Entscheidungsdatum: 24.04.2013
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21. August 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und mit versuchtem sowie mit vollendetem Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Während der Strafausspruch keinen Rechtsfehler aufweist, hat der Maßregelausspruch – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – keinen Bestand.
Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung auf § 66 Abs. 1 StGB gestützt. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt die Anordnung der Maßregel jedoch in formeller Hinsicht voraus, dass der Täter wegen vor der Anlasstat begangener vorsätzlicher Straftaten schon zweimal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Die vom Landgericht hierzu herangezogene Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin aus dem Jahr 1996, wonach gegen den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen sowie wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt worden ist, genügt hierfür nicht. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG kann als Vorverurteilung im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann berücksichtigt werden, wenn zu erkennen ist, dass der Angeklagte wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 – 2 StR 28/07, NStZ-RR 2007, 171 mwN). Dies ist angesichts der Höhe der Jugendstrafe bei drei tatmehrheitlich abgeurteilten Straftaten ausgeschlossen.
2. Der Senat verweist die Sache an das Landgericht zurück, weil er nicht ausschließen kann, dass ausreichende Feststellungen für eine Maßregelanordnung nach § 66 Abs. 3 StGB getroffen werden können. Das neue Tatgericht wird im Rahmen der Ermessensentscheidung insbesondere den nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (BVerfGE 128, 326) geltenden erhöhten Gefährlichkeitsmaßstab (vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2012 – 5 StR 525/11, NStZ-RR 2012, 205, und vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 305/11, StV 2012, 213, BGH, Beschlüsse vom 27. September 2011 – 4 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 109, und vom 2. August 2011 – 3 StR 208/11, BGHR StGB § 66 Strikte Verhältnismäßigkeit 1) zu beachten haben; dieser ist aus Gründen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden (BGH, Urteile vom 23. April 2013 – 5 StR 610/12 und 5 StR 617/12). Angesichts einer vom Landgericht angenommenen „mittleren Wahrscheinlichkeit“ weiterer Vergewaltigungsstraftaten (UA S. 32) wird die Ermessensausübung einer sorgfältigen Begründung bedürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 – 4 StR 164/11), wobei die von der Sachverständigen dargestellten Ergebnisse psychiatrischer Prognoseinstrumente lediglich Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, eine fundierte Einzelfallanalyse jedoch nicht zu ersetzen vermögen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203; BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – 5 StR 192/11).
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