Entscheidungsdatum: 11.02.2015
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. November 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
I. Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die im Jahre 1971 geborene Klägerin stellte im Juni 2010 einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, der erfolglos blieb. Das SG Lübeck hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2012). Im Berufungsverfahren hat der Berichterstatter als konsentierter Einzelrichter (§ 155 Abs 4 SGG) das persönliche Erscheinen der Klägerin zur mündlichen Verhandlung angeordnet und ihre Prozessbevollmächtigten von diesem Termin benachrichtigt. Der Sachverständige Dr. K. ist zum Termin geladen worden, nachdem die Klägerin angekündigt hatte, ihm Fragen stellen zu wollen. In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2013 ist weder die Klägerin selbst noch sind ihre Prozessbevollmächtigten erschienen. Die Niederschrift über den Termin enthält den Hinweis, dass am Morgen des Verhandlungstags eine Rechtsanwalts- und Notargehilfin die Erkrankung von Rechtsanwalt A. mitgeteilt habe und der Termin aufgehoben werden solle. Sie habe erklärt, dass auch die beiden anderen Anwälte der Sozietät verhindert seien. Der Vorsitzende habe sie darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des Termins nicht in Frage käme, wenn die Gründe der Verhinderung der beiden Sozietätsmitglieder unbekannt seien. Bis zur Eröffnung der Sitzung um 11.55 Uhr habe eine weitere Nachricht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht vorgelegen. Im Einvernehmen mit der Terminsbevollmächtigten der Beklagten sei auf die Vernehmung von Dr. K. verzichtet worden.
Daraufhin hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14.11.2013). Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) zustehe, weil sie unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Sachverständigengutachten noch mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Der Rechtsstreit habe auch in Abwesenheit der Klägerin mündlich verhandelt und entschieden werden dürfen. Auf den telefonischen Hinweis des Vorsitzenden, dass die Behauptung der Verhinderung aller Sozietätsmitglieder in dieser Allgemeinheit nicht ausreiche, sei bis zum Beginn der Verhandlung keine Reaktion der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgt. Ein konkret begründeter Vertagungsantrag habe deshalb nicht vorgelegen, sodass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt sei.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG iVm Art 103 Abs 1 GG) und fehlende Sachverhaltsaufklärung (§ 103 SGG). Das LSG hätte die mündliche Verhandlung verlegen müssen, weil alle Sozietätsmitglieder nachweislich verhindert gewesen seien. Die Gründe ihrer Verhinderung seien dem Vorsitzenden bekannt gewesen. Der die Klägerin am Verhandlungstag vertretende Rechtsanwalt A. sei laut ärztlichem Attest am 14.11.2013 erkrankt gewesen; Rechtsanwältin Y. habe sich für eine Woche im Urlaub befunden und Rechtsanwalt T. habe eine mehrtägige Betriebsratsschulung durchgeführt.
Der Senat hat mit Schreiben vom 16.4.2014 eine Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und mit Schreiben vom 3.7.2014 eine dienstliche Erklärung des für den Rechtsstreit zuständigen Richters am LSG zu den näheren Umständen der Mitteilung der Verhinderungsgründe der Sozietätsmitglieder eingeholt.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Der von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Daher war ihre Beschwerde zurückzuweisen.
Die Klägerin hat zwar formgerecht (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG) die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gerügt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dem LSG ein solcher Verfahrensfehler unterlaufen ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in einer mündlichen Verhandlung darzulegen (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 4 S 5). Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 S 1 SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33; BSG vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - Juris RdNr 16).
Einem Verfahrensbeteiligten wird aber rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl Antrag auf Terminsaufhebung nach § 202 S 1 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO gestellt wurde und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht wor-den sind. Ein solcher Antrag mit einem hinreichend substantiiert geltend und ggf glaubhaft gemachten Aufhebungsgrund (§ 227 Abs 2 ZPO) begründet grundsätzlich eine entsprechende Pflicht des Gerichts, den anberaumten Termin zu verlegen (vgl BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; Senatsbeschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B - Juris RdNr 10). Zu den erheblichen Gründen iS des § 202 SGG iVm § 227 ZPO gehört auch die Verhinderung des sachbearbeitenden Bevollmächtigten. Es ist allerdings zu prüfen, ob eine Vertretung durch einen anderen Prozessbevollmächtigten zumutbar ist, insbesondere wenn der bisherige Prozessbevollmächtigte in einer Sozietät tätig ist (vgl Senatsbeschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 303/07 B - Juris RdNr 9 mwN). Die Verhinderung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts einer insgesamt bevollmächtigten Sozietät ist nur dann erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung, wenn einem anderen Rechtsanwalt der Sozietät keine ausreichende Einarbeitungszeit mehr bleibt oder ein sonstiges besonderes Interesse an der Wahrnehmung des Termins durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt gegenüber dem Interesse des Gerichts an der Beschleunigung des Verfahrens überwiegt (vgl BSG vom 20.4.2009 - B 9 SB 63/08 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Behandlung von Anträgen auf Terminsverlegung hat dabei der zentralen Gewährleistungsfunktion der mündlichen Verhandlung für den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 33 S 58).
2. Nach den aufgezeigten Maßstäben lässt sich eine Gehörsverletzung nicht feststellen.
Die Klägerin hat erhebliche Gründe für die Verhinderung aller Mitglieder der bevollmächtigten Sozietät bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem LSG weder substantiiert dargelegt noch hinreichend glaubhaft gemacht. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die Vertretung durch ein anderes Sozietätsmitglied nicht von vornherein unzumutbar gewesen wäre. Entgegenstehendes hat die Klägerin nicht vorgetragen; überdies ist sie während des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens wiederholt (in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, schriftsätzlich im Berufungsverfahren) von verschiedenen Mitgliedern der Sozietät vertreten worden.
Der Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass sich eine Kanzleiangestellte am Morgen vor der mündlichen Verhandlung beim LSG telefonisch gemeldet hat, um die Aufhebung des Termins zu erreichen. Er konnte sich hingegen nicht davon überzeugen, dass konkrete Gründe, aus denen nachvollziehbar gewesen wäre, weshalb auch alle anderen Sozietätsmitglieder (außer Rechtsanwalt A.) an einer Vertretung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung verhindert gewesen sind, dem für die Entscheidung zuständigen Richter (§ 155 Abs 3 und 4 SGG) oder einem Gerichtsangehörigen spätestens bis zur Urteilsverkündung zur Kenntnis gelangt sind. Die Ermittlungen des Senats haben eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für diese Behauptung der Klägerin nicht erbracht (zur Zulässigkeit von Tatsachenermittlungen durch das Revisionsgericht vgl BSG vom 1.10.2009 - B 3 P 13/09 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 12 RdNr 6 mwN). Die pauschale Behauptung der Verhinderung aller Sozietätsmitglieder reicht allein nicht aus, um einen erheblichen Grund für die Terminsaufhebung darzulegen bzw glaubhaft zu machen (§ 202 SGG iVm § 227 Abs 1 und Abs 2 ZPO).
Auch die Stellungnahmen der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 6.5. und 14.8.2014 haben keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Kanzleiangestellte die konkreten Verhinderungsgründe aller Sozietätsmitglieder dem Gericht vor der mündlichen Verhandlung mitgeteilt habe. Ihnen steht die dienstliche Erklärung des zuständigen Richters vom 15.7.2014 entgegen. Der Richter hat bekräftigt, dass sein Hinweis an die Kanzleiangestellte, wonach die bloße Behauptung der Verhinderung aller Sozietätsmitglieder nicht für eine Terminsaufhebung ausreiche, ohne jede Reaktion geblieben sei. Diese Angaben stimmen mit dem im Sitzungsprotokoll vom 14.11.2013 enthaltenen Hinweis an die Beklagtenvertreterin über das am Morgen mit der Kanzleiangestellten geführte Telefonat und mit den Feststellungen im angegriffenen Urteil überein (dort S 10).
Der Senat ist daher im Ergebnis zu der Überzeugung gelangt, dass sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die von der Klägerin erhobene Behauptung der rechtzeitigen Mitteilung der konkreten Gründe für die Verhinderung aller Sozietätsmitglieder nicht feststellen lässt.
Daher kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die nach ihrer Ansicht unzutreffenden Feststellungen im angegriffenen Urteil zunächst im Wege der Tatbestandsberichtigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim LSG hätte beantragen müssen (§ 139 Abs 1, § 153 Abs 1 SGG). Die Tatbestandsberichtigung soll verhindern, dass ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage für die Entscheidung des Revisionsgerichts wird (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 139 RdNr 2 mwN).
3. Die von der Klägerin zusätzlich erhobene Rüge fehlender Sachverhaltsaufklärung (§ 103 SGG) ist unzulässig. Es fehlt schon an der formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensfehlers. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 letzter Halbs SGG setzt die Sachaufklärungsrüge einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag voraus, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entsprechende Darlegungen fehlen. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG zu einer ergänzenden mündlichen Vernehmung des Sachverständigen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl Senatsbeschluss vom 13.10.2014 - B 13 R 189/14 B - BeckRS 2014, 73905 RdNr 8).