Entscheidungsdatum: 08.06.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbe-zeichnete Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, während die ebenfalls auf die Sachrüge gestützte, zu Lasten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, erfolglos bleibt.
I.
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Der nicht vorbestrafte Angeklagte verlor infolge erheblicher geschäftlicher Schulden seine Wohnung und lebte zur Tatzeit in einer Unterkunft für Wohnungslose. Im Nachbarzimmer wohnte der Nebenkläger. Der Angeklagte galt als ruhig und unauffällig. Er lebte sehr ungern in der Unterkunft und wollte mit den anderen Bewohnern möglichst wenig zu tun haben. Am Tatmorgen betrat der erheblich alkoholisierte Nebenkläger mit dem Zeugen T. das gemeinsame Zimmer des Angeklagten und des Zeugen. Der noch schlafende Angeklagte erwachte; es gab möglicherweise eine kurze verbale Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten. Der Nebenkläger schlug dem noch im Bett liegenden Angeklagten unvermittelt und ohne, dass dieser dazu Anlass gegeben hätte, mit der Hand in das Gesicht. Der Angeklagte sprang auf, flüchtete aus seinem Zimmer und rief mit seinem Handy den polizeilichen Notruf an; er teilte der Einsatzzentrale mit, dass er geschlagen werde und Hilfe benötige. Als der Nebenkläger im Flur erschien, sagte ihm der Angeklagte, dass er die Polizei gerufen habe, und forderte den Nebenkläger auf, ihn in Ruhe zu lassen. Dieser ging unter Beschimpfungen auf den Angeklagten zu und versuchte, ihm eine "Kopfnuss" zu versetzen; der Angeklagte konnte jedoch ausweichen. Der Nebenkläger ergriff den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit einiger Wucht gegen die Glasscheibe der Außentür des Flures. Nachdem der Angeklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den Nebenkläger abzuwehren, ließ dieser von ihm ab und ging zurück in Richtung seines Zimmers. Der Angeklagte folgte ihm, um in sein eigenes Zimmer zu gelangen. Der Nebenkläger bemerkte dies und wandte sich dem Angeklagten zu; dieser flüchtete in Richtung Außentür und rief abermals die Polizei an. Als der Nebenkläger sich wieder in Richtung seines Zimmers wandte, versuchte auch der Angeklagte erneut, sein eigenes Zimmer zu erreichen. Der Nebenkläger drehte sich abermals um und lief auf den Angeklagten zu, der versuchte, sich in der Küche der Unterkunft in Sicherheit zu bringen. Der Nebenkläger erreichte ihn jedoch, stieß ihn gegen den Türrahmen und verhinderte so, dass der Angeklagte die Tür schließen konnte. Der Angeklagte lief in den hinteren Teil der Küche und rief durch ein offenes Fenster um Hilfe. Als er bemerkte, dass der Nebenkläger weiter auf ihn zukam, schloss er das Fenster aus Angst, er könnte vom Nebenkläger hinausgestoßen werden. "Dieser packte nun den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit der rechten Seite mit Schwung gegen die Fensterscheibe. Anschließend presste er den Kopf mit starkem Druck gegen das Glas, so dass der Angeklagte befürchtete, das Glas könnte brechen. Er schlug panisch um sich, was den Nebenkläger aber nur veranlasste, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken" (UA S. 8).
In dieser Situation ergriff der Angeklagte spontan ein neben ihm auf dem Herd liegendes Küchenschälmesser und stach ungezielt auf den Nebenkläger ein. Gleichzeitig versuchte er, den Nebenkläger von sich wegzudrücken. "Nach den ersten Stichen ließ der Nebenkläger den Kopf des Angeklagten los, schlug ihm aber mehrfach in den Hals- und Schulterbereich. Der Angeklagte stach weiter ungezielt ohne Unterlass auf den Nebenkläger ein. Dieser ging dabei schon rückwärts, bot dem Angeklagten aber noch Widerstand. Ein bis zwei Meter vor der Küchentür hörte der Nebenkläger auf zu schlagen und ließ sich ohne Widerstand durch den Angeklagten zurückschieben. Der Angeklagte bemerkte dies und hörte zu diesem Zeitpunkt auf zu stechen" (UA S. 9). Der Nebenkläger kam rückwärts zu Fall; der Angeklagte stolperte hinterher und fixierte den Nebenkläger am Boden. Er schüttelte den Nebenkläger, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Dabei schrie der Angeklagte laut und weinte. "Er dachte zunächst, dass er den Nebenkläger getötet habe" (UA S. 9).
Der Nebenkläger wurde durch zehn Stiche oder Schnitte getroffen und erheblich verletzt. Fünf der Messerstiche hatten den Bauchraum eröffnet, die Leber verletzt und den Dünndarm perforiert. Aufgrund zeitnaher medizinischer Versorgung befand er sich zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Die Verletzungen waren jedoch potentiell lebensbedrohlich. Der Angeklagte setzte die Messerstiche in Verteidigungsabsicht. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass der Nebenkläger durch die Stiche zu Tode kommen könnte. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war während der Tat nicht erheblich beeinträchtigt.
2. Die Schwurgerichtskammer hat hinsichtlich der Messerstiche eine objektive Notwehrlage angenommen. Jedoch fehle es an der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Der Angeklagte habe die Möglichkeit gehabt, den Nebenkläger durch Gesten oder jedenfalls verbal auf das Messer hinzuweisen und mit seinem Einsatz zu drohen oder zunächst in weniger gefährdete Körperbereiche, z. B. in die Extremitäten, zu stechen. Außerdem habe es innerhalb der Stichserie keine Unterbrechung gegeben, die dem Nebenkläger Gelegenheit geboten hätte, durch Beendigung seines Angriffs den Angeklagten von weiterer gefährlicher Gegenwehr abzuhalten.
Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags sei nicht erfolgt. Es habe sich um einen beendeten Versuch gehandelt; seinen eigenen Angaben nach habe der Angeklagte geglaubt, dass er den Nebenkläger getötet habe.
Bei der Strafzumessung ist die Schwurgerichtskammer von einem min-der schweren Fall des versuchten Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB ausgegangen und hat dessen Strafrahmen gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB noch einmal gemildert. Im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles hat sie insbesondere zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und der Angeklagte mehrfach versucht habe, die von dem Nebenkläger ausgehende Gefahr durch normgerechtes Verhalten abzuwenden. Weiter hat sie ihm zugutegehalten, dass er die Tat in einer Notwehrsituation mit Verteidigungswillen begangen habe und sein Handeln deutlich affektiv geprägt gewesen sei. Aufgrund seiner furchtsamen Persönlichkeit habe sich der Angeklagte über das Normale hinaus bedrängt gefühlt und geängstigt. Dies habe seine überschießende Reaktion wesentlich mitveranlasst, auch wenn nicht das nach § 33 StGB erforderliche Maß erreicht worden sei. Bereits ohne Hinzuziehen des Aspekts des Versuchs sei daher eine Einordnung als minder schwerer Fall des Totschlags gerechtfertigt. Der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs rechtfertige es, den Strafrahmen des § 213 StGB "wegen der vorgenannten näheren Tatumstände erneut zu mildern". Dabei hätten "nach einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Angeklagten insbesondere die der Tat vorangegangene Misshandlung des Angeklagten und die Notwehrlage den Ausschlag" gegeben (UA S. 33).
II.
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Der Schuldspruch hat keinen Bestand.
1. Die Prüfung der Notwehr geht nicht von zutreffenden rechtlichen Maßstäben aus; die Feststellungen weisen Lücken auf.
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148, und vom 1. Juli 2014 – 5 StR 134/14, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 22 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 – 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027, und vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 5. November 1982 – 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117; vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106, und vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen (BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 f., und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschlüsse vom 11. August 2010 – 1 StR 351/10, NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106).
b) Gemessen hieran waren die Stiche, die der Angeklagte dem Neben-kläger versetzte, während dieser den Kopf des Angeklagten unter starkem Druck gegen das Glas des Küchenfensters presste, durch Notwehr gerechtfertigt.
Angesichts der Unkalkulierbarkeit des Risikos einer ungeeigneten Verteidigungshandlung durften an die vom Angeklagten in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung über eine vorherige Androhung des Messereinsatzes oder eine weniger gefährliche Stichführung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Das Landgericht hat schon nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte mit seinem "panischen" Umsichschlagen zunächst tatsächlich eine den Nebenkläger weniger gefährdende Abwehrhandlung vorgenommen hatte, die aber erfolglos blieb. Sie veranlasste den Nebenkläger vielmehr, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken. Aufgrund dessen befand sich der Angeklagte in einer höchst bedrängten Lage; eine weitere Eskalation des Geschehens war auch unter Berücksichtigung des Vorgeschehens bei einer erneut ungeeigneten Verteidigungshandlung objektiv zu befürchten. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, mit dem Messer zu drohen oder zunächst in weniger sensible Körperbereiche des Nebenklägers zu stechen, wird dieser Situation nicht gerecht.
Das Landgericht hat diese Annahme darauf gestützt, dass der Nebenkläger schon zweimal ohne Gegenwehr des Angeklagten von ihm abgelassen habe; außerdem habe der Nebenkläger gewusst, dass jederzeit mit dem Ein-treffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, was ihn von einem Entwinden des Messers und dessen Einsatz gegen den Angeklagten abgehalten hätte (UA S. 28). Hierbei lässt das Landgericht außer Acht, dass die Information über die Verständigung der Polizei den Nebenkläger zuvor schon nicht abgeschreckt hatte, den Angeklagten weiter anzugreifen, sondern seine Aggression erkennbar noch gesteigert hatte. Auch das Umsichschlagen des Angeklagten hatte diese Wirkung gehabt. In dieser Lage war es für den Angeklagten höchst zweifelhaft, ob das Androhen des Messereinsatzes oder Stiche in weniger sensible Körperbereiche zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führen würden.
c) Trotz Fortbestehens der Notwehrlage war allerdings eine Entspannung der Bedrängnis des Angeklagten eingetreten, nachdem der Nebenkläger nach den ersten Stichen den Kopf des Angeklagten losgelassen hatte und (nur) noch auf den Hals- und Schulterbereich des Angeklagten einschlug. Es wäre deshalb zu prüfen gewesen, ob das weiterhin "ohne Unterlass" erfolgende, ungezielte Einstechen des Angeklagten auf den Nebenkläger auch in dieser Situation noch durch Notwehr gerechtfertigt war.
Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht hinreichend entnehmen, wie sich die "Kampflage" in dieser Phase des Geschehens objektiv darstellte. Diese ist aber bestimmend für die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung; ihre Beurteilung muss – wie dargelegt – auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung erfolgen. Aus dem Urteil lässt sich weder ersehen, wie stark und wie gefährlich die von dem Nebenkläger ausgeführten Schläge waren, noch verhält es sich zum Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Es ist auch nicht ersichtlich, ob der Nebenkläger in diesem Zeitpunkt bereits Verletzungen erlitten hatte, die ihn geschwächt hatten. Die bisherigen Feststellungen sind damit lückenhaft und ermöglichen keine zuverlässigen Rückschlüsse, ob dem Angeklagten in dieser Phase des Geschehens mildere Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
d) Nach den Feststellungen beendete der Angeklagte seine Stiche sofort, nachdem der Nebenkläger aufgehört hatte, ihn zu schlagen (UA S. 9, 30), also mit Beendigung der Notwehrlage.
e) Ohne Zweifel nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt ist das Schütteln des am Boden liegenden Nebenklägers, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Ob darin jedoch eine Körperverletzung, gegebenenfalls sogar mittels einer lebensgefährdenden Behandlung, zu sehen ist, kann den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnommen werden. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Nebenkläger in diesem Zusammenhang Verletzungen oder Schmerzen erlitt.
2. Die Verneinung eines vom Landgericht konsequenterweise geprüften strafbefreienden Rücktritts ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Schwurgerichtskammer geht von einem beendeten Versuch aus, so dass für einen strafbefreienden Rücktritt durch Ablassen von weiteren Angriffen kein Raum gewesen sei. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan zu haben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1960 – 4 StR 501/59, BGHSt 14, 75, 79). Unbeendet ist der Versuch, wenn er glaubt, zur Vollendung des Tatbestands bedürfe es noch weiteren Handelns. Für die Abgrenzung kommt es dabei auf die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175, und vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227).
b) Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts des Angeklagten ist also der Augenblick, in dem er aufhörte, auf den Nebenkläger einzustechen. Dies geschah, nachdem der Angeklagte bemerkt hatte, dass der Nebenkläger sich ohne weiteren Widerstand zurückschieben ließ. Aus den Feststellungen (UA S. 9) und der Beweiswürdigung (UA S. 22) ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte schon in diesem Zeitpunkt davon ausging, den Nebenkläger getötet zu haben. Vielmehr legen sie nahe, dass der Angeklagte diese Vorstellung erst entwickelte, als der Nebenkläger zu Fall kam. In diesem Zeitpunkt waren seine Messerangriffe jedoch bereits beendet.
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Der Strafausspruch hält im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, dass die Schwurgerichtskammer den Strafrahmen des § 213 StGB im Hinblick auf den vertypten Milderungsgrund des Versuchs erneut gemildert hat. Die Begründung der Milderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lasse nicht erkennen, dass bei der gebotenen Gesamtschau gerade den wesentlich versuchsbezogenen Umständen das ihnen zukommende besondere Gewicht bei der Ermessensausübung beigemessen worden sei. Vielmehr habe die Strafkammer bei der Prüfung der Strafrahmenverschiebung ihre zuvor zur Begründung eines sonstigen minder schweren Falls nach § 213 2. Alt. StGB angestellten Erwägungen noch einmal wiederholt.
Der Senat versteht die entsprechende – oben (I.2) wiedergegebene – Urteilspassage lediglich als zusätzliche Begründung dafür, weshalb der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs nicht bereits bei der Begründung des minder schweren Falls "verbraucht" war und eine weitere Strafmilderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erfolgen konnte. Dass der Strafkammer dabei die Lebensgefährlichkeit des Vorgehens des Angeklagten aus dem Blick geraten sein könnte, erscheint bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe ausgeschlossen. Das Landgericht hat die Stichverletzungen des Angeklagten im Einzelnen dargelegt (UA S. 10); nach seinen Feststellungen befand sich der Nebenkläger allerdings aufgrund rascher medizinischer Versorgung zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Mit einer zeitnahen medizinischen Versorgung des Nebenklägers durfte auch der Angeklagte rechnen, da er bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen wiederholt die Polizei verständigt hatte, deren Eintreffen jederzeit zu erwarten war (UA S. 28).
b) Die Staatsanwaltschaft weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob der Strafzumessung der gegenüber § 213 StGB strengere Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen war. Der Senat vermag jedoch auszuschließen, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Selbst wenn die Strafkammer – was unter Berücksichtigung ihrer Strafzumessungserwägungen eher fern liegt – einen min-der schweren Fall des § 224 StGB abgelehnt hätte, wäre angesichts der Vielzahl der für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Milderungsgründe nicht davon auszugehen, dass sie zur Verhängung einer höheren Strafe gelangt wäre.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke