Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 11.07.2011


BVerwG 11.07.2011 - 8 C 23/10

Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages auf Null als positive Feststellung der Gewerbesteuerpflicht


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsdatum:
11.07.2011
Aktenzeichen:
8 C 23/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 3. November 2010, Az: 6 A 10884/10, Urteilvorgehend VG Trier, 7. Juli 2010, Az: 5 K 89/10.TR, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

In der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages auf Null liegt keine positive Feststellung der Gewerbesteuerpflicht, die nach § 2 Abs. 1 IHKG Tatbestandswirkung für die Festsetzung von Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer hätte. Dazu wäre die Festsetzung eines positiven Messbetrages erforderlich (wie Urteil vom 8. Oktober 1976 - BVerwG 7 C 46.74 - BVerwGE 51, 169 <172> = Buchholz 401.5 § 17a GewStG Nr. 2).

Gründe

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1. Die Klägerin und die Beklagte haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit er die in der Revisionsinstanz noch anhängige Anfechtung der Erhebung des Grundbeitrags der Beklagten für 2008 und des vorläufigen Grundbeitrags für 2009 in Höhe von jeweils 205 € betrifft. Insoweit ist das Verfahren entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und die Unwirksamkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen festzustellen (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

2

2. Über die Kosten ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Der Billigkeit entspricht es, der Beklagten - unter teilweiser Abänderung der berufungsgerichtlichen Kostenentscheidung - die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Denn ohne die Erledigung des Rechtsstreits wäre sie voraussichtlich in vollem Umfang unterlegen. Soweit das Berufungsurteil die Heranziehung der Klägerin zur Umlage aufgehoben hat, ist die Entscheidung rechtskräftig geworden. Die Revision gegen die Zurückweisung der Berufung im Übrigen hätte nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich Erfolg gehabt und dazu geführt, dass auch die Heranziehung zum Grundbeitrag für 2008 und zum vorläufigen Grundbeitrag für 2009 aufgehoben worden wäre (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

3

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei 2008 und 2009 beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten gewesen, beruhte auf einer unrichtigen Anwendung der § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl I S. 920) in der hier einschlägigen Fassung vom 11. Dezember 2008 (BGBl I S. 2418) - IHKG - sowie des § 14 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO).

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Beiträge dürfen nach § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG nur von Kammerzugehörigen erhoben werden. Bei Handelsgesellschaften wie der als Kommanditgesellschaft geführten Klägerin (§ 161 HGB) setzt die Zugehörigkeit zur Kammer nach § 2 Abs. 1 IHKG unter anderem die Veranlagung zur Gewerbesteuer voraus. Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass dafür nicht die tatsächliche Heranziehung zur Gewerbesteuer, sondern allein die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach maßgeblich ist (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Januar 2005 - BVerwG 6 C 10.04 - BVerwGE 122, 344 <346> = Buchholz 451.09 IHKG Nr. 19; Beschluss vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 6 B 60.04 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 18 jeweils m.w.N.). Soweit durch Gewerbesteuermessbescheid nach § 14 GewStG i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) über die persönliche und sachliche Gewerbesteuerpflicht entschieden wird, hat dies nach § 2 Abs. 1 IHKG Tatbestandswirkung für die Festsetzung von Kammerbeiträgen (Urteil vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 1 C 19.97 - Buchholz 451.09 IHKG Nr. 12). Liegt keine solche Entscheidung vor, hat die Kammer die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach selbst zu prüfen.

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Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist dem auf Null lautenden Gewerbesteuermessbescheid vom 13. Oktober 2009 keine die Beklagte bindende positive Feststellung der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin zu entnehmen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass in der Festsetzung eines Null-Betrages keine positive Feststellung einer Gewerbesteuerpflicht liegt, die zur Vermeidung einer Bindungswirkung angefochten werden müsste. Dazu wäre vielmehr die Festsetzung eines positiven Messbetrages erforderlich (Urteil vom 8. Oktober 1976 - BVerwG 7 C 46.74 - BVerwGE 51, 169 <172> = Buchholz 401.5 § 17a GewStG Nr. 2 zu § 212a Abs. 1 AO a.F.; jetzt § 182 Abs. 1 i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 AO). Die Annahme des Berufungsgerichts, schon der Erlass eines Gewerbesteuermessbescheides impliziere eine bindende positive Feststellung der Gewerbesteuerpflicht (so auch VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 6 S 2003/06 - n.v.; Urteil vom 2. Dezember 2010 - 6 S 1756/09 - juris Rn. 92 ; offen gelassen im Beschluss des VGH Kassel vom 14. August 1997 - 8 ZU 1970/97 - GewArch 1998, 73 f.), zeigt keine neuen Gesichtspunkte auf, die die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich in Frage stellen könnten. Vielmehr wendet sie § 184 Abs. 1 Satz 2 AO unzutreffend an.

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Nach dieser Vorschrift wird mit der Festsetzung der Messbeträge über die sachliche und persönliche Steuerpflicht im jeweiligen Erhebungszeitraum entschieden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Festsetzung positiver Messbeträge zwangsläufig auf der Annahme einer Steuerpflicht beruht, und erstreckt die Regelungs- und Bindungswirkung des Messbescheides auch auf diese Feststellung. Lautet ein Messbetragsbescheid dagegen auf Null (sogenannter Freistellungsbescheid), regelt er nur, dass ein Steuermessbetrag nicht festzusetzen ist (Urteil vom 8. Oktober 1976 a.a.O.; de Hesselle, in: Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Stand: Februar 2011, § 14 Rn. 37). Die Nullfestsetzung kann sich daraus ergeben, dass eine Steuerpflicht dem Grunde nach bejaht und der Messbetrag nur in - zutreffender oder fehlerhafter - Anwendung der Freibetragsregelung des § 11 GewStG mit Null beziffert wurde (dazu vgl. Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl. 2009, § 2 Rn. 37). Sie kann aber ebenso darauf beruhen, dass die Finanzbehörde annahm, schon die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht lägen dem Grunde nach nicht vor (vgl. zur Mehrdeutigkeit von Nullfeststellungen: Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 179, Stand: November 2010, Rn. 116, 118 f.; zur Bindungswirkung positiver Feststellungen derselben, a.a.O. § 182, Stand: November 2004, Rn. 43 f.). Daher enthält die Nullfestsetzung auch keine konkludente Feststellung einer Steuerpflicht, der Bindungswirkung zukommen könnte. Aus den auf Seite 7 f. des Berufungsurteils zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ergibt sich nichts anderes. Sie klären lediglich, dass Steuerfestsetzungen auf Null angefochten werden können, soweit sie den Adressaten belastende Feststellungen enthalten. Sie entscheiden jedoch nicht die Frage, wann ein Steuermessbescheid eine bindende Feststellung der Steuerpflicht nach § 184 Abs. 1 AO enthält.

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Ob aus dem Zusammenhang einer Nullfestsetzung mit weiteren Feststellungen des Gewerbesteuermessbescheides oder mit dessen Begründung nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen entsprechend §§ 133, 157 BGB eine bindende Feststellung der Steuerpflicht unabhängig von § 184 Abs. 1 Satz 2 AO herzuleiten sein könnte, hätte im Revisionsverfahren auch ohne das erledigende Ereignis nicht geklärt werden müssen. Selbst bei Zulässigkeit einer solchen Auslegung gäbe es dafür, dass eine Steuerpflicht dem Grunde nach bejaht und der Messbetrag nur wegen zu geringer Erträge auf Null festgesetzt worden wäre, keinerlei Anhaltspunkte. Die im Steuermessbescheid festgestellten Erträge lagen weit über der Freibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Umgekehrt ließe die Feststellung solcher Erträge angesichts der Nullfestsetzung des Messbetrages noch nicht auf das Bejahen einer Steuerpflicht schließen.

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b) Mangels bindender finanzbehördlicher Feststellungen hätte das Berufungsgericht die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin dem Grunde nach für 2008 und 2009 nach § 2 GewStG selbst prüfen und verneinen müssen. Als Personenhandelsgesellschaft war die Klägerin nicht schon wegen ihrer Rechtsform nach § 2 Abs. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig. Einen stehenden Gewerbebetrieb im Inland (§ 2 Abs. 1 GewStG) unterhielt sie im fraglichen Beitragszeitraum ebenfalls nicht mehr. Unstreitig hatte sie ihren Gewerbebetrieb bereits im Januar 2007 im Ganzen an einen Dritten verpachtet. Geht ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer über, so gilt er als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt (§ 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG). Deshalb endet die Gewerbesteuerpflicht mit der Verpachtung des gesamten Betriebes an einen Dritten, sofern die Verpachtung nicht selbst gewerblichen Charakter hat (vgl. Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, a.a.O. § 2 Rn. 48; Drüen, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Stand: März 2011, § 2 GewStG Rn. 252; Güroff, in: Güroff, GewStG, 7. Aufl. 2009, § 2 Rn. 429). Anhaltspunkte für einen solchen Ausnahmefall waren weder vorgetragen noch erkennbar. Die Klägerin erfüllte seinerzeit auch nicht die Voraussetzungen einer als Gewerbebetrieb zu behandelnden Personengesellschaft gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG). Sie war weder gewerblich tätig noch bezog sie Gewinnanteile als Gesellschafterin einer - anderen - Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sie stellte auch keine gewerblich geprägte Personenhandelsgesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG dar, die ungeachtet ihrer nichtgewerblichen Tätigkeit als Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG zu behandeln gewesen wäre. Ihre Komplementärin war keine Kapitalgesellschaft, sondern eine natürliche Person.

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Mit der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin entfielen nach § 2 Abs. 1 IHKG für 2008 und 2009 auch ihre Zugehörigkeit zur Beklagten und die Pflicht, Beiträge an diese zu zahlen.