Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 15.03.2017


BVerwG 15.03.2017 - 8 C 9/16

Heranziehung zur Dienstleistungsstatistik


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
15.03.2017
Aktenzeichen:
8 C 9/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:150317U8C9.16.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 3. März 2016, Az: 3 A 547/13, Urteilvorgehend VG Leipzig, 9. Februar 2012, Az: 5 K 716/11, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

§ 5 Abs. 1 Satz 2 DlStatG schließt es nicht aus, dass das von der Auskunftspflicht seines Leiters betroffene Unternehmen eine Verletzung seiner Rechte wegen des Erhebungsaufwands selbst gerichtlich geltend macht.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführte Rechtsanwaltskanzlei, wendet sich gegen die Heranziehung zur Dienstleistungsstatistik. Die Dienstleistungsstatistik ist eine Bundesstatistik, welche die Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Dienstleistungsbereich darstellt und jährlich als Stichprobe erhoben wird.

2

Mit Bescheid vom 15. März 2011 zog das Statistische Landesamt des Freistaats Sachsen (im Folgenden: Statistisches Landesamt) den Geschäftsführer der Klägerin zur Erteilung von Auskünften über sein Unternehmen für die Dienstleistungsstatistik 2009 heran und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, die erforderlichen Auskünfte bis zum 31. März 2011 zu erteilen. Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre ununterbrochene Heranziehung zur Dienstleistungsstatistik im Rahmen einer sogenannten Totalschicht sei rechtswidrig. Nachdem die Erhebung zur Dienstleistungsstatistik für das Berichtsjahr 2009 am 31. Mai 2011 abgeschlossen worden war, ohne dass der Geschäftsführer der Klägerin die geforderten Auskünfte erteilt hatte, stellte das Statistische Landesamt mit Bescheid vom 30. Juni 2011 das Verwaltungs- und Zwangsgeldverfahren sowie das Widerspruchsverfahren aufgrund eingetretener Erledigung ein.

3

Am 2. August 2011 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass der Heranziehungsbescheid des Statistischen Landesamtes vom 15. März 2011 rechtswidrig war. Sie hat geltend gemacht, dass sie seit dem Berichtsjahr 2003 jährlich zur Auskunftserteilung herangezogen werde, ohne dass wegen der Zugehörigkeit zu einer Totalschicht ein zeitliches Ende ihrer Berichtspflicht absehbar sei.

4

Der Beklagte hat im Klageverfahren zur Begründung des Heranziehungsbescheides ergänzend vorgetragen, mittels des angewandten mathematisch-statistischen Verfahrens solle erreicht werden, dass die Stichprobe die Gesamtheit des Dienstleistungsbereichs hinreichend genau widerspiegele. Es habe sich herausgestellt, dass die angewandte mathematisch-statistische Optimallösung in den oberen Größenklassen, in denen die Anzahl der Einheiten geringer, die Schichtspanne aber größer sei, zu höheren Auswahlsätzen bis hin zu Totalschichten führe. Dies sei in den unteren Größenklassen grundsätzlich anders, weil dort die Anzahl der Einheiten größer und die Schichtspanne kleiner sei. Der zur Verfügung stehende Stichprobenumfang werde so auf die Größenklassen verteilt, dass der relative Standardfehler der Nachweispositionen, d.h. das Maß für den Schätzfehler, mit dem gerechnet werden müsse, wenn nur einige Erhebungseinheiten aus einer Schicht ausgewählt würden, minimiert und der Stichprobenumfang möglichst effizient genutzt werde. Ein Verzicht auf Totalschichten führe bei gleich geforderter Ergebnisqualität zwingend zu einem deutlich erhöhten Gesamtstichprobenumfang. Der Gesetzgeber sei zwar grundsätzlich davon ausgegangen, dass das Auswahlverfahren einen systematischen Austausch der jeweils Auskunftspflichtigen vorsehe. Dem kämen die Statistischen Ämter aber schon dadurch nach, dass in periodischen Abständen eine neue Stichprobe gezogen werde. Bei einer Einordnung in eine Totalschicht sei eine Rotation allerdings ausgeschlossen. Totalschichten seien jedoch nicht unabänderlich, sondern könnten bei einer neuen Stichprobenziehung variieren. Ebenso könne der Auskunftspflichtige in eine andere Umsatzgrößenklasse wechseln.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Februar 2012 abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2016 das erstinstanzliche Urteil geändert und der Klage stattgegeben. Der Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2011 sei rechtswidrig gewesen. Die Klägerin sei ermessensfehlerhaft zu einer Auskunftserteilung verpflichtet worden. Sie unterfalle zwar dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Dienstleistungsstatistikgesetzes und sei damit grundsätzlich auskunftspflichtig. Das vom Beklagten angewandte mathematisch-statistische Verfahren zur Auswahl der Erhebungseinheiten trage jedoch dem gesetzgeberischen Gebot der Begrenzung der Inanspruchnahme der Auskunftspflichtigen nicht hinreichend Rechnung. Auch wenn die Bildung einer Totalschicht aus Qualitätsgründen sinnvoll sein könne, widerspreche dies dem Grundanliegen des Gesetzgebers des Dienstleistungsstatistikgesetzes, der grundsätzlich von einer Stichprobe von 15 % der Erhebungseinheiten und einem systematischen Austausch zumindest eines Teils der Auskunftspflichtigen ausgegangen sei.

6

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend: Wortlaut und Systematik des § 1 DlStatG ließen die Frage nach der Zulässigkeit der Bildung von Totalschichten offen. Auch die Gesetzesbegründung zum Dienstleistungsgesetz schließe die Bildung von Totalschichten nicht ausdrücklich aus. Das Dienstleistungsgesetz sei so auszulegen, dass es dem Unionsrecht entspreche. Die in der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 niedergelegten Grundsätze der Kostenwirksamkeit und der Genauigkeit könnten nur mit der Bildung von Totalschichten optimal umgesetzt werden. Der Verzicht auf Totalschichten führe zwingend dazu, dass für die gleiche Ergebnisqualität der Gesamtstichprobenumfang deutlich erhöht werden müsste. Der Zweck der Erstellung einer möglichst präzisen Statistik zu möglichst geringen Kosten müsse ins Verhältnis zur Belastung der Auskunftspflichtigen gesetzt werden. Die Entlastung der Auskunftspflichtigen durch Rotation sei dem Zweck der möglichst präzisen Statistik untergeordnet. Ohne Bildung von Totalschichten wäre die Statistik nicht mehr hinreichend präzise, um ein repräsentatives Abbild der Grundgesamtheit zu erbringen. Sobald ein Unternehmen geschätzt werden müsse, ergäben sich Ungenauigkeiten (Schätzfehler). Die Auswahl der Klägerin sei auch verhältnismäßig. Ihre Heranziehung sei notwendig und erforderlich, um die zur Erstellung der Statistik notwendigen Einzeldaten zu erheben. Angesichts der mit der Erhebung verbundenen geringen Belastung sei die jährliche Inanspruchnahme zumutbar. Schließlich verstoße das Auswahlverfahren auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.

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Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. März 2016 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9. Februar 2012 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die Bildung von Totalschichten verstoße gegen die in § 1 Abs. 2 Satz 1 DlStatG vorgesehene Stichprobenhöchstgrenze von 15 %. Von einer Stichprobe könne nicht mehr die Rede sein, wenn sämtliche Unternehmen einer Größenklasse zur Auskunftserteilung herangezogen würden. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass eine vollständige Rotation innerhalb einer Schicht die Regel und die partielle Rotation die Ausnahme bilde. Das Statistische Landesamt verfahre aber gegenteilig. Die Bildung von Totalschichten verstoße zudem gegen § 1 Abs. 2 Satz 2 DlStatG. Sofern die Bildung von Totalschichten das Ergebnis des mathematisch-statistischen Verfahrens Neyman-Tschuprow sein sollte, sei es ungeeignet, den gesetzgeberischen Willen zu verwirklichen, die Belastung der Heranziehung zur Auskunftserteilung abzubauen und möglichst auf alle Erhebungseinheiten gleichmäßig zu verteilen. Dem Beklagten sei es ohne Weiteres möglich, ein anderes bzw. modifiziertes Verfahren anzuwenden, das die von ihm angeführten Genauigkeitsgrenzen einhielte, ohne dass die Grundrechte der herangezogenen Auskunftspflichtigen völlig unterlaufen würden.

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Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Vorbringen des Beklagten und weist auf die Bedeutung der Dienstleistungsstatistik als Grundlage für rationale Entscheidungen insbesondere in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hin.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Bescheid des Statistischen Landesamtes vom 15. März 2011 über die Heranziehung der Klägerin zur Dienstleistungsstatistik 2009 rechtswidrig gewesen ist.

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1. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist, obwohl sich die Heranziehung der Klägerin durch den Abschluss der Erhebungen zur Dienstleistungsstatistik für das Jahr 2009 am 31. Mai 2011 und damit vor Klageerhebung erledigt hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts auch dann zulässig, wenn die Erledigung vor Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2011 - 8 C 7.10 - Buchholz 451.04 Statistik Nr. 12 Rn. 13 m.w.N.). Das berechtigte Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung ergibt sich aus der bestehenden Wiederholungsgefahr. Die Klägerin wird seit 2003 jährlich zur Auskunftserteilung nach dem Dienstleistungsstatistikgesetz herangezogen; damit ist angesichts ihrer Zugehörigkeit zu einer Totalschicht auch zukünftig zu rechnen.

13

Die Klägerin ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Der Bescheid vom 15. März 2011 verletzt sie möglicherweise in ihren Rechten. Das Statistische Landesamt hat den Heranziehungsbescheid vom 15. März 2011 zwar an den Geschäftsführer der Klägerin gerichtet und ihn damit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über Statistiken im Dienstleistungsbereich (Dienstleistungsstatistikgesetz - DlStatG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1765) in der hier anzuwendenden Fassung, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 17. März 2008 (BGBl. I S. 402), in seiner Funktion als Leiter der Rechtsanwaltsgesellschaft zur Auskunft herangezogen. § 5 Abs. 1 Satz 2 DlStatG bestimmt auch den Leiter des Unternehmens als Adressaten der Auskunftspflicht. Die zu erteilenden Auskünfte beziehen sich jedoch auf die Daten des als Erhebungseinheit ausgewählten Unternehmens (vgl. § 15 Abs. 1 BStatG, § 2 Abs. 2 DlStatG), sodass der mit der Auskunftspflicht verbundene Erhebungsaufwand unmittelbar Rechte des Unternehmens berührt. § 5 Abs. 1 Satz 2 DlStatG schließt deshalb nicht aus, dass das Unternehmen selbst seine Rechte gerichtlich geltend macht.

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2. a) Das Oberverwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin grundsätzlich zur Auskunft durch ihren Leiter verpflichtet ist. Sie erbringt freiberufliche Dienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 DlStatG und stellt damit eine Erhebungseinheit nach § 2 Abs. 2 DlStatG dar, auf die sich die Erhebung zur Dienstleistungsstatistik erstreckt.

15

b) Ebenso wenig zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass das Statistische Landesamt bei der Heranziehung der Erhebungseinheiten zur Ausübung eines Auswahlermessens ermächtigt ist. Wie der Senat bereits entschieden hat, ergibt sich dieses Ermessen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Einräumung daraus, dass das Gesetz in § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 DlStatG zur Datenerhebung ermächtigt, ohne die Erhebungsmethode abschließend zu regeln. Begrenzt wird das Ermessen unter anderem durch die gesetzliche Verpflichtung, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verwenden und die jeweils sachgerechten Methoden und Informationstechniken einzusetzen (§ 1 Satz 3 BStatG), sowie durch die in § 1 Abs. 2 DlStatG für die Auswahl der Erhebungseinheiten festgelegten Vorgaben. Danach umfasst die Statistik jährliche Erhebungen und ist als Stichprobe bei höchstens 15 % aller Erhebungseinheiten durchzuführen. Weiterhin sind die Erhebungseinheiten nach mathematisch-statistischen Verfahren auszuwählen. Innerhalb dieses Rahmens und des durch Auslegung zu ermittelnden Zwecks der Ermächtigung überlässt das Gesetz die weitere Konkretisierung des Erhebungsverfahrens den zuständigen Statistikämtern (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2011 - 8 C 7.10 - Buchholz 451.04 Statistik Nr. 12 Rn. 22 f.).

16

c) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, das Statistische Landesamt habe sein Auswahlermessen ermessensfehlerhaft ausgeübt, steht ebenfalls im Einklang mit Bundesrecht. Nach § 40 VwVfG hat die Behörde, die ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Diesen Anforderungen wird das vom Statistischen Landesamt ausgeübte Auswahlermessen vorliegend nicht gerecht, weil es den Zweck der Ermächtigung verfehlt. Zudem verletzt es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

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aa) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Statistische Landesamt die Vorgaben des § 1 Abs. 2 DlStatG eingehalten hat. Die Höchstgrenze von 15 % aller Erhebungseinheiten, die nach Satz 1 der Vorschrift für die Stichprobe in Anspruch genommen werden dürfen, bezieht sich auf die bundesweit zu berücksichtigenden Erhebungseinheiten (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2011 - 8 C 7.10 - Buchholz 451.04 Statistik Nr. 12 Rn. 19). Ebenso zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass die Daten für die Dienstleistungsstatistik 2009 als Stichprobe erhoben wurden. Dass es im Rahmen des vom Statistischen Landesamt angewandten Verfahrens zur Bildung von Totalschichten kommt, ändert nichts daran, dass sich die durchgeführte Erhebung insgesamt nur auf eine Teilmenge aller bundesweit zu berücksichtigenden Erhebungseinheiten nach § 2 Abs. 2 DlStatG erstreckt. Weiterhin sieht § 1 Abs. 2 Satz 2 DlStatG vor, dass die Erhebungseinheiten nach mathematisch-statistischen Verfahren auszuwählen sind. Dem hat das Statistische Landesamt durch Einsatz des sogenannten Neyman-Tschuprow-Verfahrens grundsätzlich Rechnung getragen.

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bb) Das Statistische Landesamt hat jedoch das ihm eingeräumte Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Das zur Auswahl der Erhebungseinheiten angewendete Neyman-Tschuprow-Verfahren, das zur Bildung von Totalschichten führt, ist auf die Gewinnung optimaler statistischer Ergebnisse mit einem möglichst geringen relativen Standardfehler ausgerichtet. Seine Anwendung hier überschreitet den Zweck der Ermächtigung, der lediglich die Gewinnung hinreichend repräsentativer statistischer Daten verlangt. Im Einzelnen:

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Ist der Zweck der Ermächtigung - wie hier - nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt, ist er durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - BVerwGE 131, 11 Rn. 20 ff.). Zweck der Bundesstatistik ist es nach § 1 BStatG, unter Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Einsatz der jeweils sachgerechten Methoden und Informationstechniken aussagekräftige statistische Ergebnisse zu gewinnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2011 - 8 C 7.10 - Buchholz 451.04 Statistik Nr. 12 Rn. 23). Wird die Statistik mittels Stichprobenerhebung durchgeführt, wird dieser Zweck erfüllt, wenn die Erhebung bezogen auf den jeweiligen Verwendungszweck hinreichend repräsentative Ergebnisse erzielt. In diesem Rahmen kommt dem Statistischen Landesamt ein fachwissenschaftlicher Einschätzungsspielraum bei der Frage zu, welchen Grad an Genauigkeit die erzielten statistischen Daten erreichen müssen, um hinreichend aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Vorliegend ist der erforderliche Grad an Genauigkeit danach auszurichten, dass die Dienstleistungsstatistik der Darstellung der Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Dienstleistungsbereich dient (§ 1 Abs. 1 DlStatG). Die erzielten statistischen Ergebnisse müssen geeignet sein, diese Aufgabe zu erfüllen. Schließlich ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass das Ziel der Dienstleistungsstatistik im Nachweis repräsentativer Ergebnisse besteht (vgl. BT-Drs. 14/4049 S. 14).

20

Demgegenüber besteht kein Optimierungsgebot für die Dienstleistungsstatistik. Weder der Anforderung des § 1 Abs. 2 Satz 2 DlStatG, die Erhebungseinheiten nach mathematisch-statistischen Verfahren auszuwählen, noch aus den Vorgaben des § 1 Satz 3 BStatG lässt sich entnehmen, dass innerhalb der vorgegebenen Auswahlgesamtheit von höchstens 15 % aller Erhebungseinheiten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 DlStatG) optimale statistische Ergebnisse zu erzielen sind. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Unionsrecht eine Pflicht zur Erreichung optimaler statistischer Ergebnisse. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 295/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 über die strukturelle Unternehmensstatistik (Abl. L 97 S. 13) gewährleisten die Mitgliedstaaten durch geeignete Maßnahmen, dass die übermittelten Daten die Struktur der Grundgesamtheit der im Anhang aufgeführten statistischen Einheiten widerspiegeln. Eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Übermittlung optimaler statistischer Ergebnisse kann daraus nicht abgeleitet werden. Das bestätigt auch Art. 6 Abs. 2 der vorgenannten Verordnung. Die Vorschrift sieht eine Qualitätsbewertung vor, bei der der Nutzen der Verfügbarkeit der Daten mit den Kosten der Erhebung und dem Aufwand für die Unternehmen abzugleichen ist. Das verdeutlicht, dass der Genauigkeit der Daten kein Vorrang vor den Kosten ihrer Erhebung und der Begrenzung der Belastung der Auskunftspflichtigen zukommt.

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Nach diesem Maßstab hat das Statistische Landesamt sein Ermessen nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt. Nach den Ausführungen des Beklagten zielt die Erhebung zur Dienstleistungsstatistik unter Anwendung des Neyman-Tschuprow-Verfahrens auf die Gewinnung optimaler statistischer Ergebnisse mit möglichst geringem Standardfehler. Eine auf den fachwissenschaftlichen Einschätzungsspielraum gestützte Festlegung der Genauigkeit, die bezogen auf den Verwendungszweck der Dienstleistungsstatistik für die Erzielung hinreichend repräsentativer Ergebnisse erforderlich ist, hat die Behörde hingegen nicht vorgenommen.

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cc) In der Ausrichtung der Erhebungsmethode auf optimale statistische Ergebnisse liegt zugleich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, namentlich gegen das Gebot der Erforderlichkeit. Die Erhebung der Daten greift in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, auf die sich die Klägerin gemäß Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Die Ausübung des Ermessens wird mithin durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Das vom Statistischen Landesamt für die Auswahl der Erhebungseinheiten eingesetzte Neyman-Tschuprow-Verfahren ist zwar geeignet, hinreichend repräsentative statistische Ergebnisse zu erzielen. Der in der Erhebung der Daten liegende Eingriff ist jedoch nur dann erforderlich, wenn der Zweck nicht durch ein den Betroffenen weniger belastendes Mittel erreicht werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1976 - 4 C 97.74 - BVerwGE 51, 115 <121>). Danach genügt dem Gebot der Erforderlichkeit bei Stichprobenerhebungen ein Auswahlverfahren, bei dem mit der geringstmöglichen Belastung der Auskunftspflichtigen die fachwissenschaftlich notwendigen repräsentativen statistischen Ergebnisse erzielt werden können. Davon könnte im vorliegenden Fall daher nur ausgegangen werden, wenn die Erhebungsbehörde bei Einhaltung ihres fachwissenschaftlichen Einschätzungsspielraums zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass die bei der vorgegebenen Auswahlgesamtheit erreichbaren optimalen Ergebnisse mit dem niedrigsten relativen Standardfehler zugleich die einzig brauchbaren, hinreichend repräsentativen Ergebnisse sind, die zudem nicht durch ein anderes Verfahren mit geringerer Belastung der Auskunftspflichtigen erzielt werden können. Derartige Feststellungen hat das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht getroffen.

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dd) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner übersehen, dass das vom Statistischen Landesamt ausgeübte Ermessen auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dieser ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <69> und vom 7. Februar 2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240 <253>). Bei statistischen Stichprobenerhebungen gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz danach die Anwendung eines Auswahlverfahrens, das die Belastung gleichmäßig auf die auskunftspflichtigen Unternehmen verteilt, soweit der Zweck der Erzielung repräsentativer Ergebnisse das noch zulässt.

24

Die Klägerin gehört einer Totalschicht an und wird deshalb seit dem Jahr 2003 ununterbrochen zur jährlichen Dienstleistungsstatistik herangezogen. Da ein systematischer Austausch der Erhebungseinheiten (Rotation) in einer Totalschicht in der Regel nur bei grundlegender Änderung der Zusammensetzung der Schicht in Betracht kommt, ist für die Klägerin auch zukünftig nicht mit einer realistischen Chance auf Nichtberücksichtigung zu rechnen. Setzt sich hingegen eine Schicht aus einer großen Anzahl homogener Erhebungseinheiten zusammen, ist eine regelmäßige Rotation bei jeder neuen Stichprobenziehung, mithin alle 3 bis 5 Jahre, zu erwarten. Das führt zu einer über die Jahre anwachsenden Ungleichbehandlung von Unternehmen, die einer Totalschicht angehören, gegenüber solchen Unternehmen, die einer regelmäßig rotierenden Schicht zugeordnet sind. Die Ungleichbehandlung kann daher mit der Zeit ein beträchtliches Ausmaß annehmen, auch wenn die jährliche Erhebung der Dienstleistungsstatistik für sich genommen nicht besonders aufwendig ist. Die für die Erhebung größere Bedeutung der Daten von Unternehmen, die einer Totalschicht angehören, kann diese Ungleichbehandlung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil die Erhebung der Dienstleistungsstatistik auf die vom Zweck der Ermächtigung nicht gedeckte Erzielung optimaler Ergebnisse mit möglichst geringem Standardfehler gerichtet ist. Abgesehen davon verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung angesichts des über die Jahre ständig wachsenden Ausmaßes der Ungleichbehandlung, dass die Belastung der Befragten möglichst gleichmäßig auf die Auskunftspflichtigen verteilt wird und möglichst alle Unternehmen an einer Rotation teilhaben können, wenn auch gegebenenfalls in unterschiedlichen Zeitabständen. Totalschichten kommen allenfalls in Betracht, wenn und soweit sie im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Auswahlgesamtheit von 15 % aller Erhebungseinheiten zwingend notwendig sind, um noch hinreichend repräsentative Ergebnisse erzielen zu können. Auch der Gesetzgeber ist im Übrigen davon ausgegangen, dass das Auswahlverfahren einen systematischen Austausch der jeweils Auskunftspflichtigen vorsieht und diese Rotation dazu dient, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Auskunftsverpflichtung zu erreichen (vgl. BT-Drs. 14/4049 S. 14).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.