Entscheidungsdatum: 30.01.2019
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Umstritten ist die Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft von März bis August 2013, insbesondere im Hinblick auf die abstrakte Angemessenheit.
Die 1951 geborene Klägerin bewohnt allein eine Zweizimmerwohnung in Bad Segeberg, für die monatlich zu zahlen waren 340 Euro Nettokaltmiete, 47,50 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 62,50 Euro Heizkostenvorauszahlung, insgesamt 450 Euro. Das beklagte Jobcenter wies die Klägerin auf die Unangemessenheit ihrer Kosten hin, angemessen seien als Kosten der Unterkunft 339 Euro (Schreiben vom 28.3.2012). Für März bis August 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II nur noch unter Anerkennung dieses Betrags als Bedarf für die Unterkunft sowie der tatsächlichen Heizkosten (Bescheid vom 25.2.2013; Widerspruchsbescheid vom 8.3.2013), änderte diese Bewilligung jedoch wegen eines Absetzbetrags ab (Bescheid vom 22.3.2013).
Das SG hat den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 25.2.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.3.2013 verurteilt, der Klägerin Alg II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Urteil vom 23.10.2013), weil die Festlegung von Wohnungsmarkttypen die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept nicht erfülle. Auf die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten hat das LSG nach weiteren Ermittlungen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.12.2017). Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das gesamte Kreisgebiet als einheitlichen Vergleichsraum zugrunde gelegt, aber in fünf Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten untergliedert habe, um einer Differenzierung der Preisstruktur innerhalb des Vergleichsraums Rechnung zu tragen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, weil das LSG zu Unrecht die Vorgehensweise des Beklagten gebilligt habe, den Kreis Segeberg als einen Vergleichsraum zu bestimmen und innerhalb dessen Wohnungsmarkttypen zu bilden. Die Übertragung der zu Großstädten entwickelten Rechtsprechung des BSG zum Vergleichsraum auf Flächenlandkreise sei problematisch. Die an Hamburg grenzende Stadt Norderstedt habe keinerlei Bezug zu dem eher ländlich und dörflich orientierten nordöstlichen Teil des Kreises.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. Oktober 2013 zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des LSG und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Ggf als notwendig angesehene Nachermittlungen zur Vergleichsraumbildung und Erstellung eines schlüssigen Konzepts seien möglich.
Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht darüber entscheiden, ob bei der Klägerin ein höherer Bedarf für die Unterkunft anzuerkennen ist.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid des Beklagten vom 22.3.2013, der den vorangegangenen Bescheid vom 25.2.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.3.2013 ersetzt hat (zur Anwendbarkeit des § 96 SGG auf nach Erlass des Widerspruchsbescheids, jedoch vor Klageerhebung ergangene Bescheide vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 3a), sowie die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 SGB II für März bis August 2013 (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung: BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10).
2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere ist die Berufung zulässig, weil sie vom SG zugelassen worden ist. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), zulässigerweise gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG).
Ein solches Grundurteil im Höhenstreit ist auch hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein strittigen Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft zulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit in Abgrenzung zu einer unzulässigen Elementfeststellungsklage ist eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird (vgl nur BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10 mwN; zur Abgrenzung bei Verfahren nach § 44 SGB X: BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 32/16 R - BSGE 123, 199 = SozR 4-4200 § 11 Nr 80, RdNr 17 ff). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil der Beklagte der Klägerin Alg II bewilligt hat und die Klägerin Anspruch auf höheres Alg II hat, wenn ihrem Vorbringen zur Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft gefolgt wird.
3. Rechtsgrundlage eines Anspruchs der Klägerin auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung für März bis August 2013 gegen das beklagte Jobcenter sind §§ 19, 22 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850; zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.5.2013, BGBl I 1167). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f).
4. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Alg II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und der des Bedarfs für die Heizung haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl nur BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, RdNr 18 mwN), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs 1 Satz 4 SGB II) und der zwischenzeitlich eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 10 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 26.7.2016 (BGBl I 1824).
Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24
5. Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (stRspr: vgl BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19
Gegen die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen keine durchgreifenden Bedenken, zumal zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c SGB II zu berücksichtigen sind (BVerfG vom 6.10.2017 - 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 - RdNr 17; BSG vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R - BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr 93
Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar (vgl nur Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 40 RdNr 147 ff, § 46 RdNr 63 ff, jeweils mwN; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, K § 31 RdNr 100, Stand der Einzelkommentierung 12/2011) und die Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II ebenfalls. Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für die von Jobcentern in diesem Zusammenhang zum Teil beanspruchte "nicht justiziable Einschätzungsprärogative" oder "gerichtlich nicht überprüfbare politische Entscheidung" sind im Lichte von Art 19 Abs 4 GG nicht ersichtlich (vgl zur vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit die einhellige Auffassung der Literatur zu § 22 SGB II: Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 61; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2012; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 33, Stand der Einzelkommentierung 10/2016; Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 73, 91; Piepenstock in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 83; Wieland in Estelmann, SGB II, § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).
6. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (stRspr BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24 f; letztens BSG vom 12.12.2017 - B 4 AS 33/16 R - BSGE 125, 29 = SozR 4-4200 § 22 Nr 93
7. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das der Senat ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammenfasst und konkretisiert (stRspr BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30
8. Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen:
a) Der Vergleichsraum ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert zu ermitteln ist (BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19
Nach der auch für schlüssige Konzepte im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs 1 Satz 4 SGB II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters zunächst einen Vergleichsraum, der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere Vergleichsräume zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene Angemessenheitswerte bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie Tagespendelbereiche für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im Mietpreisniveau in Betracht.
b) Das schlüssige Konzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum dem Angemessenheitswert zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. Schlüssig ist ein Konzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von "Brennpunkten" durch soziale Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der Angemessenheitswerte aus den Daten dargelegt wird (grundlegend BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30
c) Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum oder ggf mehrere Vergleichsräume zu bilden, weil weder aus § 22 SGB II noch aus §§ 22a bis 22c SGB II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81
9. Es ist gerichtlich voll überprüfbar - wie ausgeführt (siehe 5.) -, ob die Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, insbesondere die Festlegung des Vergleichsraums und die Erstellung eines schlüssigen Konzepts im Rahmen der Methodenvielfalt zutreffend erfolgt ist. Die volle gerichtliche Überprüfung des Angemessenheitswerts und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass bei dieser Kontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche Kontrolle als eine nachvollziehende Kontrolle ausgestaltet wird (BVerfG vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1, juris-RdNr 70; vgl zu den Grenzen gerichtlicher Kontrolle zudem: BVerfG vom 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; vgl ferner Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 91, 104: "Verfahrenskontrolle").
a) Zur Umsetzung der gerichtlichen Kontrolle ist es auf eine entsprechende Klage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten Jobcenter ermittelten abstrakten Angemessenheitswerts sowohl im Hinblick auf die Festlegung des Vergleichsraums als auch die Erstellung eines schlüssigen Konzepts zu überprüfen.
Ist die Ermittlung dieses abstrakten Angemessenheitswerts rechtlich zu beanstanden, ist dem Jobcenter Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R - BSGE 117, 250 = SozR 4-4200 § 22 Nr 81
b) Gelingt es dem Jobcenter nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vgl zu dieser Pflicht des Gerichts § 131 Abs 2, 3 SGG sowie dessen Abs 5 mit der Zurückverweisung an die Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen; BSG vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R - BSGE 88, 215 = SozR 3-3300 § 9 Nr 1, juris-RdNr 42) nicht befugt, seinerseits eine eigene Vergleichsraumfestlegung vorzunehmen (dazu 10.) oder ein schlüssiges Konzept - ggf mit Hilfe von Sachverständigen - zu erstellen. Beide Entscheidungen korrespondieren miteinander, denn die Bildung des Vergleichsraums kann nicht von der Erstellung des Konzepts getrennt werden, einschließlich der anzuwendenden Methode, und sind dem Jobcenter vorbehalten (vgl zu den Auswirkungen dieser Entscheidungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt nur § 22a Abs 3 Satz 2 SGB II).
Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen; andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten Angemessenheitswerts die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem WoGG plus Zuschlag von 10 % (BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 26
10. Zu einer eigenen Festlegung des Vergleichsraums ist das Gericht nicht befugt. Insbesondere ist es, wenn das zuständige Jobcenter von einem Vergleichsraum für den gesamten Landkreis ausgeht, nicht zulässig, dass das Gericht wie in den parallel entschiedenen Verfahren (vgl zu BSG vom 30.1.2019 - B 14 AS 24/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen
Soweit in der Rechtsprechung des BSG für Großstädte insbesondere zur Vermeidung einer sozialen Segregation das gesamte Stadtgebiet als ein Vergleichsraum angesehen wurde (vgl BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19
Die Unterteilung eines Landkreises erfordert eine eingehende Würdigung verschiedener Faktoren, die dem Jobcenter aufgrund der Methodenvielfalt vorbehalten ist.
11. Ein Konzept, das zu mehreren Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten innerhalb eines Vergleichsraums aufgrund einer "Clusteranalyse" führt, erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen für ein schlüssiges Konzept. Denn für eine solche weitere Aufteilung der Städte und Gemeinden eines Vergleichsraums gibt es keine rechtliche Begründung, insbesondere können durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines Vergleichsraums nicht geändert werden (ebenso: Berlit in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 76).
Dass die zu einem Wohnungsmarkttyp zusammengefassten Städte und Gemeinden einen Vergleichsraum gemäß den aufgezeigten Voraussetzungen bilden, wird vom Beklagten nicht vorgetragen. Dies scheidet auch aus, weil die zu verschiedenen Wohnungsmarkttypen zusammengefassten Städte und Gemeinden auf den gesamten Vergleichsraum wie eine Art "Flickenteppich" verteilt sein können und der einzelne Wohnungsmarkttyp nicht beansprucht, einen aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich darzustellen (zu dieser Anforderung an einen Vergleichsraum siehe 8. a).
Die im Vordergrund eines Wohnungsmarkttypen-Konzepts stehenden unterschiedlichen Angemessenheitswerte je nach Wohnungsmarkttyp innerhalb des Vergleichsraums, zB für eine alleinstehende Person wie vorliegend, stehen im Widerspruch zu den dargestellten Anforderungen und Rechtsfolgen eines Vergleichsraums (siehe 8. a). Bei unterschiedlichen Angemessenheitswerten für die Nettokaltmiete je nach Wohnungsmarkttyp könnte, weil bei einer Kostensenkungsaufforderung ein Umzug innerhalb des Vergleichsraums zulässig ist, eine solche zu einem Umzug von einem Wohnungsmarkttyp mit niedrigeren Angemessenheitswerten in einen solchen mit höheren und damit letztlich zu einer Erhöhung der Aufwendungen führen. Die in § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II angeordnete Deckelung der Aufwendungen nach einem nicht erforderlichen Umzug innerhalb eines Vergleichsraums auf die bisherigen würde eine soziale Segregation bewirken, wenn sie auf den Umzug von einem "preiswerten" in einen "teuren" Wohnungsmarkttyp Anwendung fände, und sie würde ins Leere laufen, wenn aus einem "teuren" Wohnungsmarkttyp in einen "preiswerten" umgezogen wird. Dies zeigt, dass der Vergleichsraum die mit dessen Festlegung (auch) verfolgten Steuerungswirkungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt verliert, wenn in ihm kein einheitlicher abstrakter Angemessenheitswert bestimmt ist.
Im Übrigen mangelt es für die einzelnen Wohnungsmarkttypen an einer sie rechtfertigenden sachlichen Herleitung. Das LSG hat vorliegend dazu keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern nur die Abweichungen gegenüber dem anschließenden Konzept oder die Zweifel an der Zuordnung bestimmter Gemeinden als unbeachtlich angesehen. Vielmehr werden, wie ein Vergleich der Feststellungen des LSG in den parallel entschiedenen Verfahren zu solchen Konzepten zeigt (vgl LSG Sachsen-Anhalt vom 31.1.2018 - L 5 AS 201/17 -
12. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist das Urteil des LSG aufzuheben, weil das LSG die Entscheidung des beklagten Jobcenters als rechtmäßig angesehen hat, das gesamte Kreisgebiet als einen einheitlichen Vergleichsraum zugrunde zu legen, aber in fünf Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen für die Bruttokaltmiete zu untergliedern.
Aus dem Umstand, dass der Beklagte bei der Erstellung seines Konzepts die dargestellten Voraussetzungen für einzelne Schritte zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts eingehalten hat, wie zB eine Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum hinweg, folgt nicht, dass das erstellte Konzept insgesamt die Voraussetzungen für ein schlüssiges Konzept erfüllt. Angesichts dessen kann die Erörterung weiterer Einzelheiten, wie der Vergleich mit den Abweichungen gegenüber dem anschließenden Konzept oder die Zuordnung bestimmter Gemeinden, dahingestellt bleiben.
Die Sache ist zurückverwiesen worden, damit das LSG dem Beklagten Gelegenheit geben kann, Nachermittlungen zur Vergleichsraumbildung, insbesondere ob der gesamte Landkreis einen einheitlichen Vergleichsraum darstellt oder ggf zu unterteilen ist, und zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts auf der Basis der obigen Maßstäbe vorzulegen, zumal Vergleichsraumbildung und Erstellung eines schlüssigen Konzepts nicht voneinander zu trennen sind.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG ebenfalls zu entscheiden haben.