Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 13.03.2018


BSG 13.03.2018 - B 11 AL 12/17 R

Arbeitslosengeldanspruch - Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung - Sperrzeitbeginn -sperrzeitbegründendes Ereignis - Eintritt der Beschäftigungslosigkeit


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsdatum:
13.03.2018
Aktenzeichen:
B 11 AL 12/17 R
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2018:130318UB11AL1217R0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend SG Koblenz, 4. März 2015, Az: S 9 AL 101/13, Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 26. Januar 2017, Az: L 1 AL 26/15, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beginnt nicht bereits mit dem Versäumnis dieser Obliegenheit, sondern mit Eintritt der Beschäftigungslosigkeit.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren noch Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013. Streitig ist insbesondere, ob der Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung geruht hat.

2

Der Kläger war seit Dezember 2007 bei der Firma B M, N (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Kraftfahrer beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2012 und informierte ihn über seine Pflicht, sich frühzeitig arbeitsuchend zu melden (Schreiben vom 5.7.2012). Der Kläger meldete sich jedoch erst am 22.10.2012 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) zum 1.1.2013 arbeitslos und beantragte Alg. Am 7.1.2013 legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) seines behandelnden Arztes mit attestierter Arbeitsunfähigkeit (AU) am 4.1.2013 und am 9.1.2013 eine AU-Bescheinigung über eine AU vom 8.1.2013 bis 11.1.2013 vor.

3

Die Beklagte stellte wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung von einer Woche (1.1.2013 bis 7.1.2013) das Ruhen des Alg-Anspruchs in diesem Zeitraum sowie die Minderung der Anspruchsdauer um sieben Tage fest (Bescheid vom 30.1.2013). Ab 12.1.2013 bewilligte sie Alg (Bescheid vom 31.1.2013). Der Widerspruch gegen diese Bescheide blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24.4.2013).

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Das SG hat die auf die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1.1.2013 bis 11.1.2013 gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 4.3.2015). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.1.2017). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 7.1.2013 keinen Anspruch auf Alg habe, weil eine einwöchige Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung eingetreten sei, die erst ab dem 1.1.2013 begonnen habe. Auch für den Zeitraum vom 8.1.2013 bis zum 11.1.2013 bestehe kein Anspruch auf Alg, weil der Kläger durch die Vorlage der AU-Bescheinigungen jedenfalls seine fehlende subjektive Verfügbarkeit zum Ausdruck gebracht habe. Mangels eines vorangegangenen rechtmäßigen Leistungsbezugs sei keine Fortzahlung des Alg bei AU möglich.

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 159 Abs 2 SGB III. Ausgehend von dessen Wortlaut beginne die Sperrzeit mit dem Tag der verspäteten Arbeitsuchendmeldung. Daher solle festgestellt werden, dass die Sperrzeit nicht in der Zeit vom 1.1.2013 bis 7.1.2013, sondern in der Zeit vom 2.10.2012 bis 8.10.2012 eingetreten sei. Im Revisionsverfahren begehre er nur noch Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013.

6

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Januar 2017 sowie des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 4. März 2015 und der Bescheide vom 30. Januar 2013 und 31. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. April 2013 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 7. Januar 2013 Arbeitslosengeld zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen des Eintritts einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung keinen Anspruch auf Alg für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 hat.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den Entscheidungen der Vorinstanzen die Bescheide vom 30.1.2013 und 31.1.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.4.2013. Mit dem Bescheid vom 30.1.2013 hat die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 und das Ruhen des Anspruchs auf Alg für diesen Zeitraum abgelehnt und gleichzeitig über die Anspruchsdauer durch Feststellung ihrer Minderung um insgesamt sieben Tage verfügt. Diese Verfügungen korrespondieren mit denjenigen des Bewilligungsbescheids vom 31.1.2013 über die Zahlung von Alg erst ab 12.1.2013 mit einer Anspruchsdauer von nur noch 353 Kalendertagen. Alle Bescheide stellen eine einheitliche Regelung dar (BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 78; vgl zuletzt BSG vom 12.10.2017 - B 11 AL 17/16 R - SozR 4-4300 § 159 Nr 4 RdNr 11). Im Revisionsverfahren hat der Kläger sein Begehren beschränkt, weil er sich nicht mehr dagegen wendet, dass die Beklagte die Zahlung von Alg für den Zeitraum vom 8.1.2013 bis 11.1.2013 abgelehnt hat. Auch wendet er sich im Revisionsverfahren nicht mehr gegen die Minderung der Anspruchsdauer. Dies entnimmt der Senat in Auslegung des Revisionsbegehrens (§ 123 SGG) dem Umstand, dass der Kläger ausdrücklich nur Alg für den begrenzten Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 begehrt und damit weder in seinem Revisionsantrag noch in seinem Revisionsvorbringen auf die Verfügungen der Beklagten zur Minderung des Anspruchs auf Alg Bezug nimmt.

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Zwar hat der Kläger mit seiner Arbeitslosmeldung am 1.1.2013 ein Stammrecht auf Alg erworben, weil er die Regelvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg erfüllte. Nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), hat er sich am 22.10.2012 mit Wirkung zum 1.1.2013 arbeitslos gemeldet (§§ 137 Abs 1 Nr 2, 141 SGB III), die Anwartschaftszeit erfüllt (§§ 137 Abs 1 Nr 3, 142 SGB III) und war auch arbeitslos (§§ 137 Abs 1 Nr 1, 138 SGB III). Insbesondere war seine Verfügbarkeit als Merkmal der Arbeitslosigkeit iS des § 138 Abs 1 Nr 3 SGB III iVm § 138 Abs 5 SGB III zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs nicht durch eine zuvor bestehende und noch andauernde AU eingeschränkt. Das Berufungsgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass der Auszahlungsanspruch auf Alg in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat.

12

Nach § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III vor, wenn die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 38 Abs 1 Satz 1 SGB III sind Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Über seinen Wortlaut hinaus setzt § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Verschulden des Arbeitsuchenden voraus. Zwar gehört das Merkmal der "Unverzüglichkeit" der Arbeitsuchendmeldung in der Vorgängerregelung des § 37b SGB III in der Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607), welches das BSG als rechtlichen Ansatzpunkt für das Verschuldenserfordernis erachtet hat (vgl nur BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - BSGE 95, 80 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2 mwN), nicht mehr zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Arbeitsuchendmeldung nach dem jetzigen § 38 SGB III. Gegenstand einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung ist jedoch weiterhin die Verletzung einer versicherungsrechtlichen Obliegenheit. Dabei ist Anknüpfungspunkt einer Obliegenheitsverletzung nicht der Eintritt eines bestimmten Erfolges (etwa Arbeitslosigkeit), sondern das dem Erfolgseintritt vorgelagerte schuldhafte Fehlverhalten (vgl Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004, S 222 ff). Insofern hat das BSG bezogen auf die Ausgestaltung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten im Arbeitsförderungsrecht bereits betont, dass dem Leistungsberechtigten eine Obliegenheitsverletzung mit nachteiligen Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (s dazu BVerfG vom 10.2.1987 - 1 BvL 15/83 - BVerfGE 74, 203, 216 f = SozR 4100 § 120 Nr 2 S 4) - nur entgegengehalten werden kann, wenn er gegen diese subjektiv vorwerfbar verstößt (vgl BSG vom 11.5.2000 - B 7 AL 54/99 R - BSGE 86, 147, 150 = SozR 3-4300 § 156 Nr 1 S 5; BSG vom 27.5.2003 - B 7 AL 4/02 R - BSGE 91, 90, 94 = SozR 4-4300 § 144 Nr 3 S 12; BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1, RdNr 11; BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3, RdNr 33).

13

Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass diese tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung vorlagen. Da das der Versicherungspflicht unterliegende Beschäftigungsverhältnis des Klägers zum 31.12.2012 endete und er sich erst am 22.10.2012 und damit nicht - wie gesetzlich in § 38 Abs 1 Satz 1 SGB III gefordert - drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet hat, liegt eine verspätete Arbeitsuchendmeldung vor. Der Kläger ist seiner Obliegenheit zur frühzeitigen Meldung auch subjektiv vorwerfbar nicht nachgekommen. Ein Verschulden ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer nach seinem individuellen Vermögen fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit war und sich fahrlässig nicht unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Kenntnis über die Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses bei der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet hat (vgl zur "doppelten Verschuldensprüfung": BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R - SozR 4-4300 § 37b Nr 5, RdNr 13; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 69 ff; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 474 und 490, Stand Oktober 2015). Insofern ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), dass der Kläger in einem im August 2012 geführten Telefongespräch mit der Beklagten über seine Verpflichtung zur Arbeitsuchendmeldung bis spätestens zum 1.10.2012, dem auf den 30.9.2012 nächstfolgenden Werktag (vgl § 26 Abs 3 Satz 1 SGB X), zutreffend informiert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass er diese Informationen nicht verstehen konnte oder es Hinderungsgründe für eine rechtzeitige Meldung gab, sind nicht erkennbar.

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Der Kläger kann sich für sein pflichtwidriges Verhalten auch auf keinen wichtigen Grund iS des § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III berufen. Ein solcher ist anzunehmen, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (vgl nur BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R - juris, RdNr 16, vorgesehen zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 159 Nr 3). Entgegen der Rechtsauffassung des LSG kommt es im Rahmen dieser Gesamtabwägung nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Arbeitsuchenden an, weil - wie dargelegt - bereits kein versicherungswidriges Verhalten iS von § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III gegeben ist, wenn der Leistungsberechtigte unverschuldet der Meldepflicht des § 38 SGB III nicht nachgekommen ist (ebenso Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 493, Stand Oktober 2015; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 91; Giesen, NJW 2006, 721, 726 f; vgl auch BSG vom 14.7.2004 - B 11 AL 67/03 R - BSGE 93, 105, 107 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 8 S 34 f und 35 zur Sperrzeit bei Arbeitsablehnung; aA Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 159 SGB III RdNr 337, Stand März 2015; Preis/Schneider, NZA 2006, 177, 179). Soweit aus der früheren Rechtsprechung etwas anderes abgeleitet werden kann (vgl insbesondere BSG vom 25.8.2011 - B 11 AL 30/10 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 22 RdNr 21), hält der Senat hieran nicht fest. Unzumutbare Umstände im vorbezeichneten Sinne hat das LSG nicht festgestellt. Insbesondere verfügte der Kläger über keine verbindliche Zusage für ein nahtloses Anschlussbeschäftigungsverhältnis, was abhängig von weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls ggf zur Unzumutbarkeit einer Arbeitsuchendmeldung führen kann (vgl Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 493, Stand Oktober 2015).

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Die Vorinstanzen sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass die einwöchige Sperrzeit in dem Zeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2013 eingetreten ist. Nach § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Das Ereignis iS des § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III, das den Lauf der einwöchigen Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung in Gang setzt, ist nicht bereits die verspätete Arbeitsuchendmeldung, sondern (erst) der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit (ebenso Voelzke in Küttner, Personalbuch, 24. Aufl 2017, Sperrzeit RdNr 23 aE; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 99a; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015; Karmanski in Brand, SGB III, 8. Aufl 2018, § 159 RdNr 153; Scholz in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 159 RdNr 183; Rolfs, DB 2006, 1009, 1011; aA Lüdtke in LPK-SGB III, 2. Aufl 2015, § 159 RdNr 46). Bereits der Wortlaut des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III iVm § 159 Abs 2 Satz 1 SGB III verweist mit der Verwendung des Begriffs des "Arbeitslosen" und der Vergangenheitsform der versäumten Handlung ("Meldepflicht ... nicht nachgekommen ist") auf einen (notwendigen) Zusammenhang zwischen der versäumten Arbeitsuchendmeldung und dem Eintritt von Beschäftigungslosigkeit. Beschäftigungslos ist ein Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im leistungsrechtlichen Sinne. Dies folgt auch aus einer an Systematik, Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen orientierten Auslegung.

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In systematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die unmittelbare und regelmäßige Rechtsfolge des Ruhens des Anspruchs auf Alg für sämtliche Sperrzeittatbestände nach § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III einheitlich geregelt ist, wobei Unterschiede hinsichtlich der Dauer der Sperrzeiten bestehen. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Sperrzeit kraft Gesetzes eintritt und unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruchs und einer Arbeitslosmeldung kalendermäßig abläuft (BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 106/89 - SozR 3-4100 § 119 Nr 3 S 10). Für Beginn und Ablauf der Sperrzeit ist es daher unerheblich, wenn ein Anspruch auf Alg - etwa wegen Ruhens des Anspruchs aus anderen Gründen - nicht geltend gemacht werden kann. Der Arbeitslose kann zB durch eine spätere Antragstellung die unmittelbaren Rechtsfolgen des Ruhens seines Alg-Anspruchs vermeiden, nicht jedoch den Eintritt einer Sperrzeit und das kalendermäßige Ablaufen dieser Sperrzeit verhindern (vgl BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 234 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 86; BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 38/98 R - SozR 3-4100 § 110 Nr 2 S 5 f). Vor Eintritt der objektiven Tatsache der faktischen Beschäftigungslosigkeit als eines wesentlichen Elements der Arbeitslosigkeit im rechtlichen Sinne des § 138 SGB III kann - unabhängig vom Vorliegen der weiteren Merkmale der Arbeitslosigkeit als Leistungsvoraussetzung (Verfügbarkeit, Beschäftigungssuche) - von vornherein kein Anspruch iS von § 159 Abs 1 Satz 1 SGB III entstanden sein, der zum Ruhen gebracht werden könnte (BSG vom 25.4.2002 - B 11 AL 65/01 R - BSGE 89, 243, 249 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8 S 19; BSG vom 17.10.2002 - B 7 AL 136/01 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 12 S 33). Für dieses Verständnis spricht auch die Regelung des § 159 Abs 4 Satz 2 SGB III, wonach im Falle der Ablehnung eines Arbeitsangebots oder einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme während der frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 SGB III) die Sperrzeit erst "mit der Entstehung des Anspruchs" auf Alg beginnt (vgl auch Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 159 SGB III RdNr 115). Anders als der Kläger meint, ergibt sich aus den von ihm zitierten Urteilen des 7. Senats des BSG nicht, dass eine Sperrzeit ablaufen könne, ohne dass eine Beschäftigungslosigkeit begonnen hat. Vielmehr wird in diesen Entscheidungen davon ausgegangen, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit, die nach der dort zugrunde gelegten Regelung des § 101 AFG nur die Beschäftigungslosigkeit umfasste, zum Tatbestand der Sperrzeit (bei Arbeitsaufgabe) gehöre, die nicht ohne Arbeitslosigkeit (in diesem Sinne) beginnen könne (BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 106/89 - BSGE 67, 26, 28 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3 S 10; BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 14/99 R - BSGE 84, 225, 231 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 82).

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Auch der entstehungsgeschichtliche Zusammenhang der hier streitigen Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung mit der Vorgängerregelung des § 140 SGB III (idF des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl I 4607) steht der vom Kläger begehrten Auslegung entgegen. Die als versicherungsrechtliche Obliegenheit ausgestaltete Pflicht zur frühzeitigen Arbeitslosmeldung (§ 37b SGB III aF) wurde erstmals durch Art 1 Nr 6 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) mit Wirkung ab dem 1.7.2003 eingeführt. Die leistungsrechtlichen Folgen, die im Falle der Arbeitslosigkeit eintraten, wenn Arbeitsuchende ihrer Meldepflicht nicht genügten, ergaben sich aus § 140 SGB III aF. Danach minderte sich in bestimmter Höhe das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zustand, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung trat demnach nicht vor Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ein und war in leistungsrechtlicher Hinsicht zwingend (vgl auch Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015). Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 (BGBl I 3676) wurde die Vorschrift des § 140 SGB III aF aufgehoben und die verspätete Arbeitsuchendmeldung zum 31.12.2005 als eigenständiger Sperrzeittatbestand in § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III aF/§ 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III ausgestaltet. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung bezeichnet dabei allein die Vereinfachung und Überschaubarkeit des Rechts sowie eine größere Einzelfallgerechtigkeit als das mit der Novellierung verfolgte wesentliche Ziel (vgl BT-Drucks 16/109 S 7). Dass eine wesentliche Besserstellung bei den Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung der frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung bezweckt war, lässt sich den in den Gesetzesmaterialien niedergelegten Erwägungen nicht entnehmen. Dementsprechend heißt es in der Entwurfsbegründung ausdrücklich, dass "das die Sperrzeit begründende Ereignis der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit" ist (vgl BT-Drucks 16/109 S 7; bestätigt in BT-Drucks 16/10810 S 38 anlässlich der Novellierung des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III aF durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 ).

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Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Bestimmungen zum Sperrzeitenrecht dafür, den Eintritt der Beschäftigungslosigkeit als maßgebend für deren Beginn zu erachten. Durch die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe soll die Gemeinschaft der Beitragszahler vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte geschützt werden, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben. Der Versicherte selbst soll durch die Sperrzeitregelung an der Herbeiführung des Versicherungsfalls gehindert werden (BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 69/04 R - BSGE 95, 232 = SozR 4-4300 § 144 Nr 11, RdNr 18; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 18/11 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 24 RdNr 29). § 38 SGB III, mit dem § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB III logisch verknüpft ist, verfolgt das vorrangige Ziel, auf das Verhalten des Arbeitnehmers einzuwirken, um den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden bzw die Dauer der Arbeitslosigkeit zu begrenzen (vgl BT-Drucks 15/25 S 27; BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8, 10 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1 S 3; BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 94/04 R - BSGE 95, 80, 85 = SozR 4-4300 § 140 Nr 2 S 14 f). Diese Zielsetzung würde nicht in gleicher Weise verwirklicht, wenn die Sperrzeit bereits am Tage nach der erforderlichen Arbeitsuchendmeldung beginnen würde. Die Sperrzeit liefe dann faktisch ins Leere, weil das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis noch mindestens drei Monate fortbesteht und sie wegen ihrer Dauer von nur einer Woche (vgl § 159 Abs 6 SGB III) regelmäßig abgelaufen wäre, bevor das Arbeitsverhältnis beendet bzw eine Beschäftigungslosigkeit eingetreten ist. Die Sperrzeit hätte dann allenfalls Bedeutung bei der das Stammrecht betreffenden Regelung der Minderung des Anspruchs (§ 148 Abs 1 Nr 3 SGB III), ohne dass hiermit zwingend leistungsrechtliche Folgen einhergehen müssten (vgl Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 159 SGB III RdNr 445 f, Stand September 2014; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 526, Stand März 2015).

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Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ergibt sich aus der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I zur Beachtung der im SGB I formulierten sozialen Rechte nicht, dass zu seinen Gunsten entschieden werden müsste. Folgt - wie hier - bereits anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation, dass die überwiegenden Gründe für eine Begrenzung eines sozialen Anspruchs sprechen, so tritt § 2 Abs 2 SGB I zurück (vgl nur BSG vom 18.12.2008 - B 11 AL 48/07 R - SozR 4-4300 § 158 Nr 4 RdNr 21-22).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.