Entscheidungsdatum: 29.04.2011
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die am 1. September 2010 erhobene und am 28. Oktober 2010 begründete Beschwerde ist nicht wegen Versäumens der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des vollständigen Urteils gemäß § 133 Abs. 2 VwGO oder wegen Versäumens der Beschwerdebegründungsfrist von zwei Monaten nach dessen Zustellung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO unzulässig. Zwar ist das am 4. März 2010 verkündete Urteil entgegen der Auffassung des Klägers wirksam (a). Mangels ordnungsgemäßer Zustellung oder Heilung des Zustellungsmangels begannen die Beschwerdefrist und die Beschwerdebegründungsfrist jedoch nicht zu laufen (b). Vorschriften, nach denen die Rechtsmittelfrist und die Begründungsfrist unabhängig von einer wirksamen Zustellung in Lauf gesetzt wird, greifen entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner nicht ein (c).
a) Für die Wirksamkeit des Urteils ist unerheblich, ob der Rechtsnachfolger der ursprünglichen Klägerin ordnungsgemäß zum Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht geladen wurde. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Terminsladung lässt die Wirksamkeit des im Termin verkündeten Urteils unberührt. Es kann wegen des Verfahrensmangels nur mit Rechtsmitteln angegriffen werden (Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 116 Rn. 8 und 25).
b) Es fehlt aber an einer wirksamen Zustellung des vollständigen Urteils i.S.d. § 133 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwGO an die frühere Klägerin oder den Kläger als deren Rechtsnachfolger.
Die am 30. Juli 2010 verfügte Zustellung gegen Empfangsbekenntnis konnte mangels Annahmewillens und Empfangsbereitschaft des Prozessbevollmächtigten nicht wirksam werden und keine Frist in Lauf setzen. Allerdings durfte das Verwaltungsgericht aufgrund der anwaltlichen Bestellung und Klageerhebung "im Namen und mit Vollmacht" der ursprünglichen Klägerin nach § 67 Abs. 6 Satz 4 VwGO auch ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde vom Vorliegen einer Prozessvollmacht ausgehen und dem Prozessbevollmächtigten, der nach dem Tod der Klägerin ankündigte, nunmehr deren Rechtsnachfolger zu vertreten, auch die Terminsladung vom 27. Januar 2010 für den 4. März 2010 zustellen. Die Mitteilung der Beendigung des Mandatsverhältnisses mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 1. Februar 2010 führte dem Gericht gegenüber noch nicht zum Erlöschen der Prozessvollmacht und der damit verbundenen Empfangszuständigkeit des Bevollmächtigten (vgl. § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO). Nach § 87 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO erlischt in Prozessen ohne Vertretungszwang wie dem vorinstanzlichen Verfahren die Prozessvollmacht gegenüber dem Gericht bei einer Kündigung des Vollmachtvertrages zwar mit der Anzeige des Erlöschens der Vollmacht. Die Vorschrift setzt neben der Anzeige aber auch eine wirksame Beendigung des Mandatsverhältnisses voraus, die dem Gericht gegenüber nachzuweisen ist (vgl. Beschluss vom 4. Juli 1983 - BVerwG 9 B 10275.83 - Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 9). Ein solcher Nachweis wurde hier trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt.
Die Zustellung des Urteils gegen Empfangsbekenntnis ist jedoch nicht wirksam geworden, weil § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 ZPO nicht nur den Zugang der Sendung beim Empfänger oder dessen Kenntnisnahme voraussetzt, sondern darüber hinaus auch dessen Annahmewillen oder Empfangsbereitschaft. Erforderlich ist die mindestens konkludente Äußerung, die Sendung als zugestellt annehmen zu wollen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Oktober 1984 - BVerwG 1 B 57.84 - Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 10, vom 30. November 1993 - BVerwG 7 B 91.93 - Buchholz § 5 VwZG Nr. 15 und vom 17. Mai 2006 - BVerwG 2 B 10.06 - Buchholz 303 § 174 ZPO Nr. 2; BGH, Urteil vom 22. November 1988 - VI ZR 226/87 - NJW 1989, 1154; OLG Hamm, Urteil vom 12. Januar 2010 - 4 U 193/09 - NJW 2010, 3380 <3381>; Häublein, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2008, § 174 Rn. 6; Stöber, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 174 Rn. 6 und § 195 Rn. 7). Daran fehlt es hier, weil der Prozessbevollmächtigte die Annahme der Sendung jeweils unter Hinweis auf die von ihm behauptete Beendigung des Mandatsverhältnisses verweigerte und die Urteilsausfertigung mit dem unausgefüllten Empfangsbekenntnis an das Verwaltungsgericht zurücksandte.
Ein Mangel des Empfangswillens kann nicht nach § 189 ZPO i.V.m. § 173 VwGO geheilt werden (Häublein, a.a.O. § 189 Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 56 Rn. 8 a.E. und 17 je m.w.N.). In der Einlegung der Beschwerde gegen das angegriffene Urteil liegt auch keine nachträgliche konkludente Erklärung des Empfangswillens (dazu vgl. Beschluss vom 17. Mai 2006 a.a.O.), weil die Beschwerde ausdrücklich den Mangel der Zustellung des Urteils im Hinblick auf die fehlende Empfangsbereitschaft rügt.
§ 179 ZPO, der eine wirksame Zustellung bei unberechtigter Annahmeverweigerung ermöglicht, ist auf die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO nicht anzuwenden (Häublein, a.a.O. § 174 Rn. 6); damit scheidet auch eine entsprechende Anwendung nach § 173 VwGO aus.
Eine Zustellung des Urteils mittels Postzustellungsurkunde, die im Wege der Ersatzzustellung gegebenenfalls ohne Annahmewillen des Prozessbevollmächtigten hätte wirksam werden können, hat das Verwaltungsgericht nicht vorgenommen.
Die Fristen nach § 133 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 VwGO wurden auch nicht durch eine wirksame Zustellung des Urteils an den Rechtsnachfolger der Klägerin in Lauf gesetzt. Dabei kann offen bleiben, ob eine unmittelbare Zustellung an diesen per Einschreiben mit Rückschein nach § 67 Abs. 6 Satz 5, § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 183 Abs. 1 ZPO trotz fehlenden Nachweises der Mandatskündigung zulässig war. Jedenfalls kann nicht von einer solchen Zustellung ausgegangen werden, da der Rückschein nicht wieder zu den Akten gelangt ist.
c) Eine Verfristung der Beschwerde oder der Beschwerdebegründung ergibt sich schließlich nicht aus Vorschriften, die einen Fristlauf unabhängig von einer wirksamen Zustellung der anzugreifenden Entscheidung vorsehen.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist § 517 ZPO, wonach die Berufungsfrist in Zivilsachen spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils beginnt, nach § 173 VwGO nicht entsprechend auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Verwaltungsstreitverfahren nach §§ 132 ff. VwGO anzuwenden. Gleiches gilt für § 520 Abs. 2 ZPO, der die Frist zur Berufungsbegründung in Zivilsachen parallel zu § 517 ZPO regelt, und für § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen spätestens sechs Monate nach der Urteilsverkündung beginnt. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften scheidet aus, weil die Verwaltungsgerichtsordnung sowohl die Frist für die Berufung in § 124a Abs. 2 VwGO als auch die für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde in § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO speziell und abschließend geregelt hat, ohne einen von der Wirksamkeit der Zustellung unabhängigen Fristlauf vorzusehen (vgl. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 173, Stand März 2008, Rn. 253 f., 262 f., 274, 276, 280).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Recht rügt sie eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, weil das Verwaltungsgericht aufgrund einer mündlichen Verhandlung entschieden hat, zu der der Rechtsnachfolger der Klägerin nicht ordnungsgemäß geladen war. Damit liegt auch der sinngemäß gerügte Verfahrensfehler einer nicht ordnungsgemäßen Vertretung des Klägers im Termin vor (§ 138 Nr. 4 VwGO). Die Zustellung der Terminsladung gegen Empfangsbekenntnis konnte nicht wirksam werden, weil der Prozessbevollmächtigte die Annahme der Ladung ebenso verweigert hatte wie später die der Urteilsausfertigung. Auf die Berechtigung der Annahmeverweigerung kommt es für die Wirksamkeit der Zustellung aus den oben dargelegten Gründen nicht an. Mit der Beschwerdebegründung hat der Prozessbevollmächtigte auch nicht nachträglich konkludent und mit heilender Wirkung den Annahmewillen bezüglich der Terminsladung erklärt. Er räumt nur ein, sie habe seinerzeit - mangels vorheriger Anzeige der Mandatsbeendigung - noch an ihn adressiert werden dürfen. Nach wie vor beharrt er aber darauf, er sei wegen der Beendigung des Mandats nicht zur Annahme verpflichtet und willens gewesen. Der Kläger hat die Prozessführung nicht nachträglich i.S.d. § 138 Nr. 4 VwGO genehmigt. Vielmehr macht er geltend, die mündliche Verhandlung habe mangels ordnungsgemäßer Ladung und Vertretung nicht durchgeführt werden dürfen.
Nach § 138 Nr. 4 VwGO beruht das angegriffene Urteil auf dem Verfahrensfehler mangelnder ordnungsgemäßer Vertretung des Klägers im Termin.
2. Die Grundsatz- und Divergenzrügen des Klägers legen keine weiteren Revisionszulassungsgründe dar.
a) Die Grundsatzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Die pauschale Bezugnahme auf die erhobenen Verfahrens- und Divergenzrügen und der Hinweis, insoweit komme den aufgeworfenen Fragen öffentliches Interesse zu, genügen nicht, die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer bestimmten höchstrichterlich noch ungeklärten abstrakten Rechtsfrage des revisiblen Rechts gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert darzutun.
b) Auch eine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht ordnungsgemäß nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Die Beschwerde beanstandet lediglich die fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung zur Vermutung der Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlusts nach § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 REAO und zur Amtsaufklärungspflicht (vgl. Zitate Bl. 308 ff., 311, 313 ff. GA), ohne einen von den dort aufgestellten Rechtssätzen abweichenden, im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten.
3. Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens macht der Senat nach § 133 Abs. 6 VwGO von der Möglichkeit Gebrauch, die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.