Entscheidungsdatum: 23.11.2011
Bei der Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG (juris: KredWG) handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme, die unabhängig von zivilrechtlichen Bestimmungen im Vertragsverhältnis zwischen dem der Aufsicht unterworfenen Unternehmen und dessen Kunden (Anlegern) ergehen kann (Bestätigung von BVerwG 8 C 37.09 - Urteil vom 15. Dezember 2010).
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihm die Beklagte unter anderem die unverzügliche Abwicklung von ohne Erlaubnis abgeschlossenen Einlagengeschäften aufgegeben hat.
In den Jahren 2001 bis 2005 nahm der Kläger von 18 Personen Gelder in Höhe von insgesamt 1 088 000 € entgegen. Er erteilte jeweils auf einem Quittungsschein eine "Anlagebestätigung", in der die Anlagesumme, die Anlagedauer, eine Rendite in Prozent und deren Fälligkeit festgehalten waren. Die jeweils in bar übergebenen Gelder legte er im eigenen Namen für Rechnung der Kapitalgeber in Wertpapieren an und verwahrte die Wertpapiere in einem Depot, das auf seinen Namen lautete. Bis April 2005 zahlte der Kläger ca. 593 000 € an die Kapitalgeber zurück.
Mit Schreiben vom 13. April 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie gehe davon aus, dass der Kläger fremde Gelder annehme und damit das Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG betreibe. Im Juni und Juli 2005 schloss der Kläger mit den verbliebenen 13 Anlegern unter der Überschrift "Vertragsaufhebung" gleichlautende Vereinbarungen, denen zufolge der jeweilige Vertragspartner bestätigte und genehmigte, dass aus Gründen der Anlagesicherheit das übergebene Kapital in Standardwerten angelegt worden sei. Die Vertragsparteien beendeten danach das Vertragsverhältnis vorzeitig. Das verwaltete, liquide vorliegende Vermögen wurde den Anlegern jeweils in Höhe von 38 % der eingebrachten Kapitalanlage unmittelbar ausgehändigt. Damit sollten alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Verwaltungsvertrag abgegolten und erledigt sein.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2006 gab die Beklagte dem Kläger auf, das unerlaubt betriebene Einlagengeschäft unverzüglich durch vollständige Rückzahlung aller mit Rückzahlungsversprechen angenommenen Gelder von zehn in der Verfügung namentlich bezeichneten Personen abzuwickeln (Nr. I.). Unter Nr. II. wurde der Nachweis der vollständigen Rückzahlung innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Bescheides gefordert. Für den Fall, dass der Kläger der Verfügung nicht, nicht fristgerecht oder nicht vollständig nachkommt, wurde die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 25 000 € angedroht (Nr. III.). Unter Nr. IV. behielt sich die Beklagte die Bestellung eines Abwicklers für den Fall vor, dass der Kläger der Abwicklungsanordnung nach Nr. I. nicht nachweislich nachkommt. Unter Nr. V. wurde für die Nr. I. der Verfügung eine Gebühr von 2 500 € festgesetzt.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2007 zurück.
Zur Begründung seiner fristgemäß erhobenen Anfechtungsklage hat der Kläger insbesondere vorgetragen, er habe die Vertragsbeziehungen zu den verbliebenen Kunden Mitte 2005 einvernehmlich mit Aufhebungsverträgen beendet. Die 13 Kunden hätten bestätigt, dass die Kapitalanlage in Wertpapieren vereinbart und von ihm in eigenüblicher Sorgfalt zu verwalten gewesen sei. Er habe nur Risikokapital verwaltet, also kein Einlagengeschäft vorgenommen. Aufgrund der rechtswirksamen Anspruchsverzichte sei er zu keinen weiteren Zahlungen verpflichtet. Eine Genehmigungspflicht für eine derartige Risikoanlage bestehe nicht. Selbst wenn es sich nicht von Anfang an um eine Risikoanlage gehandelt hätte, könne dies im Nachhinein vereinbart werden, wie es mit den in den Aufhebungsvereinbarungen enthaltenen Genehmigungen geschehen sei. Die Aufhebungsvereinbarungen seien in Kenntnis seiner Vermögenslosigkeit und mit dem Wissen erfolgt, dass ein etwa bestehender Rückforderungsanspruch nicht realisierbar sein werde.
Mit Urteil vom 5. Juni 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger betreibe ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte in Form eines Einlagengeschäfts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 KWG. Mit einer Ausnahme - der Lebensgefährtin des Klägers - hätten alle befragten Anleger bestätigt, dass es sich um eine feste Anlagesumme mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung und nicht etwa um eine Risikokapitalanlage gehandelt habe. Bankgeschäfte würden im Sinne des § 37 KWG solange "betrieben", bis sie vollständig abgewickelt seien. Die Abwicklung sei beim Einlagengeschäft erst mit der restlosen Rückzahlung der Einlagen erreicht. Die sogenannten "Vertragsaufhebungen" reichten dafür nicht aus, weil keine vollständige Rückzahlung der Einlagen erfolgt sei. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit des Klägers ergebe sich aus ihrer Dauer von 2001 bis 2005; die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht habe in seinem Vorhaben gelegen, einen über die den Kapitalgebern zugesagte Anlagerendite hinausgehenden Betrag durch Anlagen in Wertpapieren zu erzielen. Bei der Ermessensentscheidung seien die Ziele des Kreditwesengesetzes - Anlegerschutz einerseits, Stabilität des Finanzsystems andererseits - zu berücksichtigen. Das Vertrauen des Betreibers der verbotenen Geschäfte auf deren Rechtsbestand sei nicht geschützt. § 37 KWG sei deshalb dahin auszulegen, dass im Regelfall die Ermessensausübung auf die Abwicklung der Geschäfte durch Rückzahlung der Einlagen intendiert sei. Das gleichwohl zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip habe die Beklagte nicht verletzt. Seine behauptete Vermögenslosigkeit befreie den Kläger nicht von seiner Rückzahlungsverpflichtung. Die Anordnung sei auch erforderlich, weil die "Vertragsaufhebungen" keine anzuerkennende alternative Abwicklung des Anlagengeschäfts darstellten.
Mit Beschluss vom 24. Juni 2010 hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Anordnungen in Nr. I., II., III. und V. (Nr. IV. war nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens) der Verfügung der Beklagten vom 9. Mai 2006 sowie insoweit den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Zwar sei die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger Bankgeschäfte in der Form des Einlagengeschäfts betrieben habe. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, das durch § 37 KWG eingeräumte Ermessen sei dahin vorgezeichnet, dass die unverzügliche Rückzahlung der Einlagen anzuordnen und eine Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen aus diesem Geschäft grundsätzlich ausgeschlossen sei, folge der Senat jedoch nicht. Der Kläger habe durch den vollständigen Verzicht der Anleger auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche aus dem "Verwaltungsvertrag" eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte obligatorische Rechtsposition erworben, die bei der Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sei. Sie könne nur dann unbeachtet bleiben, wenn die ihr zugrunde liegenden Verträge nichtig wären. Das sei nicht der Fall. Insbesondere folge die Nichtigkeit nicht aus § 134 BGB wegen Verstoßes der Rechtsgeschäfte gegen ein gesetzliches Verbot.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG und des § 40 VwVfG. Sie habe die Aufhebungsverträge bei ihrer Ermessensentscheidung unberücksichtigt lassen dürfen, weil diese nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG gegebenenfalls i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG nichtig seien. Selbst wenn die Verträge nicht unberücksichtigt bleiben könnten, seien die Ermessenserwägungen nicht fehlerhaft. Sie habe die privaten Interessen des Klägers hinter die öffentlichen Interessen der Effektivität der Bankenaufsicht und des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Wirksamkeit der staatlichen Aufsicht über das Kreditwesen sowie die Stabilität des Finanzsystems zurückgestellt. Damit habe sie in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2010 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2008 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Revision ist begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte bei der Ermessensentscheidung über die Abwicklung des unerlaubten Einlagengeschäfts die "Vertragsaufhebungen" zu Gunsten des Klägers berücksichtigen müssen, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 1 KWG vorliegen. Danach kann die Beklagte die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebs und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber dem Unternehmen und den Mitgliedern seiner Organe anordnen, wenn ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben werden. Der Kläger hat mit der Entgegennahme von Kapital in einer Gesamthöhe von 1 088 000 € von insgesamt 18 Personen im Zeitraum von 2001 bis 2005 Bankgeschäfte in der Form des Einlagengeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 KWG - Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums - betrieben. Dies wird nicht durch die sogenannten "Vertragsaufhebungen" infrage gestellt. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen, die vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen wurden, ergibt sich aus den von dem Kläger klar formulierten "Anlagebestätigungen" und den Vernehmungsprotokollen der Anleger, dass es sich nicht um die Verwaltung von Risikokapital, sondern um die Anlage einer festen Summe mit unbedingter Rückzahlungsverpflichtung gehandelt hat. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG hätte der Kläger für das Betreiben dieser Einlagengeschäfte einer schriftlichen Erlaubnis der Beklagten bedurft; denn er betrieb diese Bankgeschäfte im Inland und gewerbsmäßig. Ein Bankgeschäft wird im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KWG gewerbsmäßig betrieben, wenn die Tätigkeit auf gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber mit Gewinnerzielungsabsicht handelt (vgl. Urteile vom 22. September 2004 - BVerwG 6 C 29.03 - BVerwGE 122, 29 <48> = Buchholz 451.61 KWG Nr. 19 und vom 22. April 2009 - BVerwG 8 C 2.09 - BVerwGE 133, 358 <361 f. Rn. 22> = Buchholz 451.61 KWG Nr. 24). Die gewisse Dauer ergibt sich bereits aus dem Zeitraum von 2001 bis 2005, in dem der Kläger Gelder von Anlegern angenommen hat. Für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wurde. Der Kläger hat die Anlagegelder entgegengenommen, um damit Aktien zu erwerben in der Erwartung, damit einen größeren Gewinn als die den Anlegern zugesagte Rendite zu machen. Das reicht für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht aus. Über die nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erforderliche Erlaubnis verfügt der Kläger unstreitig nicht.
2. Unzutreffend ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das ihr nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die möglichen zivilrechtlichen Ansprüche des Klägers aus den mit den Anlegern nachträglich geschlossenen Vereinbarungen zu berücksichtigen, mit denen diese auf einen Teil ihrer Rückzahlungsansprüche verzichteten. Deshalb ist auch unerheblich, ob diese Vereinbarungen wirksam sind.
Die nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG zu treffende Ermessensentscheidung über die Anordnung der unverzüglichen Abwicklung erlaubniswidrig betriebener Bankgeschäfte hat sich an Sinn und Zweck der Norm zu orientieren (§ 40 VwVfG). Regelungsziel der aufsichtsrechtlichen Befugnisnorm ist die Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts des § 32 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 KWG. Deshalb eröffnet das Gesetz der Behörde die Möglichkeit, unerlaubte und verbotene Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen zu untersagen sowie die Abwicklung getätigter unerlaubter Geschäfte anzuordnen. Der Erlaubnisvorbehalt und damit gleichermaßen die daran anknüpfende Befugnisnorm dienen dazu, die Funktionsfähigkeit sowie die Integrität des Kredit- und Finanzmarktes zu schützen und damit die Stabilität des Finanzsystems zu wahren. Daneben bezwecken die Vorschriften auch den Ein- und Anlegerschutz (Urteil vom 15. Dezember 2010 - BVerwG 8 C 37.09 - GWR 2011, 138 = juris Rn. 16 m.w.N.).
Der von § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG bezweckte Anlegerschutz ist nicht darauf ausgerichtet, das konkrete subjektive Interesse des einzelnen Anlegers zu berücksichtigen. Er dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse und ist auf einen objektivierten Schutz des Anlegerpublikums angelegt (Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 14). Die Beklagte nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr (§ 4 Abs. 4 FinDAG). Die Befugnis zur Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG steht in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der in derselben Vorschrift geregelten Anordnung der sofortigen Einstellung unerlaubter Geschäfte, was insbesondere auch dem Schutz der Integrität des Kredit- und Finanzmarktes dient. § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG nennt die Maßnahme der Abwicklungsanordnung gleichrangig neben der Untersagungsverfügung, ohne abweichende Anforderungen aufzustellen. Darin kommt zum Ausdruck, dass es im Interesse einer effektiven Bekämpfung unerlaubter Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen liegt, nicht allein die Fortsetzung der rechtswidrigen Geschäftstätigkeit mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, sondern der Beklagten zugleich die Anordnung einer unverzüglichen Rückabwicklung der unerlaubten Geschäfte zu ermöglichen. Dass ein Einschreiten im Wege der Untersagung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG vorgezeichnet ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 22. September 2004 a.a.O. <49> und vom 22. April 2009 a.a.O. Rn. 61). Für ein Einschreiten im Wege einer Abwicklungsanordnung gilt nichts anderes.
Dem würde es widersprechen, wenn die Beklagte bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Positionen des unerlaubt Bankgeschäfte Betreibenden berücksichtigen und diese gegebenenfalls erst noch ermitteln müsste. Könnte das unerlaubte Bankgeschäft durch nachträgliche zivilrechtliche Vereinbarungen "legalisiert" werden, würde zudem der mit der Anordnungsbefugnis bezweckte effektive Schutz der Integrität des Kredit- und Finanzmarktes und der Anleger infrage gestellt oder gar unmöglich gemacht. Die zivilrechtlichen Vereinbarungen zur Abwicklung der unerlaubten Geschäfte zwischen den Anlegern und dem ohne Erlaubnis tätigen Unternehmen bleiben deshalb generell unberücksichtigt. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob zivilrechtlich gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG - gegebenenfalls i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG - von einer Gesamtnichtigkeit der Einlagengeschäfte auszugehen ist, ob eine Teilnichtigkeit anzunehmen ist oder ob die Verträge vollumfänglich wirksam sind (so schon Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.).
Bei der Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG handelt es sich demzufolge um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme im aufsichtsrechtlichen Verhältnis der Beklagten zu dem betroffenen Unternehmen, die unabhängig von dessen zivilrechtlichen Vereinbarungen mit den Anlegern ergehen kann. Der Senat hat bereits entschieden, dass die durch § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG eingeräumte Ermächtigung der Beklagten, das der Aufsicht unterworfene Unternehmen öffentlich-rechtlich zur sofortigen Rückzahlung der Einlagen zu verpflichten, den Bestand der zivilrechtlichen Vereinbarungen des Unternehmens mit den Anlegern unberührt lässt (Urteil vom 15. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 27). Aber auch umgekehrt kann das Unternehmen sich seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nicht durch zivilrechtliche Vereinbarung mit den Anlegern entziehen. Das stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überein (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2003 - IX ZB 4/03 - NJW-RR 2003, 1630). Danach begründet die hoheitliche Anordnung des (damaligen) Bundesaufsichtsamtes - des Rechtsvorgängers der Beklagten - zur unverzüglichen Rückzahlung der Einlagen eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Unternehmens, die selbstständig neben dessen zivilvertragliche Pflichten tritt und von diesen unberührt bleibt. Der Bundesgerichtshof weist mit Recht darauf hin, dass Private über die öffentlich-rechtlichen Pflichten eines Bankunternehmens gegenüber der Bankenaufsicht, die öffentlichen Interessen dient, nicht durch Privatvertrag disponieren können.
Darin liegt keine Verletzung der Rechte des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG. Selbst wenn dessen Ansprüche aus den Verträgen mit den Anlegern als Eigentum grundrechtlich geschützt sind (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. November 2004 - 1 BvR 1306/02 - NJW 2005, 589
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Rückabwicklungspflicht auch nicht gegen den Grundsatz "dolo petit, qui petit quod statim redditurus est". Denn es ist die Beklagte, welche die Rückabwicklung der Einlagengeschäfte verlangt. Selbst wenn - ihre zivilrechtliche Wirksamkeit unterstellt - die "Vertragsaufhebungen" und der darin beschriebene Verzicht auf weitergehende Ansprüche dazu führen würden, dass die Anleger das, was ihnen der Kläger aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zurückzahlen muss, ihm anschließend wieder gewähren müssten, bezieht sich dies nicht auf das Verhältnis zur Behörde.
3. Die Berufungsentscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Abwicklungsanordnung ist nicht ermessensfehlerhaft. Auch die weiteren Verfügungen in dem angefochtenen Bescheid lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Die Beklagte hat von dem ihr nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und die rechtlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 40 VwVfG). Die Begründung der Ermessensentscheidung genügt den Anforderungen des § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG.
Die Abwicklungsanordnung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist die Maßnahme nicht deshalb ungeeignet, weil der Kläger vorträgt, nicht über die notwendigen Mittel zur vollständigen Rückzahlung der angenommenen Gelder zu verfügen. Eine wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit lässt seine Verpflichtung zur Rückzahlung nicht entfallen. Ein weniger einschneidendes Mittel als die Rückzahlung der angenommenen Einlagegelder zur Behebung des gesetzwidrigen Zustandes ist nicht ersichtlich. Als solches können insbesondere nicht die Aufhebungsverträge angesehen werden, weil diese, wie oben dargelegt, unberücksichtigt bleiben müssen. Die Anordnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
Die Anordnung, die vollständige Rückzahlung der Gelder nachzuweisen (Nr. II. des Bescheides vom 9. Mai 2006), findet ihre Rechtsgrundlage in § 37 Abs. 1 Satz 2 KWG.
Die Zwangsgeldandrohung (Nr. III. des Bescheides) stützt sich auf § 17 FinDAG i.V.m. § 11 Abs. 1, § 13 VwVG. Die Höhe des Zwangsgeldes liegt mit 25 000 € im unteren Bereich des in § 17 Satz 4 FinDAG vorgegebenen Rahmens von bis zu 250 000 € und ist nicht unangemessen.
Die Gebührenfestsetzung (Nr. V. des Bescheides) entspricht § 14 Abs. 1 und 2 FinDAG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und Nr. 1.9 der Anlage zu § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) vom 29. April 2002 (BGBl I S. 1504, berichtigt S. 1847). Die Festsetzung in Höhe von 2 500 € lässt angesichts des Gebührenrahmens von 1 000 bis 100 000 € keinen Rechtsfehler erkennen. Die Gebührenfestsetzung im Widerspruchsbescheid entspricht § 14 Abs. 1 FinDAG i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 FinDAGKostV und ist mit einem Betrag von 625 € nicht unangemessen.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird - unter entsprechender Änderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2008 und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2010 - für alle drei Rechtszüge auf jeweils 57 000 € festgesetzt.
Gründe:
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG bemisst sich der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Bei einer Abwicklungsanordnung gemäß § 37 KWG wegen unerlaubten Betreibens des Einlagengeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG bemisst sich die wirtschaftliche Bedeutung der Abwicklungsanordnung für den Kläger nach den sich für ihn aus der Anordnung ergebenden wirtschaftlichen Verlusten. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass die wirtschaftliche Bedeutung mit der Höhe der zurückzuzahlenden Gelder identisch ist. Denn es ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger beim Betreiben des Einlagengeschäfts die entgegengenommenen Gelder nicht dauerhaft in sein persönliches Vermögen überführt. Er ist vielmehr mit der vorzeitigen Rückzahlung der Gelder belastet und verliert die Möglichkeit, das Kapital weiter zu nutzen. Der Senat setzt deshalb die wirtschaftliche Bedeutung der Abwicklungsanordnung für den Kläger mit 10 % des zurückzuzahlenden Betrages an (49 500 €). Für Nr. II. der Anordnung wird der Ersatzstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG zugrunde gelegt. Das angedrohte Zwangsgeld bleibt für die Streitwertfestsetzung außer Betracht (vgl. Nr. 1.6.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Die Gebührenfestsetzung wird mit dem vollen Betrag berücksichtigt.