Entscheidungsdatum: 24.02.2011
Wer eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, hält sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung auf und ist unabhängig von gewährten Vollzugslockerungen grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen.
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 2009 und des Sozialgerichts Mannheim vom 6. November 2008 insoweit aufgehoben, als der Bescheid vom 8. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 für den Zeitraum vom 4. Mai bis 31. Mai 2007 aufgehoben wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat der Beklagte 1/5 zu erstatten.
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vor dem Hintergrund des Aufenthalts des Klägers in einer Justizvollzugseinrichtung zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe sowie über die Gewährung von Leistungen während der Haftzeit.
Mit Bescheid vom 24.11.2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 in Höhe von monatlich 641,56 Euro einschließlich Kosten der Unterkunft. Der Bewilligungsbescheid enthielt den Hinweis, der Kläger müsse unter der von ihm benannten Adresse erreichbar sein. Für den Fall seiner Ortsabwesenheit sei er verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Abwesenheit mit seinem persönlichen Ansprechpartner bei dem Beklagten vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit könne zum Wegfall und zur Rückforderung des Alg II führen.
Am 30.4.2007 teilte die Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim dem Beklagten die Inhaftierung des Klägers vom 21.4. bis zum 23.8.2007 mit. Der Kläger wohnte ab dem 4.5.2007 im Freigängerheim. Ausgang erhielt er nur für bestimmte Erledigungen wie Behördengänge, Bankgeschäfte oder Verrichtungen in der eigenen Wohnung. In der JVA führte er Reinigungsarbeiten durch. Hätte er außerhalb der JVA eine Beschäftigung gefunden, hätte er diese nach Auskunft der JVA ausüben können und von morgens bis Arbeitsende Ausgang erhalten.
Der Beklagte hob aufgrund der Mitteilung der JVA den Leistungsbescheid vom 24.11.2006 mit Bescheid vom 15.5.2007 ab Haftantritt für die laufende Bewilligungsperiode bis 31.5.2007 auf. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 19.6.2007 wurde der Kläger aus der Haft entlassen. Er stellte am 29.6.2007 bei dem Beklagten einen Fortzahlungsantrag. Mit Bescheid vom 5.7.2007 bewilligte ihm der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 20.6. bis zum 30.11.2007.
Mit Bescheid vom 8.8.2007 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 24.11.2006 nochmals weitergehend teilweise für einen hier nicht mehr streitgegenständlichen Zeitraum und für den Zeitraum ab Haftbeginn am 21.4.2007 vollständig auf. Auf die Widersprüche des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8.8.2007 und gegen den Bewilligungsbescheid vom 5.7.2007 änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 den Bescheid vom 8.8.2007 insoweit ab, als der Kläger für die Zeit der Inhaftierung 50 Euro weniger zu erstatten habe. Im Übrigen wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Nach Auffassung des Beklagten hatte der Kläger während der gesamten Zeit der Inhaftierung vom 21.4. bis einschließlich 19.6.2007 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.
Die hiergegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das Sozialgericht Mannheim hat den Bescheid vom 8.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2007 insoweit aufgehoben, als - trotz Verlegung des Klägers in das Freigängerheim - für den Zeitraum vom 4.5. bis 31.5.2007 die ursprüngliche Leistungsbewilligung aufgehoben und die Leistungen zurückgefordert worden waren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die von beiden Beteiligten eingelegte Berufung mit Urteil vom 7.10.2009 zurückgewiesen. Als streitgegenständlich hat das LSG nur den Zeitraum ab 21.4.2007 angesehen. Der Beklagte habe die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 21.4. bis 3.5.2007 zu Recht aufgehoben. In dieser Zeit sei der Kläger von Leistungen ausgeschlossen gewesen, weil er sich in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung aufgehalten habe. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass es sich vorliegend um die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe gehandelt habe. Mit der Verhängung einer Geldstrafe nach Tagessätzen sei zugleich die Ersatzfreiheitsstrafe richterlich verfügt. Der Kläger habe die vorgeschriebene Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich seien, unverzüglich mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig verletzt. Aufgrund der Hinweise im Bewilligungsbescheid zur Erreichbarkeit habe er gewusst bzw wissen müssen, dass er während der Zeit der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe unter seiner bisherigen Adresse nicht erreichbar sein würde und dies dem Beklagten mitteilen müssen. Etwas anderes gelte aber für die Zeit ab dem 4.5.2007, in der der Kläger im Freigängerheim untergebracht gewesen sei. Zwar sei die Ausnahmeregelung des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II nach ihrem reinen Wortlaut nicht einschlägig, da der Kläger in dieser Zeit nicht unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden in der Woche erwerbstätig gewesen sei. Nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) vertretenen funktionalen Einrichtungsbegriff sei aber nur maßgebend, ob es dem Kläger aufgrund der objektiven Struktur der Einrichtung möglich gewesen wäre, eine solche Erwerbstätigkeit auszuüben. Im Übrigen bestehe kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 1.6. bis 19.6.2007, da der Kläger erst am 29.6.2007 einen Fortzahlungsantrag gestellt habe und für Zeiten vor Antragstellung keine Leistungen zu erbringen seien.
Gegen das Berufungsurteil haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Beide rügen eine Verletzung des § 7 Abs 4 SGB II.
Der Kläger ist der Ansicht, der Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II greife vorliegend nicht, weil es sich bei der von ihm zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe nicht um eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung handele. Im Übrigen habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, als er die Inhaftierung nicht mitgeteilt habe, denn seine Festnahme sei für ihn überraschend erfolgt. Im Übrigen habe er auch Anspruch auf Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 1.6. bis 19.6.2007.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 6. November 2008 zu ändern
und den Bescheid vom 8. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 aufzuheben, soweit für den Zeitraum vom 21. April bis zum 3. Mai 2007 Leistungen zurückgefordert werden, sowie
den Bescheid vom 5. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni bis 19. Juni 2007 die Regelleistung nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, sowie
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 6. November 2008 insoweit aufzuheben, als der Bescheid vom 8. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 für die Zeit vom 4. Mai bis 31. Mai 2007 aufgehoben wurde, sowie
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 SGB II sollten alle Personen von Leistungen ausgeschlossen sein, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind. Nach der gesetzlichen Vorschrift solle nur für solche Personen eine Ausnahme gemacht werden, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich erwerbstätig sind. Lege man auch der Neuregelung des § 7 Abs 4 SGB II den zur alten Rechtslage vom BSG entwickelten funktionalen Einrichtungsbegriff zugrunde, verbleibe für § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II kein Anwendungsbereich mehr.
Die Revision des Beklagten ist begründet, während die Revision des Klägers insgesamt unbegründet ist (§ 170 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der ursprüngliche Bescheid des Beklagten vom 8.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007, mit dem die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum der Inhaftierung des Klägers aufgehoben worden war, erweist sich als rechtmäßig, sodass der Kläger nicht beschwert ist (§ 54 Abs 2 SGG). Das LSG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger gemäß § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen ausgeschlossen war, solange er sich im Regelvollzug befand, ungeachtet der Tatsache, dass er "nur" eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte. Entgegen der Ansicht des LSG galt der Leistungsausschluss aber auch, nachdem der Kläger in ein Freigängerheim verlegt worden war. Der Beklagte war deshalb nicht verpflichtet, für den Zeitraum vom 4.5. bis 31.5.2007 Leistungen zu erbringen .
1. Streitgegenstand ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.12.2007, den der Kläger im Revisionsverfahren nur noch für den Zeitraum seiner Inhaftierung vom 21.4. bis zum 19.6.2007 angreift. Zutreffend haben die Vorinstanzen insoweit angenommen, dass der Zulässigkeit der Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 8.8.2007 nicht die Bestandskraft des Aufhebungsbescheids vom 15.5.2007 teilweise entgegensteht (vgl § 77 SGG). Im Hinblick auf den Aufhebungszeitraum ab dem 21.4.2007 hat der Beklagte mit seinem Bescheid vom 8.8.2007 einen neuen Verwaltungsakt erlassen, der den ursprünglichen Aufhebungsbescheid vom 15.5.2007 im Sinne einer einheitlichen und von der ursprünglichen Entscheidung unabhängigen Entscheidung ersetzt hat (sog Zweitbescheid, vgl BSG Urteil vom 7.7.2005 - B 3 P 8/04 R - BSGE 95, 57 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6).
Der weitere Streitgegenstand ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 5.7.2007, mit dem Leistungen nach der Haftentlassung ab dem 20.6.2007 bewilligt wurden, während der Kläger auch weiterhin noch Leistungen während der Haftzeit vom 1.6. bis 19.6.2007 begehrt.
2. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 8.8.2007 ist auch insoweit rechtmäßig, als die ursprüngliche Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 24.11.2006, die sich auf den Zeitraum vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 bezog, ab dem 21.4.2007 bis zum Ende des Leistungszeitraums am 31.5.2007 aufgehoben worden ist.
Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, denn durch die Inhaftierung des Klägers am 21.4.2007 ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, die sich auf die mit Bescheid vom 24.11.2006 erfolgte Leistungsbewilligung auswirkt. Der Kläger war ab diesem Zeitpunkt gemäß § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (
a) Gemäß § 7 Abs 4 SGB II in der vom 1.8.2006 bis 27.8.2007 geltenden Fassung erhielt Leistungen nach diesem Buch nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht war, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistungen oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezog. Nach Satz 2 war dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II liegen hier vor, denn der Umstand, dass der Kläger in der JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Strafgesetzbuch (StGB) verbüßte, führt nicht dazu, dass der Leistungsausschluss nach der genannten Norm auf ihn keine Anwendung findet (vgl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 17.6.2010 - L 15 AS 89/10 -; A. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 7 RdNr 86.1; aA Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand April 2010, § 7 RdNr 207; Münder/Geiger, SGb 2007, 1, 7). Auch ein Gefangener, der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, hält sich in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung auf (vgl Arloth, StVollzG, Kommentar, 3. Aufl 2011, § 1 RdNr 3). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger ausdrücklich nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist und nicht zu einer Freiheitsstrafe, die ohnehin unter einem Mindestmaß von einem Monat nicht hätte verhängt werden dürfen (§ 38 Abs 2 StGB) und unter sechs Monaten grundsätzlich nicht verhängt werden soll (§ 47 Abs 1 StGB). Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall, dass die Geldstrafe nicht gezahlt wird, erfolgt zwar allein auf Anordnung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 459e Abs 1 Strafprozessordnung <StPO> iVm § 451 Abs 1 StPO). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, die Ersatzfreiheitsstrafe sei keine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung iS von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II. Dies ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Ersatzfreiheitsstrafe in der (nicht abschließenden) Aufzählung der verschiedenen Vollzugsformen richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/1410, 20) nicht aufgeführt ist.
Hintergrund für den fehlenden Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Nichtzahlung der Geldstrafe im Strafurteil ist nämlich, dass der Maßstab der Umrechnung zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe im Gesetz bereits bestimmt ist und dem Strafrichter insoweit kein Raum für eine eigene Entscheidung verbleibt (§ 43 Satz 2 StGB, vgl dazu Häger in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl 2006, § 43 RdNr 5 mwN). Die Ersatzfreiheitsstrafe tritt damit als echte Strafe ohne rechtsgestaltenden Akt an die Stelle der Geldstrafe (vgl BVerfG NJW 2006, 3626; BGHSt 20, 13, 16). Aus diesem Grund erfordert auch Art 104 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG), wonach über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden hat, keinen ausdrücklichen Ausspruch im Strafurteil. Durch die Bestimmung der Zahl der Tagessätze erklärt der Strafrichter zugleich die Vollstreckung einer bestimmten Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe für zulässig (vgl Häger aaO). Daraus folgt, dass bei jeder Verurteilung zu einer Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtzahlung der Geldstrafe mitgedacht und mitverhängt wurde, sie ist damit eine "echte" Freiheitsstrafe. Somit ist auch die Ersatzfreiheitsstrafe eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung iS des § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II. Dies ist im Übrigen auch zwingend, um dem von Verfassungs wegen geforderten Richtervorbehalt zu genügen.
b) Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X durch den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 4 SGB II wegen der Verbüßung der (Ersatz-)Freiheitsstrafe galt auch weiterhin für den Zeitraum ab dem 4.5.2007, ab dem der Kläger in das Freigängerheim verlegt wurde und dort Vollzugslockerungen in Form von Ausgang erhielt (vgl § 11 Abs 1 Nr 2 Strafvollzugsgesetz <StVollzG> iVm Art 125a Abs 1 GG bzw nunmehr § 9 Abs 2 Nr 2 des 3. Buchs - Strafvollzug - des Gesetzbuchs über den Justizvollzug in Baden-Württemberg vom 10.11.2009, GBl 2009, 545). Die Vollzugslockerungen führen nicht dazu, dass der Kläger sich nicht mehr in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhielt.
Der Senat hat zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 SGB II in der ursprünglichen, bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung entschieden, dass die Unterbringung in einer stationären Einrichtung als Fall der gesetzlichen Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ausgestaltet worden ist (Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 16/07 R - BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7 RdNr 16; BSG FEVS 61, 241). Diese Fiktion könne nur mit der Aufnahme einer mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Erwerbsarbeit zu regulären Arbeitsmarktbedingungen widerlegt werden. Die Zuweisung von Hilfebedürftigen zum System des SGB II oder dem Sozialhilferecht nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) entscheide sich im Rahmen des § 7 Abs 4 SGB II mithin nicht anhand der individuellen Leistungsfähigkeit bzw Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen. Es komme vielmehr ausschließlich auf die objektive Struktur und Art der Einrichtung an. Sei diese so strukturiert und gestaltet, dass es dem dort Untergebrachten nicht möglich sei, aus der Einrichtung heraus eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die den zeitlichen Kriterien des § 8 SGB II genüge, so sei der Hilfebedürftige dem SGB XII zuzuweisen.
Dagegen hatte der Senat bislang keinen Fall zu entscheiden, in dem § 7 Abs 4 SGB II idF des FortentwicklungsG Anwendung fand. In der bereits genannten Grundsatzentscheidung vom 6.9.2007 (B 14/7b AS 16/07 R) wurde lediglich angedeutet, dass der funktionale Einrichtungsbegriff auch mit der Neufassung des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II vereinbar sei. Nach der dort normierten Rückausnahme kann abweichend von § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II, der den grundsätzlichen Leistungsausschluss bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung enthält, Leistungen nach dem SGB II auch erhalten, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Ob der vom BSG entwickelte funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die Rechtslage nach dem FortentwicklungsG weiterer Modifizierungen bedarf, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Die ausdrückliche und spezielle Regelung bezüglich der Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen im Rahmen des § 7 Abs 4 SGB II lässt jedenfalls erkennen, dass diese Einrichtungen eine Sonderstellung einnehmen. Nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II nF ist nach der Definition des Gesetzgebers der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung dem Aufenthalt "in einer stationären Einrichtung" gleichgestellt. Es ist also nicht mehr zu prüfen, ob es sich bei einer JVA um eine stationäre Einrichtung handelt. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird auch durch die Gesetzesbegründung belegt, wonach es Ziel ist, Personen in diesen Einrichtungen vom Leistungsbezug nach dem SGB II auszuschließen (vgl BT-Drucks 16/1410, 20). Es kommt folglich bei den Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nicht mehr darauf an, ob sie nach ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von vornherein ausschließen. Die Weichenstellung zwischen den Leistungssystemen erfolgt in diesem Fall somit ausnahmsweise nicht anhand der objektiven Struktur der Einrichtung im Einzelfall, sondern generalisiert für alle unter § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II fallenden Einrichtungen, weil sich der Aufenthalt in diesen Einrichtungen wesentlich von dem Aufenthalt in anderen stationären Einrichtungen unterscheidet. Insbesondere bedarf es in einer JVA für jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer vorherigen, im Ermessen stehenden Gestattung durch die Anstalt (vgl § 39 Abs 1 StVollzG). Vor dem Hintergrund der Rechtslage nach dem FortentwicklungsG kommt es deshalb für die Frage, ob SGB II-Leistungen bezogen werden können, auch nicht darauf an, ob Vollzugslockerungen gewährt werden. Nur soweit einem Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II die Aufnahme eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses erlaubt wird, kann er gemäß § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 SGB II wiederum leistungsberechtigt sein. Diese Rückausnahme gilt auch im Falle des Aufenthalts in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung. Ihre Voraussetzungen liegen im konkreten Fall aber nicht vor, denn der Kläger führte in der JVA Reinigungsarbeiten aus und war damit nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig.
c) Steht somit fest, dass der Kläger während der gesamten Zeit der auf den Leistungszeitraum entfallenden Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe (21.4. bis 31.5.2007) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war, so war der entsprechende Leistungsbescheid vom 24.11.2006 insoweit aufzuheben. Die Aufhebung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X kommt allerdings nur insoweit in Betracht, als der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die Feststellungen des LSG, der Kläger habe seine durch § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch vorgeschriebene Verpflichtung, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig verletzt, sind im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist zu beachten, dass die Entscheidung eines Tatsachengerichts darüber, ob leichte oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt (vgl zur Abgrenzung BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr 3), vom Revisionsgericht nur in engen Grenzen überprüft werden kann. Die Prüfung ist insbesondere darauf beschränkt, ob sich der Tatrichter der Unterschiede der Begriffe "leichte Fahrlässigkeit" und "grobe Fahrlässigkeit" bewusst gewesen und er mithin von einem zutreffenden Begriff der groben Fahrlässigkeit ausgegangen ist (vgl BSGE 47, 180 = SozR 2200 § 1301 Nr 8; BSGE 48, 190 = SozR 2200 § 1301 Nr 11; BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2; BSGE 88, 96 = SozR 3-3800 § 2 Nr 10). Die Würdigung des LSG, der Kläger habe vor dem Hintergrund des ausdrücklichen Hinweises auf die vom Leistungsempfänger sicherzustellende Erreichbarkeit gewusst bzw hätte wissen müssen, dass er während der Zeit der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe unter seiner bisherigen Adresse nicht erreichbar war und er dies dem Beklagten hätte mitteilen müssen, lässt nicht den Schluss zu, das LSG habe den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt.
3. Soweit der Kläger auch für die Zeit nach Beendigung des ursprünglichen Bewilligungsabschnitts ab dem 1.6.2007 bis zur Haftentlassung am 19.6.2007 die Gewährung der Regelleistung nach § 20 SGB II beansprucht, ist er auch für diesen Zeitraum gemäß § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II dem Grunde nach ausgeschlossen. Insoweit kommt es nicht mehr darauf an, dass es für die Bewilligung von Leistungen ab dem 1.6.2007 bereits an einem Fortzahlungsantrag fehlte (vgl § 37 Abs 1 SGB II, hierzu jüngst BSG Urteile vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R und B 4 AS 29/10 R).