtsstreits erlassenen Abrechnungsbescheide für spätere Zeiträume nicht erfüllt (vgl nur BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 3 RdNr 11 mwN). Ebenso ist der auf § 27 Abs 1a KSVG beruhende Änderungsbescheid vom 19.3.2012 nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG geworden, weil er nicht den im Überprüfungsverfahren ergangenen Ablehnungsbescheid betraf. Daher hat die Beklagte den Änderungsbescheid im Widerspruchsbescheid weder erwähnt noch hierüber entschieden (anders der Sachverhalt in BSGE 115, 158 = SozR 4-2500 § 186 Nr 4, RdNr 9). Vielmehr hat die Klägerin gegen diesen Änderungsbescheid ein separates Widerspruchsverfahren angestrengt, das nach den beigezogenen Verwaltungsakten bislang nicht beendet worden ist. Im Übrigen haben die Beteiligten auch keine prozessrechtlichen Rügen gegen das Berufungsurteil erhoben.
2. Rechtsgrundlage für die teilweise Zurücknahme der bestandskräftig gewordenen Abrechnungsbescheide vom 11.4.2008 und 9.4.2009 ist § 44 Abs 1 S 1 SGB X. Die Vorschrift des § 44 SGB X ist im Verwaltungsverfahren des KSVG anwendbar (§ 36a KSVG, vgl näher BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 44; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 12).
Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst damit Leistungs- und Beitragsbescheide sowie alle Verwaltungsakte, soweit die vollständige oder teilweise Verwehrung der Sozialleistung oder die Erhebung eines Beitrags auf ihm beruht. Dazu ist eine regelnde Wirkung des Verwaltungsakts für die fragliche Leistungs- bzw Beitragsposition erforderlich, die ua gegeben ist, wenn eine Beitragszahlungspflicht festgestellt wird. Materiell-rechtlich muss eine auf dieser Feststellung beruhende Beitragserhebung hinzukommen (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 13 mwN).
Nach diesen Maßgaben ist der Geltungsbereich von § 44 Abs 1 S 1 SGB X eröffnet. Die Beklagte setzte mit den Abrechnungsbescheiden vom 11.4.2008 und 9.4.2009 die streitige KSA zu Unrecht fest, die die Klägerin bereits entrichtet hat.
3. Vorliegend steht nicht im Streit, dass die Klägerin grundsätzlich zur KSA nach dem KSVG verpflichtet ist, weil sie ein für das Fernsehen produzierendes Unternehmen betreibt, das darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten oder für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen sorgt und bespielte Bild- und Tonträger herstellt (vgl § 24 Abs 1 S 1 Nr 2 bis 5 KSVG). Welche Ziffer des Katalogtatbestands von § 24 Abs 1 S 1 KSVG greift, kann daher dahingestellt bleiben.
4. Die streitigen Abrechnungsbescheide beruhen auf § 25 KSVG (idF des zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze
5. Nach § 2 S 1 KSVG (idF des KSVGÄndG 2) ist Künstler im Sinne dieses Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst, schafft, ausübt oder lehrt. Damit bezeichnet das Gesetz drei Sparten der Kunst, die üblicherweise unterschieden werden (Musik, darstellende und bildende Kunst), jeweils umschrieben in den Varianten des Schaffens, Ausübens und Lehrens. Eine weitergehende Festlegung, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder durch den Gesetzgeber nicht erfolgt. Das KSVG nennt nur allgemein die Begriffe "Künstler" und "künstlerische Tätigkeiten", wobei auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs bewusst verzichtet wurde (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Sozialversicherung der selbstständigen Künstler und Publizisten <Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG ->, BT-Drucks 8/3172 zu § 2 S 21). Der Begriff der Kunst ist deshalb aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen. Er soll trotz seiner Unschärfe jedenfalls solche künstlerischen Tätigkeiten erfassen, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahr 1975 (veröffentlicht in BT-Drucks 7/3071) beschäftigt. Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel erst dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (zB Theater, Malerei, Musik) entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis der Betroffenen zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- oder Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird (stRspr, vgl nur zuletzt BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 19 RdNr 23 mwN).
6. Die hier vorliegende Art der Fernsehunterhaltung lässt sich in das Hybridformat des sog "Factual Entertainments" einordnen, das sich durch eine Vermischung der Darstellung und Inszenierung von Personen mit realen Informationen charakterisieren lässt. Die Grenzen zwischen Faktizität und Fiktion verlieren sich. Hierzu gehören zB Formate des Reality-TV, Gerichtsshows, Musik- bzw Gesangswettbewerbe, Daily Talks und Soaps, etc (vgl Krüger, Factual Entertainment-Fernsehunterhaltung im Wandel, Media Perspektiven 4/2010, S 158 ff, 160). Kennzeichnend für diese Unterhaltungsformate insbesondere im Bereich der Musik- und Medienindustrie ist die Simulation eines Wettbewerbs, der weniger qualitativen Ansprüchen als der Steigerung der Ökonomieeffektivität der Unterhaltungsbranche verpflichtet ist (vgl Döveling/Mikos/Mieland
7. Nach diesen Maßstäben kommt es darauf an, wie die konkrete Tätigkeit der Akteure im Kontext der Fernsehshow zu beurteilen ist, dh, ob sie eine künstlerische bzw - eine hier nicht relevante - publizistische Leistung iS von § 2 S 1 KSVG präsentiert haben. Das LSG hat diese Voraussetzung der KSA-Pflicht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise rechtsfehlerfrei verneint. Es hat die nach Lage des Einzelfalls als wesentliche Indizien in Betracht kommenden Umstände nach dem Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) ausführlich festgestellt und nachvollziehbar, den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 24 ff; zur Gesamtabwägung und Tatsachenwürdigung im Bereich des KSVG vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 34 ff
8. Eine Tätigkeit als Künstler nach den Katalogberufen des "Künstlerberichts" der Bundesregierung (vgl erneut BT-Drucks 7/3071, S 7 Tabelle 1) liegt nicht vor. Die professionellen (Eis-)Tänzer können nach den Feststellungen des LSG nicht als "Tänzer (Ballett)", "Choreograph" oder "Unterhaltungskünstler" eingeordnet werden. Neben dem Bereich der "Tanzkunst", die Teil der sehr weit gefächerten "Unterhaltungskunst" ist und zur "darstellenden Kunst" iS des § 2 S 1 KSVG gehört, existiert der Tanz auch als Teil des Sports. Eine Form des Tanzes, die Bestandteil des (professionellen) Spitzen- bzw Leistungssports oder des (nicht professionellen) Breiten- bzw Freizeitsports ist, kann aber nicht als Kunst eingeordnet werden (stRspr, vgl BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 23 RdNr 15
a) Kennzeichnend für den Sport ist vorrangig der Wettkampfgedanke. Sportliche Betätigungen, die nicht wettkampfmäßig betrieben werden, können aber auch dann nicht ohne Weiteres der Künstlersozialversicherung zugeordnet werden, selbst wenn die Ausführenden wegen des Unterhaltungswerts ihrer Darbietungen ein Entgelt erhalten (vgl BSGE 82, 107, 111 f = SozR 3-5425 § 25 Nr 12 S 65
b) Nach diesen Maßstäben ist die Tätigkeit der professionellen (Eis-)Tänzer in den Unterhaltungsshow dem Bereich des Sport und nicht der Kunst zuzuordnen. Dem steht nicht entgegen, dass der "Teilnehmervertrag (Professionelle Tänzer)" die Akteure zur Mitwirkung als "Choreograf und Tanzpartner einer prominenten Person" verpflichtet. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine choreografische oder (bühnen-)tänzerische Tätigkeit im Sinne des KSVG. Das choreografische Element bezieht sich vielmehr auf den Wettbewerbscharakter des Turniertanzwettbewerbs, der einem verbindlichen, aus dem Bereich des Sports stammenden Regelwerk folgt. Die Choreografie des Tanzes, die der Berufstänzer für die prominente Person übernimmt, muss sich an dem Regelwerk für Standard- bzw lateinamerikanische Tänze bzw an dem Bewertungssystem der Olympischen Spiele des Eistanzwettbewerbs orientieren. Nach den aufgezeigten Maßstäben handelt es sich dann aber regelmäßig um die Ausübung von (Leistungs- bzw Freizeit-)Sport und nicht im Rechtssinne um Kunst.
Auch geht es bei den professionellen Tänzern nicht um die Ausübung von darstellendem Tanz im Sinne des KSVG. Die professionellen (Eis-)Tänzer sind nicht wegen ihrer Kunst der Darstellung, sondern allein wegen ihrer Profession als Turnier-(Eis-)Tanzsportler verpflichtet worden. In Ausübung ihrer Profession sollen sie den Turniertanzwettbewerb zusammen mit einem prominenten Tanzpartner, der erst auf ein bestimmtes Leistungsniveau hin trainiert werden muss, möglichst wettkampfmäßig bestreiten. Sie übernehmen insoweit die Funktion eines Dienstleisters bzw eines Trainers für den Prominenten. Die professionellen (Eis-)Tänzer sind in dieser Rolle auch keine Unterhaltungskünstler, da sie weder artistische noch varietébezogene Tätigkeiten wahrnehmen (vgl zur Abgrenzung BSGE 83, 160, 163 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 35
c) Eine andere Bewertung folgt nicht daraus, dass die professionellen (Eis-)Tänzer ein maßgeblicher Bestandteil der Unterhaltungsshows sind. Das Unterhaltungsformat der Tanzshows wäre nämlich nicht realisierbar, wenn die Klägerin künstlerische Bühnentänzer bzw reine Unterhaltungskünstler anstelle von Turnier-(Eis-)Tanzsportlern engagiert hätte. Denn diese Unterhaltungsshows beruhen auf dem Konzept, die Differenzierung und strikte Trennung von prominenten Künstlern und Turnier-(Eis-)Tänzern durchgehend aufrechtzuerhalten. Dies spiegelt sich auch wider in der unterschiedlichen vertraglichen Aufgabenstellung, in einem deutlich geringeren (um etwa 1/5 niedrigeren) Entgelt im Vergleich zum Entgelt der Prominenten, in der Ausrichtung des Trainings am Zeitplan des Prominenten, in wesentlich längeren Sequenzen der Prominenten im Fernsehen sowie in einer insgesamt deutlich gesteigerten medialen Aufmerksamkeit, die den Prominenten bis zur Titelvergabe "König bzw Königin des Tanzparketts" als Gewinner des Wettbewerbs entgegengebracht wird (vgl Abs 1 Regelwerk und Konzept "Let's Dance"). Daraus hat das LSG beanstandungsfrei den Schluss gezogen, dass der wesentliche Unterhaltungswert der beiden Shows in der Inszenierung von prominenten Personen aus der Schauspiel- bzw Unterhaltungsbranche liegt, die sich dem mühevollen Tanztraining unterziehen und sich an den Regeln des Turnier-(Eis-)Tanzsports messen lassen müssen. Darin liegt der deutliche Schwerpunkt dieser Unterhaltungsshows. Dahinter zurück tritt der Umstand, dass die Zuschauer - durch ein ihren eigenen Wertmaßstäben bzw Sympathien unterliegendes Votum - Einfluss auf das Ergebnis des Tanzwettbewerbs nehmen können.
d) Wenngleich nicht alle zu berücksichtigenden Abgrenzungskriterien zwischen Sport und Kunst, insbesondere die Art der Veranstaltung und der Veranstaltungsort, hier typischerweise für eine Sportausübung sprechen, so ist dies letztlich dem Unterhaltungsformat des "Factual Entertainments" geschuldet, das die Kategorien zwischen Inszenierung und Realität - hier im Rahmen des (Eis-)Tanzwettbewerbs - bewusst vermischt. Im Wesentlichen kommt es daher darauf an, die zu beurteilenden Tätigkeiten ihrem Gesamtbild nach zutreffend zu erfassen und abzuwägen (vgl ähnlich für die Statusabgrenzung im allgemeinen Sozialversicherungsrecht BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25).
Würde hingegen jede Art der Betätigung in einer Unterhaltungsshow dem Bereich der darstellenden Kunst in der Künstlersozialversicherung zugeordnet, so führte dies zu einer erheblichen Ausweitung der Abgabepflicht. Belastungen mit Sozialversicherungsbeiträgen erfordern aber eine besondere Legitimation (vgl BVerfGE 75, 108, 158 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 12) und setzen die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der von der Abgabepflicht nach dem KSVG betroffenen Unternehmen voraus (vgl BSGE 74, 117, 120 = SozR 3-5425 § 24 Nr 4 S 16 mwN).
e) Die vorliegend getroffene Differenzierung stellt die beklagte KSK im Übrigen auch nicht vor unüberwindbare oder unzumutbare Schwierigkeiten bei der verwaltungsmäßigen Festsetzung der KSA. Eine unterschiedslose Veranlagung zur Abgabepflicht aller gezahlten Entgelte an von Showproduzenten in Anspruch genommene Personen ließe sich allein mit der Höhe des Verwaltungsaufwands kaum rechtfertigen.