Entscheidungsdatum: 17.02.2010
1. Erteilt eine Krankenkasse die Zustimmung zur stationären Behandlung des Versicherten in einem anderen EG-Mitgliedstaat nur mit der Maßgabe einer Kostenerstattung begrenzt auf die Inlandssätze, steht damit nicht zugleich fest, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung im Inland nicht zu erlangen und deshalb volle Kostenerstattung zu leisten ist.
2. Eine Krankenkasse darf ihrem Versicherten trotz ärztlicher Vorbehandlungen im EG-Ausland und voller Kostenübernahmen dafür auch bei schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken die inzwischen gebesserte Versorgungssituation im Inland Kosten begrenzend entgegenhalten.
3. Bestimmt sich die Höhe der Kostenerstattung für eine stationäre Auslandsbehandlung nach der Vergütung für eine entsprechende Leistungserbringung im Inland, errechnet sich der Erstattungsbetrag nach Ablösung der Pflegesatzvergütung ausgehend von den für die Operation einschlägigen Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG).
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kostenerstattung für eine im Jahr 2005 in Großbritannien durchgeführte Herzoperation.
Bei dem 1939 geborenen, bei der beklagten Ersatzkasse versicherten Kläger waren 1982 und 1992 in der Klinik "Royal Brompton and Harefield NHS Trust"/L. (im Folgenden: RBH-Klinik) - einer Einrichtung des britischen staatlichen Gesundheitsdienstes - Herzoperationen durchgeführt worden; dabei war ihm jeweils eine bioprothetische Aortenklappe (= Transplantate von verstorbenen Organspendern) eingesetzt worden. Die Kosten dafür hatte die Beklagte voll getragen.
Im Juli 2005 wurde bei dem Kläger ua eine Aorteninsuffizienz Grad II-III festgestellt. Nachdem sich bei einer Untersuchung in L. Anfang September 2005 das Erfordernis einer dritten Aortenklappenoperation gezeigt hatte, beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für diese - mit einem erhöhten Risiko behaftete - Operation, die wiederum in der RBH-Klinik vorgenommen werden solle (Kostenvoranschlag 22.000 britischen Pfund
Die Beklagte entschied, dass sie die Kosten der Krankenhausbehandlung in der RBH-Klinik "anteilig im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung" übernehme. Da die Operation nach der Stellungnahme des Herzchirurgen Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) auch in Deutschland durchgeführt werden könne, sei die Erstattung allerdings auf die deutschen Sätze in einem vergleichbaren Vertragskrankenhaus - mit Abzügen für Zuzahlungen und Verwaltungskosten - beschränkt (Bescheid vom 3.11.2005).
Im Widerspruchsverfahren wandte sich der Kläger gegen die Beschränkung der Kostenerstattung, weil die stationäre Behandlung im EU-Ausland notwendig und er schon 1982 und 1992 in der RBH-Klinik mit der in Deutschland ungebräuchlichen Operationsweise behandelt worden sei.
Vom 25.11. bis 4.12.2005 wurde der Kläger in der RBH-Klinik stationär am Herzen operiert und erhielt am 28.11.2005 einen Aortenklappenersatz mittels Bioprothese bei gleichzeitiger Beseitigung des Aortenaneurysmas. Am 8., 9. und 22.12.2005 stellte die Klinik ihm die Versorgung in Rechnung (Behandlung am 25.11.2005; stationärer Aufenthalt 25.11. bis 4.12.2005; ambulantes EKG am 8.12.2005). Die Beklagte erstattete dem Kläger 23.990,38 Euro auf den Rechnungsbetrag (insgesamt 36.595,12 Euro). Dabei berücksichtigte sie eine vom Kläger zu leistende Zuzahlung von 90 Euro und einen Verwaltungskostenabschlag von 30 Euro (Bescheid vom 12.1.2006). Die Beklagte holte zudem eine weitere MDK-Stellungnahme ein, in der bekräftigt wird, dass die Operation auch in Deutschland (zB in der Klinik für Herzchirurgie/K.) habe durchgeführt werden können. Den Widerspruch wies sie zurück, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V für eine vollständige Kostenerstattung nicht vorlägen (Widerspruchsbescheid vom 22.3.2006).
Das vom Kläger ua unter Hinweis auf eine erhöhte Mortalitätsrate bei entsprechenden Operationen in Deutschland angerufene Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Die Beklagte müsse ihm nicht mehr als 23.990,38 Euro erstatten. Die Erteilung der für die stationäre Behandlung in der RBH-Klinik erforderlichen Zustimmung habe im Ermessen der Beklagten gelegen, das sie fehlerfrei ausgeübt habe. Ein Anspruch auf volle Kostenerstattung sei nicht aus § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V herzuleiten, weil eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zB in der Klinik für Herzchirurgie in K. und im Herzzentrum L. möglich gewesen sei. Dass 1982 und 1992 die in der RBH-Klinik durchgeführten Operationen in Deutschland noch unüblich gewesen seien, besage nichts für die Verhältnisse im November 2005. Die Anspruchsvoraussetzungen lägen auch nicht deswegen vor, weil zur Überzeugung des Senats - die näher dargelegt wird - das Mortalitätsrisiko in der RBH-Klinik nicht eklatant niedriger sei als in deutschen Krankenhäusern. Nach einer Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. L. lasse sich aufgrund der aktuellen und verfügbaren internationalen Literatur keine Aussage zur Mortalität bei einer dritten Herzklappenoperation finden; auch Prof. P./L. habe im Jahr 2004 keine selektiven Mortalitätsraten angegeben. Bei dieser Sachlage sehe sich der Senat nicht gedrängt, zum Mortalitätsrisiko Beweis zu erheben, weil nicht erkennbar sei, dass ein anderer Arzt oder eine andere Organisation über weitergehende Möglichkeiten als Dr. L. verfüge, aktuelle internationale Literatur auszuwerten. Die Beklagte habe ihre Zustimmung und die Kostenübernahmeerklärung auf die deutschen Vertragssätze in einem vergleichbaren Krankenhaus beschränken dürfen. Der insoweit maßgebliche § 13 Abs 4 Satz 3 SGB V bleibe auch bei einer stationären Auslandsbehandlung unberührt. Die erstatteten 23.990,38 Euro umfassten die Kosten, die bei einer entsprechenden Operation in Deutschland entstanden wären (Urteil vom 13.2.2009).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 103 SGG und § 13 Abs 4 und 5 SGB V. Das LSG habe den hilfsweise gestellten Beweisantrag ohne zureichende Begründung übergangen, |
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bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH eine Auskunft zu der Tatsache einzuholen, dass es in der Bundesrepublik Deutschland keine nennenswerte Operationspraxis für eine dritte Aortenklappenersatzoperation gibt, |
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weiter hilfsweise Zeugnis der dort tätigen Dr. K. D. und Dr. F. T. hierzu einzuholen. |
Die Auffassung des LSG, dass weitergehende Möglichkeiten zur Auswertung internationaler Literatur nicht erkennbar seien, bedeute eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses. Weder habe das Gericht die zur Beurteilung des Beweisthemas erforderliche Sachkunde, noch sei nach seiner Auffassung schon das Gegenteil erwiesen. Das LSG habe den Beweisantrag - für das Revisionsgericht bindend - so ausgelegt, dass implizit behauptet werde, es gebe in Deutschland keine nennenswerte Operationspraxis für eine dritte Aortenklappenoperation, während in der RBH-Klinik eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung möglich sei. Die Beklagte habe ihre Zustimmung zur Auslandsbehandlung auch erteilt. Das LSG habe zudem keine Feststellungen zu seinen (des Klägers) Einkommens- und Vermögensverhältnissen getroffen, welche für die Ermessensausübung von Bedeutung seien. Das Ermessen habe zu seinen Gunsten ausgeübt werden müssen. Darüber hinaus habe das LSG § 13 Abs 5 Satz 2 SGB V falsch ausgelegt, weil die Krankenkasse (KK) die objektive Feststellungslast dafür treffe, dass eine gleichwertige stationäre Behandlung auch im Inland möglich sei. Es stelle sich zudem die Frage, ob nicht auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V die KK die Feststellungslast tragen müsse, wenn doch deren Vorliegen in § 13 Abs 4 Satz 2 SGB V widerleglich vermutet werde. Dass die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V erfüllt sein könnten, ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Voroperationen vollständig bezahlt habe; daraus sei zu folgern, dass die englische Herzchirurgie einen Vorsprung vor der deutschen habe. Eine ordnungsgemäße Ermessensausübung führe zwingend zur vollen Kostenerstattung.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Februar 2009 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 3. November 2005 und 12. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2006 zu verurteilen, ihm weitere 12.484,74 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Februar 2009 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG-Urteil, welches einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen die beklagte Ersatzkasse von weiteren 12.484,74 Euro für die stationäre Behandlung vom 25.11. bis 4.12.2005 und die ambulante Behandlung am 8.12.2005 in der RBH-Klinik/L. verneint und die angefochtenen Bescheide der Beklagten als rechtmäßig angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keine durchgreifenden Revisionsrügen gegen das Urteil vorgebracht, nach dem er gegen die Beklagte (nur) Anspruch auf Kostenübernahme für die Herzoperation in der RBH-Klinik/L. in Höhe von 23.990,38 Euro hat. § 13 Abs 4 Satz 1 bis 5 SGB V gibt dem Kläger keinen weitergehenden Anspruch (dazu 1.) Die Voraussetzungen für eine vollständige Kostenerstattung nach der vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V sind nicht erfüllt (dazu 2.).
1. Der vom Kläger erhaltene Zahlbetrag in Höhe von 23.990,38 Euro entspricht dem in § 13 Abs 4 Satz 1 bis 5 SGB V geregelten Erstattungsumfang.
Nach § 13 Abs 4 Satz 1 SGB V (anzuwenden in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung durch Art 1 Nr 4 Buchst b des Gesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190 ) sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen dabei nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind (§ 13 Abs 4 Satz 2 SGB V). Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die KK bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs 4 Satz 3 SGB V). Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln; sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen (§ 13 Abs 4 Satz 4 und 5 SGB V). Diese Begrenzung der Kostenerstattung verstößt nicht gegen Europarecht (vgl Senats-Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 22/08 R - Gran Canaria, zur Veröffentlichung in BSGE 103 und SozR 4-2500 § 13 Nr 23 vorgesehen, jeweils RdNr 40 mwN; vgl EuGHE I 2003, 4509 RdNr 98, 106, 107 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1 RdNr 128, 137, 138 - Müller-Fauré/van Riet; EuGHE I 2004, 2641 RdNr 48 - Leichtle; EuGHE I 2006, 4325 RdNr 132 - Watts) . Die von der Beklagten gewährte Zahlung bewegt sich im Rahmen dieser Vorgaben.
Denn nach den Ermittlungen des LSG, die mit Revisionsrügen nicht angegriffen werden und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), handelt es sich bei den 23.990,38 Euro um einen Betrag, der angefallen wäre, wenn es eine etwa zeitgleiche Behandlung in der Klinik für Herzchirurgie in K. stattgefunden hätte. Maßgeblicher Ausgangsbetrag sind insoweit 24.110,38 Euro, die um die den Kläger als Versicherten treffende gesetzliche Zuzahlung von 90 Euro sowie um den satzungsmäßigen (iVm § 13 Abs 4 Satz 4 SGB V) Verwaltungskostenabschlag von 30 Euro zu vermindern sind. Damit ergibt sich ein Erstattungsbetrag von 23.990,38 Euro. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 22/08 R (Gran Canaria, zur Veröffentlichung in BSGE 103 und SozR 4-2500 § 13 Nr 23 vorgesehen, jeweils RdNr 40) entschieden hat, ist insbesondere die Begrenzung der Kostenerstattung unter Zugrundelegung der Kosten rechtmäßig, die in Deutschland für eine entsprechende Versorgung am Wohnort bzw am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Versicherten anfallen würden. Die nach § 13 Abs 4 Satz 3 SGB V zu erstattenden Kosten sind nach der Ablösung der Pflegesatzvergütung für stationäre Krankenhausbehandlung entsprechend ausgehend von den einschlägigen DRGs zu errechnen.
Entgegen der Auffassung des Klägers entfällt die Prüfung der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 4 Satz 3 SGB V auch nicht deshalb, weil § 13 Abs 5 SGB V für stationäre Auslandsbehandlung eine Sonderregelung enthielte. Denn die letztgenannte Bestimmung enthält nach ihrem Regelungsgehalt zu der Frage, in welcher Höhe ein Kostenerstattungsanspruch bei stationärer Behandlung im EU-Ausland besteht, keine Rechtsfolge. Der Inhalt des § 13 Abs 5 SGB V ist darauf beschränkt, hinausgehend über Abs 4 Satz 1 das zusätzliche Erfordernis der vorherigen Zustimmung der KK für die stationäre Auslandsbehandlung aufzustellen. § 13 Abs 5 SGB V lässt dagegen die übrigen Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 4 SGB V unberührt (vgl E. Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 73. Lieferung 10/2009, § 13 SGB V RdNr 365 ff) .
2. Der Kläger hat auch keinen weitergehenden Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V als von der Beklagten zuerkannt, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Kläger hätte sich nämlich zumutbar in Deutschland behandeln lassen können.
§ 13 Abs 4 Satz 6 SGB V, auf den sich der Kläger stützt, bestimmt: "Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die KK die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen." Die Übernahme der "ganzen" Kosten für eine erforderliche Auslandsbehandlung sind in das Ermessen der KK gestellt. Die Regelung räumt ihr dieses Ermessen jedoch nur für den Fall ein, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Jedenfalls an dieser Voraussetzung fehlt es hier. Auf die - weitere - Rüge des Klägers, das LSG habe keine Feststellungen zu seinen für die Ermessensausübung bedeutsamen Einkommens- und Vermögensverhältnissen getroffen, kommt es schon von daher nicht an.
a) Vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung des Klägers nur in der RBH-Klinik L. und nicht in Deutschland möglich war, kann hier nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil die Beklagte dem Kläger die - an sich von den gleichen Voraussetzungen abhängige - Zustimmung zur Auslandsbehandlung nach § 13 Abs 5 SGB V erteilt hatte. Zwar durfte diese Zustimmung nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der KK im Inland erlangt werden kann (§ 13 Abs 5 Satz 2 SGB V). Insoweit fällt aber ins Gewicht, dass die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 3.11.2005 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zustimmung gar nicht bejahte, sondern sogar ausdrücklich auf das Gegenteil hinwies, nämlich darauf, dass die Operation nach der Stellungnahme eines Herzchirurgen des MDK ebenso in Deutschland durchgeführt werden könne; explizit wurde von der Beklagten darin ausgeführt, dass (begrenzte) Kosten nur "im Rahmen einer Einzelfallentscheidung ohne präjudizierende Wirkung" übernommen würden. Dieses Verwaltungshandeln der Beklagten kann sich ihr gegenüber nicht im Nachhinein zum Nachteil auswirken, weil sie in Umsetzung der MDK-Stellungnahme konsequenterweise eine Leistungsgewährung insgesamt hätte ablehnen müssen. Gleichwohl ist das Verwaltungshandeln der Beklagten nachvollziehbar und bewegt sich auf gesichertem rechtlichen Boden, weil es bei nüchterner Betrachtung erkennbar von Entgegenkommen und einem besonderen Verständnis für die prekäre gesundheitliche Situation des Klägers getragen war. Denn die Beklagte bot dem Kläger so bei verständiger Würdigung eine letztlich als - untechnisches - Vergleichsangebot zu verstehende Möglichkeit der Leistungsgewährung an, indem sie trotz der greifbaren, mit ärztlichen Stellungnahmen begründbaren verwaltungsmäßigen Ablehnung letztlich zu einer begünstigenden Entscheidung mit Kompromisscharakter griff. Für dieses Vorgehen lässt sich anführen, dass sie nach den beiden Voroperationen des Klägers in London und im Vorfeld seiner unmittelbar bevorstehenden, sehr risikoreichen dritten Herzklappenoperation berechtigte Hoffnungen haben konnte, so juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, die das Überlebensrisiko für die Operation möglicherweise noch verringert hätten.
Bei dieser Sachlage, insbesondere angesichts der Begründung des Bescheides vom 3.11.2005, der ausdrücklich und auch für den Kläger erkennbar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erging, liegt es jedenfalls fern, der Argumentation des Klägers aus dem Revisionsverfahren zu folgen, wonach aus der Zustimmung der Beklagten zur stationären Auslandsbehandlung in seinem Sinne auch Folgerungen für die volle Kostenerstattung gezogen werden müssten bzw dass deswegen eine die Beklagte treffende Umkehr der Feststellungslast hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V zu erfolgen habe.
b) Das LSG hat die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V, wonach der Kläger eine ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung bei einem zugelassenen Leistungserbringer im Inland habe erlangen können, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
aa) Das LSG hat aus verschiedenen Umständen - insbesondere MDK-ärztlichen Stellungnahmen vom 25.10. und 28.11.2005 sowie vom 13.7.2006 - hergeleitet, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit des Klägers, insbesondere ein bioprothetischer Aortenklappenersatz im November/Dezember 2005 auch in einem zugelassenen Krankenhaus in Deutschland möglich war (Klinik für Herzchirurgie in K. ; Herzzentrum L.); es hat sich dabei auch argumentativ mit gegenläufigen Gesichtspunkten auseinandergesetzt. Diese Einschätzung ist im Ergebnis vom Kläger im Berufungsverfahren auch nicht (mehr) bestritten worden. Soweit er im Revisionsverfahren weiter geltend macht, die Voraussetzungen des § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V seien erfüllt, weil die Beklagte die Voroperationen in der RBH-Klinik L. vollständig bezahlt habe und seiner Meinung nach die englische Herzchirurgie weiterhin einen Vorsprung vor der deutschen habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Auch wenn in den Jahren 1982 und 1992 die beim Kläger durchgeführte Operation in Deutschland noch unüblich war und nur von einer einzigen Klinik durchgeführt wurde, lässt dies nicht den Schluss darauf zu, dass die Verhältnisse im November 2005, also mehr als zwölf Jahre später, noch in gleicher Weise bestanden. Das LSG hat insoweit beanstandungsfrei ausgeführt, dass nach den Ermittlungen im Laufe der Zeit eine Änderung der Sachlage eingetreten sei, weil nunmehr auch (weitere) zugelassene Krankenhäuser in Deutschland den bioprothetischen Aortenklappenersatz durchführten. Das greift der Kläger im Kern mit Revisionsrügen nicht an.
Die medizinische Notwendigkeit einer dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Operation ausschließlich in der RBH-Klinik folgt auch nicht daraus, dass der Kläger geltend gemacht hat, er setze besonderes Vertrauen in die dortigen Chirurgen und Kardiologen, weil er jahrzehntelangen Kontakt dorthin mit jährlichen Kontrolluntersuchungen habe und beide Voroperationen dort durchgeführt worden seien. Auch wenn der Wunsch verständlich ist, dass sich Patienten es bei bevorstehenden schweren, mit einem nicht unerheblichen Mortalitätsrisiko behafteten Operationen zur Behandlung in "bewährte" Hände oder zu Ärzten begeben, die ihnen bereits in der Vergangenheit bei ähnlich schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen erfolgreich Hilfe zuteil werden ließen, folgt daraus nicht zugleich, dass die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für entsprechende Wunschbehandlungen auch uneingeschränkt aufzukommen hat. Schon allgemein besteht das Wunsch- und Wahlrecht des § 33 Satz 1 SGB I nur, soweit Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Anders als es § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V für die freie Arztwahl unter den für die vertragsärztliche Versorgung zugelassenen oder gleichgestellten Leistungserbringern bestimmt, gibt es jedoch schon bei einer Behandlung im Inland keine entsprechende ausdrückliche Regelung für den Bereich der stationären Krankenhausbehandlung
(vgl bereits Bundessozialgericht
Erst recht kann auch eine Auslandsbehandlung - zumal in stationärer Form unter den erschwerten (europarechtskonformen) Voraussetzungen des § 13 Abs 5 SGB V - unter dem allgemeinen, sich auch in § 13 Abs 4 Satz 6 SGB V niederschlagenden Regime des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht allein unter Hinweis auf den Patientenwunsch oder die Inanspruchnahme der europarechtlichen passiven Dienstleistungsfreiheit beansprucht werden. Aus § 18 SGB V hat der Senat vielmehr hergeleitet, dass dafür ein qualitatives oder quantitatives Versorgungsdefizit im Inland zu fordern ist (vgl BSGE 92, 164 = SozR 4-2500 § 18 Nr 2, jeweils RdNr 9 ff; vgl auch zur ähnlichen Rechtsprechung des EuGH: EuGHE I 2006, 4325 - Watts).
Ein solches Defizit besteht nicht schon dann, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Denn eine solche Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der GKV. Die KKn schulden den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik; sie haben die Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1, § 27 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V). Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung besteht dagegen kein Anspruch (BSGE 84, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 15 f; BSG SozR 5520 § 29 Nr 3 S 8 f). Spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten eines ausländischen Arztes oder überlegene technische oder personelle Kapazitäten eines Krankenhauses können erst dann eine Inanspruchnahme zu Lasten der GKV rechtfertigen, wenn sie sich in einem besonderen Leistungsangebot niederschlagen, das nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Teil einer zweckmäßigen medizinischen Behandlung der betreffenden Krankheit ist, im Inland aber nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht (vgl für die insoweit vergleichbare Beurteilung bei § 18 SGB V BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 38 mwN). Für eine solche Sachlage ist vorliegend - über den nur in diesem Rahmen potenziell bedeutsamen, vom Kläger speziell angeführten, hier nicht durchgreifenden Gesichtspunkt des vermeintlich höheren Mortalitätsrisikos in Deutschland hinaus (dazu sogleich näher bb) - nichts ersichtlich.
bb) Die Revision des Klägers kann schließlich auch keinen Erfolg haben, soweit er in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 103 SGG die Ausführungen des LSG zum Mortalitätsrisiko angreift und damit ein Versorgungsdefizit (im og Sinne) zu belegen versucht.
Eine Verfahrensrüge erhebt der Kläger nur insoweit, als er dem LSG vorwirft, es habe seinen Antrag, durch Einholung einer (näher umschriebenen) Auskunft bzw Zeugenvernehmung zu ermitteln, ob es in Deutschland keine nennenswerte Operationspraxis für eine dritte Aortenklappenersatzoperation gebe, nicht ablehnen dürfen; er stützt sich darauf, dass die Auffassung des LSG, weitergehende Möglichkeiten zur Auswertung internationaler Literatur darüber seien nicht erkennbar, eine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses bedeute und dem Gericht die zur Beurteilung des Beweisthemas erforderliche Sachkunde gefehlt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
Bei einer - wie hier - gerügten Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist im Revisionsverfahren darzulegen, warum sich das LSG von seiner Rechtsauffassung her zu den vom Betroffenen weiter begehrten Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl zB Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 20 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG) . Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich vorliegend um einen im Berufungsverfahren formell ordnungsgemäß gestellten Hilfsbeweisantrag des Klägers handelte, ergibt sich aus den Darlegungen der Revisionsbegründung ein solches Ermittlungsdefizit nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es die zentrale entscheidungserhebliche Frage für den Ausgang des Rechtsstreits war und ist, ob das Mortalitätsrisiko für eine dritte Herzklappenoperation in der RBH-Klinik L. im November/Dezember 2005 wesentlich niedriger war als bei entsprechenden Operationen in Deutschland, weil es nur dann zu einer weitergehenden Leistungsgewährung an den Kläger kommen könnte. Das LSG hat dies verneint und seine dazu gewonnene Einschätzung nicht nur auf eigene Erkenntnisse gestützt, sondern seine Überzeugung zu dieser Feststellung aus der Stellungnahme des MDK-Arztes Dr. L. vom 3.8.2007 hergeleitet, wonach sich zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der aktuellen und verfügbaren internationalen Literatur keine Aussage zur Mortalität bei einer dritten Herzklappenoperation finden ließ. Das LSG hat sich dabei auch mit weiteren sich aus dem Verfahren ergebenden anderen Indizien auseinandergesetzt und für seine Auffassung eine nähere Begründung gegeben (Würdigung des Schreibens Prof. P./L. vom 16.3.2007; Veröffentlichung dieses Arztes von 2004; Einschätzung Dr. A./Herzzentrum L.). Es hat sodann auf dieser Grundlage ausgeführt, dass nicht erkennbar sei, dass ein anderer Arzt oder eine andere Organisation - etwa die im Beweisantrag genannten - über weitergehende Möglichkeiten als Dr. L. verfügten, die aktuelle internationale Literatur auszuwerten. Der Kläger hat nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Ausführungen des LSG derartiges in den Tatsacheninstanzen auch gar nicht einmal behauptet. Vor diesem Hintergrund aber ist dann nicht erkennbar, aufgrund welcher konkreten und dem Gericht rechtzeitig unterbreiteten Umstände (zB besondere, über die Sachkunde von Dr. L. hinausgehende Fähigkeiten der benannten Institution bzw der Zeugen) sich das Berufungsgericht gleichwohl noch zu weiteren Ermittlungen zur Frage des Mortalitätsrisikos hätte gedrängt fühlen müssen. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Würdigung der Beweismittel durch das LSG ist nur am Maßstab der Einhaltung des Prozessrechts zu messen und daraufhin zu überprüfen, ob es dabei verfahrensrechtliche Grenzen überschritten und zB gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsregeln verstoßen hat (vgl allgemein zB BSG SozR Nr 34 und Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 10 ff mwN) . Dazu wird im Revisionsverfahren ebenfalls nichts Hinreichendes geltend gemacht.