Entscheidungsdatum: 23.11.2017
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17. März 2016 - 6 Sa 632/15 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten darüber, ob einzelvertraglich in Bezug genommene Arbeitsvertragsrichtlinien nach dem Betriebsübergang auf einen nichtkirchlichen Erwerber statisch oder dynamisch fortgelten.
Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, dem Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., seit 2004 im Rettungsdienst beschäftigt. In der Präambel des Arbeitsvertrags vom 31. März 2004 heißt es auszugsweise:
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„Diakonie ist Wesens- und Lebensäußerung der Evangelischen Kirche. Die Evangelische Kirche nimmt ihre diakonischen Aufgaben durch das Diakonische Werk wahr. Die o.g. Einrichtung ist dem Diakonischen Werk angeschlossen. Sie dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe. Alle Mitarbeiter … bilden ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit eine Dienstgemeinschaft. |
Auf dieser Grundlage wird der nachstehende Vertrag geschlossen: |
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… |
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§ 2 |
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Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) - Bund/Länder (B/L) Fassung - in der jeweils gültigen Fassung …“ |
Das Arbeitsverhältnis ging zum 1. Januar 2014 auf die Beklagte über. Diese ist eine als gemeinnützige GmbH geführte Gliederung des Deutschen Roten Kreuzes, die in einem sächsischen Landkreis den bodengebundenen Rettungsdienst betreibt. Am 10. Juli 2014 sowie am 8. Dezember 2014 beschloss die Arbeitsrechtliche Kommission der Diakonie Deutschland die Erhöhung der Grundentgelte gemäß Anlage 2, der Sonderstufenentgelte gemäß Anlage 5 und der Stundenentgelte gemäß Anlage 9 zu den AVR rückwirkend zum 1. Juli 2014 für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgenommen Ärztinnen und Ärzte sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte um 1,9 % bzw. ab dem 1. März 2015 die Erhöhung der Tabellenwerte der Anlagen 2, 5, 9 und 10a zu den AVR um 2,7 %. Die daraus folgenden Entgelterhöhungen gab die Beklagte nicht an die Klägerin weiter.
Die Klägerin begehrt zuletzt noch die Zahlung der Differenz zwischen der ihr gezahlten Vergütung und der ihr unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 10. Juli 2014 bzw. 8. Dezember 2014 zustehenden Vergütung in rechnerisch unstreitiger Höhe für die Zeit von Juli 2014 bis Mai 2015. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass die am 10. Juli 2014 und 8. Dezember 2014 beschlossenen Entgelterhöhungen auch künftig an sie weiterzugeben sind.
Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - zuletzt beantragt,
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1. |
die Beklagte zu verurteilen, an sie 805,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen; |
2. |
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von der Arbeitsrechtlichen Kommission der Diakonie Deutschland mit Beschluss vom 10. Juli 2014 beschlossene Erhöhung der Entgelte ab 1. Juli 2014 in Höhe von 1,9 % sowie mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 beschlossene Erhöhung der Entgelte ab 1. März 2015 in Höhe von 2,7 % der Klägerin auch in Zukunft zu zahlen. |
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die AVR gölten seit dem Betriebsübergang auf sie nur statisch. Sie sei nicht Mitglied des Diakonischen Werkes und könne das auch nicht werden. Auf die Verhandlungsergebnisse der Arbeitsrechtlichen Kommission habe sie keinen Einfluss, so dass sie an die von dieser nach dem Betriebsübergang gefassten Beschlüsse nicht gebunden sein könne. Die AVR würden durch die Arbeitsrechtliche Kommission als Dritte vereinbart und seien deshalb mit kollektivvertraglichen Regelungen wie Tarifverträgen vergleichbar. Darum müssten die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichstellungsabrede und die danach geltende statische Weitergeltung der Bezugnahme auch im vorliegenden Fall Anwendung finden. Das Angebot, die Anwendung des für sie geltenden Tarifvertrags zu vereinbaren, habe die Klägerin - unstreitig - abgelehnt. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die Unwägbarkeiten, die mit einer Änderungskündigung verbunden seien, auf sich zu nehmen. Es müsse ihr freistehen, den rechtlich sicheren Weg zu wählen und die AVR statisch anzuwenden. Anderenfalls werde ihre unternehmerische Freiheit beeinträchtigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen, ohne zu bemerken, dass es sich nicht um einen Altfall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Gleichstellungsabrede handelt. Mit ihrer vom Senat durch Beschluss vom 22. September 2016 (- 6 AZN 371/16 -) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren der Klageabweisung unter Vertiefung ihrer rechtlichen Argumentation weiter.
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen.
I. Die Klage ist begründet. Die Klägerin kann die geltend gemachte Vergütung in zuletzt unstreitiger Höhe gemäß § 611 Abs. 1 BGB beanspruchen. Ihre Vergütung richtet sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrags vom 31. März 2004 in dynamisierter Weise nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland, die am 23. Januar 2014 in die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD, im Folgenden nur AVR) umbenannt worden sind. Dieser Vertragsinhalt blieb durch den Betriebsübergang auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unverändert. Die von der Arbeitsrechtlichen Kommission am 10. Juli 2014 bzw. 8. Dezember 2014 wirksam beschlossenen Entgelterhöhungen stehen der Klägerin darum auch über den von der Leistungsklage abgedeckten Zeitraum hinaus weiter zu. Eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist nicht vorzunehmen.
1. Der Arbeitsvertrag vom 31. März 2004 sieht die dynamische Geltung der AVR vor. Die Zugehörigkeit der Arbeitgeberin zum Diakonischen Werk ist hierfür keine Voraussetzung. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 23. November 2017 (- 6 AZR 683/16 - Rn. 10 ff.) ausgeführt und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die von der Revision angenommene Übertragung der Grundsätze der Gleichstellungsabrede (sh. dazu BAG 23. November 2017 - 6 AZR 683/16 - Rn. 20 f.) scheidet im vorliegenden Fall bereits deshalb aus, weil die Klägerin nach dem 1. Januar 2002 eingestellt worden ist und es sich deshalb nicht um einen sog. „Altfall“ handelt, für den nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Vertrauensschutz zu gewähren ist.
2. Die dynamische Inbezugnahme der AVR blieb durch den Betriebsübergang auf die Beklagte zum 1. Januar 2014 unberührt. Weder das nationale Recht noch die Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 privilegieren den Erwerb eines Betriebs- bzw. Betriebsteils von einem kirchlichen Träger. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Entscheidung des Senats vom 23. November 2017 (- 6 AZR 683/16 - Rn. 24 ff.) verwiesen.
3. Die Beklagte kann sich nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage iSv. § 313 BGB berufen, weil sie keine Änderungskündigung erklärt hat (BAG 23. November 2017 - 6 AZR 683/16 - Rn. 29 ff.).
4. Der Fall bietet auch keine Veranlassung zu klären, welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis der Parteien in Bezug auf die in § 2 und § 3 AVR enthaltenen allgemeinen und besonderen Dienstpflichten hat. Insbesondere kann offenbleiben, welchen Inhalt die Loyalitätspflichten nach dem Betriebsübergang aufweisen (vgl. zu den kirchlichen Loyalitätsanforderungen: BAG 28. Juli 2016 - 2 AZR 746/14 (A) - Rn. 14 ff., BAGE 156, 23; KR/Fischermeier 11. Aufl. Kirchl. ArbN Rn. 2 ff.) und ob die negative Religionsfreiheit eines Betriebserwerbers (Art. 4 GG) durch spezifisch kirchliche Regelungen verletzt sein kann (vgl. Klumpp ZMV 2017, 239, 240). Gegenstand des Rechtsstreits sind nur Vergütungsansprüche.
5. Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft die Unbilligkeit der von der Arbeitsrechtlichen Kommission vorgenommenen Leistungsbestimmung nach § 319 Abs. 1 BGB verneint habe. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings insoweit den Prüfungsmaßstab verkannt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (seit BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 847/07 - Rn. 30 ff., BAGE 135, 163) unterliegen Arbeitsvertragsrichtlinien, die auf dem Dritten Weg gemäß den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften entstanden sind, wie Tarifverträge nur einer Rechtskontrolle am Maßstab höherrangigen Rechts sowie der Kontrolle auf einen Verstoß gegen die guten Sitten, wenn sie von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen worden sind und deshalb nicht der Dienstgeberseite zugeordnet werden können. Dieser Rechtsfehler führt jedoch nicht zum Erfolg der Revision. Die Beklagte zeigt nicht auf, inwieweit die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 10. Juli 2014 und vom 8. Dezember 2014 höherrangiges Recht verletzen oder gegen die guten Sitten verstoßen könnten. Dafür ist auch keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat darum im Ergebnis zutreffend erkannt, dass diese Beschlüsse wirksam sind.
6. Der Klägerin steht das eingeklagte Differenzentgelt auf das ihr gezahlte Grundentgelt und die Zuschläge nach der Anlage 9 zu den AVR (Zeitzuschlag für Überstunden, Überstundenentgelt, Zeitzuschlag für Sonntagsarbeit und Arbeiten an Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag fallen, sowie für Nachtarbeit) zu. Die Beklagte hat keine Einwendungen gegen die Richtigkeit der der Berechnung der Klägerin zugrunde liegenden zuschlagspflichtigen Stunden erhoben.
7. Die Klägerin kann nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen für die einzelnen monatlichen Differenzvergütungsbeträge jeweils ab dem 16. eines jeden Monats verlangen. Verzugszinsen sind nach § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach dem in den AVR bestimmten Zahltag zu entrichten (vgl. zu tariflichen Ansprüchen BAG 27. April 2017 - 6 AZR 459/16 - Rn. 37). Die Bezüge sind gemäß § 21a AVR am 15. eines jeden Monats (Zahltag) fällig.
II. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Fischermeier |
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Spelge |
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Krumbiegel |
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C. Klar |
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Lauth |