Bundessozialgericht

Entscheidungsdatum: 08.01.2010


BSG 08.01.2010 - B 1 KR 119/09 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Revisionszulassung - Prozesskostenhilfe - Verfahrensmangel - Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit


Gericht:
Bundessozialgericht
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsdatum:
08.01.2010
Aktenzeichen:
B 1 KR 119/09 B
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend SG Speyer, 5. Dezember 2008, Az: S 11 KR 315/08, Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 4. Juni 2009, Az: L 5 KR 161/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Tatbestand

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Der 1953 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist bei dem Sozialgericht ua mit seinem Begehren ohne Erfolg geblieben, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer vom 1.8. bis 22.8.2005 zu Lasten der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund) durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu tragen. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua den im Berufungsverfahren gestellten Antrag festzustellen, dass die Beklagte für die im Jahre 2005 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme zuständig war, zurückgewiesen: Die Feststellungsklage sei unzulässig. Eigentliches Ziel des Klägers sei es, gegenüber dem Rentenversicherungsträger einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge nach § 26 Abs 2 SGB IV durchzusetzen und den Gegeneinwand erbrachter Leistungen wegen der Rehabilitationsmaßnahme zu entkräften. Eine Unzuständigkeit des Rentenversicherungsträgers dafür sei jedoch im Rahmen des Verfahrens auf Erstattung der Beiträge zu prüfen (Urteil vom 4.6.2009).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und begehrt zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten.

Entscheidungsgründe

3

1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH unter Beiordnung des Rechtsanwalts K. ist abzulehnen.

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Der Anspruch darauf setzt nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO ua voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es, weil der Kläger aller Voraussicht nach in dem Beschwerdeverfahren nicht mit seinem Begehren durchdringen kann. Das Bundessozialgericht (BSG) darf auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision nur zulassen, wenn einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend genannten Zulassungsgründe vorliegt.

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a) Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten geben keinen Anhaltspunkt dafür her, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) oder das LSG-Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Insbesondere ist entgegen der Ansicht des Klägers eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht erkennbar. Die Frage nach der Zuständigkeit für die dem Kläger gewährte Rehabilitationsmaßnahme hat bei summarischer Prüfung keine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, allgemeine Bedeutung.

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b) Auch liegt ein zum Erfolg des Beschwerdeverfahrens führender Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) voraussichtlich nicht vor. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ergibt sich nicht etwa aus einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG in der mündlichen Verhandlung am 4.6.2009 (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 SGG). Allerdings ergibt die Durchsicht der Akten, dass das LSG nicht formell über das gegen den Senat gerichtete Befangenheitsgesuch des Klägers vom 19.2.2009 entschieden hat. Dieser Verfahrensfehler könnte aber die Zulassung der Revision nicht begründen, weil bei der gebotenen eigenen Überprüfung durch den erkennenden Senat (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4) voraussichtlich keine ernsthaften Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit bestehen.

7

Auch wenn man davon ausgeht, dass nach dem Vorbringen des Klägers zur Richterablehnung eine Entscheidung des LSG darüber geboten war, fehlt nach derzeitiger Aktenlage jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das Gesuch des Klägers auf Ablehnung der Richter begründet war. Eine Besorgnis der Befangenheit (§ 60 SGG iVm § 42 ZPO) ist nur dann gegeben, wenn der Beteiligte von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG. 9. Aufl 2008, § 60 RdNr 7 ff mwN). Die Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in eigenem Verhalten des Richters haben. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann keine Ablehnung begründen (vgl Keller, aaO, § 60 RdNr 8g mwN) . Ebenso wenig begründen Fehler des Richters - sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten - eine Besorgnis der Befangenheit. Es müssen mit dem Ablehnungsgesuch Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13 mwN) . Danach ist hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von einer Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter auszugehen.

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Der angeblichen Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärung, dem Fehlen eines "gerichtlichen Hinweises zur Erhebung der Restitutionsklage" und der unterbliebenen Aussetzung des Verfahrens wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerde allein können keine objektiv vernünftigen Gründe für die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter darstellen. Ein Befangenheitsgesuch ist nicht das vorgesehene Mittel, Ermittlungen oder ein sonstiges erwünschtes prozessuales Vorgehen des Gerichts zu erzwingen. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, in der von ihm beanstandeten Verfahrensweise komme eine unsachliche Einstellung oder Willkür der abgelehnten Richter zum Ausdruck.

9

Das Vorbringen des Klägers und die Durchsicht der Akten enthalten auch keine weiteren Anhaltspunkte für einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Das gilt entgegen der Ansicht des Klägers sowohl in Bezug darauf, dass er rügt, § 103 SGG (Aufklärungspflicht) und § 62 SGG (Gewährung rechtlichen Gehörs) seien verletzt worden.

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Ein möglicherweise unzutreffender Inhalt des LSG-Urteils kann den voraussichtlichen Erfolg im Beschwerdeverfahren nicht begründen. Das bloße Beanstanden der inhaltlichen Richtigkeit des angegriffenen Urteils stellt keinen Revisionszulassungsgrund dar (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 ).

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2. Die bereits durch den Kläger selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht von einem gemäß § 73 Abs 4 SGG vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG). Sie ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

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3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.