Entscheidungsdatum: 20.05.2014
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.
Die Beteiligten streiten über die Erstattung aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2009 erbrachter Konvergenzbeträge in Höhe von 91 143 613,86 Euro durch die klagende Krankenkasse (KK).
Um Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erhöhen, begründete der Gesetzgeber für Versicherte KKn-Wahlrechte in Abkehr von dem zuvor geltenden Prinzip der festen Zuordnung Versicherter zu den einzelnen KKn. Im Interesse der Chancengleichheit bei der Gewinnung von Versicherten und um möglichst dauerhaft Anreizen zu einer Risikoselektion entgegenzuwirken, die sonst aus einer einkommensbezogenen Beitragsgestaltung ohne Anknüpfung an das Risiko "Gesundheitszustand" entstehen, führte der Gesetzgeber 1994 einen Risikostrukturausgleich (RSA) ein. Er bewirkte, dass die kassenindividuell kraft Satzung der Höhe nach festgelegten und erhobenen Beitragseinnahmen den KKn nur nach Maßgabe des sich anschließenden RSA zur Verfügung standen. Der Gesetzgeber änderte dieses System mit Einführung des Gesundheitsfonds, in den alle nach einem einheitlichen, gesetzlich festgelegten Beitragssatz taggenau bemessenen Beiträge fließen. Seit 2009 erhalten die KKn als Einnahmen aus diesem Gesundheitsfonds Zuweisungen zunächst vorläufig als Abschlagszahlungen aufgrund monatlicher "Zuweisungsbescheide" und ergänzender "Korrekturbescheide" nach in "Grundlagenbescheiden" gesondert festgestellten kassenindividuellen Werten und dann endgültig gemäß "Jahresausgleichsbescheiden". Die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds berücksichtigt die jeweilige Risikostruktur der KK morbiditätsorientiert durch Zu- und Abschläge, um Anreize zur Risikoselektion zu verhindern. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland konkretisiert die gesetzlich und durch die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) bestimmten Vorgaben der Morbiditätsorientierung jährlich in "Festlegungen", handelnd durch das Bundesversicherungsamt (BVA). Die Beklagte erläutert hierzu jeweils den Entwurf zu den Festlegungen für den RSA, die sie zu treffen hat (§ 31 Abs 4 S 1 RSAV), hört hierzu die Betroffenen an, entscheidet über die Festlegungen und veröffentlicht sie. In der Übergangsphase sollen KKn in Ländern mit überdurchschnittlich hohen Beitragseinahmen und Ausgaben nach § 272 SGB V zusätzliche Mittel (sog Konvergenzbetrag) über den Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt und hierdurch die Belastungen durch die Verteilungswirkungen des Fonds in jährlichen Schritten von maximal 100 000 000 Euro angeglichen werden.
Die Beklagte regelte für die Klägerin die monatlichen Abschlagszahlungen aus dem Gesundheitsfonds (Grundlagenbescheide I-II/2009 vom 1.1.2009 und 31.3.2009). Hiergegen hat die Klägerin beim LSG Klage erhoben. Die Beklagte hat während des Klageverfahrens weitere Abschlagszahlungen (ua monatliche Konvergenzbeträge zwischen 7 406 722,50 und 7 631 370,35 Euro, für das Jahr 2009 insgesamt in Höhe von 91 396 539,63 Euro) bestimmt (Grundlagenbescheide III-IV vom 30.9.2009 und 31.3.2010; monatliche Zuweisungsbescheide für die Monate Januar bis Dezember 2009; Korrekturbescheide I-III/2009 zu den Grundlagenbescheiden II-IV/2009 vom 3.4.2009, 15.10.2009 und 14.4.2010) und den Jahresausgleichsbescheid für das Kalenderjahr 2009 erlassen (Bescheid vom 16.11.2010). Den Konvergenzbetrag nach § 272 SGB V für das Kalenderjahr 2009 setzte sie dort auf insgesamt 252 925,77 Euro fest. Die zu erstattende Differenz zwischen erbrachtem und im Jahresausgleich festgesetztem Konvergenzbetrag in Höhe von 91 143 613,86 Euro (91 396 539,63 abzüglich 252 925,77 Euro) stellte sie in 12 Teilbeträgen (11-mal 7 595 301,16 und einmal 7 595 301,10 Euro) jeweils zu Beginn eines Monats ab Januar 2011 fällig. Das LSG hat die auf die Höhe des Konvergenzbetrags und die entsprechende Ausgleichsverpflichtung beschränkte Klage abgewiesen. Der Verpflichtung zur Rückzahlung stünden keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen (Urteil vom 22.11.2012).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 272 SGB V und des § 41 RSAV. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin ihre Revision zurückgenommen, soweit Gegenstand des Revisionsverfahrens die Verpflichtung der Beklagten war, über den Konvergenzbetrag (§ 272 SGB V) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Bescheid vom 16.11.2010 leide an formellen Mängeln. Eine Rückforderung von Konvergenzleistungen sei zudem ausgeschlossen, weil es insoweit an einer Rechtsgrundlage in der RSAV fehle. Bei Anwendung der §§ 44 ff SGB X stünden einer Erstattung Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. November 2012 abzuändern und den Bescheid vom 16. November 2010 aufzuheben, soweit darin die Erstattung von 91 143 613,86 Euro durch die Klägerin geregelt ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die zulässige Revision der klagenden KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Der Bescheid der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BVA, ist rechtmäßig. Die Klägerin ist zur Erstattung überzahlter Konvergenzbeträge verpflichtet.
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung ist allein der mit der Anfechtungsklage angegriffene Jahresausgleichsbescheid 2009 vom 16.11.2010 (dazu 1.). Der Bescheid ist formell (dazu 2.) rechtmäßig. Die Klägerin hat den überzahlten Konvergenzbetrag in 12 Monatsraten zu erstatten (dazu 3.).
1. Gegenstand des Verfahrens ist der Jahresausgleichsbescheid vom 16.11.2010 (dazu a) beschränkt auf die mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) angegriffene Verpflichtung zur Rückzahlung der Differenz zwischen erbrachtem und im Jahresausgleich festgesetztem Konvergenzbetrag in Höhe von 91 143 613,86 Euro in 12 Teilbeträgen (dazu b). Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor (dazu c).
a) Gegenstand der Anfechtung ist der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 16.11.2010 über den Jahresausgleich 2009. Er ist - als endgültige Regelung (BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 15 f) - gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden und hat die zuvor ergangenen - jeweils nur vorläufigen (eingehend dazu BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 11 ff, für BSGE und SozR vorgesehen) - Grundlagen- und Korrekturbescheide sowie die vorläufigen monatlichen Zuweisungsbescheide vollständig ersetzt, wodurch diese ihre Erledigung nach § 39 Abs 2 SGB X gefunden haben (BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 10, 16, für BSGE und SozR vorgesehen; vgl entsprechend zur früheren Rechtslage BSG SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 7 ff, 15 f; BSG Urteil vom 24.1.2003 - B 12 KR 19/02 R - Juris RdNr 14 ff). Soweit im Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 2009 wegen der im Vergleich zu den Abschlagszahlungen geringer festgesetzten Konvergenzbeträge erstmals eine ratenweise Ausgleichsverpflichtung verfügt wurde, konnte die Klägerin ihre Klage im Berufungsverfahren zulässig erweitern (§ 99 Abs 3 SGG).
Nicht im Streit ist der zeitgleich als einheitlicher Bescheid (vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 3/14 R - RdNr 10 ff, für BSGE und SozR vorgesehen) mit dem Jahresausgleichsbescheid für das Kalenderjahr 2010 ergangene Korrekturbescheid vom 16.11.2011, auch nicht bezogen auf die zugunsten der Klägerin vorgenommene Korrektur des Konvergenzbetrags nach § 272 SGB V für das Kalenderjahr 2009. Dieser Bescheid ist nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG geworden. Die dort enthaltene Korrektur von Fehlern der Zuweisungen für das Kalenderjahr 2009 tastet - wie § 266 Abs 6 S 6 SGB V und § 41 Abs 5 S 1 RSAV zeigen - den (ursprünglichen) Jahresausgleichsbescheid für das Kalenderjahr 2009 nicht an und ändert damit auch nichts an der Höhe der Ausgleichsverpflichtung im Ausgleichsjahr 2009. Die Korrektur zugunsten der Klägerin führt für das Folgejahr 2010 lediglich zu einem höheren oder niedrigeren Betrag im Rahmen der Ermittlung des Gesamtausgleichsanspruchs bzw der Gesamtausgleichsverpflichtung für das Jahr 2010 (BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 12, für BSGE und SozR vorgesehen). Eine Aufhebung oder Abänderung des Jahresausgleichs für frühere Jahre sieht § 266 Abs 6 S 6 SGB V nicht vor. Insoweit handelt es sich um eine Sonderregelung zu den §§ 44, 45 SGB X, die einer Anwendung des § 96 SGG entgegensteht (BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 12, für BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1, RdNr 40). Über die Rechtmäßigkeit des einheitlichen Bescheides vom 16.11.2011 ist deshalb unabhängig von dem anhängigen Verfahren zur Ausgleichsverpflichtung für das Kalenderjahr 2009 zu befinden. Dem hat das LSG Rechnung getragen und über den einheitlichen Bescheid vom 16.11.2011 in dem Verfahren - L 16 KR 249/09 KL - (nachgehend BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 1 KR 3/14 R) entschieden (Urteil vom 22.11.2012).
b) Die Klage ist ohne Vorverfahren (§ 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG) als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) zulässig. Gegenstand der Klage ist - nach teilweiser Rücknahme der Revision - nur noch das Begehren, die als eigenständige Regelung (§ 31 S 1 SGB X; vgl zu den Verfügungssätzen des Jahresausgleichsbescheids und zu ihrer Teilbarkeit BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 18 ff, für BSGE und SozR vorgesehen) verfügte (ratenweise) Erstattung von 91 143 613,86 Euro aufzuheben.
c) Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Es bedarf insbesondere keiner echten notwendigen Beiladung anderer KKn nach § 75 Abs 2 SGG (vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 5/14 R - RdNr 23, für BSGE und SozR vorgesehen).
2. Der Jahresausgleichsbescheid vom 16.11.2010 ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und formell rechtmäßig. Der Untersuchungsgrundsatz, die Anhörungspflicht und die Begründungspflicht (§ 20 Abs 1, § 24 Abs 1, § 35 Abs 1 SGB X) sind unter Berücksichtigung des speziellen und späteren Rechts des RSA nicht verletzt (BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 3/14 R - RdNr 17, für BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 90, 231 = SozR 4-1500 § 266 Nr 1, RdNr 41 ff).
3. Die Entscheidung über die Ausgleichsverpflichtung sowie die ratenweise Erstattung ist auch materiell rechtmäßig. Die Klägerin hat den erbrachten Konvergenzbetrag in Höhe der Differenz zu den (geringeren) im Jahresausgleich vom 16.11.2010 festgesetzten Zuweisungen zu erstatten (dazu a). Die Beklagte genießt insoweit auch keinen Vertrauensschutz (dazu b). Die Erstattung erfolgt anteilig in 12 Monatsraten. Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liegt nicht vor (dazu c).
a) Überzahlte Zuweisungen im Zusammenhang mit der Konvergenzregelung sind im Rahmen des Jahresausgleichs nach § 266 Abs 6 S 5 SGB V iVm § 33 Abs 4 RSAV auszugleichen. Nach § 266 Abs 6 S 5 (idF des Art 1 Nr 178 Buchst g Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378 mWv 1.1.2009) sind die nach § 266 Abs 6 S 2 SGB V erhaltenen Zuweisungen nach der Ermittlung der endgültigen Höhe der Zuweisung für das Geschäftsjahr nach § 266 Abs 6 S 3 SGB V auszugleichen. Das Nähere regelt die RSAV (zur formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der RSAV vgl BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 16/14 R - RdNr 24 ff, für BSGE und SozR vorgesehen und BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 3/14 R - RdNr 29 ff, für BSGE und SozR vorgesehen) in § 41 Abs 4 S 2 und 3. Übersteigt die Höhe der im Jahresausgleich ermittelten Zuweisungen die monatlichen Zuweisungen, steht danach der KK der überschießende Betrag zu. Unterschreitet die Höhe der im Jahresausgleich ermittelten Zuweisungen die monatlichen Zuweisungen, ist der Unterschiedsbetrag an den Gesundheitsfonds zu zahlen. So liegt der Fall hier. Die im Jahresausgleichsbescheid vom 16.11.2010 unter Berücksichtigung eines Korrekturbetrags im RSA (§ 266 Abs 10 SGB V iVm § 266 Abs 6 S 7 SGB V in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung) und im Risikopool bis 2008 (§ 269 Abs 7 SGB V iVm § 269 Abs 2 SGB V in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung) ermittelten Zuweisungen unterschreiten die monatlichen Zuweisungen im Geschäftsjahr 2009 um 61 169 997,06 Euro, sodass ein Ausgleich durch die Klägerin zu erfolgen hat.
Der Konvergenzbetrag ist keine eigenständige, von den Zuweisungen iS von § 266 Abs 6 S 5 SGB V iVm § 33 Abs 4 RSAV getrennt zu bewertende Zuweisung. Soweit in § 266 Abs 6 S 5 SGB V eine Gegenüberstellung von erhaltenen und festgesetzten Zuweisungen angeordnet wird, sind Zuweisungen iS von § 266 Abs 1 SGB V gemeint. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Systematik und Teleologie der Norm. Nach § 266 Abs 1 Halbs 1 SGB V erhalten die KKn als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V) zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale, alters-, geschlechts- und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben (§ 270 SGB V). Die Zuweisungen werden nach § 266 Abs 1 Halbs 2 SGB V entsprechend § 272 SGB V angepasst. Dies bedeutet, dass in der Übergangsphase nicht weitere - neben den Zuweisungen nach § 266 Abs 1 SGB V festzusetzende - Zuweisungen erbracht werden, sondern nur, dass sich die Zuweisungen nach § 266 Abs 1 SGB V bei Vorliegen der in § 272 SGB V iVm der RSAV normierten Voraussetzungen erhöhen. Dementsprechend sieht die Übergangsregelung des § 272 SGB V nur eine "Veränderung" (§ 272 Abs 2 S 1 SGB V) bzw eine "Erhöhung" (§ 272 Abs 2 S 2 SGB V) der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds vor. Gleiches gilt auch für die RSAV in § 33c Abs 2 S 1 und 2. Soweit sich der Begriff "Konvergenzzuweisungen" in Literatur und Rechtsprechung durchgesetzt hat, ist dieser Begriff deshalb ungenau. Rechtfertigt danach die Übergangsregelung nur eine Anpassung/Erhöhung der Zuweisungen nach § 266 Abs 1 SGB V, ist es auch folgerichtig, dass auch der durch die Übergangsregelung bedingte Erhöhungsbetrag der Ausgleichspflicht nach § 266 Abs 6 S 5 SGB V iVm § 33 Abs 4 RSAV unterliegt.
b) Ein Vertrauen darauf, die "Konvergenzzuweisungen" nicht zurückzahlen zu müssen, genießt die Klägerin nicht. §§ 44 ff SGB X finden insoweit angesichts der systemimmanenten Ausgleichsverpflichtung und Korrekturmöglichkeit im Jahresausgleich nach § 266 Abs 6 S 5 SGB V iVm § 33 Abs 4 RSAV keine Anwendung (vgl zu einer Korrektur des Vorjahres im Jahresausgleichsbescheid auch BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1, RdNr 40). Die an die KKn zu erbringenden Zuweisungen haben nur vorläufigen Charakter. Schon aus dem Wesen einer nur vorläufigen Bewilligung folgt, dass der Empfänger der Leistung/Zuweisung insofern kein Vertrauen in das endgültige Behalten dürfen der Leistung/Zuweisung entwickeln kann (vgl nur zur Honorarabrechnung bei Vertragsärzten BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1; bei fehlerhafter Anwendung von Vorschriften über die Honorarminderung BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11; zur vorläufig bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe an Spätaussiedler BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 1). Erst der Jahresausgleichsbescheid bestimmt die endgültige Höhe der Zuweisungen. Die Grundlagenbescheide werden durch den Jahresausgleichsbescheid (oder zuvor ergangene Korrekturbescheide) korrigiert und ersetzt (s oben). Die KK muss deshalb mit der Möglichkeit einer solchen Korrektur rechnen und kann nicht auf den Bestand vorläufiger Bescheide vertrauen. Berücksichtigt man, dass selbst der abschließende Jahresausgleichsbescheid durch einen späteren Ausgleichsbescheid korrigiert werden und zu einer Ausgleichsverpflichtung führen kann und insoweit die Regelungen über den RSA den §§ 44 ff SGB X vorgehen (BSGE 90, 231 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1, RdNr 40), muss dies erst recht für vorläufige Bescheide gelten. Die Auffassung der Klägerin, es existiere keine Rechtsgrundlage für eine solche Ausgleichsverpflichtung, weil diese nur die Zuweisungen nach §§ 266 Abs 2 S 1 SGB V und § 270 SGB V betreffe, verkennt an dieser Stelle, dass die Konvergenzklausel keine gesonderten Zuweisungen vorsieht, sondern nur die ausgleichspflichtigen Zuweisungen erhöht (s oben).
Die insoweit widersprüchliche Argumentation, gesetzlich sei lediglich eine Erhöhung, nicht aber - entsprechend der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers, Be- und Entlastungen zu berücksichtigen - eine Absenkung der Zuweisungen vorgesehen, geht ins Leere, weil die Beklagte im Jahresausgleichsbescheid keine "Absenkung" der Zuweisungen nach §§ 266 Abs 2 S 1, 270 SGB V vorgenommen hat, sondern den aus § 272 SGB V resultierenden Erhöhungsbetrag lediglich korrigiert hat. Die Auffassung, der Begriff der "Absenkung" sei mit einer "Rückforderung" gleichzusetzen, ist abwegig.
c) Die Verpflichtung zum Ausgleich in zwölf gleichen Teilbeträgen folgt aus § 41 Abs 4a RSAV. Unterschreitet die Höhe der nach § 41 Abs 3 RSAV ermittelten Zuweisungen nach § 33c Abs 2 RSAV die entsprechenden monatlichen Zuweisungen im Jahresausgleich für das Ausgleichsjahr 2009, wird danach der an den Gesundheitsfonds zu zahlende entsprechende Unterschiedsbetrag abweichend von § 39 Abs 3a S 3 im Jahr 2011 in zwölf gleichen Teilbeträgen fällig, und zwar jeweils zum ersten Bankarbeitstag eines Monats. § 41 Abs 4a RSAV ist durch Art 1 Zweiundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung vom 8.11.2010 mWv 12.11.2010 (BGBl I 1497) eingefügt worden und war deshalb zum Zeitpunkt des Erlasses des Jahresausgleichsbescheids anzuwendendes Recht.
Die Regelung verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art 20 Abs 3 GG iVm Art 2 Abs 1 GG). Eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) sieht die Regelung nicht vor. § 41 Abs 4a RSAV greift nicht nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, in der Vergangenheit liegende Tatbestände ein (BVerfGE 11, 139, 145 f; 23, 12, 32 = SozR Nr 68 zu Art 3 GG); er regelt lediglich Rechtsverhältnisse für Zeiträume nach seiner Verkündung.
Eine so genannte unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl BVerfGE 43, 291, 391; 72, 175, 196; 79, 29, 45 f). Regelungen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, sind grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 97, 378, 389 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; BVerfGE 101, 239, 263; BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2). Für die Annahme einer gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip verstoßenden unechten Rückwirkung gibt die Regelung des § 41 Abs 4a RSAV nichts her. Sie entwertet nicht die Rechtsposition der betroffenen KKn, sondern dient ihrem Schutz. Sie löst eine den Konvergenzbetrag betreffende Rückzahlungsverpflichtung nämlich nicht erst aus (dazu oben), sondern ermöglicht nur, die Erstattung für das Jahr 2009 im Jahr 2011 in zwölf gleichen Teilbeträgen vorzunehmen und begünstigt damit die betroffenen KKn.
Hintergrund der Einführung des § 41 Abs 4a RSAV war, dass Erfahrungswerte zu den relevanten Regionaldaten vor der erstmaligen Ermittlung der Konvergenzbeträge weder für die Beitragseinnahmen noch für die Zuweisungen des Gesundheitsfonds vorlagen, die jeweils für die Versicherten der KKn mit Wohnsitz in dem jeweiligen Bundesland zu ermitteln sind. Entsprechend war eine zuverlässige, zielgenaue Schätzung der voraussichtlichen Konvergenzbeträge im ersten Jahr der Umsetzung dieser Übergangsregelung weder durch das vorbereitende wissenschaftliche Gutachten (Wasem et al., Umsetzung und empirische Abschätzung der Übergangsregelungen zur Einführung des Gesundheitsfonds <§ 272 SGB V>, Gutachten im Auftrag der Bundesregierung vom 10.4.2008, S 9) noch durch das BVA möglich. Abweichungen zwischen den vorläufig ermittelten und den endgültig festgestellten Konvergenzbeträgen für das Jahr 2009 ergaben sich daher zwangsläufig. Für KKn können aus der Durchführung der Konvergenzregelung im Jahresausgleich 2009 Rückzahlungsverpflichtungen entstehen, die noch im Jahr 2010 in voller Höhe zu erfüllen gewesen wären. Die Neuregelung sollte deshalb sicherstellen, dass diese KKn nicht auf Grund der Durchführung der Konvergenzregelung am Jahresende 2010 in Liquiditätsprobleme gerieten (BR-Drucks 813/1/07).