Entscheidungsdatum: 11.01.2017
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das LSG Berlin-Brandenburg hat im Beschluss vom 24.10.2016 einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil sie nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen weiterhin in der Lage sei, täglich sechs Stunden und mehr Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Verfahrensmängel geltend.
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 30.12.2016 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat einen Verfahrensmangel nicht formgerecht bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Das Vorbringen der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Diese beanstandet zunächst, das LSG sei einem von ihr gestellten Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt und habe dadurch seine Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt. Ihre Ausführungen erfüllen jedoch nicht die besonderen Voraussetzungen an die Bezeichnung einer Sachaufklärungsrüge.
Soweit ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, zB Senatsbeschlüsse vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; vom 26.9.2016 - B 13 R 234/16 B - BeckRS 2016, 73667 RdNr 7).
Die Darlegungen der Klägerin lassen bereits nicht erkennen, dass sie beim LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag angebracht hat. Die Klägerin führt aus, sie habe im Schriftsatz vom 20.10.2016 unter Übersendung einer Kopie einer "Muskelfunktionsmessung" vom 13.10.2016 "beantragt, unter Übersendung der o.g. Messeergebnisse eine ergänzende Stellungnahme des Dr. med. T. zu dessen Gutachten vom 1.10.2015 einzuholen".
Ein Beweisantrag im Rentenstreitverfahren muss sich möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen eines oder mehrerer Sachverständigen zu dem Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller von ihm behauptete Unterschiede zu diesen Gutachten (einschließlich bereits erfolgter ergänzender Stellungnahmen) zum Gegenstand des Beweisthemas machen (vgl Senatsbeschlüsse vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 ff; vom 26.9.2016 - B 13 R 234/16 B - BeckRS 2016, 73667 RdNr 7).
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich, dass das Berufungsgericht bereits eine (weitere) ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T. vom 11.10.2016 zu einer (aktuellen) Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 1.9.2016 eingeholt hat und Dr. T. (auch) auf Grundlage dieses Befundes, in dem selbst der befundende Arzt im Vergleich zur Voruntersuchung "keine wesentliche Befunddynamik" festgestellt hat, zu keiner anderslautenden sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung als die in seinem Gutachten vom 1.10.2015 gekommen ist. Dann muss ein Antrag auf Durchführung einer weiteren ergänzenden sachverständigen Begutachtung bzw Stellungnahme sowohl die noch nicht ausreichend gewürdigten Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst genau beschreiben als auch vortragen, welche zusätzlichen Einschränkungen für das Leistungsvermögen daraus folgen (BSG Beschluss vom 25.4.2016 - B 5 R 6/16 B - BeckRS 2016, 69047 RdNr 9). Dem wird das pauschale Begehren, auf Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme des Dr. T. zu den "Messergebnissen" einer "Muskelfunktionsmessung" vom 13.10.2016 anhand eines "Wirbelsäulenprofils" vom 13.10.2016 der "P. GmbH Ambulantes Reha-Centrum (…)" nicht gerecht. Erforderlich wäre vielmehr gewesen zusätzlich im Antrag anzugeben, welche konkreten weiteren Leistungseinschränkungen sie zur Folge haben sollen. Dies gilt umso mehr, als das LSG sich vorliegend nach dem Vortrag der Klägerin neben den sachverständigen Ausführungen des Gutachters Dr. T. bei seinen Feststellungen zu ihrem sozialmedizinischen Leistungsvermögen auch auf die Sachverständigengutachten der Dipl.-Med. E., Dr. W., Dr. B., Dr. M., Dr. T. und Dr. Sch. gestützt hat. Sie sind jeweils zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin zumindest noch leichte körperliche Arbeiten in einem Umfang von sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Der pauschale Verweis darauf, dass bei Einholung der beantragten (weiteren) ergänzenden Stellungnahme des Dr. T."sich ergeben" hätte, "dass die Klägerin wegen der Verschlechterungen am Stütz- und Bewegungsapparat/Bereich der Wirbelsäule und der übrigen im einzelnen bestehenden Gesundheitsstörungen und qualitativen Leistungseinschränkungen (in ihrer Zusammenschau) auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein", ist vor diesem umfassenden gutachterlichen Hintergrund zur Bezeichnung des Beweisthemas nicht ausreichend.
Des Weiteren rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG). Das LSG hätte nicht gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden dürfen. Auch diesen geltend gemachten Verfahrensmangel hat sie nicht hinreichend bezeichnet.
Das LSG "kann" die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs 4 S 1 SGG). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Diese Entscheidung kann vom BSG nur darauf geprüft werden, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht hat, etwa wenn der Beurteilung, eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen, sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (stRspr, zB Senatsbeschlüsse vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 12; vom 11.2.2015 - B 13 R 300/14 B - Juris RdNr 12 mwN). Bei der Prüfung der Ermessenentscheidung sind grundsätzlich auch die Fragen eingeschlossen, ob das Berufungsgericht die Schwierigkeit des Falles sowie die Bedeutung von Tatsachenfragen berücksichtigt und insoweit die Anforderungen von Art 6 Abs 1 EMRK beachtet hat (vgl Senatsbeschluss vom 30.7.2009 - B 13 R 187/09 B - Juris RdNr 6). Ist bei Abwägung aller danach zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung gegen den ausdrücklichen Willen eines Beteiligten unter keinen Umständen zu rechtfertigen, liegt eine grobe Fehleinschätzung im obigen Sinne vor (BSG Beschluss vom 11.12.2002 - B 6 KA 13/02 B - Juris RdNr 9; Senatsbeschluss vom 27.12.2011 - B 13 R 253/11 B - Juris RdNr 13).
Aus dem Beschwerdevorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass das LSG mit seiner Entscheidung im vereinfachten Beschlussverfahren nach den vorgenannten Maßstäben ermessensfehlerhaft vorgegangen wäre. Hierzu hätte dargelegt werden müssen, dass das Berufungsgericht, ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung, die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung von Tatsachenfragen falsch eingeschätzt habe. Dies erschließt sich aus der Beschwerdebegründung aber nicht. Allein der Vortrag der Klägerin, dass sie beantragt habe, "nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden", reicht nicht. Ihrer Zustimmung zur Entscheidung des LSG, im Beschlussverfahren nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, bedurfte es nicht.
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.