Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 08.10.2015


BVerwG 08.10.2015 - 7 B 24/15

Zugang zum Telefonverzeichnis eines Gerichts nach dem InfFrG NW; Vertretungsordnung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsdatum:
08.10.2015
Aktenzeichen:
7 B 24/15
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2015:081015B7B24.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Mai 2015, Az: 8 A 1943/13, Urteilvorgehend VG Aachen, 17. Juli 2013, Az: 8 K 532/11, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 6 S 1 Buchst a InfFrG NW
§ 9 InfFrG NW
§ 4 Abs 1 InfFrG NW

Gründe

I

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Aachen. Er begehrt gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) die Überlassung einer vollständigen Telefonliste des Verwaltungsgerichts Aachen.

2

Der nach Ablehnung dieses Antrags erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Der Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Als Organ der Rechtspflege habe der Kläger ein rechtliches Interesse im Sinne von § 9 Abs. 1 Buchst. e IFG NRW an der Übermittlung der Telefonliste. Der Bekanntgabe der Daten stünden weder die richterliche Unabhängigkeit noch der Schutz personenbezogener Daten entgegen.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen und den Beklagten unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet, den Antrag auf Zugang zur Telefonliste der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Im Hinblick auf die Durchwahlnummern der Richterschaft sei der Anspruch jedenfalls nach § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW ausgeschlossen. Ob der Informationsanspruch hinsichtlich der Durchwahlnummern der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen an § 9 IFG NRW scheitere, könne derzeit nicht abschließend festgestellt werden, weil der Beklagte die Betroffenen noch nicht zu ihrer Einwilligung befragt habe.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

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a) Entgegen der Auffassung des Klägers hätte das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten nicht nach § 125 Abs. 2 VwGO als unzulässig verwerfen müssen, weil sie von einer nicht vertretungsberechtigten Person begründet worden ist.

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aa) Das Oberverwaltungsgericht ist in Anwendung der Anordnung über die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen im Geschäftsbereich des Justizministeriums (Vertretungsordnung JM NRW) vom 27. Juli 2011 in der Fassung vom 18. Juni 2013 (JMBl. NRW 2013 S. 148) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Berufung von einer nach § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO vertretungsbefugten Beschäftigten des Oberverwaltungsgerichts wirksam und fristgerecht begründet worden sei. Abschnitt A Teil I Nr. 1 b der Vertretungsordnung sei nicht so zu verstehen, dass das beklagte Land in gerichtlichen Verfahren aus dem Geschäftsbereich der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts von dieser persönlich vertreten werde. Die Vertretungsordnung bestimme lediglich, welche "vertretungsberechtigte Stelle" bzw. Behörde das Land vertrete. § 67 Abs. 5 VwGO stehe der Anwendung dieser Regelung nicht entgegen.

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An die Auslegung irrevisibler landesrechtlicher Bestimmungen ist das Revisionsgericht - auch soweit es um die Beurteilung von Sachurteilsvoraussetzungen geht - gebunden. Abweichendes gilt nur dann, wenn die Auslegung der Vorinstanz im Widerspruch zu Bundesrecht steht. Das ist hier nicht der Fall, namentlich verstößt die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts nicht gegen § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift dürfen Richter nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3655, S. 89 f., 94, 98) soll durch die Trennung von richterlicher Tätigkeit und Prozessvertretung an demselben Gericht ein damit etwa einhergehender Anschein der Voreingenommenheit des Gerichts vermieden werden; Interessenkollisionen sollen von vornherein ausgeschlossen werden. Mit diesem Gesetzeszweck ist es entgegen der Auffassung des Klägers vereinbar, dass eine nichtrichterliche Beschäftigte des Gerichts mit Befähigung zum Richteramt die Vertretung des Gerichts als Behörde wahrnimmt.

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Die Unvereinbarkeitsregelung des § 67 Abs. 5 VwGO beruht auf der Annahme, dass die kollegialen Beziehungen zwischen den richterlichen Beschäftigten eines Gerichts, die in der Regel spruchkörperübergreifend oder sogar innerhalb desselben Spruchkörpers gleichgeordnet Rechtsprechungsaufgaben wahrnehmen, besonders eng sind. Aus diesem Grund bezieht sich das strenge Vertretungsverbot für die Berufsrichter auf das gesamte Gericht, während bei ehrenamtlichen Richtern besonders enge Kontakte nur zu dem Spruchkörper angenommen werden, dem sie angehören und das Vertretungsverbot sich daher auf diesen Spruchkörper beschränkt (§ 67 Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BT-Drs. 16/3655, S. 94). Die Vermutung eines durch die gemeinsame richterliche Tätigkeit begründeten Näheverhältnisses trifft auf die nichtrichterlichen Beschäftigten nicht zu. Daran ändert der Hinweis des Klägers auf die Weisungsgebundenheit der nichtrichterlichen Vertreterin nichts.

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bb) Die Vertretungsbefugnis der Regierungsdirektorin begegnet nicht deshalb Bedenken, weil - wie der Kläger meint - die Erteilung einer Prozessvollmacht durch die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts einen Auftritt vor Gericht im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO darstellt und die Vertretungsmacht daher von einer ausgeschlossenen Richterin abgeleitet ist. Der Kläger übersieht die Doppelfunktion der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts als Leiterin einer mit der Prozessführung beauftragten Behörde einerseits und Richterin dieses Gerichts andererseits. Von der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Behördenleiterin wird die Präsidentin durch § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht ausgeschlossen.

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cc) Das Oberverwaltungsgericht musste auch den pauschal geäußerten Zweifeln des Klägers an der Befähigung der Prozessvertreterin des Beklagten zum Richteramt nicht weiter nachgehen. Diese hat mit Schriftsatz vom 4. März 2015 (S. 2) auf die Rüge des Klägers hin ausdrücklich versichert, dass sie über die Befähigung zum Richteramt verfüge. Der Kläger hat an seiner Rüge gleichwohl festgehalten, diese aber in keiner Weise "unterfüttert". Einer solchermaßen "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung muss das Gericht nicht nachgehen. Für einen Zurückweisungsbeschluss nach § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO bestand kein Anlass. Aus dem Hinweis des Klägers auf § 88 Abs. 2 ZPO und § 157 Abs. 2 Satz 1 ZPO (gemeint ist wohl § 79 Abs. 3 Satz 3 ZPO) folgt nichts anderes.

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dd) Auf den absoluten Verfahrensmangel der fehlenden bzw. mangelhaften Vertretung im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO kann der Kläger sich schon deshalb nicht berufen, weil diese Vorschrift nur dem Schutz des Beteiligten dient, der nicht ordnungsgemäß vertreten war (BVerwG, Beschluss vom 10. März 1998 - 8 B 27.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 4 VwGO Nr. 7; BGH, Beschluss vom 11. Mai 1988 - IVb ZB 191/87 - FamRZ 1988, 1158).

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b) Die Rüge des Klägers, das Oberverwaltungsgericht habe die Sache im Hinblick auf die Telefonnummern der nichtrichterlichen Gerichtsangehörigen unter Verstoß gegen § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht spruchreif gemacht, führt nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht ausgehend von seiner für den Senat grundsätzlich bindenden Auslegung des § 9 Abs. 3 IFG NRW das Prüfprogramm des § 113 Abs. 5 VwGO verkannt haben sollte, läge darin kein Verfahrensfehler, sondern ein inhaltlicher Mangel (BVerwG, Beschluss vom 26. März 2014 - 4 B 3.14 - UPR 2014, 313 Rn. 23).

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2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

16

Mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht sei von einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2008 - 2 B 131.07 - (Buchholz 237.8 § 102 RhPLBG Nr. 2 Rn. 8) abgewichen, wonach Behördenbedienstete in der Regel keinen Anspruch darauf hätten, von Publikumsverkehr und der Möglichkeit zur postalischen oder elektronischen Kontaktaufnahme von außen abgeschirmt zu werden, wird keine Divergenz bezeichnet. Voraussetzung dafür ist u.a., dass sich die gerügte Abweichung auf dieselbe Vorschrift revisiblen Rechts bezieht (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2011 - 9 B 29.11 - juris Rn. 2). Daran fehlt es hier. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die aus den allgemeinen Organisationsbefugnissen einer Behörde folgende Befugnis, Namen und dienstliche Telefonnummern der Bediensteten zu veröffentlichen, könne und solle eine vom Landesgesetzgeber getroffene ausdrückliche Regelung zur Herausgabe nicht unterlaufen, beruht auf der Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften der § 9 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 Buchst. a IFG NRW und § 12 IFG NRW. Demgegenüber betrifft der bezeichnete Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts allgemeine Grundsätze der Behördenorganisation. Abweichendes ergäbe sich selbst dann nicht, wenn die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2011 zu § 5 Abs. 4 IFG ergangen wäre. Entscheidungen zu Rechtsvorschriften verschiedener Geltungsgrundlagen können eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO selbst dann nicht begründen, wenn die Regelungen - wie hier nicht - wörtlich übereinstimmen (Beschluss vom 27. Mai 2011 a.a.O.).

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.