Entscheidungsdatum: 04.07.2018
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 30. August 2017 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass seine Schuld besonders schwer wiegt. Hiergegen richtet sich die mit Verfahrensrügen und der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Sie bleibt ohne Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vergewaltigte der damals 32-jährige Angeklagte in den Nachtstunden des 9. April 1987 die ihm zuvor unbekannte 18-jährige H. W. in einem Waldstück bei P. . H. W. war auf dem Heimweg von einer Freundin. Der Angeklagte nahm an seinem Opfer nach Anwendung von Gewalt bzw. Drohung mit erheblicher Gewaltanwendung mehraktige sexuelle Handlungen vor, bei denen er es sowohl in Bauch- als auch in Rückenlage auf den Waldboden brachte. Zur Gefügigmachung würgte der Angeklagte H. W. mindestens mit einem kräftigen Griff und penetrierte sie anschließend in roher Art vaginal und anal, wodurch sie erhebliche Verletzungen an Scheide und After erlitt. In diesem Zusammenhang knebelte der Angeklagte sein Opfer mit dem zuvor vom Körper gerissenen Slip, was zu Verletzungen an den Lippen, der Zunge und im Mund führte. Anschließend tötete der Angeklagte H. W. , um als Täter des vorangegangenen Delikts unerkannt zu bleiben. Dazu benutzte er den zuvor gewaltsam abgerissenen BH als Drosselwerkzeug. Er legte den verdrillten BH um den Hals, verschränkte ihn und zog ihn mit Griff im Trägerbereich mit erheblicher Komprimierungswirkung zu. Anschließend verknotete er ihn an der linken Halsseite zweifach. Danach setzte er mithilfe eines vom Moped des Opfers entfernten Gepäckhaltergummis sein Drosseln fort. Diese Drosselvorgänge wurden mit erheblicher Kraft durchgeführt, der Halsumfang damit von 29 cm auf 23 cm komprimiert. H. W. erstickte, wobei ihr Tod verzögert und nicht abrupt eintrat. Schließlich platzierte der Angeklagte im Scheideneingang der Leiche ein 1-Mark-Stück.
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des bestreitenden Angeklagten insbesondere auf eine DNA-Spur des Angeklagten gestützt, die sich am BH der Ermordeten an der Stelle fand, die beim Zuziehen besonders intensiv gegriffen werden musste (Innenbereich des ersten Knotens). Mit sachverständiger Hilfe hat die Schwurgerichtskammer die Wahrscheinlichkeit, dass die gefundene DNA dem Angeklagten zuzuordnen ist, mit 1:510 Billionen bestimmt und zugleich eine Sekundärübertragung oder Kontamination ausgeschlossen. Neben dieser Spur hat das Landgericht als belastende Indizien gewertet, dass der Angeklagte im Juni 1989 und im Juni 1992 zweimal wegen Gewalt gegen Frauen in Zusammenhang mit Sexualkontakten straffällig geworden war, wobei er jeweils die Frauen ganz erheblich gewürgt hatte. Mit geringerem Gewicht hat das Landgericht berücksichtigt, dass es beim Angeklagten nach den Angaben seiner früheren Ehefrau im Frühjahr 1987 zu einer erheblichen Verhaltensänderung gekommen war („regelrechter Bruch“ in ihrem Zusammenleben), dass er zur Tatzeit etwa drei Kilometer Luftlinie vom Tatort entfernt gewohnt und deshalb die Umgebung des Tatorts, ein abgelegenes Waldstück, gekannt habe und dass er wenige Tage nach der nachts bei nasser Witterung und unter 10 Grad Celsius begangenen Tat vier Tage lang wegen einer „Grippeerkrankung“ krankgeschrieben gewesen sei. Die Art und Weise der Tatbegehung hat das Landgericht aus den Feststellungen zum Spurenbild sowie den Folgerungen der sachverständigen Rechtsmediziner abgeleitet und hieraus auf Tötungsvorsatz und -motiv geschlossen. Umstände, die gegen die Täterschaft des Angeklagten und für einen Alternativtäter sprechen, konnte das Landgericht nicht feststellen.
3. Die Schwurgerichtskammer hat die Tat des Angeklagten rechtlich als Mord gewürdigt, und zwar sowohl als Verdeckungsmord nach § 211 StGB als auch als Mord nach dem zur Tatzeit am Tatort geltenden § 112 Abs. 1 StGB-DDR. Da § 112 Abs. 1 StGB-DDR in diesem Fall Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Freiheitsstrafe vorsah, § 211 StGB aber zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe, hat das Landgericht als milderes Recht das DDR-Recht angewandt.
Innerhalb dieses Strafrahmens hat es unter Anwendung der Grundsätze des § 61 StGB-DDR straferschwerend das brutale Vorgehen des Angeklagten durch Vornahme zweier Drosselhandlungen mit erheblichem Kraftaufwand, das Zufügen besonderer Qualen für das Opfer, weil der Tod erst verzögert nach einem vergeblichen Todeskampf von nicht unerheblicher Dauer eintrat, und das Tatmotiv der Verdeckungsabsicht angelastet. Zu Gunsten des Angeklagten hat das Schwurgericht den beträchtlichen Zeitraum von ca. 30 Jahren zwischen Tatbegehung und Aburteilung, die krankheitsbedingte besondere Haftempfindlichkeit des Angeklagten und einen Härteausgleich mit einer inzwischen vollstreckten, an sich gesamtstrafenfähigen Freiheitsstrafe eingestellt. Aufgrund einer Gesamtschau hat es in Abwägung dieser Umstände auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
Schließlich hat das Landgericht festgestellt, dass die Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB besonders schwer wiegt. Diese Norm finde gemäß Art. 315 Abs. 3 EGStGB Anwendung, weil nach dem StGB-DDR eine Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe nicht möglich gewesen sei (§ 45 StGB-DDR). Hierbei hat es im Rahmen einer Gesamtwürdigung vor allen Dingen auf die erheblich schulderhöhende Vergewaltigung, die besonders drastische Tatbegehung und die mit der Platzierung des Geldstücks einhergehende Verhöhnung des Opfers abgestellt, die eine menschenverachtende Gesinnung offenbare. Demgegenüber hat es den bei der Strafzumessung genannten Strafmilderungsgründen, auf die es Bezug genommen hat, insgesamt nur eine nachrangige Bedeutung zugemessen.
II.
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Ein Verfahrenshindernis wegen etwaiger Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten bestand und besteht nicht.
a) Verhandlungsfähigkeit im strafprozessualen Sinne bedeutet, dass der Angeklagte in der Lage sein muss, seine Interessen in und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen (sog. Verteidigungsfähigkeit, vgl. Widmaier, NStZ 1995, 361). Dies bedeutet aber nicht, dass der Angeklagte auch tatsächlich fähig sein muss, die ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrechte in jeder Hinsicht selbständig und ohne fremden Beistand wahrzunehmen. Auch bei solchen Angeklagten, deren geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eingeschränkt ist, muss die Schuld- und Straffrage in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren geklärt und entschieden werden können. Danach liegt Verhandlungsunfähigkeit bei solchen Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen für den Beschuldigten hinreichend ausgeglichen werden können. Die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit ist erst dann überschritten, wenn dem Angeklagten auch bei Inanspruchnahme solcher verfahrensrechtlicher Hilfen eine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung und eine sachgerechte Wahrnehmung der von ihm persönlich auszuübenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist (BVerfG, NStZ 1995, 391, 392).
Für die Verhandlungsfähigkeit im Revisionsverfahren reicht es aus, dass der Beschwerdeführer mindestens zeitweilig zu einer Grundübereinkunft mit seinem Verteidiger über die Fortführung oder Rücknahme des Rechtsmittels in der Lage ist und diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Entscheidung vorlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2016 – 4 StR 527/16; Urteil vom 10. März 1995 – 5 StR 434/94, BGHSt 41, 72, 74).
b) Nach diesen Maßstäben war und ist der Angeklagte verhandlungsfähig.
Der Senat hat aufgrund des im Urteil des Landgerichts ausführlich geschilderten Krankheitsbildes und der dort erhobenen Befunde keinen Anlass, an der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu zweifeln. Der Angeklagte hat zwar im Jahr 2012 vor dem Hintergrund von durch vieljährige alkohol-toxische Beeinträchtigung bereits vorgeschädigten Hirnleistungen einen Schlaganfall erlitten und ist im Sprachverständnis sowie in der verbalen Ausdrucksmöglichkeit gestört. In seinem Alltag kommt er aber mit Hilfe seiner Lebensgefährtin zurecht, studiert Programmzeitschriften, sieht verschiedene ausgewählte Programme und nutzt einen internetfähigen Rechner, auch zum Herunterladen von Dateien und zum Spielen. Allgemeine Auffassungsgabe, Orientierung und das Lang- und Kurzzeitgedächtnis sind nach Auffassung des hierzu gehörten Sachverständigen als grundsätzlich intakt zu bewerten, allerdings zeitlich eingeschränkt infolge des Störungsbildes. Trotz der sprachlichen Defizite ist nach Angabe des medizinischen Sachverständigen eine substantielle Kommunikation mit dem Angeklagten durchaus möglich. Im Rahmen der Exploration habe er sich auch mit dem Tatvorwurf inhaltlich auseinandersetzen können. Sein Schachspielen mit einem Nachbarn belege, dass er grundsätzlich auch zu höheren Hirnleistungen fähig sei. Diese gutachterliche Einschätzung hat die Schwurgerichtskammer durch die Verhaltensbeobachtung des Angeklagten in der Hauptverhandlung bestätigt gefunden.
Angesichts der umfangreichen und ausführlichen, mit sachverständiger Hilfe getroffenen und zeitnahen Feststellungen der Schwurgerichtskammer sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 31. Januar 2016 sowie der Mitteilung der Justizvollzugsanstalt Z. vom 14. Juni 2018 keinen Anlass, diese Frage noch weiter freibeweislich zu klären.
2. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Rüge, das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen sei zu Unrecht verworfen worden (vgl. § 74 StPO), jedenfalls auch unbegründet ist.
3. Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Seine tatsächlichen Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Zu seiner Überzeugungsbildung kann es auch allein ein einziges Beweisanzeichen wie etwa einen Fingerabdruck oder eine DNA-Spur heranziehen (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420; vom 1. Oktober 2013 – 1 StR 403/13, NStZ 2014, 475, und vom 11. Juni 1952 – 3 StR 229/52). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 – 1 StR 403/13 aaO mwN).
b) Gemessen hieran sind Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung nicht ersichtlich. Das Schwurgericht hat sich seine Überzeugung auf tragfähiger Grundlage gebildet und alternative Geschehensabläufe hinreichend ausgeschlossen. Die sorgfältige Beweiswürdigung wird den mit dem Zeitablauf von fast 30 Jahren einhergehenden Besonderheiten gerecht.
4. Die Feststellungen tragen den Schuld- und Strafausspruch.
a) Bei der Frage des anwendbaren Rechts gilt nach Art. 315 Abs. 1 EGStGB das Meistbegünstigungsprinzip aus § 2 Abs. 3 StGB (vgl. hierzu auch Dannecker, LK, 12. Aufl., § 2 Rn. 105 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei anhand des konkreten Falls ein Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1991 – 5 StR 523/90, BGHSt 37, 320). Die Prüfung findet dabei nicht bei jedem Schritt der Rechtsfindung gesondert statt, sondern es gilt der Grundsatz strikter Alternativität der zwei nebeneinanderstehenden Regelungen (BGH aaO und Urteil vom 3. Juli 1991 – 5 StR 209/91, BGHSt 38, 18). Dies erfordert, dass der festgestellte Sachverhalt unter das alte und das neue Recht subsumiert und anschließend geprüft wird, welches Recht insgesamt milder ist (konkrete Betrachtungsweise, vgl. Dannecker aaO Rn. 106 ff. mwN).
b) Bei der danach gebotenen Prüfung ist die Schwurgerichtskammer ohne Rechtsfehler (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 f.) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte sowohl nach dem zur Tatzeit geltenden § 112 StGB-DDR als auch nach § 211 StGB mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen ist.
5. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht auch § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB angewendet und rechtsfehlerfrei eine besondere Schuldschwere bejaht.
a) Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist systematisch kein Teil der Entscheidung zu Schuld- und Strafausspruch. Sie ist vielmehr eine Entscheidung für das Vollstreckungsverfahren, die das Bundesverfassungsgericht aus diesem herausgelöst und dem Tatgericht übertragen hat. Sie dient nicht der Bemessung der Sanktion, sondern der Vorbereitung einer Entscheidung über die Aussetzung ihrer weiteren Vollstreckung. Diese Entscheidung obliegt dem Vollstreckungsgericht; es hat – neben den sonstigen Voraussetzungen – zu prüfen, ob die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Nur um sie vorzubereiten, hat das Tatgericht schon im Urteil die Umstände aufzuführen, die eine Beurteilung der Schuldschwere ermöglichen; es hat diese Umstände abzuwägen, zu gewichten und danach zu entscheiden, ob die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt. Bejaht das Tatgericht das, so ist damit weder eine Aussage getroffen, ob später die Strafe länger als 15 Jahre vollstreckt noch – falls das Vollstreckungsgericht längere Vollstreckung für geboten erachtet –, wie lange die weitere Verbüßung dauern wird. Die Tätigkeit des Tatrichters beschränkt sich darauf, dem Vollstreckungsgericht die Anordnung längerer Vollstreckung aus dem Grund besonderer Schuldschwere zu ermöglichen, und sie liefert ihm, wenn es von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, die Grundlage, die es braucht, um die Verlängerung der Vollstreckung unter diesem Gesichtspunkt zeitlich zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 366 f.).
b) Es kann dahinstehen, ob aufgrund dieses Charakters § 57a StGB auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden ist, oder die Regelung des § 2 StGB insofern Anwendung findet (vgl. hierzu Dannecker aaO Rn. 104). Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob sich dies daraus ergibt, dass § 2 StGB auf eine Rechtsfolgenentscheidung insgesamt (also einschließlich § 57a StGB) oder – wovon die Strafkammer ausgegangen ist – allein (mangels einer entsprechenden Vorschrift im StGB-DDR) als das mildere Recht anzuwenden ist. Zu beachtendes milderes Zwischenrecht (vgl. Dannecker aaO Rn. 116) galt insoweit nicht, so dass jedenfalls im Ergebnis § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB anzuwenden war und ist (vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. Januar 2006 – 1 Ws 186/05, OLG-NL 2006, 118; ferner BVerfG, NJ 1995, 198 m. Anm. Lemke).
c) Bei der insoweit gebotenen Prüfung der besonderen Schuldschwere hat das Tatgericht ohne Bindung an begriffliche Vorgaben die schuldrelevanten Umstände zu ermitteln und zu gewichten. Alsdann hat er im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die Schuld daraufhin zu bewerten, ob sie nach seiner Auffassung besonders schwer ist. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld kann dabei nur dann in Betracht kommen, wenn Umstände vorliegen, die Gewicht haben. Nur dies wird der nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu treffenden Entscheidung gerecht, die die Möglichkeit eines fünfzehn Jahre überschreitenden Freiheitsentzuges eröffnet. Solche Umstände können beispielsweise eine besondere Verwerflichkeit der Tatausführung oder der Motive, mehrere Opfer bei einer Tat, die Begehung mehrerer Mordtaten oder – im oder ohne Zusammenhang mit dem Mord begangene – weitere schwere Straftaten sein. Hierbei ist jedoch stets zu bedenken, dass solche Umstände nicht ohne weiteres, sondern nur im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung zur Bejahung der besonderen Schwere der Schuld führen können. Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der Entscheidung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat, darf aber nicht seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (BGH aaO S. 370).
d) Diesen Vorgaben werden die Ausführungen des Schwurgerichts gerecht. Es hat bei der Feststellung der besonderen Schuldschwere insbesondere die besondere Verwerflichkeit der konkreten Tatausführung in den Blick genommen, aber auch den langen Zeitablauf und die aufgrund seiner Krankheit besondere Haftempfindlichkeit des Angeklagten berücksichtigt. Das Ergebnis seiner Wertung ist angesichts der eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht hinzunehmen.
6. Die Schwurgerichtskammer hat rechtsfehlerfrei auch einen Härteausgleich dafür abgelehnt, dass infolge zwischenzeitlichen Straferlasses nach Teilvollstreckung keine Gesamtstrafe mit an sich gesamtstrafenfähigen Verurteilungen zu neun Monaten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Kreisgerichts Plauen vom 21. Juli 1989 (Tatzeit 16. Dezember 1988) und zu zwei Jahren aus dem Urteil des Kreisgerichts Plauen vom 7. September 1989 (Tatzeit der dort mit ausgeurteilten sexuellen Nötigung 8. Juni 1989) gebildet werden kann. Aus den Strafen der beiden genannten Urteile wurde durch Beschluss des Kreisgerichts Plauen vom 13. Oktober 1989 eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gebildet, wobei sich der Strafausspruch des zweiten einbezogenen Urteils zusätzlich auf die unbefugte Benutzung von Fahrzeugen und einen weiteren nicht eintragungsfähigen Schuldspruch bezog. Aufgrund Amnestie wurde die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und acht Monate reduziert, der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt und schließlich erlassen. Schon im Hinblick hierauf war das Landgericht zur Gewährung eines Härteausgleichs aus Rechtsgründen nicht verpflichtet. Im Übrigen kann die Unmöglichkeit der Gesamtstrafenbildung mit an sich gesamtstrafenfähigen Strafen im Vollstreckungsverfahren bei der Festsetzung der Mindestverbüßungszeit der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) ausgeglichen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 4 StR 358/08, NStZ-RR 2009, 104; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – 5 StR 433/09, BGHSt 54, 259, 261).
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