Entscheidungsdatum: 10.03.2016
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 3. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
I. Im Streit ist noch die Aufhebung der Bewilligung von Alg ab dem 7.8.2009. Die Beklagte bewilligte dem Kläger nach der Erschöpfung seines Anspruchs auf Krankengeld ab dem 9.6.2009 Alg für die Dauer von 360 Tagen. Ein ärztliches Gutachten vom 26.6.2009 ergab eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte hob die Bewilligung ab dem 22.7.2009 mit der Begründung auf, der Kläger habe im Zusammenhang mit der Auswertung des ärztlichen Gutachtens vorgetragen, weiter arbeitsunfähig zu sein und nicht vollschichtig arbeiten zu können; damit fehle die Verfügbarkeit (Bescheid vom 7.8.2009; Widerspruchsbescheid vom 9.9.2009). Das SG Chemnitz hat den Bescheid mit der Begründung aufgehoben, durch den Inhalt des von der Beklagten gefertigten Telefonvermerks vom 22.7.2009 sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger seine Arbeitsbereitschaft im Rahmen seines Leistungsvermögens nicht erklärt habe (Urteil vom 10.3.2011; der Beklagten zugestellt am 17.8.2011).
Auf die auf den Zeitraum ab 7.8.2009 beschränkte Berufung der Beklagten vom 15.9.2011 hat das LSG im Termin zur mündlichen Verhandlung die Mitarbeiterin der Beklagten Frau G, die unter dem 6.8.2009 einen Vermerk verfasst hatte, als Zeugin gehört. Die von dem Kläger beantragte Vernehmung der Mitarbeiterin Frau T hat es abgelehnt, sodann das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen soweit diese die Aufhebung für den Zeitraum ab 7.8.2009 zum Gegenstand hatte (Urteil vom 3.2.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger habe anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 6.8.2009 ausdrücklich bekundet, er stelle sich dem Arbeitsmarkt "keinesfalls" zur Verfügung, sodass es an der erforderlichen subjektiven Verfügbarkeit fehle, die über § 125 SGB III (in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung) auch nicht fingiert werden könne.
Ein Antrag des Klägers auf Ergänzung der Entscheidungsgründe des Urteils um Ausführungen zur Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin T blieb erfolglos (Beschluss des LSG vom 2.7.2015).
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Der Rechtsfrage, ob das Einlegen der Berufung nach Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung des Urteils noch zulässig oder die Berufung wegen Verfristung gemäß § 517 letzter Halbsatz ZPO iVm § 202 SGG zu verwerfen sei, komme eine grundsätzliche Bedeutung zu. Zudem rügt er als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz, weil dem Antrag auf Vernehmung von Frau T als Zeugin hätte entsprochen werden müssen, und eine Verletzung von § 140 SGG durch die Ablehnung seines Antrags auf Urteilsergänzung.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde konnte daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter verworfen werden (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG, § 169 SGG).
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG muss von dem Beschwerdeführer eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufgezeigt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Hier hat der Kläger schon nicht dargelegt, warum die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage nach Anwendung des § 517 letzter Halbsatz ZPO iVm § 202 SGG überhaupt klärungsbedürftig sein soll. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung damit bedurft, warum § 151 Abs 1 SGG, der die Frist zur Einlegung der Berufung alleine an die Zustellung der Entscheidung knüpft, nicht als abschließende Regelung iS von § 202 S 1 SGG anzusehen sein sollte, wodurch eine entsprechende Anwendung der ZPO grundsätzlich ausgeschlossen wäre (vgl dazu Söhngen in Hennig, SGG, § 202 RdNr 45, Stand Februar 2016).
Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), in der erforderlichen Weise dargelegt. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Wenn - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, ist zudem zu beachten, dass gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insoweit muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35 und § 160a Nr 24, 34).
Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie zeigt zwar auf, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG den Beweisantrag gestellt hat, Frau T als Zeugin zu vernehmen zu der klärungsbedürftigen Tatsache, dass er sich subjektiv dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe. Doch fehlen hinreichende Angaben zum voraussichtlichen Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme und auch Ausführungen dazu, ob und warum dieses Ergebnis Auswirkungen auf die Entscheidung des LSG hätte haben können. Vor dem Hintergrund, dass ein Gespräch zwischen dem Kläger und der benannten Zeugin T tatsächlich nur am 22.7.2009 stattgefunden hat - etwas anderes behauptet auch der Kläger nicht - hätte insbesondere aufgezeigt werden müssen, welche weiteren Erkenntnisse bezüglich der Zeit ab dem 7.8.2009 die weitere Beweisaufnahme erbracht hätte. Denn nur noch über diesen Zeitraum hat das LSG wegen der Beschränkung der Berufung durch die Beklagte zu befinden gehabt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger (jedenfalls) am 6.8.2009 ausdrücklich bekundet hat, er stelle sich dem Arbeitsmarkt keinesfalls zur Verfügung, mit der Folge des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung für Alg ab diesem (späteren) Zeitpunkt. Wie Angaben der Zeugin T dieses Ergebnis in Frage stellen könnten, erschließt sich nach dem Vortrag des Klägers in der Beschwerdebegründung nicht. Soweit er ausführt, dass es nur darauf ankomme, ob diese Zeugin als die zuständige Arbeitsvermittlerin für sich "entschieden" habe, der Kläger stelle sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wird hieraus nicht deutlich, warum gerade dies die Verfügbarkeit des Klägers auch ab dem 7.8.2009 belegen soll. Entscheidend ist die objektive Sachlage, nicht die subjektive Sicht der Zeugin.
Soweit der Kläger sich mittelbar gegen die Würdigung der Aussage der Zeugin G durch das LSG wendet, die am 6.8.2009 mit dem Kläger gesprochen hat, betrifft dies die Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG kann ein Verfahrensmangel indes von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
Eine Verletzung von § 140 SGG ist schließlich als Verfahrensmangel schon deshalb nicht ausreichend bezeichnet, weil der Kläger in keiner Weise problematisiert, warum es sich bei einem übergangenen (Hilfs-)Beweisantrag um das Übergehen eines von den Beteiligten erhobenen Anspruchs, wie es § 140 SGG für eine Urteilsergänzung voraussetzt, handeln sollte. Denn mit Anspruch ist ein Teil des Klagebegehrens gemeint (vgl nur Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 140 RdNr 2 ff), wozu ein Beweisantrag ersichtlich nicht gehört.