Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 12.12.2012


BVerwG 12.12.2012 - 7 C 24/11

Zuteilung von Emissionsberechtigungen; Ausschluss von Optionsanlagen von der periodenübergreifenden Privilegierung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
12.12.2012
Aktenzeichen:
7 C 24/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 21. Juni 2011, Az: 12 B 16.10, Urteilvorgehend VG Berlin, 27. November 2009, Az: 10 A 254.08, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

§ 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 findet auf Zuteilungen an Bestandsanlagen, für die von der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch gemacht worden ist, keine Anwendung.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die in L. eine Anlage zur Herstellung von Glas und Glasfasern betreibt, begehrt die kostenlose Zuteilung weiterer Emissionsberechtigungen für die Handelsperiode 2008 bis 2012.

2

Für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 wurden dem Betrieb der Klägerin auf der Grundlage der Optionsregelung des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 71 367 Emissionsberechtigungen zugeteilt. Unter Berufung auf die Zuteilungsgarantie des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 beantragte sie für die zweite Handelsperiode die Zuteilung von 202 270 Emissionsberechtigungen. Mit Bescheid vom 8. Februar 2008 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und teilte der Klägerin auf der Grundlage des § 6 Abs. 9 ZuG 2012 lediglich 61 775 Emissionsberechtigungen zu.

3

Das Verwaltungsgericht wies die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage auf Zuteilung von weiteren 140 495 Emissionsberechtigungen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

4

§ 7 Abs. 12 ZuG 2007 enthalte zwar eine uneingeschränkte Rechtsfolgenverweisung auf das für Neuanlagen geltende Zuteilungsregime. Doch würde eine uneingeschränkte Geltung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 zu erheblichen Anwendungsschwierigkeiten führen; insbesondere "passe" die Zuteilungsgarantie nicht auf Bestandsanlagen, die älter als 14 Jahre sind. Einen fiktiven Fristbeginn für die periodenübergreifende Zuteilung - nämlich den Beginn der ersten Handelsperiode - sehe das Gesetz nicht vor. Soweit das Bundesverwaltungsgericht eine Anwendung der ersichtlich auf Neuanlagen beschränkten Investitionsschutzregelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf Optionsanlagen verneint habe, habe es sich zwar lediglich zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift zu Lasten von Optionsanlagen verhalten, nicht aber auch zu deren periodenübergreifender Fortgeltung zu Gunsten von Optionsanlagen. Die Anwendung der 14jährigen Investitionsschutzfrist auf Optionsanlagen würde aber weder dem Sinn und Zweck der Regelung noch der Gesetzessystematik entsprechen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien diene die periodenübergreifende Zuteilung der Schaffung von Investitionssicherheit und sei als Ausgleich für bereits getätigte Investitionen in klimaschonende Techniken zu verstehen, wie sie in Neuanlagen zur Ausführung gelangen. Dieser Zweck würde bei einer Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf Optionsanlagen verfehlt. Für sie entfalle wegen der Zuteilung von Emissionsberechtigungen nach Benchmark-Kriterien, wie sie für Neuanlagen gelten, und dem dadurch abverlangten Beitrag zum Klimaschutz allein der Erfüllungsfaktor und damit auch die anteilige Kürzung. Die von keinerlei weiteren Voraussetzungen abhängige Optionsmöglichkeit könne eine Gleichstellung der Zuteilung an alte Bestandsanlagen mit der Zuteilung an Anlagen, die bereits einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz geleistet hätten, nicht rechtfertigen. Dies zeige insbesondere auch der Vergleich mit den Sonderregelungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 und des § 12 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007, die mit den 12jährigen, periodenübergreifenden Zuteilungsgarantien an in der Vergangenheit bereits getätigte Modernisierungsmaßnahmen anknüpften und für diese frühzeitigen Maßnahmen zur Emissionsminderung eine Begünstigung gewährten. Eine entsprechende Begünstigung bloßer Optionsanlagen führe zu einem Wertungswiderspruch und sei mit der Gesetzessystematik unvereinbar.

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Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Zu deren Begründung führt sie aus:

6

Das Oberverwaltungsgericht verkenne rechtsfehlerhaft, dass die mit Beginn der ersten Zuteilungsperiode einsetzende 14jährige Zuteilungsgarantie auf Optionsanlagen anwendbar sei. § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 solle Investitionssicherheit bewirken und gelte daher auch für Optionsanlagen. Dabei sei auf den Zeitpunkt der Einführung des Emissionshandels und nicht auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage abzustellen. Eine Beschränkung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007auf Neuanlagen im Wege teleologischer Reduktion sei nicht veranlasst. Das Oberverwaltungsgericht überschreite die Befugnis zur Rechtsfortbildung, wenn es den eindeutigen Gesetzeswortlaut und den Willen des Gesetzgebers übergehe. Im Gesetzgebungsverfahren sei von der Bundesregierung die Anwendbarkeit der 14-Jahres-Garantie auf Optionsanlagen bejaht worden. Ein Wertungswiderspruch zu den Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 und § 12 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 bestehe nicht; diese Zuteilungsregelungen gingen von anderen, historischen Emissionen folgenden Mechanismen aus. Mit dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts laufe die Optionsmöglichkeit gemäß § 8 Abs. 6 ZuG 2007 ins Leere. Die Zuteilungsregelung des § 11 ZuG 2007 sei von keinerlei aktiven Klimaschutzbeiträgen abhängig. Sinn und Zweck der Optionsmöglichkeit erforderten die vollumfängliche Anwendung des § 11 Abs. 1 ZuG 2007, denn die Betreiber alter Bestandsanlagen entschieden sich durch das Gebrauchmachen von der Optionsmöglichkeit zur Erbringung eines klimaschützenden Beitrags; die strengen Anforderungen einer benchmark-bezogenen Zuteilung von Berechtigungen könnten bei Aufrechterhaltung der Produktion nur erfüllt werden, wenn entweder hohe Investitionen in die technische Ausstattung der Anlage getätigt würden oder aber die Bereitschaft zum entgeltlichen Erwerb von Berechtigungen bestehe, was im Sinne des Emissionshandels sei.

7

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. § 2 Satz 3 ZuG 2012 stehe einer Zuteilung nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 nicht entgegen. Der Gesetzgeber des Zuteilungsgesetzes 2007 habe die Zuteilungsregeln insoweit bereits für nachfolgende Zuteilungsperioden perpetuiert. Die Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2007 gälten neben denen des Zuteilungsgesetzes 2012 fort. § 2 Satz 3 ZuG 2012 wäre bei abweichendem Rechtsverständnis verfassungswidrig, weil damit eine mit § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 verbundene subjektiv-öffentliche Rechtsposition unter Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes und der Grundrechte der Klägerin aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG beseitigt würde. Die Entscheidung der Kommission zum Nationalen Allokationsplan I vom 7. Juli 2004 lasse die Schutzbedürftigkeit des Vertrauens in den Bestand der Zuteilungsgarantie nicht entfallen. Dies gelte gleichermaßen für die Entscheidung der Kommission vom 29. November 2006 zum Nationalen Allokationsplan II; eine unionsrechtswidrige Entscheidung könne als Gemeinwohlbelang keine Berücksichtigung finden. Gegen diese hätte die Bundesrepublik Nichtigkeitsklage zum Gericht erster Instanz der Europäischen Union erheben müssen. Erst durch bewusstes Verstreichenlassen der Klagefrist sei eine Bindung des Gesetzgebers an die Kommissionsentscheidung zur Nichtfortführung der Zuteilungsgarantie eingetreten.

8

Verfahrensrechtlich zwinge dies zur Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof über die Verbindlichkeit der Kommissionsentscheidung; im Anschluss daran müsse die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Gültigkeit von § 2 Satz 3 ZuG 2012 eingeholt werden.

9

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Juni 2011 und des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Zuteilungsbescheides vom 8. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 2008 zu verpflichten, der Klägerin weitere 140 495 Berechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 kostenlos zuzuteilen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie tritt dem Vorbringen der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die periodenübergreifende Zuteilungsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf Bestandsanlagen keine Anwendung finde, für die in der ersten Handelsperiode von der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch gemacht worden sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

13

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 16. Oktober 2007 - BVerwG 7 C 29.07 - (Buchholz 406.253 § 7 ZuG 2007 Nr. 2) zur Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf sogenannte Optionsanlagen Stellung genommen: Mit § 7 Abs. 12 ZuG 2007 habe der Gesetzgeber den Betreibern von Bestandsanlagen die uneingeschränkte Möglichkeit eröffnet, statt der Zuteilung auf der Basis historischer Emissionen sich für eine gänzlich andere Zuteilungsmethode, nämlich diejenige für Neuanlagen zu entscheiden. Da mit der Rechtsfolgenverweisung in § 7 Abs. 12 ZuG 2007 ein völliger Wechsel der Zuteilungsmethode verbunden sei, finde auf Optionsanlagen der Erfüllungsfaktor und damit die anteilige Kürzung keine Anwendung (Rn. 21). Dagegen widerspreche es dem Zweck der Wahlmöglichkeit, auch die ersichtlich auf Neuanlagen beschränkte Investitionsschutzregelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf Optionsanlagen anzuwenden mit der Folge, dass Betreiber von Bestandsanlagen, deren Inbetriebnahme mehr als 14 Jahre zurückliegt, von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen wären (Rn. 24).

14

An dieser Rechtsauffassung ist mit der Maßgabe festzuhalten, dass § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auch nicht zu Gunsten von Optierern Anwendung findet. Weder der Inhalt und Wortlaut der verweisenden noch der in Bezug genommenen Norm zwingen dazu, die periodenübergreifende Zuteilungsgarantie auf Optionsanlagen zu erstrecken (1.). Ebenso wenig stehen die vom Sinn und Zweck bestimmte Auslegung (2.) sowie die systematische Auslegung (3.) des Zuteilungsgesetzes 2007 hierzu im Widerspruch. Die Vereinbarkeit von § 2 Satz 3 ZuG 2012 mit Verfassungsrecht bedarf demnach keiner Entscheidung (4.).

15

1. a) Entgegen der Revision ergeben sich bereits aus Inhalt und Wortlaut der Verweisungsnorm des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Anhaltspunkte dafür, die Regelung des § 11 Abs. 1 ZuG 2007 nur im beschränkten Umfang der Sätze 1 bis 5 auf die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Optionsanlagen zu übertragen.

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Dabei kann der gesetzliche Ausgangspunkt nicht unbeachtet bleiben, dass nach § 7 Abs. 1 ZuG 2007 die Zuteilungen an bestehende Anlagen auf der Basis historischer Emissionen vorgenommen werden, somit nach der Methode des Grandfathering. Für Optionsanlagen kommt es hingegen nach § 7 Abs. 12 ZuG 2007 zu einem Wechsel in der Methodik mit einer Zuteilung von Emissionsberechtigungen nach den Vorgaben des Benchmarkings. Mit diesem völligen Wechsel der Zuteilungsmethode kann nur eine Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Satz 1 bis 5 ZuG 2007 in Betracht kommen, nicht aber auch eine solche auf Satz 6, weil diese Regelung nicht die Methodik der Zuteilung zum Gegenstand hat, sondern sich allein auf den Zuteilungszeitraum bezieht.

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Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Inhalt der gesetzlichen Regelung die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Bestandsanlagen nach § 7 ZuG 2007 ausschließlich für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 und beschränkt auf diese erfolgt, was ebenso für § 7 Abs. 12 ZuG 2007 gilt; nur so sei es folgerichtig, dass der Gesetzgeber auf diesen Zeitraum bezogen in § 7 Abs. 12 Satz 2 ZuG 2007 eine Sonderregelung für Optionsanlagen getroffen hat, die diese Anlagen für die erste Handelsperiode von der Regelung des § 6 ZuG 2007 über die Reserve ausnimmt. Hätte der Gesetzgeber die Verweisung in § 7 Abs. 12 Satz 1 ZuG 2007 auch auf die periodenübergreifende Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 erstrecken wollen, hätte sich ihm ebenso die Notwendigkeit einer speziellen Regelung des Fristenablaufs für ältere Optionsanlagen aufdrängen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass er die Ausdehnung einer periodenübergreifenden Zuteilung an Optionsanlagen erst gar nicht in Erwägung gezogen hat.

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b) Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 steht seiner Anwendung auf Optionsanlagen entgegen. Danach erfolgt die Zuteilung von Berechtigungen für zusätzliche Neuanlagen nach Maßgabe der Sätze 1 bis 4 für die ersten 14 Betriebsjahre seit Inbetriebnahme der Anlage. Die Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 2 Nr. 2 ZuG 2007 bezeichnet die Inbetriebnahme als "die erstmalige Aufnahme des Regelbetriebs". Da eine Zuteilung von Emissionsberechtigungen (für die erste Handelsperiode) erstmals im Jahre 2005 erfolgen konnte und erst ab Inbetriebnahme der Anlage der periodenübergreifende Privilegierungstatbestand für eine Dauer von 14 Jahren Platz greifen soll, passt § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 nicht für Bestandsanlagen, die kraft Definition schon vor Beginn der ersten Handelsperiode - unter Umständen sogar schon mehr als 14 Jahre vorher - in Betrieb gegangen waren. Ebenso scheidet es aus, den Privilegierungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 allein mit dem Beginn des Emissionshandels im Januar 2005 zu verbinden. Denn die Vorschrift bestimmt nicht einen fixen Zeitpunkt für den Anfang der Privilegierung, sondern knüpft nach ihrem klaren Wortlaut allein an die Inbetriebnahme an. Mit der gesetzlichen Vorgabe einer Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die ersten 14 Betriebsjahre seit Inbetriebnahme der Anlage lässt sich eine Zuteilung für lange vor dem Systemwechsel in Betrieb gegangene Altanlagen nicht in Einklang bringen, was die Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 "ersichtlich auf Neuanlagen beschränkt" (Urteil vom 16. Oktober 2007 a.a.O.).

19

2. Die eingeschränkte Anwendung des für Optionsanlagen in Bezug genommenen § 11 ZuG 2007 entspricht Sinn und Zweck des Zuteilungsgesetzes 2007.

20

Der Zweck, der mit in § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 verfolgt wird, lässt sich den hierauf bezogenen Gesetzesmaterialien sowie denjenigen zu gleichgelagerten periodenübergreifenden Allokationsregelungen im Zuteilungsgesetz 2007 entnehmen. Mit der privilegierenden Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Neuanlagen soll ein Anreiz für neue Investitionen in modernste Technologien gesetzt (BTDrucks 15/3237 S. 13) und für einen Zeitraum von 14 Jahren Planungssicherheit geschaffen werden (BTDrucks 15/2966 S. 21 zu § 10 ZuG 2007), was wiederum Investitionssicherheit bewirkt (BTDrucks 15/2966 S. 22 zu § 11 ZuG 2007). Schon diese Zielsetzung, die auf neue Investitionen in emissionsmindernde Technologien und deren Schutz in einer Amortisierungsphase abhebt, steht einer Erstreckung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 auf Optionsanlagen entgegen. Soweit die Revision dem entgegen auf die Frage einer Abgeordneten an die Bundesregierung zur Geltung der privilegierenden 14-Jahres-Frist für Zuteilungsanträge der Betreiber von Altanlagen und die bejahende Antwort eines Staatssekretärs aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verweist (BTDrucks 15/3626 S. 50), bezieht sich diese bereits nicht eindeutig auf die Anwendung der in Bezug genommenen Vorschrift auch zu Gunsten von Altanlagen im Sinne einer 14jährigen Zuteilungsgarantie. Würde man dieser Antwort uneingeschränkt folgen, könnten zudem in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut alle Bestandsanlagen, die schon länger als 14 Jahre in Betrieb sind, bereits für die erste Handelsperiode nicht mehr in den Genuss der Optionsregelung kommen, was der Senat mit Urteil vom 17. Oktober 2007 (a.a.O. Rn. 24 a.E.) jedoch verneint hat.

21

Die Revision wendet hiergegen ein, Optionsanlagen leisteten ebenso einen Beitrag zum Klimaschutz, weil sie sich an strengen, an den Maßstäben der besten verfügbaren Techniken verpflichteten Benchmark-Emissionswerten messen lassen müssten und deshalb Zuteilungen nur in einem solchen Umfang erhielten, dass die Betreiber zur Aufrechterhaltung der Produktion entweder in neue Techniken investieren oder aber Berechtigungen am Markt zukaufen müssten. Dieser Einwand verkennt Folgendes: § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 basiert auf der Annahme, dass Neuanlagen mit modernster Technik zur Emissionsminderung ausgerüstet werden und so einen wesentlichen aktiven Beitrag zum Klimaschutz leisten, der die Einhaltung der durch § 11 Abs. 2 und 3 ZuG 2007 vorgegebenen strengen Benchmark-Kriterien sicherstellt. Um einen Anreiz zur Investition in solche, am Stand der besten verfügbaren Techniken ausgerichteten Neuanlagen zu schaffen und dem Investor Planungssicherheit zu gewährleisten, garantiert das Gesetz eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Emissionsberechtigungen über einen Zeitraum von 14 Jahren. Die Zuteilungsgarantie des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 stellt sich mithin als "Gegenleistung" für einen Beitrag des Investors zum Klimaschutz dar. Von dieser Konstellation unterscheidet sich der Fall, dass der Betreiber einer Altanlage von der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch macht, grundlegend. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ausübung des Optionsrechts von keinerlei Voraussetzungen abhängig ist. Ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz kann nicht eingefordert werden und ist wegen der Möglichkeit, Berechtigungen hinzuzuerwerben, auch nicht durch die Geltung von Benchmarks sichergestellt. Die Zubilligung eines uneingeschränkten Investitionsschutzes für einen Zeitraum von 14 Jahren ab Beginn der ersten Handelsperiode liefe deshalb Gefahr, hinsichtlich der gesetzlichen Zielrichtung ins Leere zu gehen, wenn der Betreiber einer Optionsanlage mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben nicht in emissionseffiziente Techniken investierte.

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Dem kann nicht entgegengehalten werden, auch bei der Errichtung von Neuanlagen bestehe keine gesetzliche Verpflichtung zur Ausrichtung an den besten verfügbaren Techniken. Auch ohne verpflichtende Vorgaben durfte der Gesetzgeber unterstellen, beim Bau von Neuanlagen komme typischerweise modernste Emissionsminderungstechnik zum Einsatz. Diese Annahme, die in abgeschwächter Form auch der Regelung des § 12 Abs. 5 ZuG 2007 für "early-action"-Anlagen zu Grunde liegt, war sachlich gerechtfertigt, weil es beim Bau von Neuanlagen schon mit Blick auf sich künftig aller Voraussicht nach weiter verschärfende gesetzliche Regelungen zur Rückführung der Treibhausgasemissionen dem wohlverstandenen Eigeninteresse des Anlagenbetreibers entspricht, seine Anlage mit fortschrittlichen Techniken auszustatten. Für alte Bestandsanlagen trifft Gleiches hingegen in aller Regel nicht zu und kann auch dann nicht unterstellt werden, wenn der Betreiber von der Optionsmöglichkeit des § 7 Abs. 12 ZuG 2007 Gebrauch macht. Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, für Optionsanlagen sei oft schon in der Vergangenheit in Techniken zur Einhaltung der Benchmark-Emissionswerte investiert worden, geht dies zudem darüber hinweg, dass das Zuteilungsgesetz 2007 für zurückliegende Anlagenmodernisierungen eigene Privilegierungstatbestände - etwa in § 8 ZuG 2007 (neuere Bestandsanlagen) oder in § 12 ZuG 2007 ("early-action"-Anlagen) - enthält, mit denen umfassendere Investitionen abgedeckt werden.

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Die Optionsregelung in § 7 Abs. 12 Satz 1 ZuG 2007 läuft infolge der Nichtanwendbarkeit der Privilegierungsregelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 zu Gunsten der Betreiber von Optionsanlagen nicht ins Leere. Insbesondere sind die Regelungen zur Nichtanwendung des Erfüllungsfaktors in § 11 Abs. 1 Satz 3 ZuG 2007 und zum 14-Jahres-Privileg in § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 nicht untrennbar miteinander verknüpft, was schon aus der unterschiedlichen Anordnung dieser Regelungen in § 11 Abs. 1 ZuG 2007 folgt (im Gegensatz etwa zu den Privilegierungsregelungen in § 8 Abs. 1 Satz 2 und § 10 Abs. 1 Satz 3 ZuG 2007); ebenso wenig verliert die Optionsmöglichkeit für Bestandsanlagen ohne Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 ihren Sinn. Sie bietet Optionsanlagen - namentlich denjenigen, die in der Basisperiode des § 7 ZuG 2007 gering ausgelastet waren - den Vorteil, von zusätzlichen Minderungspflichten gemäß § 5 und § 4 Abs. 4 ZuG 2007 im Zeitraum von 2005 bis 2007 verschont zu bleiben.

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3. Der Ausschluss der Optionsanlagen von der periodenübergreifenden Privilegierung des § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 steht in Übereinstimmung mit der Gesetzessystematik. Das Zuteilungsgesetz 2007 enthält verschiedene periodenübergreifende Zuteilungsregelungen, die die Anwendung eines Kürzungsfaktors ausschließen und damit privilegierende Allokationen zum Gegenstand haben. Dabei hat der Gesetzgeber derartige Begünstigungen nur für Anlagen in Betracht gezogen, für die davon ausgegangen werden kann, dass in ihnen am Stand der Technik ausgerichtete aktive Emissionsminderungsmaßnahmen bereits zur Durchführung gelangten und in Betrieb gegangen sind.

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§ 8 Abs. 1 und Abs. 5 ZuG 2007 sieht für "neuere Bestandsanlagen", die in den Jahren 2003 bis 2004 in Betrieb gegangen bzw. erweitert worden sind und damit im neu gebauten Umfang typischerweise dem Stand der Technik zur Emissionsminderung entsprechen, den Entfall des Kürzungsfaktors für zwölf auf das Jahr der Inbetriebnahme folgende Kalenderjahre vor. Diese Privilegierung gilt gemäß § 12 Abs. 1 bzw. Abs. 5 ZuG 2007 gleichermaßen für Bestandsanlagen, soweit für diese auf Grund von nach dem 1. Januar 1994 beendeten Modernisierungsmaßnahmen nachgewiesene Emissionsminderungen erzielt worden sind oder soweit diese zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 2002 in Betrieb genommen worden sind ("early-action"-Anlagen). Ebenso privilegiert der Gesetzgeber die Zuteilung von Emissionsberechtigungen an Neuanlagen als Ersatzanlagen gemäß § 10 Abs. 1 ZuG 2007, indem er der in Betrieb gegangenen Neuanlage Berechtigungen nach den Vorgaben für die Altanlage für die Dauer von 4 Jahren zubilligt, was - auch im Sinne eines Investitionskostenzuschusses - zu einer beabsichtigten Überausstattung der emissionsärmeren Neuanlage in diesem Zeitraum führt und zugleich als Investitionsanreiz zum Ersetzen der Altanlage zu verstehen ist (BTDrucks 15/2966 S. 21); nach Ablauf dieser "Übertragungsregelung" ist für weitere 14 Jahre der Entfall des Erfüllungsfaktors vorgesehen. Im Gegensatz zu den Betreibern von Optionsanlagen hat sich in all diesen Fällen der Anlagenbetreiber die privilegierte Zuteilung durch eine "aktive" Vorleistung in Form der Inbetriebnahme emissionsmindernder Technologien erdient. Eine privilegierende, periodenübergreifende Zuteilung von Emissionsberechtigungen ohne - zumindest typischerweise - tatsächlich durchgeführte Emissionsminderungsmaßnahmen ist der Systematik des Zuteilungsgesetzes 2007 fremd.

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Der Einwand der Revision, dass durch den Ausschluss der Optionsanlagen von einer periodenübergreifenden Privilegierung nach § 11 Abs. 1 Satz 6 ZuG 2007 die Optionsmöglichkeit gemäß § 8 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 12 ZuG 2007 jede Bedeutung verlieren würde, weil der Betreiber einer neueren Bestandsanlage bereits durch die periodenübergreifende privilegierende Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 ZuG 2007 stets besser gestellt sei, vermag nicht zu überzeugen. Zwar sind angesichts der Privilegierung neuerer Bestandsanlagen Fälle nicht ohne Weiteres vorstellbar, in denen es durch das Gebrauchmachen von der Optionsmöglichkeit nach § 8 Abs. 6 ZuG 2007 zu einer günstigeren Zuteilung von Emissionsberechtigungen an neuere Bestandsanlagen kommen wird, was die Beklagte auch einräumt. Es war zuvörderst aber Sache des Anlagenbetreibers, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Allokationsregelungen abzuwägen und entsprechende Zuteilungen innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 Satz 1 TEHG a.F. (i.V.m. § 14 Abs. 1 ZuG 2012) zu beantragen, anderenfalls ihm weitergehende Zuteilungsansprüche verloren gingen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 TEHG a.F.). Allein der Umstand, dass Zuteilungen von Emissionsberechtigungen für neuere Bestandsanlagen nach § 8 Abs. 6 ZuG 2007 keine oder nur eine deutlich untergeordnete Rolle spielen, kann nicht den Befund der Gesetzessystematik infrage stellen, dass eine privilegierende periodenübergreifende Zuteilung von Emissionsberechtigungen in Abhängigkeit zu bereits erbrachten, aktiven Maßnahmen der Emissionsminderung steht.

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4. Auf das Vorbringen der Revision zum Fortbestehen des periodenübergreifenden Zuteilungsanspruchs auch nach Auslauf des ersten Zuteilungsgesetzes aus unions- und verfassungsrechtlichen Gründen kommt es nach alledem nicht an.