Entscheidungsdatum: 06.01.2016
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 3. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 3.6.2015 einen Anspruch des 1960 geborenen Klägers auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, verneint. Der Kläger habe letztmals im Februar 2010 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung (Drei-Fünftel-Belegung) erfüllt, aber erst im Juni 2011 einen Rentenantrag gestellt. Nach dem Ergebnis der sozialmedizinischen Ermittlungen sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass er bereits im Februar 2010 oder früher nicht mehr in der Lage gewesen wäre, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, zumal weder ungewöhnliche noch schwere spezifische Leistungseinschränkungen bestünden. Auch die ihm sozial zumutbare Verweisungstätigkeit eines Kaufmannes für die Wohnungswirtschaft auf Sachbearbeiterebene habe er arbeitstäglich noch für wenigstens sechs Stunden ausüben können.
Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich einen Verfahrensmangel geltend.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 9.9.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff). Zu beachten ist, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 3 SGG).
Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er beanstandet, das LSG habe seine Verpflichtung zur Sachaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Nachdem das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. M. zu dem Ergebnis gekommen sei, dass er - der Kläger - auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz noch sechs Stunden täglich arbeiten könne, habe er im Schriftsatz vom 12.5.2015 den Beweisantrag gestellt, den ihn psychotherapeutisch behandelnden Arzt Dr. R. als sachverständigen Zeugen zu dem Beweisthema zu hören, dass er "nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein". Im Termin am 3.6.2015 habe er diesen Antrag aufrechterhalten. Im Urteil vom 3.6.2015 habe das LSG jedoch ausgeführt, dass dem Beweisantrag nicht nachzugehen gewesen sei, da Dr. R. in seinen wiederholten Attesten und dem von ihm eingeholten Befundbericht keine objektiven Befunde beschrieben habe, die geeignet seien, die Einschätzung des Leistungsvermögens im nervenärztlichen Gutachten des Dr. M.-D. sowie im Gutachten des Dr. M. in Zweifel zu ziehen.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger damit hinreichend präzise einen bis zuletzt von ihm durch Hinweis zu Protokoll aufrechterhaltenen oder aber im Urteil des LSG wiedergegebenen Beweisantrag bezeichnet hat (zu diesem Erfordernis s BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 22.10.2015 - B 13 R 304/15 B - JurionRS 2015, 29489 RdNr 8 f). Jedenfalls enthält das in der Beschwerdebegründung bezeichnete Beweisbegehren keinen prozessordnungskonformen Beweisantrag iS von § 118 Abs 1 SGG iVm §§ 402 ff ZPO.
Gemäß § 414 ZPO kommen in Bezug auf sachverständige Zeugen die Vorschriften der §§ 373 ff ZPO über den Zeugenbeweis zur Anwendung. Aufgabe eines sachverständigen Zeugen ist es, sein Wissen über persönliche Wahrnehmungen zu schildern, die zu machen er aufgrund seiner besonderen Sachkunde in der Lage war (BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 5 R 136/15 B - JurionRS 2015, 20433 RdNr 11; s auch Leopold in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 118 RdNr 47). Ein Beweisantrag mit dem Ziel der Vernehmung eines sachverständigen Zeugen muss deshalb bei Angabe des Beweisthemas die Art von Tatsachen (§ 373 ZPO) näher bezeichnen, die dieser selbst wahrgenommen haben soll, also zB Feststellungen eines Arztes zu den von ihm erhobenen gesundheitlichen Befunden oder Beobachtungen bei einer Operation. Die vom Kläger in seinem Beweisbegehren benannte Frage, ob "der Kläger nicht mehr in der Lage ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein", unterliegt als solche jedoch nicht der unmittelbaren persönlichen (fachkundigen) Wahrnehmung einer bestimmten Person, sondern ist als das Ergebnis einer fachkundigen Einordnung und Bewertung verschiedenster (auch nicht selbst wahrgenommener) Einzeltatsachen, aus denen Rückschlüsse auf die berufliche Leistungsfähigkeit einer Person gezogen werden können, dem Sachverständigenbeweis vorbehalten. Die genannte Frage ist deshalb von vornherein als Beweisthema eines prozessordnungsgerechten Antrags zur Beweiserhebung mit Hilfe eines sachverständigen Zeugen nicht geeignet (ebenso zur Vernehmung behandelnder Ärzte als sachverständige Zeugen dazu, dass ein Kläger "nicht mehr arbeiten könne", BSG Beschluss vom 1.7.2015 - B 5 R 136/15 B - JurionRS 2015, 20433 RdNr 14).
Der vom Kläger wiedergegebene Beweisantrag kann auch nicht sinngemäß gedeutet werden als Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bei dem ihn behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R……. Denn der Kläger hatte, wie er selbst vorträgt, im Berufungsverfahren sein Recht auf Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG in der Person des Dr. M. bereits verbraucht. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung lässt darüber hinaus auch nicht erkennen, dass der Kläger mit seinem Beweisantrag gegenüber dem LSG substantiiert geltend gemacht hätte, die bereits vorliegenden Gutachten seien ungenügend (vgl § 412 Abs 1 ZPO) und als Beweisgrundlage völlig ungeeignet, sodass von Amts wegen die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens veranlasst sei.
Im Übrigen hat der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst darauf hingewiesen, dass das LSG von Dr. R. einen Befundbericht eingeholt, diesen also als sachverständigen Zeugen zu seinen Beobachtungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Klägers schriftlich befragt hat (vgl § 377 Abs 3 ZPO). Gründe dafür, weshalb in seinem Fall die schriftliche Übermittlung der Befunde durch Dr. R. nicht ausreichend gewesen sein könnte und deshalb eine Vernehmung des Zeugen durch das Gericht hätte vorgenommen werden müssen, hat er nicht aufgezeigt.
Dass der Kläger die Beweiswürdigung des LSG für fehlerhaft hält, kann er im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend machen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 iVm § 128 Abs 1 S 1 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.