Entscheidungsdatum: 12.02.2019
I
Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz von Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Schallschutzes.
Sie sind je zur Hälfte Miteigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in G., das nordwestlich der Bundesautobahn A 2 in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Nach dem Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der A 2 zwischen den Anschlussstellen H. und G. vom 13. Mai 1998 haben die Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten von Maßnahmen des passiven Schallschutzes, soweit die Immissionsgrenzwerte auch nach Durchführung der im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Maßnahmen des aktiven Schallschutzes überschritten sind. Auf ihren Antrag vom 11. Juni 2003 stellte der Landesbetrieb Straßenbau fest, dass die Dämmung eines Rolladenkastens und der Einbau von Schalldämmlüftern erforderlich seien, und forderte die Kläger mit Schreiben vom 7. Februar 2006 auf, dafür mindestens drei unverbindliche Angebote einzuholen, damit auf der Grundlage des günstigsten Angebots eine Entschädigungsvereinbarung geschlossen werden könne. Die Verkehrsfreigabe erfolgte im Mai 2006.
Die Kläger verhandelten mit dem Beklagten zunächst über Verbesserungen des aktiven Lärmschutzes. Auf ihren Antrag auf passive Schallschutzmaßnahmen vom 18. Juni 2012 hin teilte der Landesbetrieb Straßenbau den Klägern mit Schreiben vom 19. Juni 2012 mit, ihr Entschädigungsanspruch sei seit dem Ablauf des Jahres 2009 verjährt.
Das Verwaltungsgericht verpflichtete daraufhin den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Juni 2012 zur Gewährung passiven Lärmschutzmaßnahmen entsprechend dem Planfeststellungsbeschluss vom 13. Mai 1998. Das Oberverwaltungsgericht wies unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage mit der Begründung ab, für eine nochmalige Tenorierung des im Planfeststellungsbeschluss zugesprochenen Anspruchs fehle das Rechtsschutzbedürfnis und für eine erneute Gewährung passiver Schallschutzmaßnahmen ohne ein konkretes Erstattungsverlangen gebe es keine Rechtsgrundlage, weil zunächst ein Entschädigungsverfahren nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG durchzuführen sei. Die Revision wurde nicht zugelassen.
II
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
1. Die Revision ist nicht im Hinblick auf die Frage,
wie der nach einem Planfeststellungsbeschluss zu einem passiven Lärmschutz Berechtigte seinen Anspruch geltend machen muss, wenn er ihn erst später geltend machen will, weil er, z.B. wie vorliegend, zwischenzeitlich versucht, auf dem Verhandlungswege aktive Lärmschutzmaßnahmen zu erreichen,
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Denn zur Klärung der von den Klägern aufgeworfenen Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
Der Sache nach zielt die Frage darauf ab, ob § 42 Abs. 3 BImSchG auch dann Anwendung findet, wenn der Straßenbaulastträger sich im Hinblick auf einen im Planfeststellungsbeschluss zugesprochenen Entschädigungsanspruch nach § 42 Abs. 1 und 2 BImSchG auf Verjährung beruft (zur Verjährung von durch Verwaltungsakt festgestellten Ansprüchen in dreißig Jahren analog § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2013 - V ZR 203/11 - NJW-RR 2013, 1236 Rn. 18 ff. und Beschluss vom 12. Juni 2014 - V ZR 240/13 - ZOV 2014, 158).
Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG setzt, falls zwischen dem Träger der Baulast und dem Betroffenen keine Einigung über die Entschädigung für Maßnahmen des passiven Schallschutzes zustande kommt, die nach Landesrecht zuständige Behörde auf Antrag die Entschädigung fest. Für das Verfahren gelten nach § 42 Abs. 3 Satz 2 BImSchG die Enteignungsgesetze der Länder entsprechend. Nach § 50 Abs. 1 EEG NW können Entscheidungen über Entschädigungen nur durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden, über den das Landgericht (Kammer für Baulandsachen) entscheidet.
Die diesbezügliche Auslegungsfrage, die die Beschwerde aufwirft, lässt sich schon auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung aus dem Gesetz ohne weiteres beantworten (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270>). Denn Wortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzeszweck sprechen ebenso wie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs dafür, dass § 42 Abs. 3 BImSchG auch in einem solchen Fall Geltung beansprucht.
Nach ihrem Wortlaut gilt diese Regelung in allen Fällen, in denen eine Einigung über die Entschädigung zwischen den Beteiligten nicht zustande kommt. Dies wird durch die Systematik des § 42 BImSchG bestätigt. Als eigener Absatz dieser Regelung bezieht sich § 42 Abs. 3 BImSchG nicht nur auf § 42 Abs. 2 BImSchG, der die Höhe der Entschädigung regelt, sondern auch auf § 42 Abs. 1 BImSchG, der die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs betrifft. Er gilt deshalb nicht nur, wenn sich die Beteiligten nicht über die Höhe der Entschädigung einigen können, sondern auch, wenn die Einigung an noch nicht durch einen Planfeststellungsbeschluss geklärten Fragen des Bestehens oder der Durchsetzbarkeit des Anspruchs scheitert (Bracher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juli 2018, § 42 BImSchG Rn. 40). Dementsprechend ist § 42 Abs. 3 BImSchG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch in Fällen anwendbar, in denen der Entschädigungsanspruch dem Grunde nach noch nicht festgestellt worden ist, weil die Straße nicht planfestgestellt, sondern die straßenrechtliche Planfeststellung durch einen Bebauungsplan ersetzt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995 - 4 NB 30.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 82 S. 22 ff.). Ein Normverständnis, wonach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG in allen Fällen gilt, in denen sich der Baulastträger und der Betroffene nicht über die Entschädigung einigen, und damit auch bei einem Streit über den Eintritt der Verjährung, entspricht schließlich auch dem Zweck dieser Regelung, in verfahrensrechtlicher Hinsicht dafür Vorsorge zu treffen, dass die betroffenen Grundstückseigentümer in der Lage sind, ihr Recht durchzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 1995 - 4 NB 30.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 82 S. 24 f.).
Diesem weiten Verständnis von § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG im Sinne seiner Anwendbarkeit in allen Fällen, in denen eine Einigung über die Entschädigung nicht zustande kommt, entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Denn in einem Fall, in dem über die Anspruchsberechtigung der Grundstückseigentümer hinsichtlich eines dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Entschädigungsanspruchs nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BImSchG keine Einigung erzielt worden war und die Grundstückseigentümer daraufhin erfolglos nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG bei der zuständigen Behörde die Feststellung der Entschädigungsverpflichtung des Baulastträgers beantragt hatten, hat der Bundesgerichtshof die Statthaftigkeit des Antrags der Eigentümer nach § 42 Abs. 3 Satz 1 BImSchG nicht in Frage gestellt. Er hat vielmehr das Urteil des Landgerichts gebilligt, das den Beschluss der Behörde über die Ablehnung eines Feststellungsantrags aufgehoben und seinerseits gerichtlich festgestellt hatte, dass die Eigentümer einen Anspruch auf angemessene Entschädigung hätten. Auch hat der Bundesgerichtshof die Bejahung eines Feststellungsinteresses durch die Vorinstanzen im Hinblick darauf gebilligt, dass die Eigentümer vor der Durchführung kostenintensiver Schallschutzmaßnahmen insoweit Klarheit haben müssten (BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - III ZR 379/02 - NVwZ 2003, 1286). Betroffene, gegenüber denen der Baulastträger schon vor der Realisierung passiver Schallschutzmaßnahmen die Verjährungseinrede erhebt, befinden sich insoweit in einer vergleichbaren Situation. Auch sie haben ein Interesse daran, vorab zu wissen, ob ihnen die Aufwendungen dafür durch den Baulastträger ersetzt werden.
Soweit die Kläger in Frage stellen, dass es überhaupt rechtlich möglich sei, die Verjährungsfrage in einem zivilgerichtlichen Verfahren klären zu lassen, setzen sie sich nicht mit der vorgenannten Rechtsprechung auseinander.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Das Berufungsgericht hat den Klägern das rechtliche Gehör nicht versagt.
Das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Gericht muss sich in seinem Urteil aber nicht mit jedem Vorbringen auseinandersetzen. Es darf sich vielmehr auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind. Die Nichtbehandlung des Vorbringens eines Beteiligten in den Entscheidungsgründen lässt daher nur dann auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schließen, wenn das betreffende Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblich war (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 11. April 2003 - 7 B 141.02 - NJW 2003, 2255 und vom 4. Juli 2013 - 9 A 7.13 - NVwZ 2013, 1549 Rn. 4, insoweit in Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 36 nicht abgedruckt, jeweils m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, hat das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es eine "Verjährungsunterbrechung" durch fortlaufende Einigungsverhandlungen zwischen den Parteien nach § 203 BGB und ein treuwidriges Verhalten des Beklagten nicht geprüft hat, obwohl die Kläger sich darauf in ihren Schriftsätzen in beiden Instanzen berufen hatten. Denn weder die Frage der Verjährung und ihrer etwaigen Hemmung nach § 203 BGB noch die eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben waren nach dem Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts entscheidungserheblich. Vielmehr hat das Berufungsgericht zum einen bereits das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage und zum anderen das Vorliegen einer Rechtsgrundlage für einen weiteren Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für passive Schallschutzmaßnahmen ohne konkretes Erstattungsverlangen verneint. Auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung stellte sich die Frage der Verjährung und der Treuwidrigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede durch den Beklagten daher nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.